Nr. 270. 35. Jahrg.
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Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Morisblas, Rr. 151 90-151 97.
Dienstag, den 1. Oftober 1918.
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Rücktritt Hertlings.
Verfuch einer parlamentarifchen Kabinettsbildung.
Berlin , 30. September. Der Kaiser hat an den Reichslanzler Grafen von Hertling den folgenden Erlas gerichtet:
Eure Exzellenz haben mir vorgetragen, daß Sie sich nicht mehr in der Lage glauben, an der Spike der Regierung zu verbleiben. Ich will mich Ihren Gründen nicht verschließen und muß mit schwerem Herzen Ihrer weiteren Mitarbeit enisagen. Der Dank des Vaterlandes für das von Ihnen durch Uebernahme des Reichskanzleramts in ernster Zeit gebrachte Opfer und die von Ihnen geleisteten Dienste bleibt Ihnen sider.
Ich wünsche, daß das deutsche Volk wirksamer als bisher an der Bestimmung der Geschicke des Vaterlandes mitarbeitet. Es ist daher mein Wille, daß
Männer, die vom Vertrauen des Volkes getragen sind,
in weitem Umfange teilnehmen an den Rechten und Pflichten der Regierung. Ich bitte Sie, Ihr Werf damit abzuschließen, daß Sie die Geschäfte weiterführen und die von Mir gewollten Maßnahmen in die Wege leiten, bis Jch den Nachfolger für Sie gefunden habe. Ihren Vorschlägen hierfür sehe Ich entgegen. Großes Hauptquartier, 30. September 1918. Jy Wilhelm I. R.
gez. Dr. Graf von Hertling.
Das Rüdtrittsgesuch des Grafen Hertling ist bewilligt, das des Herrn v. Hinge noch nicht. Graf Hertling bleibt im Amt bis zur Erledigung der Krise. Auch die übrigen Staatssekretäre haben bereits ihre Rücktrittsgesuche eingereicht. Da der Versuch einer parlamentarischen Kabinettsbildung gemacht werden soll, sind noch weitere durchgreifende Personenveränderungen zu erwarten. Ueber fie verhandelt der Vizefanzler v. Payer mit den Barteiführern, die unter sich interfraktionelle Besprechungen abhalten.
In diesen Besprechungen ist, wie wir hören, zwischen Sozialdemokratie, Fortschritt und Zentrum bereits eine weitreichende Uebereinstimmung über die sozialdemokratischen Forderungen erzielt worden. Eine besondere Schwierigkeit bildet allerdings Artikel 9 der Verfassung, nach dem Abgeordnete nicht zugleich Mitglieder des Bundesrats sein können. Es wird darauf hingewiesen, daß der Widerstand der süddeutschen Regierungen gegen die Aufhebung dieser Bestim mung sehr starf ist, daß aber andererseits in ihr fein zwingender Grund für die parlamentarischen Minister liegt, ihre Mandate niederzulegen. In der Sache würde also erreicht werden, was man erreichen will, daß die zu Staatssekretären ernannten Abgeordneten ihre Mandate nicht niederzulegen brauchen.
Die sozialdemokratische Reichstagsfrattion ist für Mittwoch, 10 11 hr bormittag, 311 einer Sizung einberufen. Am heutigen Tage soll zwischen den Parteien über Personenfragen verhandelt werden.
So stehen die Dinge in diesem Augenblick.
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Die deutsche Abwehrfront in Flandern zurückverlegt Räumung des Wijtschaetebogens Feindlicher Vorstoß bei Moorslede Der Feind in den Vororten bei Cambrai Bergebliche Durchbruchsmühen zwischen Cambrai und St. Quentin Ansturm gegen den Oftrand der Argonnen gescheitert. Berlin , 30. September 1918, abends. Amtlich. Ju Flandern im allgemeinen ruhiger Tag. Erneute Maffenangriffe der Engländer gegen und beiderseits Cambrai find unter schwersten Verlusten für den Feind gescheitert. Westlich le Catelet haben sich am Abend Kämpfe entwickelt. In der Champagne wurden Teilangriffe der Fran zosen , östlich der Argonnen starte Angriffe der Amerikaner abgewiesen.
Amtlich. Großes Hauptquarlier. Berlin , 30. September 1918.
Westlicher Kriegsschanplan.
Heeresgruppen Kronprinz Rupprecht und Bochn.
In Flandern schte der Feind seine Angriffe fort. Der Einbruch des Gegners in unsere Stellungen am 27. September nötigte uns, den rechten Flügel unserer Abwehrfront hinter den Sandzame Abschnitt von nördlich Diksmuide bis Werken zurückzunehmen und auf dem linken Flügel des Kampffeldes den Wijtschate- Bogen zu räumen. Feindliche Augriffe gegen den Handzame- Abschnitt und gegen die Linie ZarenWestroosebeke wurden abgewiesen. Zwischen Passchendale und Beselare drang der Gegner bis Moorsleede und Dadizede vor. Dort fingen wir seinen Stof auf. Der am frühen Morgen von Houthen his komen an der Lys vordringende Feind wurde durch Gegenangriff wieder zurüd geworfen. Wir fämpfen hier in der Lys- Niederung.
Gewaltiges Ringen an der Front zwischen Cambrai und St. Quentin . Gegen die Stadt und beiderseits der Stadt führte der Feind 16 Divisionen in den Kaupf, um Cam brai zu nehmen und unsere Front beiderseits der Stadt zu durchbrechen. Nördlich von Cambrai find die lis zu achtmal wiederholten starken feindlichen Angriffe vor unseren Linien, bei Sancourt und Zilloy an erfolgreichen Grgenangriffen gescheitert. In den Vororten von Cambrai , Neuville und Gantimpre, faßte der Feind Fuß. Wir stehen hier am Westrande der Stadt hinter der Schelde und schlugen dort erneute heftige Angriffe des Gegners ab. Die über den Kanalabschnitt nördlich von Marcping geführten Angriffe des Feindes brachen vor und an der Straße Cambrai - Wasnières zusammen. Südlich von Marcoing drückte und der Feind
hinter den Kanalabschnitt Masnières- Grèvecoeur zurück. Mit gleicher Kraft griff er unsere Front von Gonnelien bis südlich von Bellenglise an. Zwischin Gonneticut und Bellicourt schlugen wir den mehrfachen Ansturm des Gegners restlos zurück. Villers Guisiain, das vorübergehend verloren ging, wurde wiedergenommen, örtliche Einbruchsftellen wurden im Gegenstoß wieder gesäubert. Die in der Front bei Gonnelien und Villers Grislain schwer fämpfenden Divisionen warfen den aus Richtung Marcoing gegen ihre Flanke vorbrechenden Feind mit ihren Reservebataillonen in entschlossencut Gegenangriff wieder zurück. Zwischen Bellicourt und Bellenglise stieß der Feind über den Kanal vor. Wir brachten ihn am Abend in der Linie Nordrand Bellicourt- Westrand Joncourt- Lehancourt zum Stehen. Die nördlich vo 11 Gricourt sich aller Anstürme erwehrenden Regimenter mußten am Abend ihren Flügel auf Lehaucuurt zurücknehmen.
An dem im großen erfolgreichen Abschluß der gestrigen schweren Kämpfe haben Truppen aller deutschen Stämme gleichen Anteil. Der Engländer hat seine örtlichen Erfolge mit sehr hohen blutigen Verlajien erkauft.
Heeresgruppen Deutscher Kronprinz und Gall wit.
Gegen unsere neue Linie am Dise- Aisne Kanal drängte der Feind stark nach. Ju erfolgreichen Vorfeldkämpfen machten wir hier Gefangene.
Der Franzose feste zwischen der Skippos und de Aisne , der Amerikaner gegen den Ostrand der Ar gonnen und zwischen den Argonnen und der Mans seine erbitterten Angriffe fort. Mehrere neue Divisionen warf der Feind auch gestern wieder in den Kampf. 3 wischen Auberive und Somme By falugen wir mehrfachen, nordwestlich von Somme By neunmaligen Austurm des Gegners vor unseren Linien ab. Weiter östlich blieben Manre und Ardeuil in Feindes Hand. Wir standen am Abend nach Abwehr bes Feindes in der Linie Aure- nördlich Ardeuilnördlich Sechanlt- Bonconville. Mit besonderer Kraft stürmte auch der Amerikaner gegen den Ostrand des Argonner Waldes und gegen die Front zwischen Argonnen und der Maas an. Sein Austurm ist völlig gescheitert. Beiderseits des Aire- Tales entrissen wir dem Feinde Apremont und den Wald von Montreban und warjen hier den Amerikaner mehr als 1 Kilometer zurück.
Wir schoffen gestern 45 feindliche Flugzeuge ab. Der Erste Generalquartiermeister.
Ludendorff.
Der österreichische Bericht.
Wien , 30. September. Amtlich wird verlautbart: Auf dem italienischen Kriegsschauplas erfolgreiche Patrouillenunternehmungen.
Unmittelbar westlich des Ochrida Sees haben wir, der Lage an der bulgarischen Front Rechnung tragend, nach örtlichen Kämpfen einen Geländestreifen geräumt.
Der Chef des Generalstabes.
heute da. Die Sozialdemokratie hat den Eintritt in Jahren hat der ganze Reichstag gelacht, wenn ein Abgeorddie Regierung Hertlings damals abgelehnt, weil ihr das neter den Scherz risfierte:" Säße der Herr Kollege in der Programm und die Person des menschlich hochachtbaren, aber Regierung, dann usw." So start war das Gefühl der BolksDer Kaiser spricht in seinem Erlaß an den scheidenden politisch starf am Alten hängenden Reichsfanzlers feine ge- vertretung selbst, daß die Männer der Regierung immer nur Kanzler den Wunsch aus, daß das deutsche Volf wirf- nügende Garantie bot, ihm ihre Unterstügung zuzusagen. Sie aus höheren Segionen" entnommen werden müßten! jamer als bisher an den Geschicken des Vaterlandes mitarbeite blieb mit den bürgerlichen Mittelparteien in enger Fühlung ,. Und gar die sozialdemokratische Partei, auf und daß Männer, die vom Vertrauen des Volkes bewahrte sich aber gegenüber der Regierung bollkommen das die sich jetzt die Blicke bilfefuchend wenden- daß sie zur getragen find, in weitem Umfang an den Rechten und Recht der freien Kritik. Und so ergab sich der seltsame Zu- Bildung einer Regierung mitberufen werden lönnte, war schon Pflichten der Regierung teilnehmen sollen. Das ist ein stand einer parlamentarischen Mehrheit, deren linker Flügel das äußerste eines unvorstellbaren Gedankens! Erst der Krieg hartes Urteil über den bisherigen Aurs, ein weitgehendes in Opposition zur Regierung stand. hat das Unterfte au oberst gefehrt und den Eintritt von ,, baterZugeständnis an seine Kritifer! Wenn eine wirkjamere Mit- Was die Sozialdemokratie dem Grafen Hertling vorwarf, landslosen Gesellen" in die politische Leitung des Vaterlandes arbeit des Volkes, eine weitere Teilnahme seiner wirklichen das war, daß er nicht die Politik der Mehrheit und auch nicht die zu einer Frage von brennender Aktualität gemacht. Vertrauensmänner an der Regierung als Programm auf- Bolitik einer eigenen starken Persönlichkeit trieb, die sich eine So war fiir alle Parteien, die heute zur Regierungsbildung stellt wird, so ist damit gesagt, daß es in diesen Bunkten Mehrheit schafft, sondern in entscheidenden Momenten immer berufen sind oder berufen werden sollen, die Spanne der Vorisher empfindlich gemangelt hat. den hohen Militärs die politische Führung überließ. bereitungszeit reichlich furz bemessen. In den Parteien der Ist aber hier eine Befferung notwendig, so muß sie auch In welchem Maße das der Fall mar, zeigte sich am deutlichsten parlamentarisch regierten Länder fitzen zahlreiche Männer, die durgreifend sein. leber erste tastende Schritte find bei der Entlassung Kühlmann 3. Dieser Staats- die Lehrzeit des Regierungshandwerks längst hinter sich haben wir längst hinaus, und zu spielerischen Versuchen eignet sich sekretär des Auswärtigen hatte bleiben dürfen, nachdem er und aus deren Kreis manche tatkräftige Persönlichkeit hervor die Zeit wirklich nicht. Das Stadium der Erperimente, das den unheilvollen Frieden" von Brest - Ritowsk nach dem sprang, deren Birken ihrem Bolfe zu hohem Nuzen gereichte. mit der Wahlrechtsbotichaft vom 12. Juli 1917 und mit dem Diktat des Generals Hoffmann geschlossen hatte, er mußte Wir aber sollen jekt erit zeigen, daß wir das auch fönnen. Rüdtritt Bethmann Hollwegs begann, muß abgeschlossen gehen, als er in einer Reichstagsrede einen flareren Blick Die sozialdemokratischen Partei will zeigen, daß sie das befundete als die Anhänger der rein militärischen Entschei- auch fann, wenn man ihr Gelegenheit dazu gibt! Beihmann war der vorletzte, Michaelis der letzte Kanzler dung". Damals war hier zu lesen:„ Kühlmannfrise Die Zeit fordert ganze Männer und ganze Entschlüsse. Jede des Deutschen Reiches, der ohne Befragung des Reichstags ist angler frise!" Graf Hertling hat den von ihm Bimperlichfeit, jede Bedenfenträgerei, jedes Hängen an vorberufen wurde. Mit der Ernennung Hertlinas wurde der preisgegebenen Staatssekretär fnappe zweieinhalb Monate alteten Vorurteilen müßte aber gründlich ausgeräumt werden! erste entscheidende Schritt getan. Graf Sertling überlebt. Wir brauchen nicht Sozialdemokraten als Minister, sondern übernahm sein Amt erst nach Besprechungen mit den Partei- Wir stehen nun vor der Notwendigkeit, mitten im Kriege io3ialdemokratische Minister, Männer, die in führern, er zog die fortschrittliche Volkspartei in feine Re- einen Wechsel unseres Regierungssystems borzunehmen und ihrem Amte das bleiben, was sie find und dort mit leidengierungsbildung mit ein. Was das für die innerpolitische bliden auf eine lange Rette von Beriäumni is en schaftlicher Energie für das wirken, was fie als Sozial. Entwicklung des Reiches bedeutete, wird erst später, im großen zurück, die diesen Uebergang bedeutend erschweren. Vielleicht demokraten für das Richtige und Notwendige halten. Bufammenhang der Ereignisse, ganz klar werden. hätten wir es heute leichter, wenn wir schon seit 30 Jahren Männer, die nicht fragen, was danach kommt, wenn sie den Es war ein erster Schritt, dem der zweite notwendig fol- vor dem Krieg, etwa feit dem Sturze Bismarcks, das parla- Krempel hinichmeißen. sondern die unter dem 3wange ihrer gen mußte. Die Notwendigkeit, ihn zu unternehmen, ist mentarische System besessen hätten! Aber noch vor fünf Ueberzeugung ihren Weg bis zu Ende gehen!
jein.