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Nr. 265. 35. Jahrg.

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Sozialdemokrat Berlin",

Vorwärts

Berliner   Volksblaff.

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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutfchlands.

Redaktion: w. 68, Lindenstraße 3.

Fernsprecher: Amt Morisplat, str. 151 90-151 97.

Donnerstag, den 26. September 1918.

Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernfprecher: Amt Morigplas, Nr. 151 90-151 97.

Der Kriegsminifter gegen den Reichstag  !

Der Reichstag   gegen den Kriegsminister!

Im Hauptausschuß tamen gestern Herr Gröber bom Zentrum, Genosse Scheidemann  , der Fortschrittler Fischbed und der nationalliberale Dr. Stresemann zu Wort. Alle wandten sich in mehr oder minder scharfer Abtönung gegen das System der Militärpolitit, das die Zivilregierung zu ihrer Puppe erniedrigt. Die Ueber­raschung des Tages war die Rede Gröbers  , der als stärkste Stüße der Regierung Hertling bekannt ist. Gröber hielt eine Antlagerede über die Handhabung des Belagerungszustandes bor allem gegen den Kriegsminister b. Stein, der durch einen Erlaß Bersammlungen bürgerlicher Pazi­fiften zugunsten der Friedensresolution des Reichstags. verboten hatte! Er rief mit erhobener Stimme:

Ich erwarte noch heute eine Erklärung bes Reichstanzlers, was er in dieser Frage au tun gebenkt.

Die Erklärung des Reichskanzlers blieb aber aus. Es sprach nur der General   v. Wrisberg, der die Aufhebung verschiedener militärischer Erlasse ankündigte. Es wird künftig erlaubt sein, über die Friedensresolution des Reichstags und über die Wahlrechtsfrage zu reden, und das Redeverbot gegen den Abg. Haase wird wie hier gefordert und an­gefündigt wurde aufgehoben. Ein blamabler Rückzug auf der ganzen Linie, Zerstörung jedes Restes von Autorität! Warum erlassen die Herren Verbote, die sie nicht aufrecht­erhalten können und die ihnen selber nur Ungelegenheiten bringen? Jegt heißt es, daß der Kriegsminister zurüdtreten wird. Es ist Zeit!

Ja, es ist soweit, daß die Sozialdemokraten um die Aufrechterhaltung der Staatsautorität besorgt sein müssen, ohne die es nun einmal( auch unter Bolschewiki­herrschaft) nicht geht, am wenigften in einer Zeit, die die Zu­fammenraffung aller Sträfte zur Verteidigung erfordert. Ver­ordnungen, die solange reizen, erbittern und Konflitte hervor­rufen, bis man einsieht, daß man sie aufheben muß, wirken gerrüttend. Ordre, contreordre, désordre!" Befehl, Gegen­befehl, Kuddelmuddel! Das Ganze heißt: Aufrechterhaltung der inneren Front".

Scheidemann   schloß seine Rede mit dem Ruf nach Aenderung von Grund auf, Systemwechsel, Einkehr, Umkehr! Dieser Ruf war ein Schret aus der Not, der Not eines großen Volfes, das nicht zugrunde gehen will, das eine gerechte Ordnung sucht, das mit allen Kräften für sein Land einzutreten bereit ist. Möge die Geschichte nicht urteilen, daß diesem Volt tlar blickende Freunde gefehlt haben, die imstande waren, in entscheidender Stunde mit Entschlossenheit das Notwendige au tun!

Eine Zentrumsstimme zur Krise. Gegen Stein- für Hertling.

Auch die Germania  " beröffentlicht einen Artikel, der sich scharf gegen die politische Militärwirtschaft wendet. Sie fündigt an, daß die Burücknahme des friegsministeriellen Erlasses gegen die Friedensresolution des Neichstags, mit oder ohne General Don Stein", erfolgen wird. Sie macht darauf aufmerksam, daß Gröber auf die stürmischen Rufe, bie den Rüdtritt Steins

Deutscher Gegenangriff östlich von Epehh Die feindlichen Angriffe gegen St. Quentin Kämpfe um Pontruet, Gri­court und Francilly- Selench.

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Berlin  , 25. September 1918, abends. Amtlich. Zwischen Omignon- Bach und der Somme wurden ernente Angriffe des Feindes ab­gewiesen.

Amtlich. Großes Gauptquartier, 25. Sep­tember 1918.( WTB)

Weftlicher Kriegsschauplatz. Seeresgruppe Kronprins Rupprecht. Rege Erkundungstätigkeit in Flandern  . Zwischen Moeu= bres und dem Walde von Havrincourt lebte der Artillerie­tampf auf. Bei Moeuvres scheiterten ernente Angriffe des Feindes.

Heeresgruppe Boehn.

Deftlich von Epehy nahmen wir im örtlichen Gegenangriff die vor den Kämpfen am 22. 9. gehaltene Linie wieder.

Zwischen dem Omignon Bach und der Somme nahmen Engländer und Franzosen   ihre Angriffe gegen St. Quentin  wieder auf. Sie waren von starter Artillerie und Panzer­wagen begleitet. In Pontruet, Gricourt und Fran cilly Selen en faßte ber Gegner am frühen Morgen Fuß. Bersuche des Feindes in heftigen bis gegen Mittag fortgesetten Angriffen die Einbruchsstellen zu erweitern, scheiterten. Durch Artillerie und Flieger wirksam unterstützte Gegenstöße unserer Infanterie und Pioniere brachten gegen Mittag ontruct nnd Gricourt wieder in unseren Besit; die zwischen beiden Drten gelegene Höbe wurde nach wechselvollem Kampfe wieder­gewonnen. Francilly Selency blieb in Feindes Hand. An der übrigen Front brachen seine Angriffe meist schon vor unferen Linien zusammen. Wo er sie erreichte, wurde er im Gegenstoß wieder zurückgeworfen.

Seeresgruppe Deutfder Kronprins. Zwischen Besle und Aisne   brachen Sturmabteilungen in bie feindlichen Linien südlich von Glenne ein und brachten 85 Gefangene zurüd. Ein starker Gegenangriff, den der Feind nach Abschluß dieser Kämpfe gegen unsere Ausgangsstellungen richtete, wurde abgewiesen. Bei kleineren Unternehmungen über die Besle und in der Champagne machten wir Gefangene.

Wir schoffen gestern in Luftkampf 28 feindliche Flugzeuge und 6 Feffelballone ab. Leutnant Rumey   errang seinen 42., Leutnant Jacobs feinen 30. Luftfieg. Der Erfte Generalquartiermeister.

Lubendorff.

Der öfterreichische Bericht. 28ien, 25. September. Amtlich wird verlautbart: Italienischer Kriegsschauplak.

An der Tiroler Südfront und zwifchen der Brenta   und der Piave fcheiterten italienische Erkundungsvorstöße. In den Sieben Gemeinden sette der Feind gestern bei Canova seine Zeilangriffe fort. Die Angreifer, Italiener   und Tschecho­flowaten, wurden überall geworfen, an einer Stelle durch einen Gegenstoß von Pardubiger Dragoner  . Der Chef des Generalstabe&

forderten, antwortete: Benn meine Forberung politische Jm August 420 000 Tonnen vernichtet.

Konsequenzen bat, so werden wir sie zu tragen wissen." Den Lugus der Arbeit der einen Regierungsstelle gegen die der anderen," fügt sie aus eigenem hinzu, fönnen wir uns nicht länger leisten."

Berlin  , 24. September. Jm Monat August haben die Mittelmächte rund 420 000 B.-R.-T. des für unsere Feinde nußbaren Handelsschiffsraumes vernichtet. Der dem Feinde Die Germania" tritt dann der Auffassung entgegen, daß zur Verfügung stehende Handelsschiffsraum ist somit allein Gröber zugleich mit dem Kriegsminister auch den Reichs- durch friegerische Maßnahmen der Mittelmächte seit fanaler preisgegeben habe. Von diesem sagt sie, daß er sich Striegsbeginn um rund ,, in den Grenzen des Möglichen durchaus bewährt hat und wei­ter bewähren wird". Ein Thema, über das zu sprechen peinlich ist, weil es Persönliches zu nahe berührt. Wir denken, die gestrige Aussprache müßte auch den Reichskanzler selbst davon überzeugt haben, daß eine jüngere, entschlossenere, weniger am Alten hängende Kraft notwendig ist, um die Ordnung zu schaffen, die das Land in so schwerer Beit braucht!

Wie wir hören, ist aus Anlaß des friegsministeriellen Er­lasses. der im Juli d. 3. erging und das Berbot von Beriamm­lungen zugunsten der Friedensresolution des Reichstags befür­wortete, angeordnet worden, daß alle Erlasse des Kriegs­ministers der vorherigen Genehmigung des Reichs. fanglers unterstellt werden. Darüber soll Herr v. Stein sehr verstimmt sein, und dies soll auch den Anlaß gegeben haben daß er den Sizungen des Hauptausschusses, in denen er einen Sturm gegen fich erwarten mußte, gar nicht mehr bei­wohnte.

19 220 000 B.-R.-T. verringert worden. Hiervon find etwa 11 920 000 B.-R.-T. Verluste der englischen Handelsflotte.

So geht es nicht weiter!

Bon Konrad Qaenisch.

Genosse Haenisch bezeichnet die Darstellung, die er uns zusendet, felbft als einen Bruchteil seiner Er­lebnisse. Wir fönnen leider aus Gründen des Papier­mangels bon diesem Bruchteil wieber nur einen Bruch­teil wiedergeben. Neb. b. Vorw.".

Die Erörterungen über die neuesten Polizeitaten von Berlin   und Köln   lassen es mir wünschenswert erscheinen, der größeren Oeffentlichkeit einmal an einem kleinen Aus­schnitt aus meinen eigenen Erlebnissen allein in den legten Monaten zu zeigen, wie es heute mit dem Ver­fammlungsrecht bestellt ist. Ueber das Wirken gewisser 8 en­fur behörden ist die Oeffentlichkeit im allgemeinen unterrichtet, über die Zustände auf dem Gebiete des Versammlungs­wesens aber macht man sich kaum eine flare Vorstellung. Und doch herrscht gerade auf diesem Gebiete eine Willkür, die ihre Praxis nicht nur von Ort zu Ort, sondern auch von Tag zu Tag wechselt. Von irgend einer Rechtssicherheit ist da längst keine Rede mehr. Der hier niedergeschriebene fleine Bruchteil meiner Erfahrungen stellt feineswegs außergewöhnlich e Erlebnisse dar. Sie sind typisch.

Bum Beispiel: du haft im Abgeordnetenhaus und in Beit­schriften dich wiederholt über das Verhältnis von Schule und Politik zueinander geäußert und an diese Aeuße rungen haben sich in der Deffentlichkeit lebhafte Erörterungen angeschlossen. Nun willst du in einem Orte deines eigenen Wahlkreises in einer Mitgliederversammlung über das gleiche Thema sprechen. Den äußeren Anlaß dazu bietet der standalöse Mißbrauch einer Schule des betreffenden Ortes es handelt fich um Friedrichshagen  - für die Swede der alldeut­schen Propaganda. Die Versammlung wird berboten. Der Vortrag hätte ja die militärische Sicherheit des Deutschen Reichs  gefährden können.

Das ist im Often vor den Toren Berlins  . Wendest du dich aber südwestlich etwa nach 2 udenwalde, so fannst du ungehindert, in Volksversammlungen fogar, über alles dir wichtig Erscheinende reden.

In Stendal   darfst du weder in einer öffentlichen Ber­sammlung noch in einer Mitgliederversammlung deiner Partei über Fragen der preußischen Politik sprechen. Dagegen kannst du in Lüneburg  , dem alten schönen Heidedorf", in einer massenhaft besuchten Boltspersammlung über alle Fragen der äußeren und inneren Bolitik genau so ungehindert reden wie im Frieden. Ganz wie im Frieden darfst du auch in Hirsch­berg und Schmiedeberg im Riefengebirge vor Volts. versammlungen sprechen. Die beiden Orte gehören nämlich zu dem Bezirk des recht vernünftigen Danziger Generalfom­mandos. In jenem Teil von Schleften aber, der zum Bres. Iauer Generalfommando gehört, werben felbst geschlossenen Vereins- und Getverkschaftsversammlungen die größten Schwie rigkeiten bereitet.

Bum Bezirk des Dongiger Generalfommandos gehört auch das Hinterpommetsche Städtchen Stolp. Auch hier ist daher etne böllig unbehinderte Boltsverfammlung möglich. Fährst du aber ein paar Bahnstunden weiter und gerätst so in bas Gehege

Des Stettiner Generalfommandes: gleich beginmen wieder die Schwierigkeiten.

Wie im Osten, so im Westen! In Dortmund   hast du im Januar dieses Jahres noch in zwei Volfsversammlungen ungehindert über das preußische Wahlrecht sprechen dürfen. ezt wird sogar die Genehmigung geschloffener Mitgliederver­sammlungen dort davon abhängig gemacht, daß das Wahlrecht mit feinem Worte erwähnt wird.

fchon befannte Kölner  - geht im heiligen Trier   wieder alles Nach einer Reihe ähnlicher Erlebnisse- darunter das nach Wunsch. Du darfst über das Wahlrecht und alles was Nach inzwischen gemachten Feststellungen find, soweit bis dich sonst bewegt, vor überfüllter Volksversammlung nach her bekannt, im Monat Juli außer den seinerzeit schon Serzenslust sprechen. Im Hotel aber findest du ein Telegramm, befannt gegebenen Verluften der feindlichen oder im Dienste das dich für den nächsten Morgen zu einer Unterredung auf die unferer Gegner fahrenden Handelsschiffe noch weitere für das Bersammlungswesen zuständige Stelle in Saar­Schiffe von zusammen etwa 40 000 B.-.-. durch brüden einlädt. friegerische Maßnahmen schwer beschädigt in feindliche Häfen eingebracht. Der Chef des Admiralstabes der Marine.

Die Japaner in Nerchinsk  . Tokio  , 24. September. Reuter meldet ohne Datum: Japanische Stavallerie ist in Nerchinst eingezogen. Nerchinst, einst berüchtigt als Verbannungsplatz östlich des Baitalfees, ist als Stationsort der sibirischen Bahn und als Handelsplatz von erheblicher Bedeutung.

In Saarbrücken   hast du früher schon allerlei Grleb­nisse gehabt: im Oktober 1917 hat dich, ganz wie jetzt in Ralf bei Köln  , der überwachende Polizeibeamte mitten in der Rede unterbrochen und dir unter stärkster Erregung der versammel­ten 2000 bis 3000 Eisenbahner verboten, die Wahlrechtsfrage auch nur zu erwähnen. Im letzten Juli solltest du dann im gleichen Raume, dem städtischen Saalbau, in einer Volksver­sammlung über das im Jahre zuvor nicht beliebte Thema reden. Endlose Verhandlungen. Ergebnis: über Thema darf immer noch nicht gesprochen werden! Das Thema wird also