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Nr. 268. 35. Jahrg.

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Telegramm Adreffe:

.Sozialdemokrat Berlin  ".

Vorwärts

Berliner Volksblatt.

10 Pfennig

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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands  .

Redaktion: Sw. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Moritplat, Nr. 151 90-151 97.

Sonntag, den 29. September 1918.

Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Morinplatz, Nr. 151 90-151 97.

Hertling   ins Hauptquartier.

Reichskanzler Graf Hertling   ist am Sonnabend­abend ins Große Hauptquartier   abgereist.

Die Reise des Reichskanzlers ins Hauptquartier deutet dar­auf hin, daß die innerpolitische Krise dicht vor der Entscheidung steht. Wie diese zunächst ausfällt, ist natürlich nicht mit Sicher­

heit vorauszusagen: Aber bei sorgfältiger Abwägung alles für

und Wider kommt man doch zu dem Resultat, daß die Tage der Kanzlerschaft Hertlings gezählt sind, daß diese Reise den wahrscheinlichen Entschluß der Amtsniederlegung in sich birgt.

Würde Hertling zurücktreten, so wäre die Krisis damit noch nicht gelöst, wohl aber ihrer Lösung freie Bahn geschaffen. Der springende Punkt ist noch immer die Frage .einer Koalitionsregierung.

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Eine solche wird nun scheinbar von allen Seiten gefordert. Aber in rechtsstehenden und auch gewissen mittel­parteilichen Streifen. faßt man dieses Problem als ein rein äußerlich mechanisches, fast möchten wir sagen als ein nur dekoratives auf. Es sollen eben aus jeder Partei soundso viel führende Persönlichkeiten in die Regierung eintreten und damit fertig. Wie diese Personen zusammen arbeiten, was die neue Regierung tun soll, darüber schweigt man sich aus. Aber zwischen den Zeilen erkennt der Leser die Erwartung, daß in der bisherigen Weise fortge­wurstelt werden und im Prinzip alles beim alten bleiben soll. Die neuen Persönlichkeiten haben weiter feine Rolle, als die Berantwortung für den fünftigen Regierungskurs, der Dem bisherigen gleichen soll, auf eine größere Anzahl bon Parteien und Schultern verteilen zu helfen. Sehr naiv und nüchtern findet sich dieser Gedanke in der von der national­liberalen Reichstagsfraktion angenommenen Entschließung aus­gedrüdf, wo es heißt:

Gine engere Verbindung zwischen Regierung und Volksver­tretung ist herzustellen durch Eintritt weiterer Ver= trauensmänner derjenigen Parteien in die Regierung, die bereit sind, die Verantwortung für die Regierungsgeschäfte mit zu übernehmen.

Wer erinnert sich da nicht an jenes bekannte Injerat: Ge­jelligkeitsverein nimmt noch weitere Mitglieder auf." Solche Passivminister, die nichts in die Regierung mitbringen

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Ningen von Ypern   bis zur Maas  Ein­Scheitern feindlicher Angriffe bruchsstellen nördlich Arras  - Cambrai  , Monte­zwischen Suippes und Aisne

faucon geräumt.

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Berlin  , 28. September 1918, a bends. Amtlich. Westlich von Cambrai  , in der Cham­pagne und westlich der Maas   sind schwere Angriffe des Feindes gescheitert. In Flandern  find zwischen Diksmuide   und der Lys englisch­belgische Angriffe im Gange.

Amtlich. Großes Hauptquartier, 28. Sep tember 1918.( WTB)

Westlicher Kriegsschauplatz.

Der Engländer greift in Richtung auf Cambrai   und süd­lich davon an. Der Franzose seht in der Champagne  , der Amerikaner östlich der Argonnen   seine Angriffe fort.

Zeilvorstöße und Teilangriffe zwischen pern und der Scarpe sowie zwischen Ailette und Aisne   begleiten die großen Angriffsoperationen des Gegners.

Heeresgruppen Kronprinz Rupprecht und Bochn.

Der Feind, der zwischen Ypern   und der Scarpe an mehreren Stellen gegen unsere Linien vorstief, wurde abge­wiesen. Zu beiden Seiten und zwischen den von Arras   und Peronne auf Cambrai   führenden Straßen brachen 16 englische und kanadische Divisionen nach heftigem Feuerkampf zum Angriff vor. Beiderseits von Marquion, zwischen Moeuvres und Graincourt, sowie zwischen Ribecourt und Villers Guislain brach der erste Ansturm des Feindes vor unseren Linien zusammen. Bei Jnchy stieß der Feind auf Bourlon, bei Havrincourt auf Flesquieres vor. Es gelang ihm im Verlaufe der Schlacht, diese Einbruchsstellen zu erweitern und uns nördlich der Chaussee Arras Cambrai   bis zur Linie Voisy le Berger- Hahnecourt zurüc zudrücken. Südlich der Chaussee war am Abend nach wechsel­vollem Kampf und nach erfolgreichen Gegenangriffen die Linie

Bourlon Wald- Ribecourt gehalten. Bor unseren Stellungen zwischen Ribecourt und Villers Guislain sind alle Angriffe des Feindes gescheitert.

Zwischen Epehy und Bellicourt schlugen wir starke Angriffe englischer und amerikanischer Divisionen ab. Nach Ab­schluß der Kämpfe war der Feind überall in feine Ausgangs­stellungen, bei Lempire über diese hinaus, zurückgeworfen. Heeresgruppen   Deutscher   Kronprinz und Gallwig.

Zwischen Ailette und Aisne   wurden Teilangriffe des Gegners östlich von Vaugaillon und westlich von Jouy abgewiesen. In der Champagne   sette der Franzose, östlich der Argonnen der Amerikaner unter zeitweisem Einsatz frischer Divi­sionen seine starken Angriffe fort. Der Franzose tonnte in seinen mehrfach wiederholten Angriffen zwischen der Suippes und der Aisne   nur wenig Boden gewinnen. Am Abend standen wir in der Linie Auberive füdlich von Somme- By- Gratreuil- Boucouville- Wald von Cernay im Kampf.

Die Angriffe der Amerikaner östlich der Argonnen   kamen südlich der Linie Apremont- Cierges zum Stehen. Mont­faucon. wurde infolge drohender Umfassung geräumt. Die über Montfaucon und östlich davon vorbrechenden Angriffe scheiterten vor unseren neuen Linien.

Franzosen   und Amerikaner erlitten auch gestern wieder schwere Verlufte.

Wir schossen gestern 33 feindliche Flugzeuge ab. Leutnant Rumey   errang seinen 45., Oberleutnant Loerzer seinen 44., Leutnant Baeumer seinen 35. Lustsieg.

Der Erste Generalquartiermeister.

Ludendorff.

Der österreichische Bericht. Wien  , 28. September. Amtlich wird verlautbart: An der italienischen Front keine nennenswerten Kampf­handlungen. Auf dem albanischen Kriegsschauplatz haben unsere Truppen westlich des Ochrida Sees in einem von den Bulgaren  übernommenen Verteidigungsabschnitt feindliche Angriffe ab­geschlagen. Der Chef des Generalstabes.

als den Wllen, den andern die Verantwortlichkeit abzunehmen, Politik des Biegens oder Brechens" berührt uns nicht. Jest titels 9 erklärt und sicher würde auch ein großer, wenn nicht fönnen aber unmöglich irgendwelchen neuen Geist ist wahrlich keine Stunde für Halbheiten. Das eben war der der größte Teil des Zentrums mit der Linken stimmen. Das und Schwung in die Politik bringen, so willkommen sie Fluch unserer bisherigen Regierungspolitik, daß sie das Not- preußische Ministerium lädt mit seinem Entschluß eine denen auch sein mögen, die die Verantwortung für die vor dem wendige und Neue zwar erkannt und gepredigt, aber aus aller- schwere Verantwortung auf sich. Denn es ist von Krieg und bisher während des Krieges betriebene Politik vor hand Rücksichten stets nur halb getan hat. Und wenn doppelter Bedeutung, wem in entscheidender Situation der dem Volfe zu tragen haben. Daher ist es auch zu verstehen, es kurz vorher in der Germania  " heißt, das sozialdemokratische dringend notwendige Fortschritt wiederum an preußischer daß sogar die Deutsche Tageszeitung" in ihrer Freitag- Abend- Mindestprogramm enthielte ja manche weitgehende Forderung, Gegnerschaft scheitert. Dies zu derselben Zeit, in der das Ausgabe gegen den Eintritt von Sozialdemokraten in die Re- aber auf dem Wege der Verständigung werde sich schon eine Herrenhaus seine volle Unfähigkeit erweist, sich selbst auch gierung grundsäßlich nichts mehr einzuwenden hat fur beruhigende Lösung finden lassen", so liegt darin das Zuge- nur in bescheidenster Weise den Forderungen einer neuen Zeit dürften diese natürlich keine Bedingungen stellen! ständnis, daß im Grunde unser Programm das durchaus dem anzupassen. Gegenüber der Vorstellung solcher Passiv minister, die Augenblick entsprechende ist. Und gerade der Umstand bestärkt Wenn jetzt den Regierenden Einsicht und Entschlußkraft nur Verantwortung tragen sollen, stellt die Sozialdemokratie uns in dieser Auffassung und widerlegt den Vorwurf des Partei- an innerer Umkehr fehlt, so bedauern wir das nicht im die Forderung von Aktiv ministern auf, deren Aufgabe es ist egoismus, daß immer weitere, unserer Partei gänzlich fern- Interesse unserer Partei sondern im Interesse des mit Energie und Klarheit eine neue Politik einzuleiten. Was stehende Kreise den Grundcharakter unseres Programms, die deutschen   Volkes, das die Folgen hierfür zu tragen die rechtsstehenden Parteien fordern, läuft auf eine bloße Ver- Forderung eines völligen Systemwechsels, als haben wird. Wir werden in jeder Weise für den rechtzeitigen längerung der bisherigen Frontlinie heraus. Wir aber wollen keine Verlängerung der Front, sondern einen Front- richtig anerkennen und hierin die Hoffnung für die Zukunft Sieg der besseren Einsicht kämpfen. Können wir ihn aber nicht Deutschlands   sehen. Der Systemwechsel ist und bleibt die erreichen, so werden wir in keinem Fall den mit wechsel, eine Richtungsänderung der Front auf Grundbedingung für jede Beteiligung der Sozial- Blindheit Geschlagenen die Verantwortung der gesamten Linie. demokratie an de Regierung, und wer sich mit diesem Gedanken für ihr Tun abnehmen. Da kommt man uns denn mit dem nachgerade schon lang nicht vertraut machen will, der möge sich erst gar nicht um weilig gewordenen Vorwurf des Parteiegoismus", die einen Verhandlungen bemühen. in heftiger, die anderen in salbungsvoll dozierender Form. Zu den letzteren gehört die Köln  . 3tg.", die vielleicht offiziös inspiriert in die Wort ausbricht:

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Die nationalliberale Reichstagsfraktion hat sich in ihrer letzten Sibung mit der politischen Lage beschäftigt und ist einmütig zu nachstehender Entschließung gelangt:

Der Ernst der Zeit erfordert die Zusammenfassung aller Kräfte und den Entschluß, möglichst weite Areife auf einem gemeinsamen Boden zu vereinigen. Hierfür stellt die nationalliberale Reichstagsfraktion folgende Richtlinien auf:

I. Innenpolitik.

Freilich find zur Stunde schon Bestrebungen im Gange, die einen Systemwechsel von vornherein unmöglich machen wollen. Die Köln  . 8tg." polemisiert in dem schon zitierten Die Entscheidung steht jetzt bei der Sozialdemokratie; Artikel sehr heftig gegen die Aufhebung des Artikels 9 der der Entschluß wird die Probe darauf abgeben, ob ihr dieses ge- Reichsverfassung, die mit ein Kernstück der sozialdemokratischen meinsame Vaterland höher steht als ihre die Minder- Forderungen bildet. Dieser Artikel, wonach niemand gleich­heit des Voltes auf sich einigenden Parteibestrebungen, zeitig Mitglied des Reichstages und des Bundesrats sein fann, und die Verantwortung für ihre Entscheidung und alle Folgen, war auf perfassungsrechtlichem Gebiet bisher das schwerste die daraus unserm Vaterland entstehen, werden sie treffen. Hindernis gegen eine parlamentarische, aus den Parteien un- 1. Eine engere Verbindung zwischen Regierung und Darauf erklären wir kurz und klar: Wir sehen gar mittelbar hervorgehende Regierung. Die Köln  . 3tg." ver- Volksvertretung ist herzustellen durch Eintritt weiterer Vertrauens­feinen Dienst für das Volk und das Vaterland darin, daß gleicht die Verfassung mit einem alten Eichbaum und behauptet, männer derjenigen Barteien in die Regierung, die bereit sind, die wir eine Politik verantworten helfen, die nach unserer Ueber- den Artikel 9 aufheben, hieße die Art an die Wurzel des Eich Verantwortung für die Regierungsgeschäfte mit zeugung unverantwortlich ist, deren völlige Verfehltheit baums legen". Wer in dieser ernsten Stunde keine andere zu übernehmen. Zu diesem Zived müssen die Artikel 9 Sat 2 und und Verderblichkeit jeder Tag jezt mehr und mehr offenbart. Barole auszugeben weiß, als die, nur um Gottes willen feine 21 Abjat 1 der Reichsverfaffung aufgehoben werden. Wenn ich in einem Postwagen fiße und sehe, wie der Führer Verfassungsänderung", dem fehlt wirklich jedes Augen- 2. Die Einheitlichkeit der Reichsleitung ist dadurch sicherzu­vom Wege ablenkend auf einen Abgrund zufährt, so tue ich maß für den Charakter welthistorischer Situationen. stellen, baß eine ständige Beteiligung der Staats. den Insassen des Postwagens auch nicht den geringsten Dienst, Doch leider fehlt dieses Augenmaß auch an bedeutend wich- jetretäre an der Führung der Geschäfte und an der wenn ich neben dem Kutscher auf dem Kutscherbod Platz nehme tigeren Stellen. Wie wir aus guter Quelle erfahren, hat das Gesamtpolitik gewährleistet und durch geeignete organische Einrichtun und vielleicht noch pro forma zwei Finger an den Bügel lege; preußische Ministerium beschlossen, im Bundes- gen, insbesondere durch gemeinsame Sizungen und Beschlußfaſſun aber im übrigen den Wagen in der bisherigen Richtung fort- rat gegen die Aufhebung des Artikels 9 augen, geregelt wird. Auch zwischen der Reichsleitung und den vers fahren lasse. Das Plagnehmen auf dem Kutscherbock hat nur stimmen. Bekanntlich genügt das preußische Veto, um eine antwortlichen Militärbehörden muß eine Ginheitlichkeit hergestellt dann Zweck, wenn ich dem Führer die Zügel aus der entsprechende Vorlage zu Fall zu bringen. Diese Hal- werden.

Hand nehme und den Wagen auf den Weg zurück- tung ist um so auffälliger, als im Reichstag eine große 3. Wir verlangen eine ben politischen und wirtschaftlichen Iente. So fassen wir unsere Verantwortung auf und find Mehrheit für die Aufhebung des Artikels 9 gesichert ist. Anforderungen der Zeit entsprechende durch greifende Re sicher, vom Volfe hierbei verstanden zu werden. Außer den Sozialdemokraten und Fortschrittlern haben sich so- form des Auswärtigen Amtes und des auswärtigen Auch der Vorwurf der Germania  ", wir trieben eine eben die Nationalliberalen offiziell für die Aufhebung des Ar. Dienstes.