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fr. 188

- 1918

Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Der Wanderzirkus.

Von Paul Elmer( Berlin  ).

3hr gilt morgens und abends mein erster und mein letzter Blid. Gerade über dem saftigen Grün dort zwischen den eng­geschmiegten beiden Kirchtürmen taucht der Sonne blutroter Ball erlöschend in den Horizont.

Donnerstag, 11. Juli

ihr vom Hochverehrliches Bublifum, daß hier im Zeltzirkus die gannen die italienischen Staaten, ihrem Beispiel zu folgen. Gleich Kunstwiege der meisten Berühmtheiten der Manege stand? Die auf im Beginn dieser Entwicklung einer eigentlichen Diplomatie er­der Galerie und auf der anderen billigen Plätzen wissen es. Die eignete sich ein Attentat auf einen Gesandten, das berühmt gewor haben einen scharfen Blick für Kraftleistungen auf dem gelben den ist. Der Venezianer Dandolo  , der 1171 als Gesandter nach Bor meinem Hause prangt eine grüne, faftige Wiefe. Rings Sande.. Ein bitterhartes Ringen ist es um Brot und Nubm. Byzanz an den Hof des Kaisers Manuel gegangen war, wurde, als herum ist ein grauer, berwitterter Zaun. Borstadtluft meht. Die Bis irgend ein fixer Agent die Sterne entdeckt und von er die Rückgabe geraubter Schiffe und Bürger forderte, an ein Mietstafernen stehen nicht mehr erstickend Mauer an Mauer. Hier der Landstraße auf die Weltbühnen entführt. Oft freilich auch Feuerbecken gestellt, so daß er fast völlig geblendet wurde. Jm 13. dürfen die Menschen wieder freier atmen. Viel schönere Wiefen sah wandelt beste Zirkuskunst den umgekehrten Weg. Eine verblühte Jahrhundert bildete Benedig feste Regeln für seine Vertretung im ich. Diese ist eine Dale, ein winziges und doch so freudebringendes Pferderückenschönheit, ein Artistenvater mit steif gewordenen Knochen, Auslande aus. 1268 wurde ein Befehl des Senats erlassen, nach Stüdchen Natur, an das sich zwischen Stein und Holz und Ge- ein Spaßmacher, dem die dichste Schminke das hohe Alter nicht dem alle Gesandten der Republik   die Geschenke, die sie während rümpel   das sehnende Menschenauge flammert jeden Tag. Und die verdeckt, findet immer noch mitleidige Unterkunft in einem Zelt- ihres Aufenthalts im Auslande erhalten hatten, bei ihrer Rückkehr Zehntausende, die dort drüben gepfercht hinter den dunstigen Mauern zirkus   und berauscht sich in stillen Stunden an längst vertrocknetem dem Staatsschatz zuführen mußten. Die sorgfältig aufbewahrten hausen, nennen sie die Zirkuswieje. Ruhmesgemüse. Es ist das Schicksal des ausgedienten Zirkusgauls, Berichte der venezianischen Diplomaten bilden heute eine wertvolle der sich vor dem Lastwagen auf das Tänzeln besinnt, wenn er einen Quelle für die Geschichte jener Jahrhunderte. Freilich findet man Leierkasten hört. barin auch bittere Klagen, daß es unmöglich wäre, mit den geringen Und der Direktor... ach, dieser noch gar nicht so alte liebens- Summen, die ihnen bewilligt wurden, auszukommen. würdige Direktor! Artisten sind sparsame Leute. Ein Landhaus, eine Lebensrente, das Direktionsszepter, wenn's hoch kommt das ist ihr Glückstraum. Ihr glaubt ja gar nicht, was in so einem Beltzirkus für ein Vermögen steckt. Mit Hunderttausend Mark ist noch nicht viel anzufangen. Drei Brüder waren es, die Taufender auf Tausender legten. Ja, hier blüht echter Familienfinn, ein enges, wunderbar herziges Zusammenhalten. Der eine fiel im Kriege, der atveite steht noch draußen bei der Kavallerie, dem dritten, der mit dem Eifernen Kreuze geschmückt wahrhafte Meisterdreffuren zeigt, hat der Feind das Bein lahmgeschossen. Wehmütig führt mich der Direktor in den Stall. Von einem halben Hundert edler Roffe ist taum ein Drittel geblieben, die anderen hat der Krieg geholt und verschlungen. Und diese hübschen, fast gemütlichen Wohnwagen! Nein, ich sehe hier nichts von der nach alter Heberlieferung auch noch dem modernen Wanderartistenleben angehängten Schlamperei. Bor den kleinen Fenstern Topfblummen und weiße Gardinchen, ein Kanarienbogel und ein Papagei, der mich begrüßt mit einem Schnell tommt frisches Leben in das ungewohnte Wiefenbild. schelmischen Hovla Cousin... hopla Cousin, kannst du noch Noch heute abend soll gespielt werden. So fünden es seit Wochen kannst du noch?" Ich frage, wie alt der buntgefiederte Blapperkert die grellfarbigen Anschläge in tausend Schaufenstern. Werden sie ist. Er frist jetzt das Gnadenbrot. Den hat der Direktor schon es schaffen, so förmlich aus dem Nichts auf der grünen Wiele? Zeit von seinem Vater übernommen. Wohl so alt ist er wie die würdige ist Geld. Auch bei Birkusleuten. Wie in ein Uhrwert paßt ihr hals- Birtusmutter, die abends an der Kasse sigt und einstmals eine viel brecherisches Handwerk hinein. Die über Nacht geborene graue Riefen- bewunderte Panneaureiterin war. maus, das ist ja nur der schwache Anfang all der volkstümlichen Herrlichkeiten, die Wohnung des Kostbarsten, was der Wanderartist besitzt: seiner Tiere.

Wiese, wie wunderlich siehst du mir aus! Ein Neues, Blög liches ist gekommen in dein bescheidenes Großstadtidyll. Ueber Nacht zwischen Wachen und Träumen. Hinter dem öden gaun wölbt es sich maffig wie der Riesenbuckel einer grauen Maus, um­spielt von den Strahlen der Morgensonne. Schirmend bilden gelbe, braune und blaue Wagen um die Riefenmaus einen weiten Kreis. In der Stille der Nacht zog er ein in fein neues furzlebiges Wunderreich, der Wanderairtus. In den bunten Wohnfarren regt es sich langsam. Aus dem schmalen eisernen Küchenschlot friecht gemächlich ein grauweißes Rauchwölfen. Eine dicke Frau, die schwammigen Reize in der Wieseneinsamkeit mehr enthüllend als berbergend, schleppt einen Rübel Kaffee von Wagen zu Wagen. Be gehrend streden sich nackte Arme, schneeweiße und dunkelfarbige, fehnige. Nach der langen Landfahrt und der harten Nachtarbeit, dem Wohle der gelehrigen Vierbeiner gewidmet, mundet der heiße

Morgentrant doppelt gut.

Hunde bellen, Pferde wiehern, Naubtiere brillen. Ein pech schwarzer, schlanker Gaul hat den Weg aus dem schützenden Zelt auf die Wiefe gefunden. Kläffend jagt die Hundemeute hinterdrein. Wie tollwütig raft der schwarze Teufel am Zaunrand entlang. Ein Lasso schwirrt durch die Luft.. ein Ruck... und der Gaul wälzt fich mit allen Bieren nach oben am Boden. Eine föstliche Freiheits dressur wie im echten Wild- West haben die Anwohner, die aus den Fenstern schauten, erlebt.

Alles ginge noch, und mit dem Kriegsbesuch könnte man au­frieden sein, wenn nur die schauberhaft hohen Futterfoften nicht wären," flagt der Direktor. Ja fann doch keine halbverhungerten Schindermären in die Manege lassen. Und Raubtiere, die in der Gefangenschaft Hen statt Pferdefleisch freffen, sollen auch erst noch geborex werden. Dieser Krieg, der verdammte Strieg!"

Baufen, Trompeten, Lachen, Beifallflatschen Abend für Abend. Ich sehe den flapprigen, alten Spaßmacher trübfelig ilber die Wiese schleichen und die jugendlichen Zirkustünstlerinnen elastisch in die Umkleidewagen springen jeden Abend. Und als ich eines Morgens wieder hinüberblicke Wiese, wie wunderlich Kommandoworte schallen. Mächtige Eisenpflöcke bohren fich siehst du mir aus! Wieder die alte Wiese ist es in ihrem faftigen unter wuchtigen Hammerschlägen in den Boden. Zwei Haushohe, Grün. Nur ein großer runder Sandfleck noch gengt von der bewimpelte Mastbäume schwanken als Hauptstüßen des werdenden schwundenem fadenscheinigen Glanz. Ueber Nacht, wie er ge­Vorführungszeltes wippend zu ferzengerader Höhe. Um fie herum fommen, bat der Wandergirtus seine Belte abgebrochen. Ueber die breitet sich wie eine riesige Fischhaut, wie die Hülle eines entgasten vertraute Landstraße ziehen sie in der bunten Wagenburg Luftballons, das zusammengetrochene Beltdac des Wanderzirkus. weiß ich, wohin? zu neuen Triumphen, zu neuen Sorgen um das Jeder ist an seinem Posten. Ein halbes hundert Hände faffen geübt Nomadenbrot. in ein Gewirr von Leinen und Drähten. Gins  ... zwei! Eins... zwei Rud um Ruck schwillt die Haut, legt sich in toohlabgemessene Falten, strafft sich, nimmt Gestalt an, bläht sich stolz im 23inde, als fei fie sich der Kunst, die unter ihrem Schutze Triumphe feiern soll, bewußt.

Gesandte.

Ivas

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts, als die ersten stehenden Heere auftamen, fingen auch die übrigen europäischen   Staaten an, Gesandtschaften im Ausland zu unterhalten. Diese Gesandtschaften hatten allerdings mehr den Zweck, die Streitkräfte des anderen Staates zu überwachen, als für die Aufrechterhaltung guter Be­ziehungen zu sorgen. Sie fandten ihre Briefe, so oft es nur mög­lich war, bis zur Einrichtung, regelmäßiger Posten im 16. Jahr hundert in der Regel durch Kaufleute. Nach dem Westfälischen Frieden wurde die Einrichtung der Gesandtschaften in ganz Europa  allgemein, und es kam die Zeit, die einen gewiffen Söhepunkt in ihrer Geschichte bedeutet. Sie wurden die eigentlichen Leiter der politischen Unternehmungen, sie hatten die Macht, Verträge abzu­schließen, Bedingungen zu stellen, furz, zu tun, was ihnen unter den gegebenen Bedingungen richtig schien. Talent und Geschicklichkeit hatten den freiesten Spielraum, und der Erfolg rechtfertigte alle Schritte des Gesandten. Kühnes, ja gewaltsames Auftreten führte oft am ehesten zum Ziel.

Seit jener Zeit hat sich mit der allgemeinen Verwendung der Telegraphie und der diplomatischen Geheimschrift die Stellung des Gesandten verändert und sein Ginfluß vermindert. Der Gesandte. ist zum Sprachrohr seiner Regierung geworden, alle eigenmächtigen Handlungen sind ihm verwehrt. Zwar wird er seine Ansichten bei feiner Regierung zum Ausdruck bringen, aber nicht immer wird darauf gehört. Ihm bleibt die schwierige Aufgabe, fich persönlichen Einfluß zu verschaffen, um die Anschauungen und Wünsche seiner Regierung durchzusehen.

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Notizen.

Nenland an der Friesischen Rüste. Auf friedliche eise wird Deutschland   um 1750 Hektar vergrößert. Giwa zehn Kilometer nordwestlich von Emden   entfernt springt die friesische Süfte mit der Bandspite Knock weit in den Unterlauf der Ems vor. Südlich von diesem Vorsprung breitete sich die Wybeliumer Bucht aus, die mit der benachbarten Larrelter eine Fläche von 1750 Hektar umfaßt. Die Fläche wird gegenwärtig dem Wasser abgerungen und eingebeicht. Die Gesamtkosten der Eindeichung waren ursprünglich mit 6 100 000 m. veranschlagt, die höheren Löhne aber werden diesen Betrag erheblich steigern.

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Gin wandernder Märchenerzähler. In Däne­mart ist unlängst ein im ganzen Lande befanntes Driginal, der umberwandernde Geschichten- und Märchenerzähler P. Havmand, gestorben. Er war ursprünglich Bollshochschullehrer gewefen, batte dann aber alle feste Tätigkeit aufgegeben. Während eines Menschen­Wie wichtig die Aufgabe des Gesandten im heutigen Leben der alters wanderte er, all sein irdisches Hab und Gut im Rudiad mit Böller erscheint, zeigt die Tatsache, daß der jeht einem Verbrechen fich tragend, die Pfeife in Mund und den Stock in der Hand, von Aus den Beiwagen schälen sich funterbunt Hürden und Krippen, zum Opfer gefallene Graf Michach trop aller Unsicherheit der Zu- Ort zu Drt, um den Erwachsenen Geschichten und den Kindern Stangen und Reifen, Klappsize und Stoffballen und alle die stände in Rußland   sofort nach dem Friedensschluß entsandt wurde, Märchen vorzutragen. Er hatte eine besondere Gabe, die historischen hunderterlei Dinge, die zum eisernen Bestande auch des fleinsten um auf vorgeschobenem Bosten die schwere Aufgabe der Wiederan- Persönlichkeiten so zu schildern, daß sie gleichsam lebendig geworden Sirkus gehören. Wanderartisten sind Raumkünstler. Nur nicht Blag fnüpfung der Beziehungen zu erfüllen. Trotzdem ist die Einrichtung vor den Zuhörern standen. Ueberall strömten ihm denn auch dieie und Arbeit verzetteln. In dem scheinbaren Chaos herrscht plan- der Gesandtschaften noch feineswegs jo alt, wie wir danach an- in Massen zu. Wenn er in eine neue Gegend fam, galt ſein erſter mäßige Ordnung. Freilich... das Schönheitsauge tommt nicht nehmen möchten. Lange Zeit sind die Völker ohne diese ständige Gang stets der Schule. Dann bat er um die Erlaubnis, den auf seine Rechnung. Alles ist Bruch", zeugt von jahrzehntelangem Vertretung ausgekommen. Bei den alten Völkern gab es immer Kindern Märchen zu erzählen, und seine Ankunft war für die Gebrauch, vom Staub auf der Landstraße, vom Nomadenleben des nur vorübergehende diplomatische Beziehungen. Da für die Grie- Schüler immer ein Fest. fahrenden Wolfes". Was schadet's denn? Was verschlägt's der chen und auch für die Römer die fremden Völker Barbaren oder Voltstümlichkeit jener ursprünglichen Zirkustunst, deren poesie- Feinde waren, bachten fie nicht an eine dauernde Vertretung. Be umwobener Schimmer auch das anspruchsvolle Großstadtleben stimmte Regeln über die Aufnahme von Gesandten, die ihnen Bot­schaften überbrachten, gab es nicht. Wenn man sie im allgemeinen auch gut aufnahm und schon damals ihre Person als unberleßlich galt, jo tamen doch Ausnahmen vor. Manchmal faßte man ihre Botschaften als Beleidigungen auf, oder das Volf, das sie entfandte, erschien als unwürdig jedes Verkehrs.

noch nicht zerstören konnte? Ich fab schlechtere Zirtustüinste, schlechtere Dreffuren inmitten des trügerischen, augenblendenden Glanzes. Mit dem Herzen gehe ich zu diesen bescheidenen Künstlern, die so verschlossen sind, wie das harte, unstete Wanderleben sie von Jugend auf formt, und die doch so anziehend zu erzählen wissen, wenn nicht Blaftertheit ihr reiches Können belächelt.

33]

Rein, sie sind feine Anfänger und Stümper. Wißt ihr denn,

Lodz.

Das gelobte Land.

Roman von W. St. Reymont  .

Blog Morig beteiligte sich nicht an dem Geschrei, faß unter der Palme neben Fischbein, der im Stuhl ausgestreckt eine Zigarre rauchte und von Zeit zu Zeit rief:

,, Still, Juden!"

" Das ist keine luftige Operette," sagte Moritz ermüdet, gab das Geschäft mit Grünspan vollständig auf und ging Mela suchen.

unit chronit. Prof. August Gaul   arbeitet zurzeit an Steinfiguren für einen Garten. Die erste diefer Figuren ist für furze Zeit im Hause Paul Cassirer   ausgestellt.

Vorträge. Die Deutsche Gesellschaft zum Studium Rußlands  " veranstaltet am Freitag. 6 Uhr, im Abgeordnetenhaus, Saal 8, einen Wortrag von Dr. Artur Luther, früher Professor in Moskau  , über: Die geistige und politische Bor­Die ersten, die sich bei fremben Herrschern dauernd vertreten ft e IIungswelt der Bolschewiti." Auch Nichtmitglieder ließen, waren die Päpste, und vom 12. und 13. Jahrhundert an be- haben Zutritt.

"

Er sollte lieber ein guter Fabrikant sein. Er leidet| Sperlingen zu, die an diesem ersten frühlingfichen Märztag bißchen an Jdealismus, aber er wird nach der ersten Pleite wie toll im Garten sich jagten. schon wieder gesund, wenn er mal gut dabei verdient."

Ich verstehe weder den Vater, noch die Onkels, noch dich, noch Lodz  . Alles focht in mir, wenn ich zusehe, was hier vor sich geht." basta."

,, Was geht vor? Es geht gut, Geld wird gemacht, und Aber wie, mit welchen Mitteln!"

,, Das ist gleichgültig; die Mittel, wie man zu einem Rubel kommt, verringern nicht seinen Wert."

Du bist ein Zynifer," flüsterte sie, beinahe vorwurfsvoll. Bin nur ein Mensch, der sich nicht geniert, die Dinge ihrem richtigen Namen zu nennen."

,, Woran denkst du?" fragte er leise nach einer Weile. ,, An Albert. Db er es so macht, wie er es beschlossen, oder so, wie jene es haben wollen."

" Ja, er wird sicher Konkurs anmelden und sich mit seinen Gläubigern vergleichen." Nein, ich kenne ihn und bin sicher, daß er alles bezahlen

wird."

" Ich wette mit dir, daß er sich vergleichen wird." " Ich könnte schwören, daß er es nicht tut." ,, Weißt, Mela, Großmann hat manchmal seinen philo­sophischen Rappel, den hat er, aber sonst ist er ein fluger Mann. Ich würde mein ganzes Vermögen einsehen, daß er nicht mehr zahlen wird, wie fünfundzwanzig Prozent." " Ich würde ja sehr, sehr wünschen, daß es anders kommt."

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Er traf sie bei der Großmutter an, die die ganze Familie mit mit besonderer Ehrerbietung und Pflege umgab. Sassen wir das, ich bin so nervös, daß ich nicht mehr Die Großmutter saß auf einem Rollstuhl am Fenster. Kraft zum Streiten habe." Eine fast hundertjährige Greisin, gelähmt und ganz kindisch; das Gesicht war ausgetrocknet und so in Falten zusammen- Sie war mit dem Füttern der Großmutter fertig, richtete " Da fällt mir grad ein, du hättest ihn heiraten follen. gezogen, daß jeder Ausdruck verschwunden war ein Stüd ihr die Stiffen, von denen sie ganz umgeben war, und füßte gelbgrauer, faltiger Haut, aus der schwarze, glanzlose Augen ihr die Hand. Die Alte hielt sie leicht zurück, streichelte Ihr würdet zueinander passen, Mela. Ihr hättet zwar nichts wie Glastorallen hervorstachen. Auf dem Stopf hatte sie eine ihr Gesicht mit ihren ausgetrockneten Skelettfingern und zu beißen, aber ihr würdet so anständig sein, daß man euch im Panoptikum zeigen fönnte." schwarze Perücke, eine Art Haube aus bunten Samtitüden fragte wiederum, Moritz anstarrend.

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Wer ist das, Mela?"

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und Spigen, wie sie die Jüdinnen in fleinen Städten tragen. Welt, Welt! Komm doch für einen Augenblick mit mir, Mela goß mit einem Rinderlöffel Bouillon in den ein gefallenen Mund; wie ein Fisch öffnete die Großmutter die Moritz, wenn du Zeit haft." " Für dich hätt ich ja immer Zeit, Mela, wenn du es Lippen und schloß sie.. nur wolltest."

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Er verneigte sich vor ihr fie hörte auf zu effen, schaute ihn leblos an und fragte mit einer dumpfen, wie aus der Erde dringenden Stimme:

Wer ist das, Mela?"

Sie erfannte niemanden mehr wieder, außer ihren nächsten Angehörigen.

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Moritz Welt, der Neffe meiner Mutter, Welt," wieder­holte sie mit Nachdruck.

Welt, Welt!" fie faute mit den zahnlosen Niefern  und öffnete breit die Lippen, zwischen die Mela wiederum Bouillon goß.

" Banken sie noch?"

" Ich hab' ihn gern, aber heiraten würde ich ihn nicht, er ist nicht mein Typ."

,, Welt, Welt!" wiederholte dumpf die Alte, öffnete breit den und und starrte mit leblosen Blicken ins Fenster, hinter in dem die Fabrifmauern lagen.

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Wer ist denn dein Typ?"

,, Denke nach und rate."

Sie lächelte wiederum jenes blasse, subtile Lächeln. ,, Borowiecki, ja, ganz sicher. Alle Lodzer Frauen sind ihn verliebt."

Rein, nein; er schien mir trocken und unempfindlich, Morik, ich hab' dich doch schon gebeten, mach' keine stolz und ein Streber. Nein, übrigens ist er euch allen viel solchen Redensarten."

zu ähnlich." ,, Glaube es mir, Mela, ich red' offen, ich geb' dir mein ,, Oskar Meyer, der Baron  , Millionär und ein schöner. Ehrenwort als anständiger Mensch, daß ich, wenn ich mit dir Mann, freilich, so ein Baron von der Mecklenburger Rasse, zusammen bin, wenn ich dich höre, wenn ich dich anblicke, dafür aber ein richtiggehender Millionär." dann muß ich nicht nur anders reden, wie zu anderen Frauen, aber ich fange sogar an, anders zu fühlen und zu denken. Du hast eine so eigentümliche Weichheit in dir, du bist wirk lich eine Frau, Mela; solcher gibt's wenig in Lodz  ." Er sprach ernst und folgte ihr auf ihr Zimmer.

"

Der reinste jüngste Zag."

Der arme Albert."

"

Tut er dir leid?"

"

Wie soll er's nicht, seine eigene Frau und seine Familie berwehren es ihm, ein anständiger Mann zu sein. Regina entfest mich geradezu mit ihrem Krämertum." Sie seufzte traurig.

erwidern. wolltest."

Begleitest du mich zu Rosa?" fragte sie, ohne ihm zu Ich hätte dich darum gebeten, wenn du es nicht selbst Sie lehnte ihre Stirn an die Scheibe und schaute den!

Einmal hab' ich ihn gesehen, und er kam mir wie ein verkleideter Knecht vor. Das muß ein furchtbarer Mensch sein. Ich hab' viel von ihm gehört."

,, Das ist ein wilder Kerl, ein Wüterich," sagte er mit Haß.

" So, so? Das ist ja interessant." ,, Neben wir nicht mehr von diesem Lump. hard Endelmann, vielleicht gefällt dir der?" ,, Ein Judenbengel," flüsterte sie verächtlich.

Und Bern  

( Forti. folat.)