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ir. 194-1918

Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Die beflügelnde Bremse.

Von Artur Fürst .

An zahlreichen Wagen der großen preußisch- hessischen Eisen­bahn wird jetzt eine Einrichtung angebracht, die in vielen Beziehun gen recht bemerkenswert ist. Es handelt sich um nichts weiter als eine Bremse und dennoch um einen der wichtigsten Fortschritte, fen die Eisenbahntechnik seit Jahrzehnten gemacht hat. Man versicht die Wagen mit einer neuen Bremse, und die Wirkung ist, daß sie fortab schneller werden fahren können. Trotz aller Kriegsnöte ist der preußische Staat imstande, für diese Neueinrichtung nicht weniger

als 245 Millionen Mark auszugeben.

245 Millionen für eine Bremse! Da sieht wohl jeder ein, daß es sich um etwas ganz Besonderes handeln muß. Und das ist auch der Fall. Es wird nämlich nach Einführung der neuen Bremse Die seit langem in den Fachkreisen bitter genug empfundene Tatsache verschwinden, daß die langsam fahrenden Güterzüge auf vielen wichtigen Strecken der deutschen Bahnen die dringend erforderliche Verdichtung des Verkehrs sowohl für Personen wie für Güter hemmen. Tag und Nacht folgen auf den großen Linien die Züge einander in engstem Zwischenraum. Ueberholungsgeleise, die in immer steigender Zahl angelegt werden, können doch nur mit Mühe ein Durchbringen der Schnellzüge ermöglichen. Tie Schienenpfade find an vielen und gerade den wichtigsten Stellen am Ende ihrer betrieblichen Leistungsfähigkeit angelangt. Darum haben aumäh­lich die Stimmen derer immer mehr Bedeutung gewonnen, die cine grundsägliche Trennung des langsamen Güter- vom schnellen Ber­sonenverkehr verlangen. Sicherlich wäre auf sehr vielen Streden die Verlegung dritter und vierter Geleise binnen kurzem unabwend­bar geworden, wenn nun nicht die sichere Aussicht bestünde, durch eine grundsäßliche Beschleunigung des Güterverkehrs eine durch­greifende Entlastung der Strede herbeizuführen

Die Fahrgeschwindigkeit, die ein Zug haben darf, ist nämlich nicht nur von der Leistung der Lokomotive, sondern auch von der Bremse abhängig. Jeder kennt ja das Bild der auf dem fahrenden Güterzug hodenden Bremser. Sie haben die Aufgabe, auf den durch die Dampfpfeife gegebenen Befehl des Lokomotivführers die Bremsen anzuziehen. Das geschieht aber höchst unregelmäßig, da durchaus nicht alle Bremser gleichmäßig arbeiten. Die Folge ist ein starkes Stoßen im Zug und Reißen an den Kupplungen, da die Joier gebremsten Wagen auf die bereits mehr verlangsamten auf­laufen und dann von den Pufferfedern wieder zurückgeworfen werden. Einen schnell fahrenden Zug auf diese Weise zum Halter zu bringen, ist nicht möglich, ohne fortwährend die dringende Ge­fahr einer Bugzerreißung heraufzubeschwören. Nur aus diesem Brund friechen bis jetzt die Güterzüge so langsam über die Streden. Da sie nicht schneller fahren, liegt seltsamerweise nicht an der Zugkraft, sondern an der Bremse.

mechanisches Kunstwerk allererster Ordnung entstanden und zugleich der innere Widerspruch einer beschleunigenden Bremsvorrichtung in Stahl und Eisen greifbare Wirklichkeit geworden.

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Der Menschenkenner.

Ich habe einen Freund. Das ist er mir geworden durch einen lieben und treuen Dienst, den er mir leistete. So recht kennen gelernt habe ich ihn jedoch soeben erst. Und tam so:

Mein Freund ist der Leiter einer großen Anstalt, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, berkümmerte klägliche Kinder armer und unbemittelter Eltern, Geschöpfe, die nicht Herr ihrer Glieder find, zu ganzen Menschen zu erziehen. 300 solcher Kinder stehen unter seiner Obhut, dazu noch in dieser bitteren Zeit an die 200 schwer verlegte Soldaten. Und über 100 Angestellte: Inspektoren, Ver­walter, Werkstättenleiter, Lehrer, Erzieher, Kindergärtnerinnen, Pflegefchwestern, und sonstige Dienstpersonen.

Es ist klar: in dieses große bunte Getriebe, in dieses Gekrabbel und Gewimmel Ordnung zu bringen ist schwer. Schwerer aber wohl, Ordnung zu halten. Denn die Menschen sind doch nun mal so: Giner möchte immer des andern Herr und Meister sein, und jeder möchte gerne ein wenig den Vorgesezten spielen. Mein Freund aber hats fertig bekommen, Ordnung zu schaffen und Ordnung zu halten.

Wie er das machte, war mir immer ein Rätsel. Nie hörte ich einen Befehlston von ihm, nie sah ich auch in dem großen Gebäude mit den unendlichen Fluren und den vielen vielen Zimmern ein Fibelchen Papier mit einem Befehl oder einem Verbot: Eintritt berboten" oder Eintritt streng verboten" oder Eintritt bei Strafe verboten". Alles das gab es bei ihm nicht. Nun denn, jüngst habe ich ihn belauscht und um sein Geheim­nis gebracht: Ein kleiner dider Mann trat in sein Zimmer und sagte sehr ernst und sehr wichtig: Herr Direkter, wie ist es denn nun mit dem Nachtwächter? Und auch mit dem Schreiber vor's Kontor? Wir brauchen sie beide. Sie wissen ja."

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Mittwoch, 17. Juli

fähr am 28. Juni erreichte die Lichtstärke der Nova Aquilae ein Minimum von fast der vierten Größenklasse, wonach sie ununter­brochen wieder zunahm, am 4. Juli ein Maximum von der Größen­flasse 1,8(?) erreichte, aber sehr schnell wieder abnahm und jetzt auf die annähernde Größenklasse 3,5 gesunken ist. Inwieweit diese Beriode sich regelmäßig wiederholen wird, wie es bei der Nova Bersei der Fall gewesen ist, oder ob sie nur eine zufällige Unter­brechung der allgemeinen Lichtabnahme der Nova darstellt, läßt sich selbstverständlich noch nicht bestimmen. Ein großer, Unterschied gegenüber der Nova Persei ist darin zu erblicken, daß dieser Licht­wechsel in so großer Höhe der Größenskala vor sich geht; die Nova Persei wechselte zwischen der 6. und der 4. Größenklasse, während die Nova Aquilae zwischen der vierten und zweiten schwankte. Die Verschiedenheit der Lichtstärke wird, wie gesagt, von einem Farben­wechsel des Sterns begleitet. Während des Maximums ist der Stern blauweiß, zur Zeit des Minimums rötlichgelb. Dics deutet darauf hin, daß weniger heiße Staubmassen um die zentralen und leuchtkräftigen Teile der Nova wirbeln. Wenn diese Staubmassen ( beim Minimum) in die Gesichtslinie zwischen uns und der Zen­tralpartie kommen, verschleiern sie einen Teil von deren Licht und absorbieren die blauen Strahlen.

Die Lupine als Nahrungsmittel.

Eine Verwendung der Lupine als Nahrungsmittel in großem Maßstabe will eine Aktiengesellschaft durchführen, die in Chemnis mit einem Kapital von drei Millionen Mart gebildet worden ist. Bisher war es nicht möglich, so führt Dr. Ludwig Staby in einem Aufsatz der Zeitschrift Ueber Land und Meer" aus, die weitve breitete Frucht, die einen starten Prozentsaz an Fett und Eimer enthält, so zu bearbeiten, daß diese höchst wichtigen Stoffe dire für die Ernährung nutzbar gemacht werden konnten. Sie enthält nämlich einen Bitterstoff. der sie völlig ungenießbar macht. Nach zahlreichen vergeblichen Versuchen war es vor etwa 50 Jahren be­reits dem Apotheker Simpson in Mohrungen gelungen, ein Ver­fahren zu entdecken, durch das die Lupine völlig entbittert wurde. Das aus ihr hergestellte Mehl war sehr nahrhaft, schmeckte gut und eignete sich zur Bereitung von Brot. Da aber das Brotgetreide ge= nügend vorhanden war, wurde dem Verfahren keine Bedeutung zu­erkannt, und es geriet in Vergessenheit, bis man sich jetzt im Welt­kriege bei der großen Nahrungsmittelfnappheit wieder daran er­innerte. Der bekannte Nahrungsmittelchemifer Prof. Dr. Backhaus hat eindringlich auf die Lupine als eines der wichtigsten Volksnoh= rungsmittel wie auf den Futtermert der entbitterten Lupine für die Viehzüchung hingewiesen. Obwohl dem Landwirt die Lupine sehr hoch, mit 40-60 m. für 100 Kilogramm bezahlt werden muß, lassen sich doch Fett und Eiweiß in großen Mengen verhältnismäßig billig aus ihr gewinnen. Auch der leichteste Boden ergibt durch sie gewaltige Erträge, die sonst nicht entfernt zu erzielen sind, beson­ders wenn auch das Stroh der Lupine verwertet wird. Als Mittel­ernte fann man von einem Heftar 20 Zentner Körner und 40 Bent­ner Stroh erhalten, in guten Jahren sogar 60 Zentner Körner und 120 Zentner Stroh. Bei den heutigen Preisen würde also das Hektar an Lupinen 800 M. und an Stroh 200 M. eintragen. Dabei erfordert der Anbau der Lupine wenig Arbeit und feine Düngung. im Gegenteil bereichern die Wurzeln der Lupinen den Boden noch in reichem Maße mit Stidstoff. In der letzten Zeit war der Anbau der Lupine, der in Deutschland vor wenigen Jahrzehnten noch un­gefähr 400 000 Settar unifaßte, sehr zurückgegongen, und zu Anfang des Krieges ist die Fläche auf die Hälfte davon vermindert worden. Die deutsche Landwirtschaft wird jedoch durch die Maßnahmen der Reichsgetreidestelle veranlaßt, wieder größere Gebiete mit Lupinen

Schön, Bromme", sagte mein Freund, also dann laffen sie mal eine Anzeige los." Etwa so, Herr Direkter: Große Anstalt sucht eine Bureauhilfs­kraft sowie einen Nachtwächter. Bewerber mit besten lückenlosen Beugnissen wollen sich melden. Denn die Zeugnisse, Herr Direkter, die Zeugnisse, die sind das wichtigste." Einen Augenblick nickte mein Freund ernsthaft vor sich hin, dann erhob er sich und fah mit seinem breiten herzhaften Lachen auf den kleinen würdevollen dicken Mann. Die Zeugnisse, lieber Bromme, die Zeugnisse sind mir ganz schnuppe, wahrhaftig. Auf den Wann fommt es mir an. An­noncieren Sie also und wenn sich wer meldet, dann führen sie ihn mir vor. Nicht auf die Zeugnisse tommt es an, sondern auf den Mann. Und wenn ich den gesehen habe, dann weiß ich auch, ob ich Die ausgezeichnet wirkende Druckluftbremse, die bei Personen- ihn nehme oder nicht. Den Menschen will ich sehen, den ganzen und Schnellzügen ganz allgemein im Gebrauch ist, fonnte bisher lebendigen Menschen. Was sind dagegen Zeugnisse für Güterzüge nicht verwendet werden. Es hat dies seinen Grund Da hätt' ich den Mann, der das sprach, umarmen mögen, denn in der sehr viel größeren Längenausdehnung der Lastzüge. Die nun wußte ich es, wie er es fertig befam, in einem solchen riesigen Apparatur der Druckluftbremse braucht vom ersten Anstellen des Organismus Ordnung zu halten: nicht durch Schema, Verordnun­Führer- Bremsventils bis zum Eintreten der vollen Wirkung eine gen, Verbote, Paragraphen, sondern durch die richtige Wahl der gemisse Zeit. Und diese Zeit wächst sehr stark mit der Entfernung Persönlichkeit und durch die Freiheit, die im Vertrauen auf das der einzelnen Wagen von der Rokomotive. Bei einfacher Ueber- Verantwortungsbewußtsein der Persönlichkeit gewährt wurde. tragung der Schnellzugbremse auf den Güterzug würde der vordere Rugteil schon vollständig festgebremst sein, während die hinteren Wagen noch ihre volle Geschwindigkeit beibehalten haben. Das mürbe wiederum zu Zugzerreißungen führen. Jezt aber ist durch anzubauen. Einer der ersten Beobachter des neuen Sterns in Adler, der eine neue Erfindung, um die man sich zwar schon seit mehr als| Gotenburger Kandidat Arel Corlin, veröffentlicht in Göteborgs awölf Jahren bemüht, bie aber doch in der Hauptsache während Handels- och Sjöfartstidning" einige Angaben über die Richtwechsel. Ses rieges im Schoß der preußischen Staatsbahnverwaltung| perioden dieser Nova sowie früherer neu aufgeflammter Himmels­reift ist, die Möglichkeit der mechanischen Güterzugbremsung ge- förper Die gemeldete Zunahme der Lichtstärke bei der Nova Aquilae ichaffen. Nach einer Reihe von Jahren werden sämtliche Güter- hat sich danach als die eine Hälfte einer, im Vergleich mit anderen züge bei uns mit Bersonenzuggeschwindigkeit gefahren werden, was neuen Sternen sehr langen Lichtwechselperiode herausgestellt. Wie eine ganz außerordentlich wichtige Betriebsverbesserung bat­stellen wird.

Die vielen Millionen, welche für die neue Bremse ausgegeben merben müssen, lassen sich also durch Ersparnis der außerordentlich Hohen Ausgaben für die Anlegung von Erweiterungsgleisen und den Enfauf der hierzu erforderlichen Geländestreifen wieder einbringen. Denn es ist klar, daß ein mit 60 Kilometern Stundengeschwindigkeit Behinfahrender Güterzug das Gleis nur halb so lange in Anspruch nimrat, wie ein solcher, der nur 30 Kilometer Stundengeschwindig­teit hat. Mit der neuen Vorrichtung, die nach ihrem Erfinder, dem Geheimen Oberbaurat Kunze, und der an ihrer Entwicklung lebhaft heteiligten Knorr- Bremse- A.- G. Runge- Knorr- Bremse heißt, ist ein

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Lodz.

Das gelobte Land.

Roman von W. St. Reymont .

Schaja erhob sich und drehte das Licht aus. Er liebte es, in allem zu sparen, und ging jetzt in dem ganz dunklen Zimmer auf und ab.

E. W. T.

Der Lichtwechsel des neuen Sterns.

so mancher früher aufgetauchte neue Stern, ist nun auch die Nova Aquilae in das Stadium der Veränderlichkeit mit abwechselnden Magima und Minima der Lichtstärke und gleichzeitigen Farbände­rungen getreten. Dieser Wechsel in Licht und Farbe ist charakte ristisch für alle neuen Sterne; doch ist der Verlauf und die Regel­mäßigkeit der Erscheinung bei jedem ganz individuell. Die Nova Aurigae , der neue Stern des Jahres 1892, war in dieser Hinsicht sehr launisch und unregelmäßig, die Nova Persei vom Jahre 1901 dagegen hatte sehr regelmäßige Perioden. Diese umfaßten stets un­gefähr drei Tage. Die diesjährige Nova scheint aber viel längeren Berioden der Lichtschwankung unterworfen zu sein; die jetzt abge­laufene erste Periode hat jedenfalls zwei Wochen umfaßt. Unge­

Porzellan, das geblasen wird.

Die meisten Glasarten haben die für technische 3wede sehr schäzbare Gigenschaft, daß fie in der Flamme erweicht, gebogen, ge­tredt und durch Blasen in eine beliebige Form gebracht werden fönnen; Porzellangeräte dagegen find empfindlich und springen gleich bei Temperaturveränderung. Dies liegt hauptsächlich daran, daß die eigentliche Porzellanmasse und die Glasur sich verschieden starf ausdehnen. Dem Rosenthalschen Porzellanwert in Bayern , ist es nun, wie die Naturwissenschaften" mitteilen, gelungen, Porzellangeräte herzustellen, die gegen Temperaturwechsel schr be­ständig sind. Dieses Porzellan verträgt es, daß mit dem Knallgas­gebläse Löcher in die Wandung geschmolzen werden, einzelne Porzellanteile können zusammengeschmolzen werden, ja im er­weichten Zustande läßt sich dieses Porzellan genau so wie Glas blajen. Das Wesentliche bei der Erfindung war es, eine Glasur herzustellen, die die gleiche Ausdehnung hat wie die Porzellanmasse selbst, und die Lösung dieser Aufgabe ist gelungen.

werde.

Und dann die ersten Weberwerkstätten, die er aufmachte, daß er einmal über dieses Lodz als sein König herrschen die tausend kleinen Schwindeleien beim Abwägen des Roh­materials, das er den Webern, die die Arbeit nach Hause mit­nahmen, außteilte, beim Abmessen, bei seinent eigenen Magen und dem seiner Familie, bei allem- bis er es riskierte, eine verlassene, Fabrik zu pachten.

Als erster führte er, als es ihm anfing besser zu gehen, Agenten in den fleinen Städtchen ein. Er selbst schlief nicht, Ruhelos ging er und dachte an seineu ewigen Alpan nicht, lebte nicht, er arbeitete bloß und sparte. Buchholz. Mit der ganzen Macht des jüdischeu Fanatismus Als erster gab er jedem, der es nur haben wollte, Kredit haßte er ihn; er haßte ihn als Fabrikanten und Konkurrenten, und fing selbst mit Kredit zu operieren an, denn Buchholz Den er in nichts übertreffen konnte. und die deutschen Lodzer Fabrikanten bedienten sich nach alter Gewohnheit des Bargeldes.

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Als erster begann er mit der Anfertigung von Schund ware, setzte die Qualität der Lodzer Produktion herab, dic bis zu seinen Zeiten in gutem Ruse stand.

Immer und überall war Buchholz der erste, und das gerade konnte ihm Schaja nicht verzeihen, er, der sich für die erste Lodzer Firma hielt. Er, der Führer dieser jüdischen Masse, die ihn mit abgöttischer Verehrung umgab, mit jener Liebe und Achtung der Elenden, die von den Millionen Als erster führte er das System der Ausbeutung aller hypnotisiert wurden, welche in Schajas Händen mit der Ge- und von allen ein, baute es aus und vervollkommnete es. schwindigkeit einer Lawine wuchsen. Nach dem Brand, der ihn heimsuchte, erbaute er eine eigene Fabrik für tausend Arbeiter. Das Fundament war gelegt.

Buchholz aber blieb der erste, mit ihm rechnete die öffent­liche Meinung des Landes, sein Wort galt so viel wie flingendes Gold, bei ihm holte man sich Rat und Initiative in vielen allgemeinen Fragen, seine Waren hatten die beste Marte, Achtung umgab ihn, während Schaja selbst von Schwindlern seinesgleichen mit Verachtung und Haz beworfen

wurde.

Schaja konnte das nicht begreifen. Er glaubte, Buch­holz beraube ihn nicht nur seines Geldes und nehme ihm alles weg, was er für sich wünsche, sondern beraube ihn auch der Ehre, Herrscher über dieses Meer von Schornsteinen zu sein. Dafür haßte er ihn noch mehr.

Immer noch ging er in dem dunklen Zimmer auf und ab, blickte durch die Fenster auf die Fabriken, auf die er­Leuchteten Arbeiterhäuser, und blieb dann stehen. Er setzte die Brille auf und blickte zum dritten Stockwert eines Hauses Por vierzig Jahren, er erinnerte sich genau an jene Zeit, hinauf, das dem Palais gegenüberstand, in drei hellbeleuchtete - als Buchholz schon auf dem Wege zu den Millionen war, Fenster, hinter denen schwarze Silhouetten von Menschen begann er seine Karriere als Handlungsgehilfe in einer Und das Glück folgte ihm unablässig; Zehntausende, herumhuschten; er machte das Fenster auf und horchte. jämmerlichen Krämerbude der Altstadt; er mußte sich speziell Hunderttausende, Millionen begannen von allen Seiten in Eine Violine fang zitternd einen sentimentalen Walzer; mit dem Herbeirufen und Herreinzerren der Stäufer, dem feine Stassen zu strömen; sie tamen aus den Häusern der seufzend begleitete sie ein Cello. Dann verstummte die Musik, Austragen der Patete, dem Fegen der Bude und des Bürger- Reichen und den Hütten der Bauern, aus den von Schmuß das Gemurmel mehrerer Stimmen wurde hörbar, und ein steiges vor ihm abgeben. Ganze Monate lang mußte er auf starrenden Städtchen und aus den Hauptstädten, aus den Gelächter ergoß sich wie eine üppige Kaskade auf die stille dem Bürgersteig stehen, vom Froste verzehrt, vom Regen Steppen und von den fernen Bergen, sie flossen in immer Straße. Man vergnügte sich lustig. durchnäßt, von der sengenden Hige verbrannt, von den bretteren Strömen, und Schaja wuchs und wurde immer Schaja klingelte auf den Lakai. Vorbeigehenden gestoßen, fast immer hungrig und zerlumpt, mächtiger. immer heiser vom Ausrufen, ohne Geld, für einen Rubel monatlich in einem schrecklichen Schlupfwinkel des jüdischen Elends schlafend, von dem es in den Städten wimmelt. Dann verschwand er plöglich von dem Bürgersteig, auf dem er lebte.

Nach ein paar Jahren Abwesenheit erschien er wieder auf dem Lodzer Pflaster, und niemand erkannte ihn. Er tam mit etwas Geld und begann ein Geschäft auf eigene Rechnung.

Mitleidsvoll lächelte er jegt über jene Zeiten. Er er

Andere verloren, starben, sie brachen unter Unglücksfällen und Kalamitäten zusammen, Schaja stand fest und hart da, immer brannten die alten Pavillons ab, und neue und ge­waltigere erstanden und sogen immer mächtiger die Erde aus, das Material, Menschen, Gehirne und Konkurrenten, und verarbeiteten das alles zu Millionen für Schaja.

Buchholz aber war immer noch größer, und Schaja konnte ihn nicht überholen.

Wer wohnt ba?" fragte er scharf, auf die Fenster

zeigend.

" Ich werde mich gleich erkundigen, gnädiger Herr." " Ich bin frank, und die amüsieren sich da! Wofür amüsieren sie sich? Wo haben sie's her zu solchem Ver­gnügen?" dachte er erregt und konnte seine Blicke von den Fenstern nicht losreißen.

" Haus E, dritter Stock, Nr. 56, Ernst Ramisch wohnt da, der Meister des fünften Webersaales", berichtete rasch der Latat.

Schaja wuchs, und immer kräftiger turde seine Gier, Buchholz zu bewältigen. Um jeden Rubel, den jener ver- ,, Gut. Du gehst hin und sagst ihm, daß sie mit dem innerte fich an den elenden Wagen, mit dem er in den be- diente, hielt er sich bestohlen und betrogen, er lebte in der Spielen aufhören sollen, weil ich nicht schlafen kann, daß id) nachbarten Dörfern herumfuhr, an jenes Pferd, das er an eingebildeten Hoffnung, daß er Buchholz über den Kopf es nicht wünsche, sie sollen sich amüsieren. Laß auspannen. den Wegen fütterte oder im Storn der Bauern, an jenes wachsen werde, daß er allen über den Stopf wachsen werde, Ernst Ramisch! Er muß wohl zuviel kriegen, daß er sich ständige, fürchterliche Elend, das an ihm stets nagte, weil er daß er einmal so hoch über Lodz emporragen werde wie solche Unterhaltungen leisten kann," wiederholte er, sich den bon fünfzig. Hubel Stapital, den Wagen und das Pferd ein- jener mächtige Schornstein der Hauptmaschinen, der jetzt in der Namen einprägend. begriffen, sich, das Pferd, Frau und Kinder ernähren mußte. Nacht in unklaren, ungeheuerlichen Umrissen verschwamm,

Corts. folgt.)