Bürger. TP.e Rechte der Presse und daS Versammlungsrecht u>arcn u»le. drückt. Statt des Gesetzes: Willkür. Willkür. Willkür. Äbends geht' man nach Haus, am Morgen ist man verschwunden. Und wehe dem, der nach uns sucht— in den Höhlen der Polizei. im Hospital, auf dem Kirchhof!-- Das Spionenwesen war die vornehmst« Staatseinrichtung, das Ministerium des Innern ein Bordell, das Ministerium der Finanzen eine Spielhölle. Niemand war für Stambulow. Alles war gegen ihn. mit Aus- »ahme der Beamten, der Polizei und einiger Unternehmer und Spekulanten. Die Arbeiterklasse haßte ihn— daS versteht sich von selbst. Das kleine und mittlere Bürgerthum war gegen ihn, denn mit den Arbeitern zusammen hatte es die ganze Staatslast zu tragen. DaS Budget schwoll unter Stambulow lawinenartig an; von 46 Millionen im Jahr 1386 war es 1894 auf 110 Millionen gestiegen— eine Vermehrung um 126 pCt.— und mit einem D e f i z i t von über 20 Millionen. Auch die große Bourgeoisie wollte nichts von ihm wissen, weil er auf industriellem Gebiete die korrupteste Gaunerwirthschaft einführte. Wer keine Trink- gelber gab, erhielt keine Konzession, keine Lieferung. In einem Wort: daS Volk verabscheute und haßte ihn. Das konnte nicht lange dauern, um so weniger, als wir vorher bessere und viel liberalere Regierungen gehabt haben. Schon seit anderthalb Jahren hat der Kampf zwischen Stambulow und dem bulgarischen Volk— dem gesammten Volk! — einen akuten(scharfen) Charakter angenommen, und nament- lich in den letzten Monaten spitzten die Gegensätze sich zu. Stambulow gebrauchte alle Mittel der Reaktion: tägliche Pro- zesse gegen die sozialistische und bürgerliche Oppositionspresse, Dragonaden(wie in Sabina), Metzeleien wie in P o p o w o, Razgrad , Tatar-Pazardschik). Es war, wie Sie im .Vorwärts" schrieben, eine Rückkehr in die Zeiten der„ b u l g a r i- scheu Greuel", die vor 18 Jahren Europa mit Schauder erfüllten. Jene Metzeleien von 1676 riefen den Aufstand hervor, der im Mai 1876 in Bulgarien losbrach und nicht das Werk Rußlands war. Denn alle Revolutionäre von damals— R a k o w s k i. Lewski, Karawelow(der Bruder des früheren Ministers), B o t i o w, jetzt sämmtlich todt, am Galgen. im Kampf, im Exil gestorben— sie waren alle erbitterte Feinde des Ruffenthums und der russischen Politik. Ich habe gesagt, daß Stambulow alle Mittel der Reaktion angewandt hat; eS ist ihm jedoch nicht gelungen, den Freiheitsgeist des Volkes zu unterdrücken. Kein Mensch ist im Stande, eine Bewegung zu unterdrücken, die im Herzen und Kopfe des Volkes steckt. Man muß das beschränkte Hirn eines Stambulow, Bis- marck u. s. w. haben. um solches glauben zu können. Wir, die bulgarischen Sozialisten, haben in den Kämpfen gegen das Stambulow'sche Regiment den Vorkamps geführt, wir haben die meisten Opfer aufzuweisen. Während der Abwesenheit deZ Fürsten, der Anfangs Mai nach Koburg gegangen war, schlug Stambulow als Regent dem Ministerrath folgende Maßregeln vor: Verhängung des Kriegs-(Belagerungs-) ZustandeS über ganz Bulgarien oder wenigstens die oppositionellsten Departements (Razgrad, Schumla, Tatar-Pazardschik u. f. w); Unterdrückung der sozialistischen und bürgerlichen Opposttionspresfe; Einführung der Zensur; Auflösung aller sozialistischen Vereine und Arbeiterorganisationen; Schließung der Hochschule, wenigstens der juristischen Fakultät, in der die sozialistischen und oppositionellen Elemente besonders stark vertreten sind. Der Kriegsminister Petrow(der auch im gegenwärtigen Kabinet Kriegsminister ist) erttärte sich entschieden gegen den Belagerungszustand. und am I7./29. Mai schickte Stambulow dem Fürsten , der schon aus der Rückreise nach Bulgarien war, seine Entlassung. Ter Fürst erhielt daS Entlassungsgesuch auf dem Bahnhof in Pest. Man darf aber nicht glauben, daß Stambulow seine Entlassung endgrltig gegeben habe. Rein, er handelte so wie schon früher: er stellte dem Fürsten die Wahl, seine Entlassung anzunehmen, oder die von ihm vorgeschlagenen Maßregeln zu bestätigen. Um den Fürsten einzuschüchtern, sandte er an alle P r ä s e k t e n eine Zirkulardepesche, in der sie aufgefordert würden, Sympathie-Versammlungeu für Stambulow abzuhalten und zu veranstalten. Doch das war nicht Alles. Fünf Tage, ehe er seine Entlassung einreichte, ließ Stam- bulow in Sofia unter die Geheimpolizisten, die Feuerwehrleute und sonstigen Beamten der Stadt, uud unter die„Tztganas"(Zigeuner), welche in der Partei des Herrn Stambulow das thätigsle Element sind, viertausend Revolver austheilen; und der Generalsekretär des Ministeriums des Innern, Kunow, schickte gleichzeitig von Wien , wohin er in außerordentlicher Sendung gegangen war, zwölf Kisten mit Dynamitpatronen nach Sofia . Kein Zweifel, Stambulow plante ein „Attentat" gegen den Fürsten und gegen sich selbst, wie er das schon so häufig gethan hatte; diese That- fachen sind absolut authentisch. Als der Fürst in Sofia angekommen war, wiederholte Stambulow seinen Vorschlag und setzte dem Fürsten die Pistole auf die Brust: Entlassung oder Ratifikation des Belagerungszustands. lich unvermerkt, und erklimmte den Wartturm, wo sie sich zwischen den mächtigen Zinnen niederließ auf die Steinbank, in die weite Luft hinausstarrte, und ihren stürmischen, mit übermenschlicher Kraft zurückgepreßten Gefühlen den Lauf ließ. Der Turmwächter, der seiner tauben Ohren halber aus den Reihen der reisigen Knechte in die Höhe verwiesen worden war, wo seine scharfen Augen noch gute Dienste zu leisten vermochten, saß dann gewöhnlich vor der Oeffuuug, die auf des Thurmes Platte seinem elenden Schlafwinkel als Thüre und Fenster diente, uud schneiderte an den Kleidern der Burgleute, oder kämmte seinen Hund, und begriff nicht, wie sich das schöne gefangene Fräulein so ganz allein zu unterhalten vermöge aus der einsamen Warte. Wallrade legte aber die glühende Stirne an die kalten Steine, und blickte hinaus gen Frankfurt , von wannen immer noch kein Retter nahen wollte. Immer noch war es ihr noch nicht gelungen, eine Botschaft an den Vater zu senden; von Tag zu Tag verzögerte sich ihre Befreiung. Unwillig klagte sie den Himmel an, daß er sie, gleich wie auf einem Siegerzuge, aufgehalten, während sie im Bwnff gestanden, des Unfriedens und der Zwietracht höchstes Maß über das Haupt oes Vaters und der Stiefmutter auszu- gießen. Unwillig fragte sie die Vorsehung, wie lange sie noch hier zu verharren habe in einem Zwang des Willens und der Empfindung, der ihr ans innerste Leben zu greifen begann, trotz Verstellung und Standhastigkeit. Zagend und zürnend zugleich gedachte sie des Augenblicks in welchem der Gras von Montsort,— dessen Znthun bei der ver- wünschten Begebenheit sie leicht errieth, wenngleich Bechtram seinen Namen nicht auszusprechen wagte,— auf der Beste erscheinen und seine Gegenwart, die durch seine Unritter- lichkeit Gefangene am tiefsten demüthigen würde. Allein, wie sehr sie auch klagte, zürnte und zagte, der Zeitpunkt ihrer Erlösung lag immer noch ferne, denn ein geheimniß- voller Schleier bedeckte vor jedem fremden Auge die auf Neufalkenstein verwahrte Beute.— Der Aufenthalt der von Gelnhausen geladenen Gäste hatte bereits mehrere Tage gedauert, und Wallrade, von trüben Gedanken in ihrer engen Kammer gepeinigt, war gerade nach dem Imbiß zu dem Wartthnrm emporgestiegen, um die laue Frühlings- tust iil ihrer klaren Reinheit zu trinken, uud ruhiger zu werden. Der Weg, welcher unfern der Beste vorüberlief, war leer und öde wie immer, seitdem die Nachbarschaft Prinz Ferdinand, der seit längerer Zeit nach einem Anlaß, sich Stambulow's zu entledigen, gesucht hatte, nahm die Entlassung Stambulow's an. was er um so leichter konnte, als er der Unterstützung des Kriegsministers Petrow und der Armee sicher war. Die von Stambulow mit Hilfe der Polizei bewaffnete und organisirte Bande machte eine Demonstration zu Gunsten Stam- bulow's; das Volk, in Massen auf der Straße versammelt, machte eine Gegendemonstration. Tausende von Arbeitern, Bürgern und Studenten antworteten mit dem zornigen Ruf: „Nieder mit Stambulow! Nieder mit dem H—kerl(forni- cateur)! Es lebe die Freiheit! Nieder mit oem Tyrann!" Die Polizei griff das Volk an; viele wurden verwundet, jedoch niemand getödtet, zahlreiche Verhaftungen vorgenommen. Allein die Stambulow-Kundgebung war vereitelt. Die Bande zog, von der Polizei beschützt, nach dem Hause des„Tyrannen", der eine Ansprache hielt. Volksmassen drängten nach; sie wollten auch die Rede hören. Aber die Polizei und Militär sperrten das Haus ab. Wäre das nicht geschehen, so wäre Stambulow gelyncht worden, wie mancher seiner üldjutanten, wie der Vizepräsident der Nationalversammlung M i l e w, wie der Ober- Staatsanwalt Dramow, wie so viele andere. Am 19./30. Mai nahmen die Demonstrationen gegen Stam- bulow an Stärke und Zahl zu; das Volk fürchtete die Rückkehr des„Tyrannen" und„H— kerls" an die Gewalt, denn das neue Ministerium war noch nicht gebildet. Der zweite Tag verlief in Kämpfen zwischen dem Volk und der Polizei— die Stambulow'sche Bande war verschwunden. Das Volk stürmte nach den ver- schiedenen Polizei- Depots und verlangte die Freilassung der zahlreichen Verhafteten. Die Polizei mußte auch nachgeben. Hierauf forderte das Volk die Auflösung der Stam- bulow'fchen Polizei, und deren vorläufige Ersetzung durch die Armee. Auch das wurde bewilligt. Während des zweiten Tags wurde der Polizeipräfekt L u k a n o w, trotz seiner Eskorte von Gendarmen, gelyncht: das Schien- dein wurde ihm zerbrochen, und wären nicht Soldaten dazwischen getreten, so hätte die ergrimmte Menge ihn getödtet. Das nämliche Schicksal hatte Jordanow, der Unter-Polizeipräsekt, und eine Anzahl von Polizeikommissaren. Mit den Spionen war man gnädiger.„Bist Du Spitzel?" „Nein, meine Brüder!"„Aber wir kennen Dich doch. Du bist der und der."„Ja, der bin ich, aber ich war Spitzel nur, weil ich nichts anderes zum Leben hatte. Jetzt bin ich es nicht mehr." „Gut, dann rufe: Nieder mit dem Tyrann! Nieder mit dem H—kerl!" Und der Spion brüllte, so laut er konnte. Das Volk lachte, nahm ihm den Revolver ab und ließ ihn von Sol- baten verhaften. Diese Szene spielte sich Dutzende Male ab. In der ganzen Stadt ertönten Rufe gegen Stambulow, sein Bild wurde verbrannt; von der Straße, die er nach sich benannt hatte, wurden die Tafeln abgerissen, und seine Büste im Stadtgarten wurde zertrümmert. Am Abend war die Bildung des neuen KabinetS schon be- kannt. Volksmassen eilten vor das HauS S t o i l o w' S, und in die Hochrufe mischte sich der Warnungsruf:„Nimm Dir ein Exempel an Deinen, Vorgänger! DaS gleiche Laos wird jeden Tyrannen treffen!" Stotlow ver- sprach, die Verfassung und alle Freiheiten der Bürger wieder- herzustellen. Tie ersten Handlungen des neuen Ministeriums waren: die Freilassung aller gefangenen Journalisten, einiger politischen Gefangenen ans dem Beltscheff- Prozeß und aller „Jnternirten". Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, daß die, auch vom„Vorwärts" erwähnte Nachricht, das neue Ministerium habe den Depeschenverkehr mit dem Ausland unter Zensur gestellt, jeder Begründung entbehrt. Die westeuropäischen Zeitungen sprechen viel von der Rolle, welche die Studenten in den jüngsten Ereignissen gespielt haben. Ja, die Studenten haben bei den Demonstrationen gegen Stambulow eine Rolle gespielt, aber nicht die leitende. Sie zählen 500 Mann und die Zahl der Demonstranten belief sich auf mindestens 10 000. Man spricht auch von der Rolle der Sozialisten. Die „Swoboda", das Organ des gefallenen Ministers, sagt; „Die S o z i a l i st e n haben das jetzige Ministerium an die Gewalt gebracht." Und das Blatt erzählt, die Sozialisten hätten die Demonstrationen gegen Slam- bulow organistrt und gerufen:„Nieder mit Stambulow! Nieder mil dem Fürsten !" Letzteres ist gelogen— in welcher Absicht, das leuchtet ein. Die Sozialisten sind keine Freunde des Fürsten , aber sie hatten auch keine» Grund, in diesem Augenblick gegen ihn vorzugehen. Wahr ist, daß unsere Genossen bei den Vorgängen � tüchtig mitgewirkt haben; die meisten Verwundeten sind Mirglieder unserer Partei. Mit Stambulow sind wir fertig; er hat jeden Boden im Volk verloren und wird nie an die Gewalt zurück- ehren. Ich sage von ihm, was G u e s d e von C o n st a n s kgesagt hat: er ist ein Leichnam. Kein Zweifel, unsere Bourgeoisie wird sich gelegentlich einen„Retter" suchen, aber es wird ein anderer sein, als Stambulow. von Bechtrams neuen Unternehmungen vernommen hatte. Ein frischer Luftstrom erquickte aber Auge und Stirn der Gefangenen, und ihr Blick schweifte kühn über die Höhen und Ebenen, über Gewässer und düstere Tannenwipfel und senkte sich tief in das Innere der kleinen, zu ihren Füßen liegenden Beste. Ihr Herz ergrimmte auf's neue, da sie jetzt erst wahrnahm, wie gering und unbedeutend der Kerker war, der sie einschloß. Der, an und für sich nicht sehr er- giebige Raum war von dem Erbauer haushälterisch bentttzt worden. Ein tiefer Graben umschloß die unregelmäßig gebaute Beste, deren Eingang ein schmales Thor, blos für einen Mann zu Pferde breit und hoch genug bildete. Zug- brücke und Pforte verschloß diesen Eingang beständig, wie eine von aller Welt abgeschnittene Klause. Hinter den dicken, am Graben emporragenden Mauern schlängelte sich der enge Zwinger, in welchem Knechte, Pferde und Hunde, sammt dem geraubten Zug- und Melkvieh ihre Hütten und Ställe fanden. Eine elende Waffenschmiede, in welcher die aus Raubzügen zerhackten Blechhauben und Drahtwämser nothwendig zusammengeflickt wurden, streckte hier ihren rauchenden Schlot. Dicht daneben hatten die Burgleute zu ihrem Vergnügen eine bald zum Armbrustschießen, bald zum Kegelschieben benützte Bahn angelegt; der einzige Fleck, auf welchem allenfalls ein Roß zugeritten werden konnte. Wer aus diesem Zwinger in das Innerste dringen wollte, mußte durch ein niederes, von schwerem eichenen Gegatter fest verschlossenes Pförtlein kriechen, hinter welchem der enge finstere Hof das Wohngebäude des Herrn einfaßte, zu dessen, ungefähr acht bis nenn Schuhe von dem Boden erhöhten Schwelle eine in Klammern gehängte Holztreppe führte, die im Nothfall weggenommen werden konnte, um einem Feinde oder einem Räuber den Eingang zu den Schätzen und Vorräthen des Hauses unmöglich zu machen oder mindestens zu erschweren. In dem Hofraum schnatterte und lärmte des Federviehs bedeutende Menge, rauchte der Ofen, in welchem die thätige Hausfrau das Brot be- reitete, umfangen von hohem, rußigem Geniäuer, das in die Fensteröffnungen des Erdgeschosses der Burg nur den bleichsten Strahl des Tages eindringen ließ. Und dennoch waren hier die Räume, in welchen die Geschäfte der Wirth- schast, nnd des Hanswesensjverrichtet werden mußten. (Fortsetzung folgt.) Dieser war nicht der Vertreter einer Klasse, sondern der Haupt. mann einer Räuber- und Diebesbande, mit der keine Klasse etwas zu thun haben will. Für unsere Partei find die Kämpfe natürlich nicht beendet. Allein wir haben einen tüchtigen Schritt vorwärts gemacht. Wir haben unseren Wirkungskreis erweitert, und werden jetzt alle Kraft darauf verwenden, unsere Ideen unter dem Volk zu ver- breiten, die Arbeiterklasse zu organisiren, und die unseren Ideen sehr empfänglichen Kleinbauern und Kleinbürger für den Sozia- lismus zu gewinnen. �lilss. Voliktsthe Molrevstlszt. Berlin , den 12. Juli. Ter BundeSrath beschloß in seiner heutigen Sitzung, der Resolution des Reichstages, betr. die Ei s e n b a h n- Freifahrkarten der Reichstags-Mitglieder keine Folge zu geben; dem Ausschußantrage zu der Vorlage vom 22. Juni 1894, betr. die Verlegung der Zoll- grenze bei Cuxhaven wurde die Zustimmung ertheilt. Auslieferungsvertrag und Handelsbeziehungen mit Spanien . Spanien will mit Deutschland einen neuen Auslieferungsvertrag abschließen, wonach Deserteure der Kriegsmarine künftighin ausgeliefert werden sollen. Dieser im Geiste des deutschen Militarismus gemachte Vorschlag Spaniens soll in deutschen Bundesrathskreisen besonders gut aufgenommen worden sein und soll dazu dienen, die deutsch - spanischen Handelsbeziehungen freundlicher zu ge- stalten, die nun, wo die deutsch -spanischen Handelsvertrags- Verhandlungen nach Mittheilung des»Reichs-Anzeigers" vollständig gescheitert sind, sehr gespannt geworden sind, da Spanien jetzt den Maximal-Zolltarif gegen Deutschland eingeführt hat, worauf seitens Deutschlands mit einem 50 prozentigen Zollzuschlag auf eine Reihe wichtiger spanischer Ausfuhrartikel geantwortet hat. Der„Reichs- Anzeiger" schreibt: „Bei diese»' Gang der Verhältnisse versteht es sich von selbst, daß die Kaiserliche Regierung sich nicht länger an den Vertrag gebunden erachtet und daß sie den Versuch, zu einer handelspolitischen Verständigung mit Spanien zu gelangen, als gescheitert ansieht. Der Kaiserliche Botschafter in Madrid ist demgemäß bereits beauftragt worden, der spanischen Re- gierung unverzüglich eine entsprechende Erklärung abzugeben." Fünf neue Reichsgerichtsräthe sind am 1. d. M. eingesetzt worden, einer war bis zu seiner Ernennung erster Staatsanwalt in Mannheim ; wie lange die übrigen Staats- anwälte waren, wissen wir leider nicht.— Zur Bekämpfung der Sozialdemokratie. Das Organ der süddeutschen Voltspartei„Jpf" veröffentlicht ein Schriftstück, das angeblich im Auftrage der Regierung von den einzelnen Oberämtern versandt wird und zu einer inneren Bekämpfung der Sozialdemokratie auffordert. Wir hoffen morgen dieses Aktenstück unseren Lesern mittheilen zu können.— Ter streng vertrauliche Erlast des Niederbarnimer Landraths, den wir unlängst veröffentlicht hatten, veranlaßt den Ex- Reichskanzler zu folgender Aeußerung in seinen „Hamburger Nachrichten": Die Thatsache, daß man glaubt, einen Erlaß, wie den deS Landraths von Niedcrbarnim im Interesse der Regierung geheim halten zu müssen, anstatt ihn mit offenem Visir im „Reichs- Anzeiger" und in den„Kreisblättern" zu ver« künden und damit allen staatSlreuen Deutschen , wir wollen nicht sagen eine Fahne znr Sammlung aufzu- stecken, aber ihnen ein Merkzeichen der Richtung zu geben, in welcher die Regierung thätig sein will— diese Thatsache muß niederschlagend auf alle Parteien und Richtungen wirken. welche ihr oonvonio mit der Sozialdemokratie noch nicht aus Ueberzeugung oder aus Furcht zu dem leitenden Grundsatze ihrer Haltung gemacht haben.— Was ist denn an dem Erlasse überhaupt zu verschweigen und wie konnte man glauben, daß sämmtliche Adressaten des Niederbarnimschen Kreises ihn verschweigen würden? Daß die Regierungen das Fortschreiten der Sozialdemokratie wenigstens beobachte: und alle für sie verfügbaren Mittel anwendet, um sich Klarheit über dasselbe zu verschaffen, namentlich be- züglich der sozialdemokratischen Jnflzirnng des Heeres und deren Weiterentwickelung, erscheint von unserem Stand- punkte und vom Standpunkte aller an der Erhaltung und ruhigen Fortbildung unserer staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse Jnteressirten doch einfach als die Pflicht und Schuldigkeit jeder monarchischen Regierung. Wozu also die Geheimnißkrämerei, ganz abgesehen von ihrer Ungeschicklheit? Sie kann doch nur zur Folge haben, daß die Sozialdemokratie in verstärktem Maße das Gefühl bekommt, daß in der Regie- rung Strömungen existire», welche die sozialdemokratischen Be- strebungen für gleichberechtigt mit denen aller monarchischen Parteien halten und sich fürchten, sich offen zu ihrer Gegner- schaft zu bekennen. Man hat, wenn man über die Motive dieser Geheimnißkrämerei nachdenkt, die Wahl zwischen der Furcht. als Gegner der Sozialdemokratie ertappt und überführt zu werden, und geheimen Sympathien für die Sozialdemokratie auf der Basis des„Sozialismus der gebildeten Stände" zu huldigen. Ein Pudendnm(etwas, weswegen man sich zu schämen hat) liegt in der Sache; aber es besteht in der Heim- lichkeit, nicht in der Kundgebung kampsbereiter Beobachtung der Fortschritte der Gegner der gegenwärtigen Staats- und Gesellschaftsordnung. Der Herzog von Lauenburg vergißt ganz, daß die Sozialdemokratie dem Bismarck- Puttkamer 'schen Systeme auch so manche Freude mit Veröffentlichung streng ver- traulicher Erlasse bereitet hat; wahrscheinlich meint c r, daß der alte Kurs sich seiner streng vertraulichen Akten- stücke wegen ganz besonders zu schämen hatte.-- Der Freisinn»nd das allgemeine gleiche Wahl- recht. Dte„Republik " Hamburg hat eines der reaktionärsten Wahlgesetze. Während es 163 000 Reichs- tagswähler hat, haben nur 23 000 daS Hamburgische Bürgerrecht. Die Hamburgische Verfassuug hat überdies dafür gesorgt, daß selbst die 23 000 Bürger machtlos sind gegenüber dem Geldprotzenthum und dem Klüngel, den „Notabeln" der freien Stadt. Die Mißregierung, welche die Folge einer solchen Verfassung ist, hat sich in der Cholcrazeit so deutlich offenbart, daß die Frage einer Ver- fassungsreform nicht zu umgehen.war. Nachdem der Choleraschrecken vorüber ist, haben die weisen Väter Heim- bnrgs sich jedoch wieder beruhigt, und halten es für das Beste, alles beim Alten zu lassen. Sie schlagen allerdings eine Reform vor, die wesentlich nichts ändert, nur die Zahl der Wahlberechtigten etwas erhöht, aber nach wie vor die große Masse der Bevölkerung jvom Bürger- und Wahlrecht ans- schließt. Der„Freisinnige Verein" selbst, weit entfernt, das allgemeine, gleiche Wahlrecht zu verlangen, be- schränkt sich in seinen Forderungen darauf, das Wahlrecht zur Bürgerschaft zwar unentgeltlich zu gewähren(bisher kostete die Erlangung des Bürgerrechts 30 M.), aber nur demjenigen, welcher 5 Jahre in Hamburg seinen Wohnsitz
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