Nr. 161.
Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Vierteljährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30Mt. pr: Quartal. Unter Kreuz band : Deutschland u. Desterreich Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post Beitungs- Preisliste
für 1894 unter Nr. 6519.
Vorwärts
11. Jahrg.
Insertions- Gebühr beträgt für dte fünfgespaltene Petitzeile oder beren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Versammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Juferate für die nächste Nummer müffen bis 4 Uhr Nachmittags in ber Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochens tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonns und Festtagen bis 9 Uhr Vors mittags geöffnet.
Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508, Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin Berliner
Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Sonnabend, den 14. Juli 1894.
Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
Arbeiter! Parteigenossen! Trinkt kein boykottirtes Bier!
Das Jefuikengeleh und wenn sie einen geistigen Gegner mit dem Gendarm über die
die Polizeiliberalen. Nur eine hohe Säule zeigt noch von der verschwundenen Pracht des Bismärkischen Kulturkampfes, und auch diese, das Jesuitengesetz, ist schon geborsten. Es muß stürzen, wenn auch noch nicht gerade in dieser Nacht.
Nun brauchen wir nicht hier weiter auszuführen, daß Grenze bringen lassen. Es zeigt sich da so recht, wie ideologische diese angeblich weiten Kreise der Bevölkerung" nur aus Schlagworte, nachdem die historische Entwicklung ihnen längst einigen viel schreienden protestantischen Geistlichen und deren alle Daseinsberechtigung entzogen hat, noch Jahrhunderte lang affiliirten Betschwestern bestehen. Die Herren von der als Jdeengespenster unter unverständigen Leuten ihr Wesen freisinnigen Vereinigung, die ja bekanntlich unter Führung treiben. Weil einmal in den revolutionären Jugendjahren des Herrn Rickert sich als eine besondere Judenschutztruppe der Reformationszeit ihre Wortführer für Volksfreiheit und aufgethan haben, merken aber gar nicht, wie sehr sie sich Geistesfreiheit gegen weltliche und geistliche Obrigkeit selbst mit solchen Ausführungen in ihr Fleisch schneiden. kämpften, bilden sich ihre unterthänigst verknöcherten Unser Genoffe Lütgenau hat in einer sehr lesenswerthen Epigonen ein, es sei auch ein Kampf für Volks- und Schrift über die Jesuitenfrage*) ihnen folgende treffende Geistesfreiheit, wenn sie unbequeme Wortführer einer an- Antwort gegeben: deren Sette, die sich historisch aus der mittelalterlichen Kirche heraus entwickelt hat, durch die Polizei der heutigen weltlichen Macht von der Bethätigung ihrer Anschauungen abhalten lassen!
Der Reichstag hatte mit 168 Stimmen gegen 145 sich für die Aufhebung des Ausnahmegefeßes gegen die Jesuiten erklärt. Der Bundesrath dagegen hat nahezu einstimmig- nur Reuß ä. L. soll einer unverbürgten Zeitungssage zu folge dem Reichstagsvotum sich angeschlossen haben die Aufhebung abgelehnt. Damit indeß doch irgend etwas geschieht, sollen die Redemptoristen und die Bäter vom Heiligen Geist, zwei den Jesuiten verwandte Kongregationen in DeutschDie grundsätzliche Verwahrlosung des deutschen Libeland zugelassen werden. In dieser schwächlichen Halbheit ralismus trat auch bei der Abstimmung über das Jesuitenzeigt sich wieder die Zaghaftigkeit der Männer des Neuen gesetz zu Tage. Außer den katholischen Fraktionen stimmte Kurses, die zwar einfichtig genug sind, die Schädlichkeit der nur die Sozialdemokratie, getreu ihrer prinzipiellen GegnerBismarckischen Vergewaltigungspolitik zu durchschauen, aber doch so sehr unter dem Bann des Aberglaubens von der Nothwendigkeit der Regierungskontinuität stehen, daß sie sich nie zu einem völligen Bruch mit den bösartigen Ueber lieferungen der Hausmeierpolitik aufraffen können. Wie sie jetzt durch ihre offiziöse Preffe erklären lassen, daß sie einem Ausnahmegeseze gegen die Sozialdemokratie keineswegs grundsäglich abgeneigt seien, sondern nur das alte Gesetz wegen mangelhafter Unterstützung durch die Reichstagsmehrheit hätten erlöschen lassen, knappfen sie zwar zwei Ecken ab von dem untauglichen Möbel, aber es ganz in den Ofen zu schleudern, dazu können sie sich nicht überwinden.
Was würde Herr Schröder nun antworten", sagt er, wenn ihm von antisemitischer Seite zur Begründung eines Ausnahmegeseges gegen die Juden gesagt würde, es fomme weniger darauf an, ob die Beschuldigungen gegen die Juden wirklich begründet seien, sondern darauf, daß sich solche Vorstellungen mit elementarer Gewalt in weiten Voltstreifen festgesetzt hätten?"
"
Wie sehr Lütgenau ins Schwarze getroffen hat, mit schaft gegen alle Ausnahmegesetze, für die Aufhebung. Daß seiner Bemerkung, beweist der heutige Leitartikel der antisich den Konservativen in der ebenso grundsätzlichen Gegnerschaft semitischen Staatsbürger- Zeitung", bie mit Behagen aus Fortbestehen des Jesuitengesetzes die Noth auch die Nationalliberalen anreihten, ist nicht weiter wunder- dem bar. Diese Vertreter des Großkapitals haben längst alles wendigkeit eines gegen die Alliance Universelle Israélite Liberale abgestreift bis auf den Namen. Aber auch die gerichteten Ausnahmegesezes deduzirt. Die Polizeiliberalen drei Reſthaufen des kleinbürgerlichen Liberalismus lieferten Richter'scher und Rickert'scher Observanz sollten, wenn sie dem Polizeikampfe gegen eine geistige Bewegung ihre Hilfs- das gelesen haben, in sich gehen und Buße thun. Man fann nicht mit der linken Hand eine Konfession gegen truppen. hetzerische Gewaltthaten vertheidigen und mit der rechten die Anhänger einer anderen dem Büttel zur Ausweisung überliefern.
Wir glauben, daß das Ausnahmegesetz gegen die Jesuiten ebenso zum Verrotten verurtheilt ist, wie jedes andere freiheitswidrige Ausnahmegesetz. Uns schrecken die Jesuiten ebenso wenig, wie die Amtsbrüder der Stöcker und straut. Wir werden mit den geschorenen Dienern des Kapitalismus ebenso fertig werden, wie mit den gescheitelten. Die Angst vor geistigen Mächten überlassen wir dem Polizeiliberalismus.
Bis auf Barth waren es alle Mitglieder der sogenannten freisinnigen Vereinigung, aber auch von der sogenannten Volkspartei finden wir die Namen Eugen Richter , Langerhans, Rechtsanwalt Kauffmann und einige andere: Alles Leute, die den Mund nicht voll genug nehmen können, wenn Das deutsche Philisterthum, soweit es gescheitelten es gilt, die Freiheit in der Theorie zu feiern, und die sie geistlichen Berathern folgt, wird seine helle Freude haben unbedenklich preisgeben, wenn ein Gegner die Freiheitsan diesem Beschluß des Bundesraths. Ift aus seinen Reihen rechte für sich beansprucht. Einer ihrer Redner der frei doch, sobald die Möglichkeit der Aufhebung des Jesuiten - sinnig vereinigte", Herr Schröder, begründete sein Votum gejezzes ruchbar wurde, ein klägliches Gejammer erschollen, für Beibehaltung des Jesuitengesetzes mit den Worten: daß es aus sein werde mit dem Protestantismus und dem Ich gebe zu, daß den Jesuiten sehr vieles zu Unrecht imputirt worden ist; es tommt aber weniger darauf an, ob Teutschthuni, wenn die Jesuiten einzögen in's Deutsche Reich. alle Beschuldigungen gegen die Jesuiten wirklich begründet Kläglicher als hier können sich kaum diese Mannesseelen sind, sondern darauf, daß Vorstellungen mit elementarer Gewalt Abhandlung zur Ausklärung des arbeitenden Volkes von F. geberden, wenn sie vor dem Anwachsen des Sozialismus die in weiten Voltstreifen sich festgesetzt haben, auf die der Gesetz- Lütgenau. 40 Pf. Echlafmüße über die Ohren ziehen und nach Polizeihilfe geber Rücksicht nehmen muß. Es besteht nun einmal in weiten winseln. Und putig ist es, daß die sonderbaren Kreisen der Bevölkerung die Vorstellung von der Schädlichkeit Burschen sich dabei einbilden, für die Geistesfreiheit zu wirken, der Jesuiten ."
Feuilleton.
Der Inde.
-
*) Die Jesuitenfrage.
Gine politisch geschichtliche
zu plaudern, oder in stiller Unthätigkeit dem Treiben und Montfort hätte keine bitterere Qual für sie ersinnen können, Leben des Taubenvolts zuzuschauen, das oben an des als den Verlust ihrer Freiheit; nnd alles Gold der Welt Schlosses Binne seinen Schlag besaß, und auf- und nieder- hätte sie für die Erlaubniß gegeben, einen jener Renner flatterte an den steil gezackten Giebelseiten des bunten zur Flucht besteigen zu können, die soeben im Zwinger zu 86 Biegeldachs. Ringsum war oben die Aussicht frei, nur an einem Zuge fertig gemacht und gezäumt wurden. Die der Seite nicht, wo der lange und runde Wartthurm in Knechte der Burg, vielleicht ein Dugend an der Zahl, die Höhe strebte, welcher aus dem Gemäuer des inneren krochen gerüstet aus ihren Hütten und jagten sich, plumpe Hofraums entsprang, in seinem Erdgeschosse die enge Scherze treibend, auf dem Rasen umher, während der und kleine Kapelle der Burg enthielt, und drei Stockwerke Schnied die Hufe der Roffe besichtigte, und in Eile zus zählte, bis zu der Zinnen räumlicher Krone, drei Verließe sammenpfuschte, was verdorben war, oder nicht mehr halten Mittlerweile traten die Herren des würdigen Hier war die Halle, welche den mächtigen Herd in sich enthaltend, von welchen das oberste des Lichtes genoß, das wollte. faßte und den in tiefer Schlucht quillenden Brunnen der mittlere einer milden Dämmerungshelle sich erfreute, das Trosses aus der Gatterpforte: Bechtram mit seinen GeVeste und den Eingang in die unterirdischen Waaren- unterste aber, zu welchem nur ein rundes Loch den Eingang fährten. Ihr Anzug verrieth deutlich, daß sie nicht zu einem kammern und Weinkeller des Hauses, sowie die Treppe zu den bot, tief hinabging in schaurig dunkle Gruft, wohin bloß Luftritt gingen. Bewaffnet bis an die Zähne stiegen sie obern Gemächern, deren zwei sich in der Burg befanden, in die ferne Stimme des in der Kapelle die Messe singenden zu Pferde, winkten der Hausfrau, die dem scheidenden eben so vielen Stockwerken vertheilt. Das erst, zu welchem Priesters drang, da der schreckliche Schlauch des Verließes Gatten noch die Hand durch's Gatter reichte, ein Lebewohl die Wendeltreppe führte,- das Gemach der männlichen Be- dicht hinter dem Altar sich abwärts senkte. Auch dieser und zogen durch das schmale Thor über die schwankende wohner, zugleich die größte Stube der Veste, in welcher schwache Trost war jedoch zu gegenwärtiger Beit dem Un Brücke ins Freie. Der Leuenberger, der zur Bewachung Trinkgelage und Mahlzeiten gehalten wurden, nahm den glücklichen versagt, der vielleicht diese Schreckensgrüfte be- des Hauses zurückgeblieben war, ertheilte dem Thorwächter ganzen Raum des Stockwerks ein, eine Kammer ausge- wohnen mußte. Der Herr dieser Behausung, welche weiter die nöthigen Befehle zur Verschließung der Burg. Die non men, in welcher auf Strohs und Rohrgefüllten Säcken, nichts Merkwürdiges als das schon berührte aufzuweisen Brücke ging fnarrend in die Höhe; die wenigen zurücküberdeckt mit Wolfs - und Bärenfellen die Männer des hatte, war in den Kirchenbann gethan worden; der Pfaffe, gebliebenen Burgleute gingen an ihr Geschäft oder an das Schlafs genossen, umgeben von ihren Gewändern, Waffen der den Kapellendienst im Schlosse zu versehen hatte, war zeitvertreibende Spiel, und die ausgezogenen Männer waren und Satteln ihrer Pferde. Stieg man die fortlaufende ausgeblieben, und dumpfiges Schweigen herrschte Tag und noch nicht an die Spitze des Tannenbruchs gelangt, als Wendeltreppe empor, so gelangte man im zweiten Stock- Nacht in dem verödeten Kirchlein, wie der Staub auf seiner schon in der Veste wieder eine Ruhe herrschte, gleich der werke zu dem Gemach der Frauen, das, wenngleich zierlicher Glocke. Wallrade wußte nicht, ob das unterste Verließ des des Grabes. Es währte indeffen nur kurze Zeit, so famen geputzt, als das der Männer, dennoch ungefähr dieselbe Wartthurms, auf dem sie stand, einen Gefangenen barg; rasche Tritte den Thurm herauf, und der gegenwärtige Einrichtung hatte. In jedem der vier, ziemlich breiten aber aber daß im mittleren Stockwerke des Erkergebäudes Menschen Schirmvogt der Veste stand plötzlich vor Wallraden. Das niedern Fenster, zwei steinerne Ecksize an den Wänden fort in Saft lagen, war unbezweifelt, da von Zeit zu Zeit Gefühl und Bewußtsein des wichtigen Amtes, das er in gehende Bänke mit Polstern; in jedem Winkel des Gemachs troß dem dicken Gemäuer und den schmalen Luftluken, diesem Augenblicke zu bekleiden ertoren war, sprach aus nur seiner Haltung und seinen Zügen. Beschäftigt, alle ein schwerer Schwenktisch oder Kleiderschrein, geschmückt mit klagende oder singende Stimmen herausdrangen glänzendem Schloß und zierlich geputzten Kürbissen und hörbar für den auf der Thurmspite aufmerksam Lauschenden. Räume des mir anvertrauten Schlosses zu besichtigen," sprach Pfauenfedersträußen, Truhe und Spinnrocken und Garn- Im Vergleich mit diesen armen, zwischen düstern Wänden er mit widerlichem Lächeln, muß ich doch auch sehen, winde nicht zu vergessen. Vorspringende Erker, von kleinen eingesperrten Leuten, mußte Wallrade freilich ihr Schicksal wie und wo sich meine werthe Gefangene befindet." ,, Sie lugt hier nach dem Zuge der freien Lerchen," Schartenfenstern erhellt, enthielten die Lagerstellen der glücklich preisen, und sie that es auch, so lange ihr Auge Frauen des Hauses, und der längs der Vorderseite des Erholung suchte in den freien Himmelsräumen. Sah sie entgegnete Wallrade, ebenfalls lächelnd:" und kann nicht obern Stockwerts hinlaufende Cöller bot ihnen eine will- jedoch hinab in die enge Veste, welcher sie dennoch nicht begreifen, wie sich die holden Sänger diesem finsteren kommene Stelle dar, um in freier Luft zu arbeiten, zu beten, l'entrinnen konnte, da wollte ihre Brust beinahe zerspringen. Thurme nähern mögen, in welchem die Knechtschaft weint."
-