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Nr. 262. 35. Jahrg.

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Bferteljährl. 5,40! monatl. 1,80 mt. frei ins Haus, vorauszahlbar. Einzelne Rummern 10 Bfennig. Bostbezug: Monatlich, bom Bostschalter abzuholen 1,80 M., bom Briefträger ins Haus ge bracht 1,94. Unter Kreuzband für Deutschland und Desterreich- Ungarn 4.-M., für das übrige Ausland 5,50 M. monatlich. Berland ins Felb bel diretter Bestellung monatl. 2,- Bostbestellungen nehmen an Däne mart, Solland, Buxemburg, Schweben und die Schweiz . Eingetragen in die Bost- Beitungs- Breisliste. Erfcheint täglich.

Zelegramm- Adresse:

Sozialdemokrat Berlin",

Vorwärts

Berliner Volksblatt.

10 Pfennig

Anzeigenpreis:

Die fiebengespaltene Rolonelzeiletoftet 80 Bfg. Kleine Anzeigen", das fettgebrudte Bort 30 fg.( Juläffig fettgebrudte Worte), jedes weitere Bort 15 Pfg. Stellengesuche und Schlafftellenanzeigen das erste Wort 20 Big., jedes weitere Wort 10 Big. Borte über 15 Buchstaben zählen für awei Borte. Teuerungszuschlag 20% Familien- Anzeigen, politische und gemertschaftliche Vereins Anzeigen 60 Big. die Zeile. Anzeigen für die nächste Nummer müssen bis 5 Uhr nachmittags im Hauptgeschäft. Berlin EW.68, Lindenstraße 8, abgegeben werden. Geöffnet von 8 Uhr früh bis 7 Uhr abends.

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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Am: Morisplas, Rr. 151 90-151 97.

Montag, den 23. September 1918.

Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Morikalas, Nr. 151 90-151 97.

Gefcheiterter englifcher Großangriff

Der Streitfall Baku .

Rußland und die Türkei .

Aus der russischen Note, die wir am Freitag hier wieder­gegeben haben, ergibt sich, wie ernst in russischen Regierungs­freisen die Streitfrage aufgefaßt wird, die sich aus der Be­segung Bafus durch die Türken ergeben hat. Deutschland hat fich in den Zusatzverträgen zum Brester Frieden verpflichtet, den Russen den weiteren Bezug von Rohöl aus Baku zu fichern, und die russische Regieung erblickt in der Einhaltung dieser Verpflichtung eine Lebensfrage. Das schwierige Werk der wirtschaftlichen Reorganisation, daß sie unternommen bat, sieht sie bis an die Wurzel gefährdet, menn the die michtigste Quelle der motorischen Kraft abgeschnitten wird. Man muß daher in Deuschland auf die Möglichkeit gefaßt sein, daß die ruffische Regierung in dieser Frage mit großer Entschiedenheit vorgehen wird, die sich nicht nur nach einer Seite richtet.

Die russische Note hat gegenüber Deutschland ausge­sprochen, daß ihre aus den Bujazverträgen entspringenden Verpflichtungen durch den Fall Baku stark modifiziert werden. Von Schritten, die sie gegenüber der Türkei unter­nommen hat, hat man bisher noch nichts gehört, doch liegt der Gedanke nahe, daß es auch mit der Türkei zu diplo­matischen Verhandlungen kommen wird, womit nicht unbe­dentliche Konfliktmöglichkeiten gegeben wären. Die Türkei ist Deutschlands Bundesgenosse, und schon durch die Zusatzver­träge wäre für Deutschland die Rolle des Vermittlers gegeben, die dann nur in dem Sinne ausgeübt werden könnte, daß den Russen das ihnen zugesicherte Recht wird.

Eisenbahnerstreik

gegen die Tschecho- Slowaken.

Amsterdam , 21. September. Nach einem hiesigen Blatt meldet die Daily Mail" aus Wladivostok, daß der Führer der Tschecho- Slowafen, Oberst Gaida, eine Proflamation an die allrussische Regierung und die tschecho- slowakischen Truppen ausgefertigt hat, in der er allen Eisenbahnangestellten und Telegraphisten befiehlt, unverzüglich den Streif einzustellen und die normale Arbeit wieder aufzunehmen, sonst würden sie vor ein Kriegsgericht gebracht und er­ichossen werden. Auch alle Personen, die der Sabotage schuldig befunden würden oder dem Militär Hindernisse in den Weg legten, würden füfiliert werden.

Nach dieser Meldung scheint es mit der Begeisterung der fibirischen Bevölkerung für ihre Befreier" nicht weit her zu jein.

Belgien will keinen Sonderfrieden. Erklärung des Ministerpräsidenten. Amsterdam , 21. September. Central News" meldet aus Lon­bon: Der belgische Ministerpräsident Cooreman erklärte, daß die belgische Regierung ihren Standpunkt bezüglich der allgemei nen Friedensbedingungen und der Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen den verschiedenen Staaten nur in voll­ständigem Ginbernehmen mit den Alliierten feft­jegen wir

Stürmische Anleihedebatte in Frankreich .

Rußland hat uns in den Krieg gezogen. Bern.( Eigener Drahtbericht des Borwärts.) Die französische Stammerdebatte über die neue Kriegsanleihe nahm einen bewegten Verlauf. Als Finanzminister Slot sagte: Diese Kriegsanleihe wird" unterbrach ihn Mayeras( Soz.) mit dem Buruf: Die Anleihe für die Intervention in Rußland !" Nein," erwiderte Alok, fie wird die Anleihe der Befreiung", welchen Morten ein Beifallssturm folgte..

Die Beftimmung, daß die Anleihe mit Supons ber kaffierten russischen Anleihen bezahlt werden könne, wurde bon Moutet( Soz.) heftig befämpft. los mies darauf hin, daß es in Frankreich eine Million achimalhunderttausend Inhaber solcher taffierter Ruffenanleihen gebe, ihnen müffe ntan au Hilfe kommen.

Englischer Großangriff füdlich Cambrai Der Ansturm in vorbereiteten Linien Schwerste Feindes­gänzlich zerschellt

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verluste.

Berlin , 22. September 1918 abends.( Amtlich.) Von den Kampffronten nichts Neues. Großes Hauptquartier, den 22. September 1918. Imtlich.( WTB.)

Weftlicher Kriegsschauplatz. Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht. Bestlich von Fleurbeiz und füblich von Gavrinconst wur­englische Teilangriffe, nördlich der Scarpe starke Borstöße es Feindes abgewiesen. Eigene Unternehmungen bei Rocuvres brachten 45 Gefangene ein.

Heeresgruppe Boehn.

Nach den vergeblichen Zeilangriffen der beiden lezten Tage olte der Engländer gestern wieder zu großem einheitlichen An­riff aus. Sein Ziel war der Durchbruch südlich von Cambrai . Inter dem Schuhe einer dichten Feuerwalze trat die englische Infanterie, von Panzerwagen und Fliegern begleitet, zwischen em Walde von Gouzeaucourt und Hargicourt am frühen Mor­jen zum Angriff an. Wir hatten in Erwartung des feindlichen Angriffes in der Nacht vom 19./20. bie Berteidigung von bem freien Gelände öftlich von Eychy in die alten englischen Stellun­gen zwischen Billers Guislain und Bellicourt verlegt. Als der zum Angriff ticfgegliederte Feind die Höhen hinab gegen unsere Linien anstürmte, empfing ihn das vorbereitete Abwehrfeuer unferer Artillerie, Infanterie und Maschinengewehre. Der Angriff blieb vor unseren Linien liegen. Nach stärkster Feuer­vorbereitung feste der Feind zu erneutem Angriff an. Auch diefer zweite Ansturm scheiterte völlig. In den Südwestteil von Billers Guislain und in das Gehöft Quennemont drang der Engländer vorübergehend ein. Hier warf ihn sofortiger Gegen­stoß wieder zurück. Am Abend und während der Nacht folgten stärkstem Artilleriefeuer nochmals heftige Angriffe, die abge= wiesen wurden.

Der gestrige Kampftag war in dem schweren Ringen an der Westfront ein besonders erfolgreicher Tag. Deutsche Jäger und Kavallerieschüßenregimenter, oft- und westpreußische, posensche, niederschlesische, westfälische, rheinische, bayerische Regimenter und Garbetruppen haben dem Engländer gestern eine schwere Niederlage zugefügt. An seiner ganzen Angriffsfront hat er schwerste Verluste erlitten. Unserer Artillerie fällt ein Haupt­teil an dem vollen Erfolge zu,

Heeresgruppe Deutscher Kronprins. Zwischen Ailette und Aisne blieb die Artillerietätigkeit tagsüber in mäßigen Grenzen. Sie lebte am Abend in Ver­bindung mit heftigen Zeiltämpfen östlich von Baugaillon, am Gehöft Baurains und nordwestlich von Bailly auf. Der Erste Generalquartiermeister. Ludendorff.

Der österreichische Bericht. Wien , 22. September. Amtlich wird verlautbart: Italienischer Kriegsschauplas.

Gestern überfielen auf dem Doffo Alto unsere Sturm­truppen einen von tschechoslowakischen Legionären verteidigten Grabenabschnitt. Der größte Teil der Befagung erlitt sein verdientes Schicfal. Sonst an zahlreichen Stellen der italienischen Front Erkundung gefechte.

Weftlicher Kriegsschauplas­

Bei den 1. und. Truppen keine besonderen Ereignisse. Albanien .

An der Küste wurden abermals italienische Angriffe ab­geschlagen. Der Chef des Generalstabes.

Italien und die Südslawen . Bern , 22. September. ( Gig. Drahtber. d. Vorwärts".) Petit Raffin- Dugens( Sez.) rief dazwischen: Rußland hat Parifien" meldet: Die italienische Ministerfrise ist verhütet. Die uns in den Krieg bineingezogen!", worauf ber Bräsi- Anschauung Orlandos und Bissolatis über die Abänderung Dent fagte: Bergeffen Sie nicht, daß Deutschland den Angriff der Bondoner Beschlüsse siegte unter Mithilfe Gallengas und vierzig Jahre lang vorbereitete." Darauf Raffin- Dugens: Aber Crespis. Danach soll Italien eine Beschüberrolle gegen Rußland gab ihm die Möglichkeit, so zu tun, als ob es sich bedroht über den Südslawen übernehmen und derart außer terri glaube. Deutschland hatte jebenfalls nicht das Barenregime, bas unsere Régierungen hinterſtützten, und der Kaiser hatte keine fibirischen Gefängnisse." Hier fiel wieder der Präsident ein mit

bem Wort, der Raiser habe sein Gefängnis an Elsaß- Lothringen . Die Annahme der Anleihe erfolgte schließlich mit 461 Stimmen gegen die brei der Kienthaler.

werden.

torialen Borteilen gemäß dem Nationalitätenprinzip auch moralische und politische erlangen. Eine diesbezügliche Regierungsnote ging an die Verbündeten ab und wird nach deren Zustimmung publiziert Sie teilt den Verbündeten mit, daß das italienische ihren freien Staat als den Ententeprinzipien und den Interessen Kabinett die Bewegung der Südflaten für ihre Unabhängigkeit und eines gerechten Dauerfriedens entsprechend ansieht.

Vor den Entscheidungen.

Mit dem heutigen Tage beginnt eine Woche, die uns als eine große, politische angekündigt worden ist. Am Dienstag nimmt der Hauptausschuß endlich, nach langem Drängen feines Vorsitzenden, des Genossen Ebert, seine Sigungen wieder auf. Ihnen gehen am heutigen Tage Besprechungen der Fraktionen voran. Die sozialdemokratische Fraktion tritt heute um 10 Uhr vormittags in Verbindung mit dem Partei­ausschuß zusammen, um den Bericht des Vorstandes entgegen­zunehmen und die Richtlinien der fünftigen Bolitik der Partei einer gründlichen Aussprache zu unterziehen.

Verfolgt man den Chor, mit dem die bürgerliche Presse diese Vorgänge begleitet, so stößt man auf Erscheinungen, die überraschen müßten, lägen ihre parteipolitischen Triebfedern nicht allzu offen zutage. Auf der einen Seite, det konser­batiben, sucht man die Sache so darzustellen, als ob die gegen­wärtige Krise nur die Erfindung einiger Ehrgeizlinge wäre, die danach drängten, selber an die Macht zu kommen. Auf der anderen Seite sucht man die bisher beobachtete Zurückhaltung der sozialdemokratischen Partei durch gutes Zureden zu über­winden und stellt den Eintritt von Sozialdemo­fraten in die Regierung als eine selbstverständliche Pflicht hin. In diesem Sinne nimmt jest wieder die Zen­trums- Parlamentsforrespondenz Stellung, indem sie gegen die Bemerkung eines fortschrittlichen Abgeordneten im Ber­liner Tageblatt", die Sozialdemokratie würde durch ihren Eintritt in die Regierung ein großes Opfer bringen, folgendes ausführt:

Nach unserer Ansicht ist es eine selbstverständliche Pflicht auch der Sozialdemokratie, daß sie sich dem Vaterlande gegenüber in dieser schweren Zeit verpflichtet fühlt; worin die " großen Opfer" bestehen könnten, die die Sozialdemokratie bei Uebernahme dieser bestimmten Verpflichtung" bringen müßte, iſt uns unverständlich. Zehnt die Sozialdemokratie, wie sie es seiner­zeit getan hat, den Eintritt in die Regierung ab, ist das schließlich ihre eigene Angelegenheit, und wir vermögen uns damit abzu­finden. Den Verzicht auf fleinliche parteipolitische Eigenbrötelei sollte man aber doch wirklich nicht als ein " großes Opfer" bezeichnen.

Die machthungrigen Ehrgeizlinge der konservativen Presse verwandeln sich hier im Handumdrehen zu Leuten, die aus, fleinlicher parteipolitischer Eigenbrötelei" die Erfüllung ihrer selbstverständlichen Pflicht verweigern.

Es liegt auf der Hand, daß beide Darstellungen gleich schief sind. Daß die Sozialdemokratie nicht nach Minister­posten strebt, geht aus der Feststellung der Zentrumskorre­spondenz hervor, daß sie die Gelegenheit des vorigen Jahres ungenügt vorübergehen ließ. Aber auch ihre Pflicht am Volke ist die Sozialdemokratie zu erfüllen bereit, nur daß sie diese Pflicht etwas anders auffaßt, als sie in der bürgerlichen Presse oft dargestellt wird.

Nach der C.-P.-C." ist die Sache ungeheuer einfach. Wenn es gewünscht wird, hat die Sozialdemokratie eben in die Regierung einzutreten. Die eigenen Wünsche und An­fichten der Partei über die Notwendigkeiten der deutschen Reichspolitik müffen dann zurückgestellt werden. Aber die Sozialdemokratie hat ihre Aufgabe stets so aufgefaßt, daß sie nur durch das Wirken für ihre Ueberzeugungen dem Volfe nügen und ihre Pflicht erfüllen kann. Die Frage stellt sich also für sie fo, ob durch ihren Eintritt in die Regierung ihr Wirken für ihre Ueberzeugungen erleichtert oder erschwert wird.

Gerade in der Haltung der bürgerlichen Bresse liegt nun für die Sozialdemokratie ein Grund starker Skepsis. Würde dort ausgesprochen werden, daß die Sozialdemokratie in vielen Dingen recht behalten hat und daß es notwendig sei, in ganz anderer Weise als bisher ihren Anschauungen Rechnung zu tragen, so könnte das viel eher auf sie ermutigend wirken, als ein ganz fehlgehender Appell an das Pflichtgefühl.

Gewiß zeigt sich schon in dem Wunsche so zahlreicher bür­gerlicher Politiker nach dem Eintritt der Sozialdemokratie in die Regierung ein bedeutender Umschwung der Verhältnisse. Vor dem Kriege fonnte ein Mann, der als Sozialdemokrat bekannt war, nicht einmal nachtwächter in Krotoschin

werden, jezt legt man den Sozialdemokraten nahe, daß sie ihre Pflicht verlegten, wenn sie nicht allsogleich, ohne nach dem Was und Wie zu fragen, Minister würden.

Dieser Umschwung ist aber anscheinend noch nicht so weit gegangen, daß man der Sozialdemokratie einen wirflid) ernsten Einfluß auf die Regierungsgeschäfte zubilligen will. In diesem Falle läge für die Partei die Erwägung nahe, zunächst einmal die weitere Entwicklung der zubilligen will. In diesem Falle läge für die Partei die daß die Lage des Reiches eine enge Zusammenfaffung aller Dinge abzuwarten. Es ist gewiß ohne weiteres zuzugeben, Kräfte erfordert, und man soll nicht annehmen, daß sich die