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Nr. 237. 35. Jahrg.

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Sozialdemokrat Berlin".

Vorwärts

Berliner   Volksblaff.

10 Pfennig

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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands  .

Redaktion: Sw. 68, Lindenstraße 3.

Fernsprecher: Amt Moritplat, Nr. 151 90-151 97.

Donnerstag, den 29. August 1918.

Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Wernsprecher: Amt Morinplak, Nr. 151 90-151 97.

Пeue Durchbruchsverfuche füdöstlich Arras  

Um die finnische Krone. Herzog Adolf Friedrich   zu Mecklenburg lehnt ab.

Berlin  , 28. Auguft. Herzog Adolf Friedrich zu Medlenburg teilt dem WTB mit, daß sein Name zu Unrecht mit der Kandidatur für den finnischen   Thron in Verbindung gebracht werde. Obwohl ursprünglich von finnischer Seite an ihn herangetreten worden set, stehe der Herzog allen diesen Kombinationen durch­aus fern. Einer auf ihn etwa entfallenden Wahl würde der Herzog nicht zu entsprechen in der Lage sein.

Wie die Einführung der Monarchie in Finnland   zustande kam, darüber berichtet die Petersburger Nowaja Gaseta" in sehr an­schaulicher Weise. Sie schildert die entscheidende Sigung des finni­ schen   Landtages vom 18. Juli folgendermaßen: Angesichts der scharfen Opposition, die während der Debatte zutage ge­treten war. wurde din Abstimmung unter großer Erregung erwartet. Als der Talmaun das Resultat der Abstimmung( 16 Stimmen Mehrheit) verkündete, brach stürmischer Beifall der sonst so zurüd­haltenden Landtagsboten aus. Die Sozialdemokraten verließen langsam den Sigungsiaal. Der Erfolg wird vor allem der Energie des Ministerpräsidenten Paassikivi zugeschrieben, der in Privatgesprächen mit Abgeordneten erklärte, daß er auch vor einem Staatsstreich nicht zurückschrede, falls die Abstimmung nicht das gewünschte Resultat hätte. Unsere Armee, erklärte ber Ministerpräsident, verlangt ihren König, und sie hätte das volle Recht, von sich aus die Monarchie in Finnland   zu proflamieren. In Anbetracht dessen, daß in Helsingfors  15 000 Mann unter General Mannerheim   standen, hatte dieses Argument Paaffitivis überzeugende Kraft. Biele Abgeordnete, die bis zur letzten Minute schwankten, stimmten für die Monarchie.

Nach dieser Bajonettwahl läßt sich ermessen, mit welcher Begeisterung das finnische Volk seinen ihm auferlegten Mon­archen empfangen wird.

Deutschland   und Spanien  .

Nach einer Times"-Meldung aus Santander soll die deutsche Regierung die Bedingungen der spanischen   Notifika­tion angenommen und zugestimmt haben, daß die in spanischen Häfen liegenden deutschen   Schiffe als Kompensa. tionen für Verluste der spanischen   Handelsflotte abgetreten würden. Diese Meldung ist unrichtig. Wie bereits am 23. d. Mts. mitgeteilt, hat die deutsche Regierung gegen das angekündigte Vorgehen der spanischen   Regierung Verwahrung eingelegt. Es sind zwischen den beiden Regierungen Ver­handlungen eingeleitet, um eine den beiderseitigen Interessen Rechnung tragende Lösung herbeizuführen.

In Barcelona   sind Unruhen ausgebrochen, die sich angeblich gegen den Eintritt Spaniens   in den Krieg an Seite der Entente richten. Es soll 25 Tote gegeben haben.

Die deutsch  - spanische Spannung und die französische  Presse.

Bern  , 27. Auguft. Matin" zufolge hat Dato erklärt, der nächste Ministerrat werde nach dem 1. September stattfinden. Journal" zitiert den Imparcial", in welchem Romanones er­flärte, es handle sich nicht um ein Eingreifen Spaniens  in den Krieg, noch um den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Deutschland  , sondern lediglich darum, von Deutschland   Garantien zu erhalten, daß die spanische Flagge und die von der Regierung requirierten Schiffe geachtet werden, also lediglich um die Anerkennung der spanischen   Rechte auf Frei­heit des Seeverkehrs durch Deutschland  . Journal des Dé­ bats  " betont ausdrücklich, Frankreich   verlange fein Eingreifen Spaniens   in den Krieg, sondern lediglich die Aufrechterhaltung der Drdnung in Spanien  . Homme Libre" fragt sich, was Spanien  bei einem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Deutschland  zu verlieren hätte. Man tönne nicht einsehen, inwiefern Spanien  darunter zu leiden hätte.

Schwerpunkt der englischen Angriffe füd­lich der Scarpe versuch vereitelt

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Der Durchbruchs­Beiderseits Bapaume Roye Kämpfe

schwächere englische   Angriffe und Chaulnes aufgegeben

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mti Amerikanern an der Vesle. Berlin  , 28. August 1918, a bends. Amtlich.

Südöstlich von Arras   sind erneute Durchbruchs­versuche des Feindes gescheitert. Nördlich von Bapaume  und nördlich der Somme brachen englische   Angriffe unter schweren Verlusten zusammen. Zwischen Somme   und Dise Vorfeldkämpfe vor unseren neuen, Stellungen. Französische   Angriffe nördlich der Aisne   wurden blutig abgewiesen.

Amtlich. Großes Hauptquartier, 28. August 1918.( WTB)

Westlicher Kriegsschauplah. Heeresgruppen Kronprinz Rupprecht und Boehn.

Bei Langemark   und nördlich der Lys wurden feindliche Teil­angriffe abgewiesen.

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Die Armee des Generals von Below( Otto) stand gestern wiederum in schwerem Kampf. Der Schwerpunkt der englischen Angriffe lag südlich der Scarpe. Durch Masseneinsatz von Panzerwagen, englischer und kanadischer Infanterie suchte der Feind beiderseits der Heerstraße Arras  - Cambrai   erneut den östlich Durchbruch zu erzwingen. Unsere in der Linie Pelves von Monchy- Croisilles kämpfenden Truppen pommersche, westpreußische, Hessen  - nassauische und elsässische Regimenter- haben den mit gewaltiger Uebermacht an Menschen und Material am frühen Morgen geführten Stoß des Feindes in erbittertem Kampf dicht öftlich von Pelves, bei Vis en Artois und Croisilles aufgefangen. Im Verein mit württembergischen Bataillonen brachten sie die am Nachmittage mit erneuter Kraft in tiefer Gliederung an der Heeresstraße vorgetragenen feindlichen An­griffe zum Scheitern. Auch mehrfach wiederholte Anstürme des Gegners gegen Boiry Notre Dame und nordöstlich von Croisilles brachen zusammen. Der Feind hat gestern schwerste Verluste er­litten. Viele Panzerwagen wurden durch Geschütze und Minen­werfer aus vorderster Linie vernichtet. Batterien des Reserve­Feldartillerie- Regiments Nr. 26 feuerten bei Bis offen vor unferer Infanterie auffahrend, aus nächster Entfernung in die dichten Linien des Feindes. Der Kampf griff gegen Mittag auch auf das Nordufer der Scarpe und nach Süden bis Mory über. Mehrmalige Angriffe des Feindes wurden hier ab­gewiesen.

Beiderseits von Bapaume   blieb die Kraft der feindlichen An­griffe gegen die Vortage zurück. Der Engländer, der beiderseits der Stadt überraschend und mit Artillerievorbereitung, aber ohne Einsatz von Panzerwagen mehrfach vorstieß, wurde überall zurück­geschlagen.

Nördlich der Somme führte der Engländer heftige Angriffe gegen unsere neuen Linien zwischen Flers und Curlu. Wir wiesen fie ab und nahmen Flers und Longueval, wo der Feind vorüber­gehend eindrang, im Gegenangriff wieder. Südlich der Somme fcheiterten Teilvorstöße des Gegners.

Zwischen Somme   und Dise haben wir unsere Linien vom Feinde abgesetzt, die Trümmerfelder Chaulnes und Roye   ihm so­mit tampflos überlassen. Durch unsere erfolgreiche Abwehr war der Gegner seit dem 20. 8. zum Einstellen seiner Angriffe an dieser Front gezwungen worden. Dadurch wurde die reibungs­lose Durchführung unserer Bewegungen ermöglicht, die sich in den legten Nächten vom Feinde völlig ungestört vollzogen.

Zwischen Dise und Aisne   blieb die Gefechtstätigkeit auf Heinere Infanteriekämpfe beschränkt.

Heeresgruppe Deutscher Kronprins.

An der Vesle brachten mecklenburgische Grenadiere dank tatkräftigen Eingreifens ihres Führers, Oberleutnant Boelcke   vom Grenadier- Regiment Nr. 89, einen Angriff der Amerikaner gegen Bazoches   zum Scheitern. Badische Truppen erstürmten Fismette im Besle- Tal. Bei beiden Unternehmungen erlitt der Amerikaner schwere Berluste und ließ mehr als 250 Gefangene in unserer Hand. In den Argonnen wurden bei erfolgreichem Borstoß

Clemenceau   als Apostel des Völkerbunds. Italiener gefangen. Der Erste Generalquartiermeister.

Eine Kriegszielerklärung nach dem Herzen des Figaro". Evenément" berichtet über eine Unterredung Leon Bour geois mit Clemenceau  , in deren Verlauf Clemenceau   er flärte, er sei feineswegs Gegner, sondern Freund der Gesellschaft der Nationen. Seine ironische Aeußerung in einer seiner Kammer­reden dürfe nicht ernst genommen, sondern als plöglicher Einfall(!) betrachtet werden.

Der Pariser, Figaro" hält die Kriegszielerklärung des Senators Lodge für eine glüdliche Ergänzung zu Wil. fons bisher nicht ganz flar umiriebenen Friedens. programm. Diese wesentlichen Bedingungen eines amerita­nischen Friedens seien fest umrissen, ihnen fehle alles sozialistische Gerede.

Ludendorff.

Der österreichische Bericht. Wien  , 28. August. Amtlich wird verlautbart: Italienischer Kriegsschauplan.

An den Gebirgsfronten rege Erkundungstätigkeit. Albanien  .

Ju Albanien wurde unter Nachhutkämpfen neuerlich Boden­gewinn erzielt. Der Chef des Generalstabes.

Das baltische Abenteuer.

Mit der Unterzeichnung der 3usabberträge zum Brester Unfrieden wird der Weg weiter fortgesetzt, den zu beschreiten die Sozialdemokratie stets gewarnt hat. Ein schon befannter Punkt der neuen Abmachung ist der Ver­zicht der Moskauer   Regierung auf die Oberhoheit über Estland  und Livland  . Dadurch soll die Möglichkeit geschaffen werden, die baltischen Provinzen unter dem Zepter des Königs von Preußen zu vereinigen. Mit den weiteren Bestimmungen wer­den wir uns erst beschäftigen, wenn sie amtlich publiziert sind.

Eine Art Vorfeier zur Unterzeichnung der Zusatzverträge war der Bierabend der preußischen Dreiklassenherren in Mitau  , auf dem Wilhelm II.   zum Herrscher des Baltikums ausgerufen worden ist. Einige rechtsstehende Blätter zeigen sich über die sehr milde Kritik, die wir an diefem ungeheuerlichen Vorgang übten, sehr ungehalten. Wir möchten die Entrüsteten fragen, was sie wohl gesagt hätten, wenn die württembergischen Abgeordneten in Wilna   den Herzog von Urach   zum Herrscher von Litauen   ausgerufen oder wenn eine Deputation des niederösterreichischen Land­tags eine Bierreise nach Warschau   unternommen hätte, um den Kaiser Karl   zum König von Polen   zu proklamieren!

Der Mitauer Handstreich der preußischen Dreiklassen­herren fann schwerlich ohne Vorwissen und Zustimmung der Reichsleitung ausgeführt worden sein. Der Hauptaus­schuß des Reichstags darf nicht zusammentreten, da­mit dem Haushaltsausschuß des preußischen Abgeordneten­hauses freie Hand gelassen wird. Der Reichsleitung genügt es bollkommen, sich für die deutschrussischen Zusatzverträge die Zustimmung der Herren Gröber und Wiemer eingeholt zu haben, obwohl, oder vielmehr, gerade weil sie weiß, daß im Zentrum und in der Fortschrittlichen Volkspartei   die stärkste Opposition gegen diese Politik rege ist. Diese Oppo­sition soll mit samt der Sozialdemokratie gehindert werden, ihre Warnungen noch rechtzeitig anzubringen, sie soll sich darauf beschränken, die Rede des Herrn Solf zu bewundern, den man offenbar reden ließ, ohne ihn wissen zu lassen, was unter der Hand getrieben wird.

Den Herrn Solf hat man sagen lassen, es sei die Absicht Deutschlands  , das Selbstbestimmungsrecht der russischen Randvölker zu verwirklichen. Wie es mit diesem Selbstbestim­mungsrecht aussieht, soll heute nur an zwei kleinen Beispielen gezeigt werden.

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Finnland   soll bekanntlich durch sein Selbstbestim­mungsrecht" Monarchie werden mit irgendeinem deutschen  Prinzen an der Spize. Die Petersburger Nowaja Gazeta" schildert nun sehr anschaulich, wie dieser Beschluß zustande gekommen ist. Bis zum letzten Augenblick schwankte in dem fast sozialistenrein gemachten Landtag die Wage, sie sank erst zugunsten der Monarchie, als der Ministerpräsident erklärte, die Monarchie werde, wenn nicht durch den Beschluß des Landtags durch einen Staatsstreich der Armee. Tat­fache werden. Jetzt erst ergab sich eine Mehrheit für die Monarchie.

Ueber die Zustände in Polen   schreibt die gewiß unverdächtige Zeitschrift Mitteleuropa  ":

Die polnische Presse des Königreichs scheint unter dem Drude der strengen 3enfur, die leider noch immer von den deutschen   Behörden in Warschau   ausge= übt wird und jede rückhaltlos offene Meinungs­äußerung unmöglich macht, nicht in der Lage zu sein, sich über Kurland   auszusprechen. Wie immer in solchen Fällen benußt dann die galizische Presse die Gelegenheit, desto offener und rückhaltloser den polnischen Standpunkt zu vertreten. Hier­durch entsteht entschieden eine schiefe Darstellung der Sachlage, denn in Galizen ist man heute ganz anders orientiert als im Königreich Polen und treibt bewußte Opposition gegen die ganze deutsche Regierungspolitik. Das Votum der galizischen Presse tann also nicht als allgemein polnisches gelten, gibt sich aber dank der Unterbindung der freien Meinungsäußerung im übrigen Polen   naturgemäß das Aussehen, als rede fie im Namen Warschaus  .

Der Rückschluß auf die baltischen Provinzen ergibt sich da von selbst. Keinem Menschen in Deutschland   und in der ganzen Welt wird man ernstlich einreden wollen, daß die Schiebungen der baltischen Barone mit dem wirklichen Willen der Bevölkerung irgend etwas gemein hätten. Was die Be bölferung wirklich will, wissen wir nicht und werden wir auch nicht erfahren, solange nicht an die Stelle friegerischer Ge­waltherrschaft die Ordnung der Demokratie und die volle Freiheit der Meinungsäußerung getreten ist. Nach den bis­herigen Erfahrungen läßt sich aber mit ziemlich großer Be stimmtheit annehmen, daß das, was die Bevölkerung will, das gerade Gegenteil von dem sein dürfte, was die ihr verhaßten baltischen Barone wollen.

Wenn Wilhelm II.   Herzog des Baltikums wird, so ge­schieht das nicht nur gegen den Willen der Völker, die mit uns