fit. 265 ♦ 35. Jahrgang
Seilage öes Vorwärts
Vonnerstag, 26. September 161 S
Der HauptaussihuK gegen den Kriegsminister.
Am Mittwoch kamen die Vertreter der einzelnen Parteien zum Wort; als erster sprach
z. Gröber(Z.): Die militärische Lage ist nicht günstig, aber in einem Kriege von dieser Dauer muß man mit Mißerfolgen rechnen, die indes einen Pessimismus keineswegs rechtfertigen können. Wir dürfen zu unseren Truppen volles Vertrauen haben. General v. Wrisberg hat über die Ursachen der Mißerfolge keine b e- friedigende Auskunft gegeben. Das mutz nachgeholt und zum Gegenstand einer Erörterung gemacht werden. Die Festigkeit der inneren Front hängt ab von dem Zusammenwirken zwischen Negierung und Volk Die Rede Pahers in Stuttgart bedoutete die Umschreibung eines Programms der Regierung. Es ist ein Der- dienst de? Kanzlers, dies« Uebereinstimmuna zwischen Regierung und Heeresleitung erzielt zu haben. Wir sind bereit, auf den Voden dieses Programms zu treten. In manchen Dingen hat die Regierung versagt, das liegt an dem Zwiespalt zwischen Regierung und hoheu militärischen Stellen. Dieser Zwiespalt hat unseren Gegnern Anlaß gegeben, die Ehr- lichkeit der Regierung in Zweifel zu ziehen. Es ist die letzte Stunde, in der dieser Widerspruch beseitigt werden muß, sonst schallt uns ein: Zu spätl entgegen. Bedarf es dazu außer- ordentlicher Mittel, dann müssen sie angewendet werden! Die Regierung darf sich in die inneren Verhältnisse Finnlands nicht einmischen und keine Garantie übernehmen für den Thron, der dort errichtet werden soll. Das Selbstbestim- mungsrecht der Völker im Osten mutz gewahrt werden, dann wird es zu einer Nachprüfung der Verträge nicht kommen. Die Verträge im Osten find abgeschlossen und bestehen zu Recht. Diese Völker wollen nicht mehr zu Rußland , sie haben bei uns Schutz gesucht und gcfimben. Für das Schicksal dieser Völker dürfen dynastische Interessen nicht maßgebend fern, und damit ist die Frage einer Personalunion mit Preußen erledigt. Zu einem modernen Staatsleben gehört auch die Selbstverwaltung. DaS de- deutet, daß mit der militärischen Verwaltung Schluß gemacht werden muß. Das jetzige System bedeutet eine U n t e r- drückung, keine Befreiung. Gibt man diesen Völkern ihre Rechte, dann werden sie selber eine Revision der Verträge ab- lehnen. Am schlimmsten hat dl« übertriebene Art der Germani- sierung gewirkt; man darf auf diesem Gebiets keinen Zwang ausüben. Unerhört ist es, daß man diesen Völkern verbietet, mit deutschen Reichstagsabgeordnetcn in Verbindung zu treten. Hat man doch den Mitgliedern der Taryba verboten, bei ihrer Anwesenheit in Berlin - mit Zentrumsabgeordneten zu sprechen. Nicht minder ist es unerhört, daß die polnische Frage noch immer nicht gelöst ist. Da? hängt zusammen mit der Behandlung der Polen in Preußen. Auf dem Gebiet der inneren Politik ist das Kernstück dte Handhabung des Belagerungszustandes. Der Gipfel der verkehrten Matznahmen ist erreicht worden mit dem Erlaß des preußischen KriegSministerS gegen die öffentliche Erörterung eines BerständigungSfriedeuS. Der Kriegs mini st er fordert d,« Behörden auf, solch eVers am mlungen zu verbieten. Dabei stehen die davon betroffenen Kreise auf dem Boden der von der Regierung gebilligten ReichstagSentschlietzung. Der Kanzler ist mit diesem Erlaß nicht einverstanden. Genau so liegt eS mit dem Verbot, in öffentlichen Versammbullgen das preu- ßische Wahlrecht zu erörtern. Dem HerrenhauSmitglied Stegerwald hat man verboten, tn Münster über die Wahlvechtsvor- läge zu reden. Man verlbietet also eine Unterstützung der Re- gierung. Der Kanzler mutz diese Widerstände rechen, er darf es nicht dulden, daß sein« Politik von militärischer Serie durchkreuzt w i r d. Abg. Scheidemann(Soz.): Der Kanzler hat bei seinem Amtsantritt gemeint, er habe zwar politische Gegner, aber keine persönlichen Feinde. Letzteros dürfte heute noch zutreffen; aber die Zahl seiner Gegner ist zweifel- loS gewachsen. Unsere Angriffe gegen die Regierung des Grafen Hertling haben mit persönlicher Feindschaft nicht? zu� tun. Unser« Gegnerschaft ist durchaus sachlich. Mr beklagen zunächst, daß der Reichskanzler vieles nicht verhütet und anderes nicht durchgesetzt hat. Das letzte Jahr war das schlimmste, das das deutsche Volk jemals erleben mußte. Viele Hoffnungen sind zerstört worden und dem Frieden sind wir nicht näher gekommen. Man meinte, nach Abschluß des Friedens im Osten, daß nunmehr eine mili- t ä r i s ch e U e o e r m a ch t für den Westen vorhanden s«. Auch darin hatte man sich getäuscht. Maßgebende Kreise haben aber unter der Unterschätznng des Gegner» gelitten und diese Unterschätzung ist dem deutschen Volk« durch unsere Militärs ganz suggestiv beigebracht worden. Mag sein, daß die Militärs selber daran geglaubt beben, sonst würden sie wahrschein. lich die lebte Offensive unterlassen haben. Jetzt müssen wvr zu. sehen, wie die Gegner sich geradezu in einem Siegestaumel be- finden. Die bei unserem Gegner jetzt bestehenden Illusionen wirken auf alle Fälle kriegsverlärrgernd. Die Erklärungen, die General von Wrisberg über die militärische Situation gab, waren ganz uu- genügend. Alles, was er sagte, hat schon längst in der deutschen Presse gestanden. Im englischen und im französischen Parlament ging nian ganz anders vor. Dort forderte man mehr als einmal von der Militärverwaltung ganz kategorisch Auskunft, die dann in Gcheimsitzungen erteilt wurde. Wir sind keine Freunde dieser Geheimniskrämerei. Wenn es aber nicht anders möglich, sind wir berit, in einem engeren Zirkel die entsprechenden vertrau- lichen Aufklärungen entgegenzunehmen. ES ift'nicht gelungen, wie den Militärs es vorschwebte, den Gegner zu zerschmettern. Wir werden im Gegendeil alles tun müssen, um nicht selber z«r- schmettert zu werden. Der Kampf gegen daS Areiben be- stimmt« Kreise ist ein Kampf gegen das ganze militaristisch-auto- kvatisch? System. Für die Militärs gilt der Krieg verloren, wenn sie nicht gewaltige Beute und Machtzuwachs.heimbringen können. Für uns dagegen gilt der Krieg gewonnen, wenn er den Bestand des RsicheS sichert und uns Freiheiten nn Innern bringt. Der Vizekanzler von Paycr hat in seiner Stuttgarter Rede versucht, die Ostpolitik zu rechtfertigen. Er ging sogar so weit, seine Rede mit der Rede Solfs in Einklang bringen zu wollen. Das war an sich ein scbwieriges Beginnen, um so mehr, als Staats- sekretärSolfvielleichtganzandersgeredethätte, wenn ihm die Zusatzverträge bekannt gewesen wären. Es ist auch sehr bezeichnend, daß Staatssekretär Solf als Mitglied der Regierung von diesen Verträgen nichts gewußt hat. Herr v. Paher hat aber auch vermieden, sich klar auszudrücken und gerade damit hat er aus Seite unserer Gegner den Vorwurf der Zweideutigkeit ausgelöst Der Einsah unserer ganzen Kraft ist im Westen einfach deshalb nicht möglich, weil deutsche Truppen als Folge unserer Ostpolitik w erheblicher Zahl im Osten festgehalten werden. Wir halten nach wie vor den Brester Frieden für ein schwerwiegendes Friödenshindernis. Trotz des Friedensschlusses strebt man an, die Demarkationslinien nach der Mnrmanküste vor- zuschieben. Es wurde sogar der abenteuerliche Plan propagiert, ganz Rußland zu besetzen. Die Regierung war vernünftig genug, derartige' abenteuerliche Gelüste abzulehnen. Das genügt aber nicht. Tie Regierung müßt« jene Herreu, die für solch« Pläne ein- getreten sind, klar und deutlich von sich abschütteln. Die Zusatzverträge zum Brest « Frieden und
das finnische KSmgSspiel waren schwere politische Fehler. Der Plan, dem Kaiser den Her- zozshut Kurlands zu verschaffen, darf wohl endgültig alz erledigt «mgefehen werden. Diesen Plan hätte der Kaiser nur auf eigene Rechnung und Gefahr verfolgen dürfen. Die Zeit ist unwiderruflich vorbei, wo die Völker bereit waren, für dynastische Interessen ihr Blut zu vergießen. Der Landgraf von Hessen , der da glaubt, daß die Finnen ihn als König haben wollen, ist preußischer Offizier. Wer hat ihm erlaubt, mitten im Weltkrieg ferne Nationalität abzulegen? Mitglieder des deutschen Reichstages dürfen nicht in das Ausland reisen; warum aber erlaubt man mm diesem preußischen Offizier ins Ausland zu gehen, um dort in ein Aben. teuer verwickelt zu werden, das die weittragendsten Folgen haben kann? Kein Zweifel, daß die ganze Sache von militärischer Seite eingeleitet wurde. Auf die Ostpolitik übergehend fordert unser Redner, man gebe den Völkern im Osten das weitestgehende Selbstbestimmungsrecht. Es geht nicht an, Völker erst zu binden und sie dann erst zu befragen, wemi an den Dingen nichts mehr geändert werden kann. Kann die Regierung diese Politik nicht verhüten, dann soll sie abtrete». K ü h l m a n n hat gehen müssen, weil er eine Woche zu früh sagt«. was dann auf einmal alle General « glaubten sagen zu müssen. Die Entlassung Kühlmanns hat an der Front eine ungemein böse Wirkung ausgeübt. Die Soldaten find kein« unwissende Menge. Ter Krieg war für sie ein Erzieher. Sie haben gelernt und der- mögen sehr wohl die politischen Vorgänge genau zu beurteilen. Herr von Hintze ist von den Alldeutschen stürmisch begrüßt worden. Der Jubel hat sich gelegt; denn es hat sich gezeigt, wie wenig Be- deutung eine einzelne Person für sich in dem gewaltigen Getriebe dieser aufgeregten Zeit hat. Das Verhalten der deutschen Regte- rung in der Angelegenheit der österreichische« Note war einigermaßen befremdend. Die Vorgänge haben gezeigt, daß ein Spalt in das Bündnis gekommen ist. Di« Gegner setzen alles daran, diesen Spalt zu erweitern. Dem muh die deutsche Negterung durch ihr ganzes Verhalten einen Riegel vor- schieben. Die scharfe Kritik des Abg. Gröber war durchaus be» rechtigt. Was ist das für ein Zustand, wenn ein« Regierung sich zu einem festen Programm bekennt und der Kriegsminister kann auf eigene Faust alles das hintertreiben. Das bedeutet geradezu einen Faustschlag in das Gesicht der Regierung und es ist geradezu«nfahbar, dast dieser KriegSminister noch im Amte fein kann. Gegen die Regierung muß der schärfste Vorwurf erhoben werden, weil sie das eigenmächtige Eingreifen des Kriegsministers nicht verhindern konnte. Genau so liegen die Dinge in der Flamen- Politik. Die Zivilregierung trifft Maßnahmen, die Flamen, die man aus irgend einem Grunde bei der Stange hält, erheben da- gegen Einspruch und die militärischen Stellen erklären dann, daß sie gar nicht daran denken, die Anordnungen der Zivilregierung zu verfolgen. Sie kleiden das in die Form: Lubcndorff regiert und nicht Hertling. Und wie haust der Militarismus bei uns im. Lande! Redner be- spricht die Vorgänge in der von den Unabhängigen einberufe. nen Wählerversammlung für den ersten Berliner Wahlkvois. In dem Moment, in welchem Abg. Haas« reden wollte, kommt ein Polizeileutnant und verbietet das: Wir haben gegen dieses unerhörte Vorgehen sofort bei der Regie- rung den schärfsten Protest erhoben. Ihm, Redner, sei kürzlich in einer Versammlung in Essen direkt verboten worden, auch nur ein Wort über das preußische Wahlrecht zu sagen. Im Auftrag des Militärs verbsetet irgend ei« Polizeiknecht einem Wgoordneten über eine Frage zu sprechen, die heute die ganze deutsche ßeffentlichkcit bewegt. Die Regierumg weiß daS alls, sie ist aber diesen militärischen Ueberg rissen gegenüber voll- ständig nt achtlos. Genau so wütet die Zensur. Ueber die Abreise des Hetmans der Ukraine aus Berlin durfte nicht berichtet werden, die Veröffentlichung von Kundgebungen der russischen Regierung wird verboten, selbst die gewiß sehr zahme .Hilfe"' des Hern Naumann verfiel einem Verbot. Nachrickten aus der Ukraine dürfen nicht gebracht werben, Mitteilungen über die finnische Königsmache wurden unterdrückt. Auf diese Art wird die Stimmung im Lande in geradezu blödsinniger Weis« herunter- gedrückt. Die Bemühung«-» militärischer Kreise, jede frei« Re- gung im Volke einfach niederzuknutteln, haben dazu geführt, daß die Stimmung an der Front immer schlechter wurde. Die Siegesalkoholiker sind heute merkwürdig ruhig geworden, an Stelle ihres Taumels'ist der Katzenjammer getreten. Die schlech- teste Stimmung findet man nicht einmal bei den Arbeitern, son- der« im Mittelstand, in Beamtenkreisen und bei den Bauern. An- gesichts der immer drohender sich erhebenden Militärdiktatur muß es heißen: Fort mit de» Rebenregierungenl Die Militärs mögen sich aus ihre Pflichten und Aufgaben be- schränken, sie mögen tun, was ihre» Amtes ist. Wir haben gesagt, wie das Programm einer Regierung beschaffen sein muß, wenn sie auf unsere Unterstützung rechnen will. Wir leiden heute schon mehr als genug unter den Fchlern, die gemacht worden find. Nicht zum werngsten in der belgischen Frage. Wie konnte der Kanzler Aus- führungen über Belgien machen, wie wi-r si« gestern von ihm gehört haben? Redner zitiert ein« Reihe von Stellen aus dem Bliche ErzbergerS über daS belgische Problem Wenn der Kanzler für einen Völkerbund ist, dann muß er auch zugeben, daß begangene? Unrecht wieder gut- gemacht werden muß. Wäre man wirklich vor vier Jahren in Belgien einmarschiert, wenn man gewußt hätte, daß dieser Weg nicht nack Pari» führt? Hätte man unseren Warnungen zum Trotz den rücksichtslosen U-Boot-Krieg auch dann beschlossen, wenn man gewußt hätte, daß man England nicht in die Knie zwingen kann und daß dte amerikanischen Millionenheere nach Europa kommen? Alles Fehler, die von den Militärs gemacht wurden! Wir vermögen die Zusatzverträge von Brest - L i t o w s k nicht zu billigen, und wir verurteilen mit aller Schärfe. das Versagen m der Frage der Wahlreform in Preuße», das geradezu Mi einem Stillstand im Reiche geführt hat. Mit Re- sörmchen und Konzessiönchen ist nichts mehr zu besser«, vir brauchen eineu Systemvcchsrl, Einkehr und Umkehr. General v. Wrisberg: Der Erlaß des Kriegsministers richtet sich nicht gegen die Reso- lution des Reichstag».(Stürmische S e i t e r k e, t.) Er hat andere Ursachen.(St ü r m i sche Z w i sch en r u ke.) Das Ziel der Friedensfreunde ging über den Rahmen der Resolution hinaus und sollte die Stimmung verderben.(Lebhafte Zwischen- rufe!) Die Verfügung, daß über daS Wahlrecht nicht gesprochen werden darf, ist längst beseitigt. Die stellv. komm. Generale sind angewiesen, der Erörterung der Wahlrechtsvorlage keine Hinder- nisse in den Weg zu legen, wenn dadurch die Sicherheit nicht ge- fährdet wird,(stürmische Unterbrechungen.) Es kann sich nur um vereinzelte Mißgriffe handeln. Einer Wahlrede des
Abg. Haase soll kein Hindernis mehr bereitet werden; auf Ver- anlassung des Kriegsministers sei ja seinerzeit Dr. Breitscheid, als er als Kandidat aufgestellt wurde, sofort vom Militär-beurlaubt worden. Wg. Fischbeck(BD.): Wenn der Kanzler über schlechte Stimmung geklagt hat, so hatte er damit recht, aber daS Volk ist nicht schuld daran. Pflicht der Regierung ist es, den österreichischen Schritt zu fördern. Zu Kleinmut besteht kein Anlaß. Wir stehen in Feindesland, Man- gel an Kriegsmaterial besteht nicht— wir können also durchhalten. Die politische Leitung muß aber alles tun, die Hemmungen zu beseitigen, die sich einer geschlossenen inneren Front entgegenstellen. Dem Volk muß daS immer wieder zum Bewußtsein gelbracht werden. Deshalb ist es zu verurteilen, daß gewisse Kreise immer wieder Sand in die Maschinerie gestreut haben, um die Ge- schlosseichcit des Volkes zu verhindern. An dem guten Willen des Kanzlers soll nicht gezweifelt werden, aber seine Erfolge sind nicht überwältigend. Di« militürifchen Kreise, pochen auf ihre Macht, von der sie rücksichtslos Gebrauch machen. Wir sind deshalb nicht enttäuscht worden. Ohne Abänderung des Gesetzes über den Belagerungszustand ist keine Besserung zu erhoffen. Mit Reden ist nichts zu machen, nur Taten können Klärung bringen. Der Belagerung�. zustand ist die spanische Wand, die zwischen Regierung und Volk steht. Das Militär hat gegen die Seele des Volkes gearbeitet, wie der Elefant im Porzellanladen. Die Regierung kann nur Vertrauen im Volke gewinnen, wenn sie den Kampf gegen die widerstrebenden Elemeuie aufnimmt, besonders in der Wa-slceechtSfrage. Die Entladung der Leidenschaften in einem Wahlrechtskampf ist nicht so schlimm, als wie die Anhäufung von Grimm und Groll in den Massen des Volkes. Die amtlichen Kreisblätter wüten gegen den Kanzler und gegen die Wcchlrechtsvorlage. Di« Regierung hat den guten Willen, aber damit ist es nicht getan. Das Gebot der Stunde ist es, die Regierung auf eine demokratische Grundlage zu stellen. Wir wünschen die Schassung eines Völkerbundes, der allein künftige Kriege verhüten kann. Damit zeigt man der Welt, daß Deutschland nicht auf dem militaristischen System beharrt. Die Aufstellung eines solchen Kriegszieles wird Verstänbms finden, dazu aber ist nötig, daß die Regierung sich Vertrauen erwirbt. Auf diese Weise allein stärkt man die innere Front. Wir haben Vcr- trauen zur Armee und zu ihrer Führung; aber diese Führung darf nicht hineingezogen werden in den Zwiespalt der politischen Memung. Heute besteht eine politische Abteilung bei der Obersten Heeresleitung und darin liegt eine große Gefahr. Die Versuche des Generals v. Wrisberg. den ungeheuerlichen Erlaß des KriegSministerS zu entschuldigen, sind mißlungen. Die stellvertretenden kommandierenden Generäle machen was sie wollen, einzetoe von ihnen widersetzen sich grundsätzlich den Anordnungen der Regierung. Hier müßte einmal ein Exempel statuiert werden, eher wird es nicht dessen Säulenanschläge, wie sie in Berlin deliebt werden, sind nuc'geeignet, die Stimmung zu verschlechtern. Redner despricht dann die Bestrebungen einzelner deittscher Höfe, ihre eigene Hausmacht zu stärken. Den Anlaß dazu bot die Ah. ficht, den Hohenzollern das Baltiktmn zu sichern. Dieser Plan muß endgültig begraben sein, wie die deutsche Regierung und die deutschen Militärs nichts tun dürfen, um den Finnen die Monarchie aufzudrängen. Je weniger man im Osten gewaltsam germanisiert, desto besser für uns. Statt dessen gräbt man im Osten alte, längst vergessene Standesdorr echte wieder aus und peitscht damit direkt den Widerstand des Volkes aus. Die Boden- Verteilung in Litauen geschieht direkt zuni Vorteil der Ritterschaft und zum Nachtsil oer Bauern. Der Kanzler hatte recht als er sagte: ES geht ums Ganze und dabei im Herren- haus daraus hinwies, daß die Krone gefährdet sei., Deshalb aber ist es seine Pflicht, den reaktionären Mächten die Stirn« zu bieten. Diese Kreise wollen das Volk in der Rechtlosigkeit erhalten. Herr Kanzler, sorgen Sie dafür, daß diese Pläne scheitern! Wg. Dr. Stresemcmn(natl.) erklärt, daß auch die Nationalliberalen aus dem Boden deö Pro- gramins stehen, das zwischen Heeresleitung und Regierung verein- bart worden ist. Die Stärkung der inneren Front ist nötig mid die Erfüllung dieses Programms scheint zu diesem Ziele zu führen. Redner setzt auseinander, daß seine Fraktion nie die Kriegsziele von der jeweiligen Kriegslage abgeleitet habe. Die Ausführungen SchoidemannS über Belgien könnten nicht unwidersprochen blei» ben, denn eS sei doch nicht zu bestreiten, daß Frankreich die Ab- ficht hatte, in Belgien einzumarschieren. Wir verlangen, daß uns einmal daS ganze Material über Belgien vorgelegt wird, dann erst kann Klarheit geschaffen werden. Best«- bungen, die auf eine Einmischung tn die inneren Verhältnisse Ruß- londs hinzielen, müssen bekämpft werden, denn wir haben nicht die Befugnisse, uns zum Schulmeister der Welt auszuwerfen. Die deutschfeindlichen Kreise in Rußland in den Sattel zu heben, kann nicht unsere Aufgabe sein, gleichviel wie man sich zu den Bolschewiti stellen mag. Die Zusatzverträge, die mit Rußland ge- schlössen wurden, finden durchaus den Beifall der National- liberalen. Ein Einspruchsrecht in die inneren Nngelegenhentcn Finnlands steht uns nicht zu, aber wir dürfen deshalb auch nichts tum, Finnland zu hindern, Monarchie, mtt einem deutschen Fürsten an der Spitze, zu werden. In einem Teil des baltischen Volkes bestehe der Wunsch, direkt an Preußen angegliedert zu werden, auf keinen Fall aber können dynastische Interessen maßgebend sein. Die militärische Verwaltung in den Oststaaten tut alles, um einen Verkehr der dortigen Bevölkerung mit Reichstagsabgeordneten zu verhindern� wie es Redner in einem speziellen Fall selbst erfahren hat. Die Besorzugung der Ritterschaft im Osten schafft dort steigend böses Blut. Sehr zu bedauern sei, daß in Deutschland eine Be- wegung um sich greift, die die Haltbarkeit des OstftiedenS immer wieder in Zweifel zieht und damit der Sowjetreg'ierung selber Schwierigkeiten bereitet Tie lange Dauer des Krieges hat die Begrifft der Militärs, über ihre Befugnisse verwirrt, daraus mag sich der Erlaß des Kriegsministers gegen die FriedenSgesellschaft und das Vorgehen in der unabhängigen Wählerversammlung in Berlin erklären. Zu billigen ist alles das nicht. Selbst den Ratio- nalliberalen wurde verboten über die preußi- sche Wahlrechtsvorlage zu sprechen. Die National- liberalen stehen in ihrer überwiegenden Mehrheit auf dem Boden des gleichen Wahlrechts, da? nützt mehr aufgehalten werden kam« Mer der Kanzler hatte die Pflicht, auch die Meinung de» Herren- hauseS zu hören. Versucht man dort die Angelegenhett zu der- schleppen, dann muß die Regierung die einzig mögliche Konsequenz ziehen, das Abgeordnetenhaus aufzulösen. Redner macht zum Schluß noch auf die Kriegstreibereien in Jassy miftnerk- sam und fordert schleuniges Eingreifen. General v. Wrisberg läßt durch den Borsitzenden mitteilen, daß er am Nachmittag den Mitgliedern des Ausschusses vertrauliche Mitteilungen über die militärische Lage machen wolle. Die Deoattuigan- werden am Demncrstaz fortgesetzt.