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Nr. 200. 35. Jahrg.

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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Morisplat, Nr. 151 90-151 97.

Dienstag, den 23. Juli 1918.

Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Moritzplatz  , Nr. 151 90-151 97.

Kabinettssturz in Oefterreich.

Aisne   Eine

Wien  , 22. Juli. Am Schluß der Situng des Abgeord- Fortdauer der Schlacht zwischen Aisne  netenhauses teilte der Präsident Groß mit, daß Minister­präsident Dr. Richard v. Seidler und die ganze Re­gierung ihre Entlassung gegeben haben, daß die Entlassung angenommen wurde( Beifall bei den Tschechen) und daß die Regierung mit der Fortführung der Geschäfte betraut wurde.

Herr v. Seidler hat also seine berühmte Erklärung, die ihn in den Augen der Deutschen   wie der Slawen zum deut­ schen   Ministerpräsidenten stempelte, nicht longe überlebt. Nachdem er die Erfenntnis gewonnen hatte, daß er auf eine Mehrheit im Parlament nicht rechnen könne, hat er, ohne erst die Probe aufs Erempel zu machen, seine Sachen gepackt und ist gegangen. Zwar führt er die Geschäfte" weiter, aber er führt nicht die Politik, und wie die übermorgen aussehen wird, weiß in diesem Augenbld noch fein Mensch.

Wir haben die Rede des Herrn v. Seidler, die nur das Vorspiel feines Sturzes war, für bedenklich gehalten, können aber darüber nicht die Verwirrung übersehen, in die Defter­reich durch seine Demission gestürzt wird. Endlich glaubte man, daß ein bestimmter Kurs eingeschlagen werden sollte, ein falscher wahrscheinlich, aber doch ein Kurs. Gestern lachten die Deutschen   und weinten die Tschechen, heute lachen die Tschechen und die Deutschen   weinen ihrem Ministerpräsi­denten bittere Tränen nach.

Es kann leicht sein, daß der nächste Tag einen neuen Szenenwechsel bringt, die Wirkung kann aber nur sein, daß die Erregung und Unsicherheit auf allen Seiten gesteigert wird. Die Slawen werden sich einen zweiten Seidler nun erst recht nicht gefallen lassen wollen, die Deutschen   aber wer­den einen Ministerpräsidenten, der sich weniger deutsch gibt. als Seidler, mit Argwohn begegnen. So hat Herr v. Seidler die Staatskrise verschärft, die Aufgabe seines Nachfolgers erst recht unlösbar gemacht. Wer schafft den Staatsnotwendigkei­ten eine parlamentarische Mehrheit? Wer wagt noch einmal cin lebensgefährliches Experiment mit dem Absolutismus?

Leviathan- Vaterland versenkt.

Berlin  , 22. Juli 1918. Amtlich. Der amerikanische  Truppentransportdampfer Leviathan( früherer Dampfer der Hamburg- Amerika- Linie Vaterland  )

54 282 Brutto- Register- Tonnen ist am 20. Juli an der Nordküste Irlands   versenkt worden. Der Chef des Admiralstabes der Marine.

Die Vaterland, das größte Schiff der Welt, wurde im Jahre 1913 als Passagierdampfer der Hamburg  - Amerika­Linie fertiggestellt, und ihr Stapellauf in Hamburg   als ein fried­licher Sieg deutscher   Technik mit großem Pomp gefeiert. Ueber die wunderbaren Einrichtungen, die zur Bequemlichkeit der Fahrgäste getroffen waren, berichtete die Presse spaltenlang. Der Kriegs­ausbruch ereilte dann das Schiff in Amerika  , wo es nun liegen bleiben mußte, bis es bei Ausbruch des deutsch- amerikanischen Krieges von Amerika   beschlagnahmt wurde. Es wurde nun zu Truppentransporten verwendet und zum Schutz gegen U- Boot- An­griffe mit starken Stahl neten versehen. Am 6. Juli mel­bete die Pariser Presse triumphierend seine Ankunft in Bordeaux  . Die Stahlnebe haben aber nichts genutt, und die Freude hat nicht lange gedauert: den Ueberläufer wider Willen, das Werk der deut­ schen   Technik, das nun dem Feinde biente, ereilte sein Los durch die deutsche Technik! Das größte Schiff der Welt hat auch von allen Schiffen der Welt das merkwürdigste Schicksal gehabt!

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Die Bilanz der Großkampfwoche.

West front, 21. Juli.

und Marne  - Straße Soissons- Chateau­Thierry vorübergehend vom Feinde über­schritten Ausharren beiderseits Oulchy le Chateau.

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Berlin  , 22. Juli 1918, abends. Amtlich. An vielen Stellen der Schlachtfront zwischen Aisne   und Marne   Nuhe. Dertliche Kämpfe südlich des Ourcq  .

Amtlich. Großes Hauptquartier, 22. Juli 1918.( 2. Z. B.)

Weftlicher Kriegsschauplah. Heeresgruppe Deutscher Kronprins. Zwischen Aisne   und Marne   dauert die Schlacht in unverminderter Heftigkeit fort. Trotz seiner schweren Niederlage am 20. Juli stieß der Feind unter Einsatz frischer Divisionen und neu herangeführter Panzerwagen erneut zu er bitterten Angriffen gegen unsere Linien vor. Seine Angriffe sind gescheitert. Gefangene bestätigen die schweren Verluste des Feindes. Auch der gestrige Kampftag führte wiederum zu einem vollen Erfolge der deutschen   Waffen.

Zwischen Aisne   und südwestlich von Hartenne& leitete stärkstes Trommelfeuer am frühen Morgen Infant ericangriffe des Feendes ein. Südwestlich von Soissons   und südwest­lich von Hartennes brachen sie schon vor unseren Linien zusammen. Nördlich von Villemontotre drangen Teile des Feindes vorübergehend über die Straße Soissons­Chateau Thierry vor. Unser Gegenangriff warf fie wieder völlig zurück. Auch Villemontoire und Tigny waren Brennpunkte des Kampfes, den erfolgreiche Gegenstöße zu unseren Gunsten beendeten. Am Abend wurden erneute feinds liche Angriffe füdwestlich von Soissons   schon in ihrer Bereit stellung getroffen. Wo sie noch zur Durchführung tamen, brachen fie verlustreich zusammen.

Beiderseits des Ourcq   stieß der Feind am Vormittag mehrfach vergeblich gegen unsere Linien vor. Nach Heranführung frischer Kräfte holte er am Nachmittage zu erneuten Angriffen aus. Nach schwerem Kampf brachten Gegenstöße den Ansturm des Feindes beiderseits von Dulchy le Chateau zum Scheitern.

Nördlich und nordöstlich von Chateau Thierry   er­schwerten unsere im Vorgelände belassenen Abteilungen dem Gegner das Herankommen an unsere neuen Linien. Erst am Abend kam er hier zu stärkeren Angriffen, die unter schweren Verlusten für den Feind zusammenbrachen.

An der Marnefront Artillerietätigkeit. Zwischen Marne  und Ardre setten Engländer und Franzosen   ihre Angriffe fort. Sic wurden blutig abgewiesen.

Heeresgruppe Herzog Albrecht, Erfolgreicher Borstoß in die feindlichen Linien bei Ancer. Der Erste Generalquartiermeister.

biller.

Ludendorff.

Der österreichische Bericht.

Wien  , 22. Juli 1918. Amtlich wird verlautbart: An der italienischen Front feine besonderen Ereignisse. In Albanien   nahm vor drei Tagen der Feind nördlich von Berat   und im oberen Devolital seine Angriffe wieder auf. Von örtlichen Schwankungen abgesehen, gelang es ihm nirgends Borteile zu erringen. Die Kämpfe dauern an. Zwischen dem Seweri- Knie und dem Meere drangen unsere Er­fundungsabteilungen an mehreren Stellen in die italienischen Linien ein.

Der Chef des Generalstabes.

Eine Friedensrede im englischen Oberhaus.

Der gestern gemeldeten Rede Balfours über Bel­ gien   ist sehr rasch eine recht bemerkenswerte Debatte im eng­lischen Oberhaus gefolgt, die wir unten ausführlich wieder. parlament, der Kongreß der Confederation Generale du Tra­geben. Nachdem kurz zuvor Frankreichs   wirkliches Arbeiter­bail, seinen entschiedenen Friedenswillen kundgetan, hat am entgegengesetten Pol der Gesellschaftshierarchie, im Hause der englischen Lords, der frühere Vizekönig von Irland  , Lord Wimborne, eine sehr staatsmännische, sehr abgewogene und wohlüberlegte Rede gehalten, die aber in ihrem Kern gar nichts anderes als die schärfste Verurteilung der von der En­tente betriebenen Kriegspolitik darstellt.

Wie den früheren Vorstößen Lansdownes, Courtneys und anderer ist auch diesem der unmittelbare Erfolg versagt ge­blieben. Lord Wimborne zog seine Resolution, die eine Klar­stellung der Friedensziele forderte, zurück, nachdem das Haus einer Erklärung der Regierung, ihre Erörterung sei im Augenblick der großen Offensive nicht zeitge­mäß, zugestimmt hatte. Der Vorgang aber genügt im Zu­sammenhalt mit dem Pariser Gewerkschaftskongreß zum Be­weis der hier off wiederholten Behauptung, daß man sich die Völker der Entente nicht als eine Bande trunkener Kriegs­wüteriche vorstellen dürfe, daß unter der Decke des Kriegs­fanatismus eine lebhafte Friedenssehnsucht lebendig sei und daß es daher eine sehr ernste Aufgabe der deutschen   Politik wäre, solche Regungen zu stärken und auf diese Weise den Krieg als einen erfolgreich geführten Verteidigungskrieg zu rascherem Abschluß zu bringen.

Lord Wimborne hat anerkannt, daß in Deutschland frag­Ios eine starke Strömung vernünftiger, zum Frieden geneigter Meinungen vorhanden sei, die selbst der Generalstab nicht ignorieren wolle". Diese Strömung war in der Tat vom ersten Tage an da, sie wird von den Millionen der sozialdemokratischen Partei getragen, und hat im Laufe der Jahre starken Zufluß aus bürgerlichen Kreisen erhalten, die aus den Erfahrungen des Krieges gelernt haben, nüchtern und realpolitisch zu denken. Diesen Wandel der Gesinnungen fann die Entente ruhig als ihren Erfolg buchen, genau so, wie ja drüben die vorhandenen Friedensneigungen nicht bloß edelmenschlicher Gesinnung, sondern auch der Er­fenntnis entspringen, daß angesichts der Stärke des Gegners die Kriegsfortsetzung nur sichere Leiden, nicht aber sichern Sieg in Aussicht stellt.

Lord Wimborne hat mit dieser sachlichen Klarstellung der friegspatriotischen Legende ins Gesicht geschla­gen, nach der die gegnerischen Völker stets vom Kriegsteufel besessen sein sollen, und sogar die deutsche Sozialdemokratie ihren Patt mit dem Imperialismus geschlossen haben soll. Diese Legende wird in ihrer sinngemäßen Anwendung auf die Gegenseite auch bei uns eifrig gepflegt, obwohl doch in der Vorstellung, daß vier Jahre friegerischer Anstrengungen den Kriegswillen der Gegner gar nicht erschüttert haben sollen, durchaus feine Ermutigung liegt.

Wenn Lord Wimborne weiter sagt, der gewöhnliche Deutsche  " glaube, daß die Alliierten auf nichts weniger als auf die Vernichtung Deutschlands   aus seien und daß ihm gar nichts weiter übrig bleibe, als den Kampf weiter fort­zusetzen," so können wir das nicht nur bestätigen, sondern auch hinzufügen, daß dies der Glaube so ziemlich aller Deutschen  ohne Unterschied der Klasse und der Partei ist. In der Abficht, Deutschland   lebenswichtiger Gebiete zu berauben, die es vor dem Kriege beseffen hat, und es dauernd von der freien Weltwirt­schaft abzuschnüren, muß jeder Deutsche eine Vernichtungsabsicht erblickenn, der gegenüber nichts anderes übrig bleibt als fort­gesetzter Kampf. Die deutsche Friedensbewegung hat in der Tat von der offiziellen Ententepolitik nur Nackenschläge er­halten, und die deutsche Militärpartei hat in ihr die stärkste Stütze gefunden.

Telegramm unseres Kriegsberichterstatters. von anderen Frontteilen, auf neue Offensivpläne zu verzichten. Nachdem die französische   Offensive durch die machtvoll ein. Dieses Ziel ist offenbar nicht erreicht, denn die französische   Offen­fehenden deutschen   Gegenstöße im ganzen zum Stehen five ist von uns lediglich mit bereitstehenden lokalen Reserven gebracht ist, läßt sich als vorläufige Bilanz der verflossenen abgeschlagen worden, was schon aus der Schnelligkeit der deut­Kampfwoche folgendes erkennen: Die Schlacht tobte nachein- schen Gegenstöße hervorgeht. Lediglich die Zukunft wird er­ander von Soissons   bis Tahure auf 150 Kilometer weisen, welcher von beiden Feldherren dem anderen das Gesetz Breite und war, was den Einsatz von Batterien und Menschen des Handelns diktiert, wobei schon heute damit gerechnet werden Diese Haltung der Ententeregierungen hat uns stets bor betrifft, vielleicht die größte Schlacht des ganzen bis- muß, daß der mißglückte Durchbruchsversuch zwischen Aisne   und dem Aberglauben geschüßt, der Friedensapfel hänge schon reif herigen Krieges, an der fünf Großmächte der Welt beteiligt Marne   nicht hochs lester Trumpf bleiben wird. Wäh- am Baume, und es genüge eine geschickte Erklärung, um ihn waren. Hindenburg   bucht als Erfolg zunächst die Ein- rend so versichert werden kann, daß die operativen Pläne der herabzuschütteln. Es gibt sicher nicht viele Menschen in Deutsch­nahme des gesamten fünfmal vierzig Kilometer großzen Cham  - deutschen   Heeresleitung durch den wechselvollen Ausgang der land, die diesem Glauben huldigen. Noch gefährlicher aber pagneschlachtfeldes östlich Reims  , gleichzeitig hat ihm der sechs Doppelschlacht der letzten Woche nicht gestört sind, steht auf der als er ist der andere Aberglaube, der jede politische Friedens­bis zehn Kilometer tiefe Einbruch in die französisch- italienischen anderen Seite fest, daß Foch   seine schwierige Aufgabe gleich- arbeit für nußlos und schädlich ansieht und das Kriegsende nur Linien zwischen Reims   und der Marne   neue günstige Stellungen zeitiger Abwehr und Angriffe nur hat lösen können, indem er von der restlosen Auswirkung der vorhandenen mechanischen verschafft, aus der jederzeit, durch tiefe Wälder gedeckt, ein neuer tief in seine neuen amerikanischen   und italienischen Bestände Kräfte erwartet. Aufmarsch gegen den Rücken der Festung Reims   befohlen wer- hineingriff und von der englischen Front vier Divisionen her­den kann.& och hat von dem 60 Kilometer breiten, 40 Kilo unterzog. So schließt, von welcher Seite man den Ausgang der meter tiefen deutschen   Bogen südlich der Aisne   einige Kilometer Schlacht betrachtet, die kritische leste Woche immer breite Streifen abreißen können; seine neue Linie ist aber offen- noch mit einem deutschen   Ius ab. bar ungünstiger als die alte, die an Villiers- Cotterets entlang laufend, Angriffsvorbereitungen günstig verdecken konnte. Beide Feldherren haben, wie bei jedem entscheidenden Ningen, Men­schen und Material verloren.

Fochs Ziel war die Erreichung der strategischen Initia­tive, die Nötigung des Gegners, durch Einsatz starker Reserven

Dr. A. Köster, Kriegsberichterstatter..

Die Norddeutsche Allgemeine Beitung" hat gestern den ernüchtern den Eindruc" gepriesen, den die Erklä­rung Hertlings über Belgien   auf die englische Deffentlichkeit gemacht habe. Damit ist ausgesprochen, daß es nicht die Kriegs­tatsachen allein sind, von denen eine solche ,, ernüchternde" Wir­kung ausgeht, sondern daß diese Wirkung wesentlich verstärkt Genf  , 22. Juli. Eine Note von Havas gesteht zu, daß die werden kann durch eine entsprechende Politik. Nur franzöfife Offensive durch das Einseßen deutscher   Divi- eine höchst aktive Friedenspolitit, gepaart mit entschlossenem fionen zwischen Aisne   und Marne   steden geblieben ist. Die Selbsterhaltungswillen, kann dem Krieg vor jenem unbeſtimm­Franzosen hätten einige Kleine Zerritorialgewinne machen Bönnen. baren Zeitpunkt ein Ende bereiten, an dem er durch die Aus­

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