fr. 186-1918
Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Die widerspenstige Zunge.
Nehmen Sie gefälligst Plag. Dauert nicht lange. Fünf Minuten." Mit diesen Worten empfing mein Barbier, der Stephan Mraziczewsky heißt und aus Bromberg stammt, den Gast, der nach mir in die Stube trat. Ich wartete bereits eine gute Viertelstunde, und es waren noch ein Feldgrauer und zwei Herren vor mir; alle aber wünschten nur rasiert zu werden.
,, Vonwegen fünf Minuten," sagte der Neuankömmling. Die janze Stube voll, und nur fünf Minuten. Na, aber ich habe Zeit. Ich komme gerade vom Arzt. Er hat mich frant geschrieben. Sie müssen mich noch mal rasieren, bevor ich sterbe." Er hängte seinen Hut an einen Haken und setzte sich bedächtig auf einen alters schwachen Stuhl. Nur der war noch frei.
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Werden Sie doch nicht gleich sterben," sagte der Barbier, der fein Messer abzog.
„ Wenn ich mich erst so richtig ins Bette pace, dauert's nicht Iange, und ich bin ab. Gesagt hat er mir, ich brauche Bettruhe. Aber ich bin nicht for's Liegen. Und für meine Madame wär das schon jar nischt, wenn ich mich hinlegen würde. Ich sterbe im Stehn, wenn's soweit ist. Wenn Sie mich aber lieber als Toten rafieren wollen, dann geh ich wieder. Drei Mark würde Ihnen meine Frau schon dafor geben."
Er blidte zur Dede hinauf und rieb sich heftig das schwarzborstige Kinn.
Könnte sie mir noch so viel geben, rafier ich Toten nicht." Manu! Warum nicht? Wenn ich Barbier wär, möcht' ich nur Verstorbene rasieren. Das bringt doch was ein. Sie haben wohl Angst vor einer Leiche, Sie- Hosenmaz hätt ich bald gesagt. Mich würden Sie also nicht rasteren, wenn ich tot wär, wo Sie doch schon seit Jahren die Ehre haben, mich zu fennen?" Ich steckte das Buch, darin ich, um mir die Zeit des Wartens zu vertreiben, gelesen hatte, in die Tasche und begann mich zu
amüsieren.
Nein," sagte der Barbier und schüttelte feinen grauen Kopf. „ Sie auch nicht. Rasier ich Toten für alles in der Welt nicht. Habe ich seit meine Lehrzeit keinen mehr rafiert."
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dem Messer hatte."
und wir lachten mit.
Seit Ihrer Lehrzeit," fragte verwundert der Gast, den er unter " Ja. Ist das schon ganze Ede her. Hab' ich nur einmal Toten rafiert und nie wieder." " Der wollte Sie wohl beißen," fiel der Feldgraue lachend ein, " Beinahe", antwortete der Barbier. Und nun lachten wir erst recht. „ Sie wollen uns wohl' n Bären aufbinden, Sie alte Märchen tante", brummte der Mann, der noch ein Mal vor seinem Tod rafiert sein wollte. Vor acht Tagen haben Sie hier noch so' ne unwahrscheinliche Dper erzählt. Von een Heiligen, den sie in Prag ins Wasser geworfen haben und der nicht untergegangen ist, trotzdem sie ihm' n Mühlenstein an's Been gebunden hatten. If wahre Geschichte, die ich erzählt habe," ereiferte sich der Barbier und flatschte mit Wucht ein Klümpchen abgeschabten Seifenschaums in einen Eimer." Tod von heilige Nepomul. Ji teine Märchen. Haben Sie Ahnung!"
voll ist.
Tagtäglich rennt" mein Barbier zur Morgenandacht. Er ist sehr fromm, und gern erzählt er im Tone eines Predigers von den Wundern und Legenden, deren die Geschichte seines Glaubens „ Aber wie war das mit dem Toten, der Sie hat beißen wollen", fragte der franke Gast. Ist das ooch' n heiliger gewesen?" Nein. War das nur ein Handwerker, Spieler und Sauftopf. Schlechte Kerl gewesen. Größte Radaubruber in ganze Stadt. If er schließlich so auf Hund gekommen, daß er sich eines Tags auf Boden erhängt hat." , und den haben Sie wohl rafieren müssen? Ja." Ich wollte lächeln, hielt aber inne, betroffen von dem ungewöhnlichen Ausdruck in meinem Gesicht, das ich wie von ungefähr in dem Spiegel gegenüber erblickte. Wie ich in Stube fomme," erzählte nun der Barbier, wo der Tote liegt, bindet ihm seine Frau gerade Tuch ab von Mund. War mir bißchen bange, bin ich doch noch junge Kerl gewesen, hab' mir aber weiter nichts Böses gedacht. Wie ich aber anfange, den Toten einzuseifen, springt ihm Zunge aus dem Mund Meter lang."
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"
Uns allen plagte ein lautes Lachen aus dem Munde.
ein
Der
Schweigend begrüßte er alle und setzte sich in eine Ecke auf ein rotes, von einer großen Fächerpalme überschattetes Sofa.
,, Wozu streiten, man kann alles ruhig besprechen," sprach langsam Grünspan; er ging, ein Samtkäppchen auf den graumelierten Haaren, im Zimmer auf und ab.
Ein langer Bart umrahmte das weiße, fette Gesicht mit den kleinen Augen, die fortwährend mit einer blitzartigen Geschwindigkeit von einem Gegenstand zum anderen flogen.
In der mit einem Siegelring geschmückten Hand hielt er eine Zigarre, machte selten einen Zug, schob dann die schwulstigen roten Lippen vor und beroch sie aufmerksam. Franz," rief er ins Vorzimmer, bringen Sie mir aus meinem Arbeitszimmer die Zigarrentiste; die da ist ganz feucht. Ich lege sie auf den Ofen, passen Sie auf, Franz, daß sie nicht verloren geht."
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Wenn sie nicht verloren gehen soll, dann wird sie auch nicht verloren gehen," brummte Franz.
" Was ist denn das für ein Fest hier?" wandte sich Morik an Felix Fischbein, der mit zur Familie gehörte; er saß auf einem Schaufelstuhl, Rauchwolten ausstoßend und sich eifrig schaukelnd.
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Groß- Familien- Pleiten- Fest," warf er hin.
Ich bin zu dir gekommen, Vater, daß du mir einen Rat gibst, ich habe alle aufgefordert, daß sie auch kommen, fie sollen sich's ansehen, sie sollen meinem Mann sagen, wenn er auf mich nicht hören will, daß wir alles verlieren, wenn er das Geschäft so weiter führen wird," begann energisch eine junge, stattliche, elegant gekleidete Brünette, die älteste Tochter Grünspans.
Wieviel habt ihr auf Lihatschewo?" warf kurz ein junger Student hin, mit einer ausgeprägt semitischen Nase und fast rotem Haar und Bart. Er faute an einem Bleistift. " Fünfzehntausend Rubel."
Wo sind die Wechsel?" fragte der Alte, mit der Uhrkette spielend, die über seinen dicken, von einer Samtweste umspannten Bauch hing; unter der Weste hervor flatterten zwei weiße Schnürc.
Sterbensfranke warf die Füße in die Höhe und klatschte sich bo Vergnügen auf die Schenkel.
"
Und darum also wollen Sie feinen Toten mehr rasiren!" Der Barbier nickte.
" Lustig list ja die Geschichte, aber- Sie sind bekannt dafür, daß Sie einem gerne die Hucke vollschwindeln." „ Gibt's gar nicht. Rede ich immer reine Wahrheit. Kann mir fein Mensch nicht nachsagen, daß ich lüge." " Und find Sie ausgerückt, als der Tote die Zunge rausgestreckt hat?"
Der Barbier hielt ein Weilchen in seiner Arbeit inne, wiegte seinen Oberkörper, lachte kurz auf und sagte schließlich:" Mir ist Schreck so in alle Glieder gefahren, daß ich ausgerückt bin, als ob ganze Hölle wär hinter mir her. Und wie ich nach Hause komme, ohne Hut, mit Seifnapf in Hand und bleich wie Tod, gibt mir Meister eine Backpfeife- war mir, als ob ich geweckt werde aus schrecklichem Traum."
Und was ist mit dem Toten geschehen?" fragte der Gast, der gerade erledigt worden war.
" Was soll geschehen sein mit ihm? haben sie ihm Seife und Rafierzeug in Garg gelegt und begraben. Soll er sich auf jüngste Tag, wenn aufersteht, selber rasieren."
"
Alter Quatschtopf!"
Der Nächste, bitte!"
J. A.
Wieviel Regen fällt in Deutschland ? Von Regen, Regen und abermals Regen wird aus allen deut schen Gauen berichtet. Der Himmel scheint das, was er in den Frühlingsmonaten versäumt hat, jezt in der Sommerzeit gründlich nachholen zu wollen, und viele Ferienreisende fürchten schon, es gäbe wieder einen verregneten Sommer, wie sie dieses Jahrhundert schon so zahlreich gebracht hat.
Dienstag, 9. Juli
Der Streit um Jslands Flagge.
Das Verhältnis Jslands zu Dänemark ist in der letzten Zeit öfter berührt worden in Meldungen, die von den Selbständigkeitsbestrebungen der Isländer sprachen und dabei betonten, daß der englische Ginfluß dahinter zu spüren wäre. Es ist richtig, daß England auch den Isländern gegenüber mit der nationalen Selbständigkeit" arbeitet, um seinen gewaltsam eingesezten und schon sehr starken Einfluß zu sichern; aber es benutzt hier sehr flug nur einen alten Wunsch der Bevölkerung; diese isländischen Bestrebungen reichen schon längere Zeit zurück und sie haben ihren Ausdruck in dem Kampf um die eigene Flagge gefunden, dessen nun schon 30jährige und merkwürdige Geschichte Frizz Mar Cahen im letzten Heft der Deutschen Politik" erzählt.
Schon im Jahre 1873 entstand in Island Unzufriedenheit mit dem alten isländischen Wappen, einem Bergfisch, mit Krone, silbern in rotem Feld. Ein neues Wappen, das der Kunstmaler Gudmunds son entworfen hatte, und das einen fliegenden Jslandfalten, filbern auf blauem Grund, darstellte, fand allgemeinen Beifall, so daß das neute inoffizielle Wappen vielfach als isländische Landesflagge benutzt wurde. Im Jahre 1884 reichte dann bas isländische Ver= fassungskomitee dem Altthing einen Vorschlag über eine eigene isländische Handelsflagge ein, der jedoch unerledigt blieb. 1897 wurde von dem Redakteur Benediktsson wieder eine neue Flagge vorgeschlagen; aber erst am 3. Oktober 1905 wurde vom dänischen König das neue Wappen anerkannt, das statt eines fliegenden einen ſizenden Silberfallen auf blauem Grund darstellte. Kurz darauf sette eine neue Agitation für die eigene isländische Handelsflagge ein. Am 22. November 1913 stellte der dänische König eine Resolution aus, die den Jeländern die Erlaubnis zur Führung einer eigenen Flagge innerhalb ihres Territoriums neben der dänischen Flagge gewährte. Die isländischen Wünsche gaben sich mit der Erlangung einer Lokalflagge nicht zufrieden, sondern wollten eine eigene bollgültige Nationalflagge als anerkanntes Zeichen einer be= fonderen Nationalität und einer Sonderstellung innerhalb der dänischen Monarchie. Das Verhältnis zwischen Dänemark und Island muß also in seiner Gesamtheit neu geregelt werden.
Wieviel Regen steht uns in Deutschland denn eigentlich zu? Denkt man sich allen Regen und alle anderen Niederschläge, die im Laufe eines Jahres auf die Erdoberfläche niederfallen, gesammelt, so ergäbe sich eine Wasserschicht von 91 Zentimeter Höhe. Deutsch land bleibt mit einem Durchschnitt von 71 Zentimeter jährlicher Praktisch hat Jsland während des Krieges eine Sonderstellung Regenhöhe hinter dieser Menge um eine Kleinigkeit zurüd. Die innerhalb des dänischen Staatsverbandes in einem gewissen Grade Wassermengen, die jährlich aus dem Himmel auf das deutsche Land erlangt, indem ein provisorisches Gesetz vom 24. Mai 1916 dem Miherniederfallen, würden ausreichen, ganz Mecklenburg- Schwerin nister für Jsland Vollmacht gab, Maßregeln über den Handel mit in einen See von beinahe 30 Metern Tiefe zu verwandeln oder einen Jsland zu treffen, die für notwendig erachtet werden, um die ZuSee von 100 Metern Tiefe zu bilden, der die siebenfache Ausdeh- fuhr von Waren zu sichern". So war die Grundlage für die isnung des Bodensees hätte. Je nach den Landesteilen ist aber die ländisch- englischen Unterhandlungen gegeben, die sich freilich von Regenmenge, auf die man zu rechnen hat, verschieden. Am größten ist sie in den Gebirgen; so erreicht sie in den südlichen Vogesen 2.10 Meter, und die höchste Erhebung Norddeutschlands, der Brocken, hat eine jährliche Regenhöhe von 1.70 Metern. Für das Riesen gebirge ist auf eine Regenhöhe von 1.30 Metern zu rechnen; Böhmerwald und Bayerischer Wald bleiben mit 1.20 Metern nur wenig dahinter zurück. Die sogenannten„ trockenen" Gegenden Deutschlands erreichen die Durchschnittshöhe von 71 Zentimetern im Jahre nicht; in vielen Gebieten östlich der Elbe fällt noch nicht einmal 60 Zentimeter Regen, an der unteren Saale und um Warthe und Weichsel.herum fallen weniger als 50 Bentimeter Regen. Das öftliche Bosen, das mittlere Westpreußen , der Unterlauf der Oder und das Gebiet westlich vom Harz und Rheinhessen haben sogar nur eine Regenhöhe von 40 Zentimetern.
englischer Seite wie gewöhnlich mit dem Prinzip des Ultimatums abwickelten. Englands Politik geht zielbewußt darauf aus, sich überall in den nördlichen Gewässern Stützpunkte zu schaffen; die Nachteile aber, die es für ein so kleines und in seiner wirtschaftlichen Widerstandskraft beschränktes Staatswesen wie Jeland hat, mit den Großen Kirschen zu essen, haben sich in den letzten zwei Jahren bereits deutlich gezeigt.
Notizen.
-Diegefährliche Irite. Carl Sternheims Erzählung Ulvike" ist durch die Leipziger Staatsanwaltschaft beschlagnahmit und gegen den Verfasser gleichzeitig ein Verfahren wegen Verbrei= tung unzüchtiger Schriften eingeleitet worden. So wenig uns. Diese kunde von Bedeutung ist, sagt einem gewöhnlichen Sterblichen aber für Freunde artistischer Wortwürste schwer verdauliche Arbeit zusagt, Die Regenhöhe, die als wissenschaftliche Maßzahl in der Wetter- manirierte, für einen Normaldeutschen kaum genießbare und auch wenig; ihm liegt viel mehr daran, zu erfahren, zu welcher Jahres- der Staatsanwalt scheint uns dabei ganz fehl am Orte zu sein. Carl zeit der meiste Regen fällt und wie lange bie einzelnen Regengüe Sternheim leistet hier schon von sich aus das mögliche, um sich selbst anhalten. Auch darüber vermag die Wetterkunde auf Grund lang zu verbieten. jähriger Beobachtungen Auskunft zu geben, Deutschland hat ein gut ausgeprägtes Sommermagimum der Niederschläge", fo fagt rufftiche realistische Maler Ilja Rje pin befindet sich, wie der Eines Künstlers Schrei nach Brot. Der groß die Wetterkunde. Jm allgemeinen nehmen( nach Gdardt) die Früh Voff. 8tg." über Stockholm gemeldet wird, in bitterster Not: Der jahrs- und Sommerregen landeinwärts zu, und zwar in nordwest- hochbetagte Stünstler, der sich in einem Häuschen an der russischTich- südöstlicher Richtung. In ganz Norddeutschland mit Ausnahme finnischen Grenze aufhält, ist buchstäblich in Gefahr, Hungers zu der Küste, in Mittel- und Süddeutschland ist der niederschlag
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reichste Monat der Juli; an der deutschen Nordseeküste fällt die sterben. Sollte das Mütterchen Rußland, das schwergebeugte, nicht größte Regenmenge im August, in Schleswig- Holstein fällt die regen- auch für diesen Sohn Brot und Hoffnung haben? reichste Beit in die Monate August, September und Oktober, im- Die„ Deutsche Dichter Gedächtnis- Stiftung" nördlichen Ostpreußen in den Oktober, im südlichen Ostpreußen in in Hamburg hat 1917 an Lazarette, Truppenteile und deutsche den August. Das kontinental gelegene Ostpreußen vom Bregel bis Kriegsgefangene im Auslande 194 967 Bücher berteilt; damit ist die zur russischen Grenze hat dagegen ebenso wie der Hauptteil Deutsch - Anzahl der Bücher, die sie seit Kriegsausbruch unentgeltlich verteilt lands im Juli die meisten Niederschläge. Was die Dauer der Regen- bat, auf 649 709 angewachsen. Im einzelnen haben vom Auguſt güsse angeht, so kann sie vom minutenlangen Plakvegen bis zum 1914 bis zum Ende 1917 Lazarette 124 434 Bücher erhalten; mit stundenlangen Dauerregen alle Stufen durchlaufen; in Mittel- dem Löwenanteil von 452 814 Büchern stehen Truppenteile und. deutschland muß man auf Regengüsse von 444 Stunden rechnen, in Wachtkommandos an der Spize; der Rest kommt auf die deutschen Kriegsgefangenen. Süddeutschland gibt es Regendauern von 6 Stunden.
,, Wo die Wechsel sind! Ueberall sind sie! Ich hab' mit| knöpfte seine Uniform auf der Brust auf und wollte unbedingt ihnen bei Großglück gezahlt, Ware hab' ich mit bezahlt, zu Worte kommen; aber niemand hörte auf ihn, alle sprachen Rolinsti hab' ich mit bezahlt für die letzten Arbeiten. Was und schrien durcheinander, bloß der alte Grünspan ging soll man da viel reden, jener hat Pleite gemacht, dann kommen schweigend umher und blickte verächtlich auf den Schwiegersie an mich wieder zurück, und wir müssen sie bezahlen. Ich sohn, der, auf die Ellenbogen gestützt, mit den Augen sich mit hab' sie giriert." Morih verständigte; dieser wartete ungeduldig auf den Schluß der Beratungen, musterte den Alten und überlegte, ob er ihm das Geschäft vorschlagen sollte oder nicht.
" Es wundert mich, Regina, es wundert mich sehr, daß du so klug bist und doch diese einfachen Sachen, auf die sich nicht nur der Handel, sondern auch das ganze Leben stützt, nicht verstehst..."
" Hör' doch mal zu, Vater! So red' er immer. Was foll das heißen? Das ist ein Geschäft! Das ist ein Stauf mann! Das ist ein anständiger Fabrikant, der sagt: ich bin Er hatte große Lust dazu, aber je länger er wartete, es schuldig und ich bezahle es'. So red' ein dummer Bauer, um so fühler wurde er, er besann sich, und eine gewisse under nichts von Geschäften versteht," schrie sie, und Tränen erklärliche Scham faßte ihn, als er an Karl und Mar dachte. traten ihr in die großen, dunkelolivfarbenen Augen, vor Uebrigens hatte er nicht den Mut, Grünspan Vertrauen zu Summer , Merger und Entrüstung. schenken. Er prüfte sein rundes, listiges Gesicht und die mit kleinen, umberflatternden Augen; cinem gewissen tarierenden Ausdruck musterten sie der Reihe nach alle Anwesenden, blieben auf der hellen Hose des im Fauteuil ausgestreckten Fischbein haften, schienen das Gewicht der goldenen hrkette Albert Großmanns einzuschäßen; endlich betasteten sie die dicke Brieftasche, in der Landau , ein alter Jude mit einem langen, rötlichen Bart und einem Seidenkäppchen, fieberhaft etwas suchte. Großmann saß jetzt mit zurückgeneigtem Haupt da und starrte in die Decke, als ob er den drohenden Lärm nicht beachtete, den seine Frau mit Hilfe der nächsten Verwandtschaft schlug; nur deshalb waren sie zufammengekommen, um ihn an der Einlösung der Wechsel zu verhindern und gewissermaßen zu einer Pleite zu zwingen.
" Ich verstehe es, ich verstehe es nur zu gut, bloß fann ich es nicht verstehen, warum du die fünfzehntausend Rubel zahlen willst, Albert."
,, Weil ich sie schuldig bin," flüsterte er und senkte das blaffe, müde Gesicht auf die Brust. Ein eigentümlich ironisches, trauriges Lächeln huschte über die schmalen Lippen.
,, Er bleibt dabei! Du nahmst rohe Ware auf Kredit, bist schuldig, gut; aber du gabst doch auch Ware auf Kredit und andere sind dir schuldig, und wenn die dir nichts zahlen, wenn sie Pleite machen, was sollst du da anfangen? Dann mußt du wohl zahlen? Du sollst also deshalb verlieren, weil Frumkin was verdienen will, was?" schrie fie, ganz rot im Gesicht.
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"
Unfähiger Krüppel!"
Ae großer Kaufmann. Aj! Aj!"
„ Du sollst akkordieren, du sollst dabei verdienen fünfzig Regina hat recht!"
Prozent!"
" Spiel dich nicht mit der dummen Auständigkeit auf, hier handelt sich's um schweres Geld."
Alle schrien auf einmal, mit den Händen umherfuchtelnd. Ruhig, Juden!" warf nachlässig Felusch Fischbein hin, auf dem Stuhle schaukelnd.
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" Zahlen! Zahlen! Das kann jeder Dummkopf, jeder Pole tann das auch. Große Kunst!"
,, Aber laßt uns doch zu einer Verständigung fommen, meine Herrschaften!" überschrie alle Sigismund Grünspan Sohn, der Student. Er klopfte mit dem Messer ans Glas,
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Nein, immer weniger Vertrauen hatte Morig zu Grünspan. Sch! sch! Herrschaften, wollen wir jetzt Tee trinken," rief dieser, als das Mädchen mit dem siedenden Samowar erschien. Bitten Sie das gnädige Fräulein Mela herein", warf er hochmütig Franz zu.
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Es wurde etwas ruhiger.
Mela erschien, nickte allen mit dem Kopf zu und schenkte den Tee ein.
„ Ich werde noch krant von all dem, das Herz schmerzt mich schon, und da hat man noch keinen Augenblick Ruh'," flüsterte Regina, die verweinten Augen trocknend.
" Fährst ja jedes Jahr sowieso nach Ostende , jekt wirst du wenigstens einen Grund haben."
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Großmann, red' du nicht so, das ist mein Kind!" rief Grünspan energisch.
Du hast mich nicht begrüßt, Mela." flüsterte Moriz, neben der jüngsten Tochter der Firma Grünspan& Landsberg Platz nehmend. Corts. folgt.)