Nr. 249. 35. Jahrg.
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Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3.
Ferniprecher: Amt Morisplas, Nr. 151 90-151 97.
Dienstag, den 10. September 1918.
Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Feruivreser: Amt Morigplas, Nr. 15190-151 97.
Wahlrecht und Landesverteidigung.
Die fonservative Presse fährt fort, jeden inneren Zusammenhang zwischen der preußischen Wahlrechtsfrage und der Landesverteidigung in Abrede zu stellen. Sie tut das, wie zugegeben werden soll, in notwendiger Selbstrechtfertigung, da sie sonst eingestehen müßte, daß ihre Anhänger die Sache der Landesverteidigung schädigen. Diesen schwersten Vorwurf will sie auf ihnen nicht sitzen lassen. Darum erklärt sie immer wieder: zu behaupten, daß irgendein Volfsteil seine Bereitivilligfeit zur Landesverteidigung von der Einführung des gleichen Wahlrechts abhängig mache, hieße diesen Volksteil beleidigen.
Mit der gleichen Beweisführung ließe sich auch die Aufrechterhaltung noch schlimmerer Einrichtungen als das DreiFlassenwahlrecht, ließe sich die Sklaverei, die Leibeigenschaft, das Prügelrecht der Landherren über das Gesinde und ähnliches ebenso gut rechtfertigen. In der Tat hat ja auch kein Boltsteil die Erfüllung seiner Pflichten gegenüber dem Lande von der Beseitigung noch so drückenden Unrechts abhängig gemacht. Aber auch die konservative Presse wird zugeben, daß der Erfolg der Pflichterfüllung in hohem Grade davon c hängt, in welchem Geiste und mit welchem Herzen diese Pflicht erfüllt wird.
In Erfenntnis folcher Zusammenhänge haben verschiedene Mitglieder preußischen Regierung anerkannt, daß die Lösung der preußischen Wahlrechtsfrage eine Frage der Landesverteidigung ist. Insbesondere ist sich der den Konser vativen sonst sehr nahestehende nationalliberale Staatsminister Dr. Friedberg der Pflicht zur Wahlreform als einer Pflicht der Landesverteidigung bewußt geworden, und er hat sich wiederholt in diesem Sinne ausgesprochen. Schließlich zu welchem Zweck ist denn die Mitternachtsbotschaft des 11./12. Juli erfolgt, wenn nicht zu dem, die moralische Widerstandskraft des Volkes zu Stärken?
Wenn jetzt die edlen und erlauchten Herren, statt dem Bolt sein Recht, werden zu lassen, sich in mittelalterliche Liebhabereien bertiefen und an einem ständischen Wahlrecht herumtüfteln, so ergibt sich daraus ein Vorwurf gegen sie, den fein Regen von ihnen abwäscht. Es ergibt sich aber daraus weiter, daß es aus dem wohlverstandenen Interesse der Landesverteidigung geschieht, wenn wir an die Regierung immer wieder die Frage richten:
Wann endlich wird mit dieser Tragikomödie Schluß gemacht?
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Feindliche Angriffe nördlich von Armen tières , südlich der Straße PéronneCambrai und zwischen Ailette und Aisne Englischer Luftvorstoß gegen Mann heim Die Luftkämpfe im August. Berlin , 9. September 1918, abends. Amtlich. Beiderseits der Straße Péronne - Cam brai sind ernente Angriffe der Engländer ge= scheitert. Von den übrigen Kampfabschnitten nichts Neues. Amtlich. Grotes Hauptquartier, 9. Se p tember 1918.( WTB)
Weftlicher Kriegsschauplah. Dertliche Rämpfe nördlich vom Bloegsteert Walde und am La Bassée- Kanal. Nördlich von Armen tières griff der Feind von neuem an; wir wiesen ihn ab und machten Gefangene.
A
Am Kanalabschnitt Arleux- Havrincourt Artillerietätigkeit und Erkundungsgefechte. Südlich der Straße PéronneCambrai sette der Feind seine Angriffe unter Einsatz stärkerer Kräfte gegen die Linie Gouzeaucourt- Epehy nördlich von Templeng fort; sie scheiterten unter schweren Verlusten für den Gegner. Unsere Bortruppen verwehrten gestern überlegenent Feinde das Vorbringen über St. Simon und den GrozatRanal. Erkundungsgefechte awischen Dise und Ailette. Zwischen Ailette und Aisne brach der Feind nach mehrfach vergeblichen Teifangriffen gegen Abend zum geschlossenen Angriff vor; er wurde auf der ganzen Front teilweise im Nahkampf und durch Gegenstöße blutig abgewiesen.
Zwischen Aisne und Besle scheiterten Teilangriffe, in der Champagne Teilvorstöße des Gegners.
Aus einem englischen Geschwader, das zum Angriff gegen Mannheim vorstieß, wurden fünf Flugzeuge abgeschossen.
Im August wurden an den deutschen Fronten 565 feindliche Flugzeuge, davon 62 durch unsere Flugabwehrgeschütze, und 53 Feffelballone abgeschossen. Siervon find 251 Flugzeuge in unferem Besit. Der Rest ist jenseits der feindlichen Linien er fennbar abgestürzt.
Wir haben im Kampf 143 Flugzeuge und 86 Feffelballone verloren. Der Erste Generalquartiermeister.
Ludendorff.
Der österreichische Bericht. Wien , 9. September. Amtlich wird verlantbart: Auf dem Monte Pertica wurden vorgestern abend und gestern früh italienische Angriffe durch Feuer abgeschlagen. Der Feind erlitt schwere Verluste. Der Chef des Generalstabes.
Denkschrift
über das Ernährungswesen.
Parteivorstand und Generalfommission der Gewerkschaften an den Reichskanzler.
Der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei und die Generalfommission der Gewerkschaften haben an den Reichstanzler in der Frage des Ernährungswesens die folgende Denkschrift gerichtet:
Berlin , den 9. September 1918. Die steigende Unzufriedenheit, die aus alien Teilen des Reiches und den verschiedensten Volksschichten wegen der unzureichenden Lebensmittelversorgung in bitteren Klagen und Forderungen an uns zum Ausdruck kommt, beranlaßt uns nochmals, die Aufmerksamkeit Euer Erzellenz auf die höchst be dentlichen Zustände zu lenfen, unter denen die breiten Maffen des Boltes gegenwärtig zu leben gegroungen find. Wir haben diese Klagen wiederholt mündlich und schriftlich in eingehend motivierten Darlegungen Eurer Erzellenz und Ihren Herren Vorgängern vorgetragen, dem Kriegsernährungsamt und dem Reichsamt des Innern übermittelt, ohne von lezterem in allen Fällen Antwort erlangen zu können. Leider fanden unsere Vorschläge in den meisten Fällen nicht genügend Beachtung, unsere ernsten Warnungen, die wach. fende erbitterung durch ungeeignete Maßnahmen nicht noch zu steigern, wurden in den Wind geschlagen.
So sind die Lebensverhältnisse des erwerbstätigen Bolfes ständig schlechter geworden. Jede Erhöhung des Lohnes, jede Teuerungszulage war längst durch die gesunkene Rauffraft des Geldes wirkungslos gemacht. Die Politik des Kriegsernäh rungsamts, die lediglich durch Preisanreiz eine Erhöhung. der Produktion zu erzielen versuchte, führte gleich einer Schraube ohne Ende zu einer Bertcuerung aller Lebensmittel, die mit den gesteigerten Produktionskosten nicht gerechtfertigt werden kann. Erzeuger und Händler sind trotzdem mit den Gewinnen noch nicht zufrieden. Während Millionen Männer auf dem Schlachtfeld ihr Blut dem Vaterlande geben müssen, werden ihre Angehörigen zur ewigen Schande unserer Zeit von eigenen Boltsgenossen ausgesogen, die durch schamlosen Wucher mit Lebensmitteln die letzten Kräfte der Armen verzehren. Arbeiter, Angestellte, Beamte und Angehörige des Mittelstandes leiden in gleichem Maße unter diesen Zuständen. Ihr Einkommen reicht Die nicht zum Einkauf der allernotwendigsten Lebensmittel. durch die öffentliche Bewirtschaftung erreichbaren Lebensmittel sind in ihrer Menge zu gering, um das Leben zu erhalten; so fann sich niemand dem Schleich handel entziehen..
Eine Note des deutschen Gesandten. Für Kleidung, Schuhe, Wäsche, Haushalts- und WirtschaftsAmsterdam, 8. September. Nach einer Reutermeldung aus gegenstände müssen Phantasiepreise gezahlt werden, die für die meisten unerschwinglich sind. Seit Jahren konnte hier vielfach Santiago hat der deutsche Gesandte von Eckardt eine Note verfeine Ergänzung erfolgen. Vergeblich wehren sich Erhaltungsöffentlicht, in der er sich u. a. dafür verbürgt, daß teine wille, Ordnungsliebe und Reinlichkeitsbedürfnis gegen dieses neuen Zerstörungen von Maschinen oder Versenkungen von Gebiets zuwachs nebensächlich. Aufgabe der sozia Berhängnis. Alle Ersparnisse werden aufgezehrt, nur um das Schiffen vorkommen werden, und daß die Anordnung getroffen liftischen Partei ist es, diesem Gedanken zum Triumph zu ber- bloße Leben zu erhalten. worden sei, daß die chilenischen Behörden jederzeit an Bord der helfen. Sie muß im Einvernehmen mit der Conféderation Mit dem Wirtschaftsniedergang geht der körperliche Kräftedeutschen Schiffe in chilenischen Häfen kommen fönnen. Wie Reuter générale du travail es durchsetzen, daß die internationa- verfall Hand in Hand. Die lange aebanernde Unterernähberichtet, hat die Note in Chile feinen günstigen Eindruck gelen Arbeiterorganisationen bei den Vorbe- rung bringt nicht nur eine erhöhte Sterblichkeit der Kinder und reitungen zu Friedensverhandlungen verder alten Leute; Frauen und Männer der Arbeiterklasse leiden Zu dieser überraschenden Meldung sagt Wolffs Bureau: treten sind. Falls der Nationalfongreß praktische Mittel zu gesundheitlich aufs schwerste. Hier ist noch keine Meldung über die Angelegenheit ein- deren Verwirklichung festlegen fönnte, würde er der Partei und Eine Besserung der Ernährungsverhältnisse muß unter allen gegangen. Es ist anzunehmen, daß die Zerstörungen von der Welt den größten Dienst erweisen. Umständen Platz greifen, wenn die Volksgesundheit dauernd nicht Maschinen usw. auf den deutschen Schiffen in Chile seitens noch schwereren Schaden erleiden soll.
macht.
der Schiffsbesagungen in Verkennung der poli
Leider hat gerade die letzte Beit mehrfache Verschlechtegebracht. Die Getreidepreise wurden erhöht und die
tate Borgenomen abischen Deutsch Dr. Freiherr v. Spihmüller- österreichisch- Thegierung bezeichnete die Erhöbung als eine solche, die sich auch
tischen Lage worden sind. Tatsächlich sind die Beziehungen
Sembat über„ fiegreichen" Frieden.
ungarischer Finanzminister.
für die Minderbemittelten in erträglichen Grenzen" bewege. Neben der Brotpreiserhöhung stieg der Preis der so unentbehrDie Wiener Montageblätter teilen mit, daß der ehemalige lichen Nährmittel, z. B. der flir Grieß von 32 auf 48$ 3f., für Minister im Kabinett Körner, Dr. Freih. v. Spißmüller, zum ge- Graupen von 36 auf 44 Bf. pro Pfund; das ist eine Steigerung meinsamen Finanzminister ernannt ist. von 50 bzw. 25 Proz. Zu der Herabjegung der BrotIn der Humanité" äußert sich Sembat zu den Auseinan- Diese Ernenung ist nicht ganz ohne Interesse. Oesterreich und ration, die dauernd bien soll, kam die Kürzung der dersetzungen, die der bevorstehende Nationalfongreß der fran- Ungarn haben als selbständige Staaten je ein eigenes vollzähliges leis chration und die Einführung fleischloser Wochen. So zösischen sozialistischen Partei bringen wird. Er hält es für Ministerium. Für die gemeinsamen Angelegenheiten auswärtige find dem Volfe neue Entbehrungen auferlegt. Die wohlhabende überflüssig, daß Mehrheit und Minderheit wiederum ihre An- Bolitit, gemeinsames Heer, gemeinsame Finanzen besteht ein Bevölkerung verschafft sich mit Hilfe des Schleichhandels ohne hängerschaft zählen. Biel wichtiger sei es, daß die Partei in gemeinsames Ministerium. Graf Burian, der Außen- Rücksicht auf dessen fortgefekt steigende Preise doppelte Lieferung der Friedensfrage endgültig Stellung nehme. minister, verwaltet gleichzeitig seit geraumer Zeit das gemeinsame und hilft sich so über die fleischlofen Wochen und die sonstigen In der Partei bestehe über die Frage des Friedens und seines Ministerium der Finanzen, so daß der gemeinsame Ministerrat Entbehrungen hinweg. Die Armen und Minderbemittelten aber Inhalts eine ungeheure Mehrheit. Das ganze republikanische nur aus zwei Personen bestand, dem ungarischen Grafen, Burian müssen vierzehn Tage einen halben Monat! ohne ein noch Band, nicht nur die sozialistische Partei, befenne sich zu dem und dem unpolitischen Kriegsminister. Dieser Zustand der Aus- so fümmerliches Fleischgericht begetieren. Die zugefagten ErsatzSandpunkt, daß der siegreiche Friede für die Alli- schaltung Desterreichs mußte besonders jekt in Desterreich schwer mittel sind ungenügend und können die entgangene Fleischnah ierten nicht in territorialem Zuwachs, sondern empfunden werden, da die Ungarn zum Dank für ihre Unterstübung rung nicht ersetzen. in der Errichtung eines neuen Regimes inter - der auftropolnischen Lösung die Reichslande Bosnien und Herzego So sind Brot und Rartoffeln in steigendem Maße nationaler Beziehungen beste he. Wir sind Sieger wina beanspruchen, die dem gemeinsamen Finanzministerium zur das Rückgrat unserer Volfsernährung geworden. Deshalb ist es und der Krieg ist in dem Augenblick glücklich beendet, in dem Verwaltung zugeteilt sind. In Oesterreich knüpft sich an die Er- unabweisbare Pflicht der verantwortlichen Stellen, der Bevölfewir das Selbstbestimmungsrecht der Völfer und nennung des Herrn v. Spizmüller die Hoffnung, daß allzu rung schnellstens für diese Verschlechterung mindestens ein erdie allgemeine Abrüstung erreicht haben. Im Vergleich starte ungarische Einflüsse unterdrüdt werden, höhtes Maß von Kartoffeln zu geben. Der Hinweis auf das zur Tragweite eines solchen Resultats ist jede Frage des bie auf einseitige Lösungen hinzielen. reichlicher vorhandene Gemüse genügt nicht, um diesen Anspruch