angetreten hat, jetzt sollte es anders sein? Wie wollen denn die im Besitz Verharrenden den allgemeinen Aufschwung der Geister bewirken, der zur glücklichen Beendigung dieses un- geheuren Krieges notwendig ist. wenn nicht durch eine große Idee? Wo ist der wirksame Ersatz, den sie für die weit- bewegende Macht demokratischer Freiheitsideale zu bieten haben? Es bleibt ihnen unbenommen, eine Stimmung, die ihren altkonservativen Idealen gegenüber unbeweglich bleibt, zu bejammern und zu verdammen, aber sie ist nun einmal da.' und es ist eine Tatsache, daß das Volk mit„Kreuz- Zeitungs"-Artikeln und Herrcnhausreden nicht dazu ange- spannt werden kann, sein Aeußerstes herzugeben, daß diese Reden und Artikel vielmehr das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung erzielen, daß�sic die Volksstimmung nicht heben, sondern auf sie nur drücken. ES handelt sich aber heute weder um theoretische Spitz- findigkeiten, noch um die Interessen von Minderheiten, es geht ums Ganze! llnd wer große Ziele anstrebt, der muß auch die großen Mittel wollen, die notwendig sind, sie zu erreichen. Das hat die deutsche Regierung in lichten Augenblicken begriffen, aber jedesmal, wenn sie sich zu dieser Erkenntnis bekannte, prasselte ein Hagel von Verwünschungen auf sie nieder. In jedem Versuch, den Volksgeist stärker zu beschwingen, ihn aus große ideale Ziele hinzulenken, zu denen diescr furchtbare Krieg nur ein Durchgangsstadium ist, sehen die Konservativen nichts als eiy gelungenes taktisches Maröver der Sozialdemokratie und einen tückischen Angriff auf ihre altgeheiligte Besitzsphäre. Darum sind die lebhaftesten inneren Kämpfe für die Zu- kunft des Reiches immer noch unendlich viel besser als die Art von„Burgfrieden", die den Konservativen vorschwebt. Dieser Burgfrieden ist der Frieden des Kirchhofs, der Exerzier- platz eines wünsch--und ideenlosen stumpfen Gehorsam, mit einem Wort, er bedeutet den g e f ä h r l i ch st e n Zustand, in den ein Volk, das um seine Existenz kämpft, verfallen kann. Am 2. September tritt der Verfaffungsausschuß des Herrenhauses in die Beratung der Wahlreform ein. Wir hoffen, daß der Versuch, das Volk bei dieser geplanten Ope- ration in eine Narkose des Burgfriedens zu versenken, ver- geblich bleiben wird. Je stärker sich bei dieser Gelegenheit seine Lebenskräfte regen, desto weniger wird man an seiner Zukunft, auch nach außen hin, zu verzweifeln brauchen!_ Nachklang üer Neüe Solfs. I Alldeutsche Kritik. v Die Rede des Staatssekretärs Dr. Solf findet in der Presse eine recht günstige Aufnahme; auch die alldeutsche Presse zeigt sich, wenn auch keineswegs vergnügt, so doch be- merkenswert zurückhaltend. Eine Ausnahme macht Graf Reve ntl ow, der sich in. der„Deutschen Tagesztg." kein Blatt vor den Mund nimmt, sondern folgendermaßen los- legt: Der Staatssekretär hat sich wiederholt gegen die Knock-o»t- Kriegführung, Knock-out-Politik unb Knock-out-Gesrnnung gerichtet und daran einen Angriff gegen diejenigen in Deutschland geknüpft, „die das ewig Gestrige anbeten und mit Angst und Unverstand den herannahenden Morgen einer neuen Zeit erwarten". DaS soll wohl der- Beginn des„Kampfes gegen die Alldeutschen" sein, welchen Professor Delbrück , Dr. Rohrbach u.a.m. als neue Lebens- bedingung de? Deutschen RekcheS fordern... Die Rede des Herrn Dr. Solfs trieft sozusagen von Moral und so ist es um so bemerkenswerter, daß er diesen Artikel nicht auf die eigenen Volksgenossen im Sinne einer selbstverständlichen Pflicht anwendet, sie vielmehr offiziell zu diskreditieren versucht. Die meisten Menschen und nicht zum wenigsten solche,' die sich in hohen amtlichen Slellüngen befinden, glauben, daß sie den„Morgen einer neuen Zeit" sähen und heraufführen helfen. Wir fußen in bezug auf den Krieg auf der Erfahrung, die freilich immer etwas ewig Gestriges ist. Wenn Herr Dr. Solf politisch lieber mit Hoffnungen arbeitel und in diesem Sinne„von großen Gedanken des Völkerbundes" spricht, so ist daS seine Sache, muß aber politisch bedenklich stimmen; er winkt anscheinend über den Ozean hinüber. Das gleiche gilt von seiner Schlußfolgerung, man solle nicht gefühlsmäßig reagieren, indem man sich auf den Boden des Vernichtungswillens stelle und die Völkerversöhnung ausschalte. Auch damit wendet er sich an die Deutschen , obgleich selbst im extremsten Flügel der All- deutschen nie eine derartige Gesinnung vertreten worden ist. Es macht daher den Eindruck, als ob die Regierung mit dieser Rede in erster Linie der Verzichtmehrheit gegenüber Diligentiam prästieren (Eifer bezeigen) wolle. Die„Kreuzzeitung " kritisiert in diesem Zusammenhang unsere Kritik am Brester Frieden und meint, der„Vorwärts" habe„gegen sein Vaterland und für unsere Feinde Partei ergriffen." Das macht sich um so besser, als dieses Blatt gestern noch erklärte, die Presse solle sich bemühen, durch die Art ihrer Polemik den„Burgfrieden" zu wahren.
Oer Großkampftag öes 20. August. An der Westfront'war der 20. Nugust ein Tag gewaltiger Kämpfe. Die kurze Zeitfolge, in der General Fach einen Groß- kämpf dem anderen folgen läßt, scheint immer mehr darauf hinzu- deuten, daß der Ententegeneralissimus, ungeachtet aller Opfer, die Waffenentscheidung, koste es was eS wolle, herbeizuführen fuchl. Nachdem die fett Tagen sich unerusgesetzt wiederholenden An- griffe des Feindes beiderseits der Avre unter schweren Verlusten vor der deutschen Bectcidigungsfront zurückgeprallt waren, schritt der französische Führer zu dem von uns erwarteten neuen Angriff zwischen Oife und Aisne . Hier hatten die starken französischen An- griffe des 18. und lv. August günstige Vorbedingungen für den neuen großangelegten Angriff schaffen sollen. Um 7 Uhr morgens begann der wiederum von allen Kampf- mittel« unterstützte Angriff, der diesmal mit weitgest eckten strategischen Zielen an der Bruchstelle der deutschen Front durch energischen Flanken stoß den Durchbruch erzwingen sollte. Tech auch diesmal blieb trotz sorgsamster Vorbereitung der feindlichen Führer der Erfolg versagt. Bereits um die Mittags- stunden hatte die elastische deutsche Verteidigung den wuchtigen feindlichen Ansturm vor ihren Artilleriestellungen zum Scheitern gebracht. Trotz der Größe der hierbei erlitte- nen Opfer setzte die feindliche Führung auch jetzt noch in immer wiederholten Angriffen bis in die Nacht hinein ihre Durchbruchs- versuche fort, ohne jedoch weiter Boden gewinnen zu können. Die .Verluste des Feiendes entsprechen der Stärke des Einsatzes Und der Dauer der fortgesetzten vergeblichen Angriffe. Hier ist die Last pes Kampfes lediglich der französischen Infanterie aufgebürdet, von der die rücksichtslos vorgetriebenen schwarzen
Franzofen in GegenS Carfeponk, Nampcel besonders schwer bfirken mutzten. Englischer Heeresbericht vom 20. August abends. Oertliche Kämpfe an beiden Ufern der Scarpe. Wir wiesen südlich des Flusses Angriffe gegen die Posten ab, welche wir östlich der früheren Linie des Feindes einrichteten. Wir rückten ein kleines Stück östlich von Fampoux vor. Wir gewannen auch beiderseits der Lhs weiter Boden, auch nahmen wir Lepmette und stehen östlich von Merville. Wir besetzten auch Vierhouck und La Couronne nördlich von Merville.
Ein Geistesarmer von Gottes Gnaüen. Bruchstücke aus dem Tagebuch Nikolaus'. In den„Jswestija" vom?. August waren zunächst die Aufzeichnungen über die letzten Tage des Zaren vor seinem Sturz veröffentlicht. Sorgfältig hatte der Zar aufgeschrieben, wann er spazieren gegangen war und wann er Domino ge- spielt hatte. An der telephonisch übermittelten Darstellung der Lage durch Rodzianko und der damit verknüpften Aufforde- rung zum Thronverzicht bemängelte er zuerst, daß das Schrift- stück so schröcklich lang sei. Derartige Aufzeichnungen, nieder- geschrieben im Hauptquartier in den Tagen, wo die hochlodern- den Flammen der Revolution emporschlugen, wo es sich um Sein oder Nichtsein für Nikolaus selbst, die Dynastie, den Zaris- mus handelte, beweisen die ganze klägliche Bedeutungslosigkeit des Mannes, in dessen verhängnisvoller Hand das Geschick eines Millionenvolkes und damit der ganzen europäischen Kultur lag. Auch die Fortsetzung der Auszüge bestärkt das Bild der Vertrottelung Nikolaus' II. , bei dem als einzig menschlich versöhnender Zug sein Familiensinn hervortritt. Selbst sein Sturz vermag ihn nicht zu irgendwelcher Größe zu erheben. Der Haupttvert der Tagebücher liegt auf— meteorologischem Gebiet, denn es ist 30 Jahre hindurch fast Tag für Tag das Wetter in ihnen aufgezeichnet. Auch diese Pedanterie erscheint als Zeichen äußerster Geistesarmut. Nachstehend einige Proben aus der Zeit nach dem Sturz des einst so Mächtigen. Die erste Notiz ist am Tage nach seiner Abdan- kung vom Exzaren zu Papier gebracht. Die Eintragung dieses Tages schloß bekanntlich mit den Worten:„Rings - herum Verrat, Feigheit und Betrug". 3. März. Freitag. Ich schlief lange und fest. Ich erwachte weit hinter Dwinsk . Der Tag war sonnenklar und frostig. Ich unterhielt mich m-it den Meintgen über den gestrigen Tag. Ich las viel über Julius Cäsar . Um 8 Uhr 20 Minuten kam ich in Mohilew an. Alle Chargen des Stabes hatten sich auf dem Bahnhof versammelt. Alexejew empfing ich im Waggon. Um O'A Uhr begab ich mich nach Hause. Alexejew brachte die besten Nachrichten von Rodzianko mit. Es stellt sich heraus, daß Mifcha entsagte. Sein Manifest schließt mit der Zusage, in sechs Mo- naten eine außerordentliche Wahl stattfinden zu lassen. Gotl weiß, was ihn bewegte, solches ekelhafte Zeug zu unterschreiben. Die Unruhen in Petersburg haben aufgehört, wenn es nur so bleiben möchte. 4. März. Sonnabend. Ich schlief gut. Um 10 Uht kam der gute Alex. Dann hörte ich Vortrag. Um 12 Uhr fuhr ich zur Bahn, um meine teure Mutter, die aus Kiew kam, abzuholen. Ich brachte sie zu mir und frühstückte mit ihr und den Unsrigen. Wir unterhielten uns lange. Heute bekam ich endlich zwei Telegramm« von der teuren Alix. Ich macht« einen Spaziergang. Das Wetter war widerwärtig— Frost und Schnee. Nach dem Tee empfing ich Alexejew und Frederiks.— Um 8 Uhr fuhr ich zu der .Mutter zu Tiffft und blieb mit ihr bis 11 Uhr zusammen. 8. März. Mittwoch. Der letzte Tag in Mohilew. Um lOVt Uhr unterzeichnete ich den Armeebefehl, in dem ich mich von der Armee verabschiede. Um 10 Uhr ging ich in das Dienstgebäude, um mich von allen Stabsoffizieren und Ver- waltungsbeamten zu verabschieden. Zu Hause nahm ich dann noch von der Kosakeneskorte und ihren Offizieren Abschied. Das Herz brach mir beinahe. Um 12 Uhr fuhr ich zu der Mutter, frühstückte mit ihr und ihrem Gefolge und blieb dort bis 434 Uhr. Ich nahm von ihr, Sandor, Serjiej, Boris und Alex Abschied. Den armen Nilow ließ man nicht mit mir gehen. Um 4 Uhr 4ö Minuten fuhr ich von Mohilcw ab, von einer Volksmenge, die sehr gerührt er- schien, begleitet. Vier Ausschußmitglieder geleiteten mich in meinen Zug. Ich fuhr nach Orscha und WitebSk. Das Wetter ist frostig und windig. Es ist sehr traurig und schmerzhaft. 9. März. Donnerstag. Ich kam um 3411 Uhr glücklich in Z a r s k o j e S e l o an. Aber, o Gott ,'was für ein Unter- schied: Auf der Straß«, um das Schloß, im Innern des Parks Wachtposten und bei de-r Einfahrt ein unfreundlicher Fähnrich als Wache. Ich ging hinauf und fand dort die liebe Alix und die teuren Kinder. Sie sah frisch und gesund aus, die Kinder aber lagen alle infolge einer Erkrankung an Masern im dunklen Zimmer. Sie fiihlen sich alle sehr wohl, außer Marie, die erst vor kurzem an Masern erkrankt war. Wir frühstückten und aßen zu Mittag im Spielzimmer bei Alexiej. Ich sah den guten Benkendorf . Ich ging spazieren mit Wale Dolgoruki unkk arbeitete ein wenig mit ihm im Gärtchen, Henn weiter'weg gehen darf man nicht. Nach dem Tee packte ich mein« Sachen aus. Abends suchten wir die Bewohner unseres Schloßflügels auf und fanden alle beisammen. 27. März. Montag.� lKerenski sucht die Freiheiten des ver- hafteten Zaren einzuschränken und beruft sich zu seiner Verteidi- gung dabei auf die Beschlüsse der Sowjets der Arbeiter- und Sol- datendeputicrten.) Wir begannen die Fasten, was uns aber dies- mal keine Freude macht. Nach dem Gottesdienst kam Kerenski .und bat, unsere Zusammenkünfte etwas einzuschränken; auch sollten wir nicht mit den Kindern zusammensei». Kerenski stellte diese Forderung angeblich, um den Sowjet der Arbeiter- und Soldaten deputierten zu beruhigen. Ilm Gewalt- tätigkeiten zu entgehen, mußte man sich der Anordnung fügen. Ich ging mit Tatjana spazieren.' 30. März. Donnerstag. Es wehte ein scharfer Wind, der wäh- rend des Tages die Wolken vertrieb. Um 10 Uhr gingen wir zur Messe, wobei viele das Abendmahl nahmen. Spazierte kurze Zeit mit Tatjana. Heute fand die Beisetzung der„Opfer der Revolution" statt bei uns im Park gegenüber der Mitte des AlexanderpalasteS, in der Nähe des Chinesischen Palastes. Klänge eines Trauermarsches und der Marseillaise waren zu vernehmen. Um 514 Uhr war alles zu Ende. Um 6 Uhr gingen wir zum Gottesdienst.... 7. April. Freitag. Das Wetter ist schöner und wärmer. Ich ging am Morgen lange spazieren, da es schön war. Am Tage war ich mit Tatjana und Alexei bei der Arbeit. Die Gesichter der Soldaten und ihre saloppe Haltung machten auf alle einen abscheulichen Eindruck. 8. April. Sonnabend. Verlebten still den 23. Jahrestag un- serer Verlobung. Es war ein warmer Frühlingstag. Am Morgen spazierte ich lange mit Alexei. W,r erfuhren, weshalb die gestrige Wache so ekelhaft war: es waren durc�vegs. Soldatendeputierte. Dafür wurden sie von einer guten Wache vom Reservebataillon des 4. Schützenrcgiments abgelöst.... 18. April. Dienstag. Im Auslande ist heute der 1. Mai. Unsere Esel haben daher beschlossen, diesen Tag durch Umzüge durch die Straßen mit Musik und roten Fahnen festlich zu begehen. Augenscheinlich sind sie in unseren Park gekommen und haben Kränze an den Gräbern niedergelegt. Das Wetter wurde gerade schlecht als die Feier begann. Es fiel dichter, nasser Schnee. Um 3% Uhr ging ick spazieren, als alles zu Ende war und die Sonne hervorblickte. 114 Stunden habe ich mit Tatjana gearbeitet. Am Abend fing ich an, den Kindern„A m i l- lionaire girl" laut vorzulesen.
1. Mai. Montag. Ein herrlicher warmer Tag. Am Morgen bin ich schön spazieren aegangen. Von 12 Uhr ab war Geographie- stunde mit Alexei. Am Tage arbeitete ich wieder in unserem Ge- müsegarten. Bis Mitag und am Abend las ich laut vor. Am Abend erfuhr ich, daß Kornilow von dem Posten de? Oberkommandieren- den des Petersburger Militärbezirks zurückgetreten ist und heute, von dem Rücktritt Gutschkows. Immer aus dem gleichen Grunde einer unverantwortlichen Einmischung in die Verfügung der Mi- litärgewalt durch den Arbeiterdeputiertenrat und noch- irgendwelche viel weiter links stehende Organisationen....' 3. Juni. Sonnabend. Nach dem Mocgentee erschien plötzlich Kerenski per Auto aus der Stadt. Er blieb nicht lange bei mir. Er bat, der Untersuchungskommission irgendwelche Papiere oder Do- kumente, die aus die Innenpolitik Bezug haben, zu übersenden.... Nach dem Spaziergang bis zum Frühstück hals ich Korowi- tschenk diese Papiere durchsehen. Am Tage setzte er das zusammen mit Kobilinski fort. Ich beschnitt die Stämme der Bäume am ersten Platz, Wäh- renddessen passierte das Malheur mit Alex' Gewehr; er spielte damit auf der Insel; die Schützen, welche im Garten spo- zieren gingen, sahen es und baten einen Offizier, es wegzunehmen; sie brachten es ins Wachzimmer. Nachher stellte es sich heraus, daß es aus irgend einem Grund ins Rathaus geschickt wurde. Schöne Offiziere, die nicht den Mut haben, den Gemeinen etwas abzuschlagen. Wir waren bei» NachigotteAdienst. Der Abend wie gewöhnlich. 9. Juli. Freitag. Gerade drei Monate sind es her, seit ich aus Mohilew hier, bin und wir wie Gefangene sitzen. Es fällt schwer, ohne Nachrichten von der lieben Mama zu sein, alles übrige ist mir gleichgültig.... Und im Namen dieses harmlosen Narren ist gerichtet und gehängt, Politik gemacht und Krieg erklärt worden!
Die sofortige 5rieüensmöglichkeit. Stimme eines französischen Sozialisten. Genf , 18. August. Die„Humanste", welche die Sozialisten aufgefordert hat, im Hinblick auf den nahe bevorstehenden Ratio- nalkongretz der Partei ihre Meinungen zu äußern, eröffnet unter dem Titel„Tribüne du congres" eine eigene Rubrik, in der. R e n e N i c o d, der sich als ein weder zur Majorität noch zur Minorität gehöriger Sozialist bezeichnet, in einem längeren Artikel ausführt: Ich glaube fest, daß der Friede schon jetzt auf folgenden Grundlagen verwirklicht werden könnte: Befreiung sämtlicher besetz- ter Gebiete, Rückgabe seiner Kolonien vom Jahre 1914 an Deutsch - land, Freiheit des Meeres durch Neutralisicrung oder Jnternatio- nalisterung der Meerengen, das heißt Sicherung des freien Zu- ganges zu den Handelsstraßen des Koninents und der freien B e n ü tz u n,g der Seehandelsstraßen für jedes Volk. Ich höre schon die Rufe von Genossen: Und Elsatz-Lothringen und, das unerlöste Italien ? Die einmütige Ansicht über diese beiden Fragen ist bekannt, die auf der allgemeinen Friedenskonfe- renz der Lösung zugeführt werden müssen, aber weder die eine. noch die andere ist eS wert, daß ihrethalben der Krieg auch nur eine Minute länger dauern sollte. Dies ist nicht allein meine persönliche Meinung, sondern ich kann auch mit voller Aufrichtigkeit behaupten, daß dies die Mci- nung aller Soldaten ist. Jede gegenteilige Behauptung ruft in den Schützengräben— ich behaupte dies nochmals— heftige Proteste hervor. Unse»� unabweisbare Pflicht ist eS, die Thesen der feindlichen Parteien miteinander in Einklang zu bringen. Wenn die Regierungen uns die Pässe verweigern, werden die Ar- beiterklasse und die Sozialistenpartei die äußersten Möglichkeiten ins Auge fassen und der Bourgeoisie ihre' V e r a n t w o r t u n g für die revolutionäre Lage vor Augen halten müssen, die ihre Halsstarrigkeit unweigerlich geschaffen haben wird. Nicods Vorschläge sind in der Tat die. die den Frieden in kürzester Zeit herbeiführen könnten. Wir wissen wohl, daß es hüben wie drüben Stimmen geben wird, die einen solchen Frieden für einen„Schmachfrieden" erklären— merkwürdig. daß ein Frieden für beide kriegführenden Teile gleichzeitig schmachvoll sein kann!—, aber für Deutschland können wir wohl garantieren, daß jede Regierung im Sturm hin- weggefegt werden würde, die sich weigerte, auf Grund der- artiger Vorschläge in Unterhandlungen zu treten. Ricods Vorschläge zeigen, daß an der Front die Vernunft weit größer ist als in der Heimat— nicht nur in Frankreich . Kriegsverlängerung üurch üie kleinen Nationen. Zu der Anerkennung der Tschecho-Slowaken als kriegführende Macht durch die englische Regierung schreibt der liberale„Daily C h r o n i c l e", die Anerkennung habe sowohl militärisch« als poli- tische Bedeutung. Militärisch erhielten die zerstreuten tschecho- slowakischen Streitkräfte in' Sibirien , Rußland , Italien und Frank- reich in dem tschecho-slowakischen Nationalrat eine anerkannte Zen- tralbehörde. Politisch bedeute der Schritt eine wichtige Fest- legung in der Richtung der Aufte ilung Oesterveich-Un- garns sowie«ine amtliche Anerkennung der tschecho- slowakischen Kriegsziele und der natio- nalen Sei bst bestimmun g. Bekanntlich sei von Groß- britannien, Frankreich und Italien in Versailles auch bereits die künftige Unabhängigkeit Polens anerkannt worden, bezüglich derer auch Wilson stets seine vollste Sympathie bekundet habe. Die polnische Frage, sagt die Zeitung, ist, wie die tschecho-slowakische Frage der Prüfstein für den Charakter des nachkriegerischen Euro- pas, und erstere berührt Deutschland noch direkter als letztere, da einige der hauptsächlichsten Teile Polens unter preußischer Herr- schaft stehen. Was not tut, um in den polnischen und tschecho-slo- wakischen Fragen die festgelegte Politik vollständig zu machen, ist die parallele amtliche Anerkennung der Jugoslawen. Die ge- nannten drei Nationalitäten, deren Unterdrückung durch die Deut- schen und deren magyarische Gefolgsleute die Basis der unverhäu- »ismäßigen Macht Deutschlands in Europa ist, sind nicht durch- weg(!) besonders rückständige Völker. Ein Europa , in dem diese Nationen frei auf den eigenen Füßen gestellt werden, entspricht den Bedingungen der nationalen Freiheit und de? nationalen Gleich- gewicht?. Die kleinen Völker haben in Europa gewiß unter schwersten Unbilligkeiten zu leiden gehabt und unter einem Druck geseufzt, der -nanchen Ausbruch leidenschaftlicher Verzweiflung erklären mag. Aber darum haben sie weder das Recht, ein Hindernis der Ver- ständigung zwischen den großen Völkern zu sein"noch ist es von den Großmächten klug und ihrer würdig, sich von den kleinen Völkern in das Verderben hetzen zu lassen. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß einzelne kleine Rationen von einem europäischen .Krieg eine Besserung ihrer Lage erwartet haben, die meisten dieser Spekulationen haben sich an ihren Trägern grausam gerächt. Dre KriegSftirie hat gerade die kleinen Nationen fürchterlich heimge- sucht. Die mörderischen Schlachten sind zum großen Teil mif ihrem Boden geschlagen worden, der zum Tummelplatze aller Geister der Vernichtung und Zerstörung wurde. 41nd genau so sündigen die Tschechen, Polen und Südslawen , die die törichten Hoffnungen der Entente auf ein« nationalistische Revolution in Mitteleuropa näh-