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Nr. 57$ t$l$

Unterhaltungsblatt des vorwärts

Mitwochs. Oktober

Tonis Schicksalstierchen. Episoden aus dem Leben eines Kupferschmiedes. Nacherzählt von Robert Grötzfch. I. Damals im Hau wußte Habsdanks Gefell« noch wenig vom Haß. Er war erst dabei, die Liebe kennen zu lernen. Was gab es für einen jungen Kupferschmied am Sonntag auch Ergötzlicheres zu tun? Noch dazu in einem Neste wie Kmephanscn, wo nichts Aufregenderes geschah, als daß der Bürgermeister mit der jeweili­gen Kellnerin des Ratskellers anbandelte und der Lehrer Wacker jeden Mittwoch im Offiziersstat achtzig Pfennige an den Bäcker- meister Klaus verspielte, wofür dann der Lehrer in der Rechenstunde des nächsten Tages die zwei Bäckerbuben verprügelte. An jenem Sonntagabend draußen im Wiesenheu fühlte Toni bereits, daß er in diesem Kaff nicht sehr alt würde. In den Küsten, die er der kleinen Mari« Kaspar wortlos aufdrückte, war «ine leise, entsagende Schwermut. Langsam und ohne Hast fuhren seine Lippen über die erhitzten Mädchenwangen zu den kleinen schwarzen Augen, über die Nase mit den verstreuten hellen Sommer- sprossen hinweg, die weiße Stirn empor und in das schwarze Haar hinein. Der leicht«, kitzÄnde Dust des Heus saß darin, und Toni schwor sich beinah, mit seinem Freunde Karl erst im Frühjahr zu wandern. Denn schließlich, wenn maus so bedachte: im Herbst kann? auf der Landstratz« recht ungemütlich werden. Und beim Meisten Habedank ließ es sich wohl auch ganz gut überwintern. Zumal, wenn 10 ein Mädel in der Nähe ist wie die Mari«. Er küßte sie mit geschlosienen Augen. Das gibt eine Dunkel- h«it, die jeden Kuß bis in dre Seele prickeln läßt. Hätte Toni sich in diese brennende Düsternis tiefer eingewühlt, der Weg seines Lebens wäre vielleicht einige Windungen einfacher verlaufen. Und mit dem Karl wäre es auch wahrscheinlich anders gekommen. Doch Maries trockrres Haar weckte in Tonis Nase einen Kitzel- teusel. der ihm die Augen aufplirrkerte. Sie hingen mit blauem Glänze über dem Mädchenscheitel und dicht über dem winzigen Tierchen, das auf der gekämmten Bahn einher kam. Ein ganz kleines Tierchen wars, aber Tont schrak doch zurück, senkte die Nase abermals, riß die Augendrckel hoch. Ja, wirklich, es war eine ein Ungeziefer, verdammt, ja,«in« Laus. Sie spazierte im Abendsonnenscheln zwischen den Vcllig aufsteigenden Scheitelhaaren dahin, protzig und gemessen wie eine zur Kur anwesende Dame, die mit Sonnenschirm und großer Toi- kette zwischen den Bäumen einer Allee lustwandelt. Marie lauerte mit halbgesensten Lidern auf einen Kuß im Haar. Aber der kam nicht. Tagegen spürt« sie am Wirbel«inen kurzen, herzhaften Druck von Tonis festem Daumennagel, guiekte leise und haschte nach der harten Hand. Er ließ sie m ihren derben Arbeitssingern und richtete sich langsam zu einem svchlich-steifen, rechten Wrnkel auf. Glatt geschoren lag die Wiese im rötlichen Scheine der Abendsonne. Ein Herrgottskäfer turnte neben Maries blauen Strümpfen über die Halme. Wenns doch so ein Käfer gewesen wäre, dachte To-ni. Aber nein, es war eine, jawohl eine Laus. Von derselben Art wie jene, dir ihm einst vor des Lehrers Nase übers Schreibheft kroch. Zur Strafe mußte er damals hundertmal den Satz schreiben: .Reinlichkeit, ist eine Tugend". Er sah des Lehrers kalte, blaue Angim durch große Brillengläser; dann verschwand das Mld mit einem Schlage, weil Tonis Kopf in wildem Ruck an MaricS Brust gezogen wurde. Dort lag er faul und kühl, bis die Wbendglocken ein'.'-- Dorfes dünn durch die Felder bimmelten. Marie erhob sich, strich sich die Spreu von Rock und Schürze und macht« sich auf den Weg zum Bäcker Klaus. Dort war sie in Dienst, r.nd infolgedessen stand dort um diese Zeft ihr Abendessen bereit. Toni bummelte lang und maulfaul neben ihren kurzen, schnellen Schritten dahin. Sie äugte mißbilligend an ihm empor. .Du hast heute deinen dummen Tag, Toni". ,Jawohl", sagte er abwesend. Seine Gedanken sprangen drüben auf der Landstraße. Dort zogen zwei.Handwerksburschen mit dicken Bündeln unterm Abend- rot hin. Ihre Stöcke fuchtelten, winkten, lockten. Da wußte Toni, daß er noch vorm Vollmond wandern würde. Ein rechter Kupferschmied soll nicht zu lange in einem Neste hocken. In Kniepbausen erst recht nicht. Aber erst mutzte er dem Meister Habedank die drei Kessel ins Blei treiben. .Weißt du, Mari«.. Toni räusperte sich, zog verlegen die Uhr. steckte sie wieder ein, haschte nach milden Worten und konnte ihnen nicht recht beikommen..Weißt du, nächste Woche stcige ich wieder los. Mit'm Karl. Die Arbeft wird dünne hier." Karl war«in Schlossergesell. Sein Vater saß im Bahn-

wärterhäuschen an der Kniephaufene? Landstraße. Dort hatte Karl von Kindesbeinen an die Züge ins Weite schwinden sehen, und es lockte ihn schon längst, diesen Zügen einmal ins Unbekannte nachzugehen. f In den letzten Oktobertagen kochte der Sommer noch eirnnal auf, aber der i>mge November führte schon Schnee im Sacke. Als Toni und Karl durch die Lüneburger Heide zogen, fauchte ein steifer No-vdost um ihre Backen, spie ihnen fein« Eisnadeln in die Nasen. Toni marschierte schon auf schiefgetretenen Schuhen. Di« kippten bei jedem Schritt wund zur Seite wie Gäule ohne Eisen. Karl stieg hochbeinig in gepflegten, gutgesohlten Stiefeln. Die rochen noch nach der Schmiere eines Pastovenhauses, denn der rothaarige Bahnwärtersjunge hatte Glück im Fechten. Doch die Arbeit schnitt beiden lange Nasen. Di« Meister legten Groschen auf die Werkbänke..G-ute Reise, Geselle,'s kommt ein schlimmer Winter." In der.Einöde draußen wurden in« Gehöfte vom Schnee der- schlungen. Aus den Rauchluken duftete es nach Speck und Schinken und Würsten. An Hunger starben auch Handwerksburschen in der Heide nicht. Mittags saßen Toni und Karl an offenen Kätner- feuern, hatten warnte, hölzerne Suppenschüsseln in den blauge- ftorenen Händen. Aber die Knochen lahmten, sehnten sich nach einem Bett. Zwischen Moor und Land gedeihen kein« Herbergen. Zwei Heuschober-Nächte nagten mit EiSzähnen am Mark. In der dritten Nacht wurde Toni vom Frost« hochgeschüttelt. Der Wind wehte neuen Schnee wie feine Zuckerstreifen durch die Bretterritzcn de-- Schob- noand. »Karl, verdammt, ich vin sin Eiszapfe». Wir find am Er- frieren. Hochl Raus! Fort!" Die Nacht schlief noch mit beiden Augen, da sleuuiften die Zwei sich schon wieder gcgen den Wind,'m Neuschn« zwischen dienernden, �ästenickenden Birken dahin, dem Pei nenbett entgegen. Wie ein schönes Traumbild lockte es weit draußen-im Norden, wo der Rauch emer Stadt über den Heiderand strich, wo von vier Straßen her die Felleisen täglich cmwanderten, wo die Penne für drei Groschen ein Strohbett, ein richtiges Bett beriet hielt. »Wie ein Großmogul werde ich pcrrnen", knurrte Toni wollüstig im Gehen und spähte nach den Rauchfahnen versteckter Gehöfte. Die Sonne hatte sich durch die Schneewolken gewühlt; sie hing mattrot in der Ebene. Der Morgen glitt über blendende, weiße Flächen. Karl schlief; alles Leben schien sich in seine Stiefel zurück- gezogen zu haben; sie bewegten sich mit harten Takte» vorwärts, zielbewußt und gleichmäßig, als hätten sie alle» weitere zu verant. warten und als könnten sie sich unmöglich auf den rotbehaarten Kopf da oben verlassen, dir hinter geschlossenen Lidern vom Bett träumte. Wenn er zwischendurch erwachte, so geschah'S, um in seitab gelegenen Hütten nach Kaffee zu fragen. Dann kamen die Stiefel wieder in Gang und rissen auch Tonis lahmende Schuhe in den gleichen Rhythmus. Dem Bett entgegen.! In der Herberge weit am Horizonte. Das Bett, das steobweiche, warme; mik einem richtige» Dach darüber, und darunter das richtige Bett. In der Herberg« da im Norden an der Effenbahn, weit, weit. * In der Herberge dieses HeidenesteS stand ein Ofen, der spuckt« am Nachmittag glühende Kohlenkörner aus vergittertem Maule. Spuckte nach d:n zerschlissenen Jacken und Hosen und schiefen Trittlingen der Kunden, die sich um-den heißen Rachen sammelten. Sie stoben erst auseinander, als der Herbergsvater die Lampe, an- zündete, seine Knickebeine auf einen Stuhl stellte und ein Plakat an die spruchgezierte Wand hing. T-aS geschah zur selben Dämmerstunde, da Toni und Karl herein humpelten. Auf dem Plakat war zu lesen, daß ein Grena- dierregiment sofort Freiwillige suche. Aber die beiden klumpten sich nicht um die schwarze Schrift. Hauten sich auf die Bank am Ofen, würgten an Brot und Speck, träumten vom Bett und durch­lebten alle Zeremonien des Pennenabends wie im Halbschlafe. Di« Zeremonirn begannen mit dem Austeilen der Schlaf- marken. Tonis Faust umschloß die Messi-ngmarke mit der Nummer Zwölf wie ein Medaillon. Gesangbücher wurden über der zerkerb- ten Tische verteilt. Ein mißstimmiger Choral gröhlte an Tonis rotgefrorenen Ohren vorüber. Beit Nummer Zwölf", fang«s darin. Dem Choral folgte ein« Predigt des Herbergsvaters, mit vielen Drohtönen gegen alles Sündige gespickt.Bett Nummer Zwölf", sang es in Tonis Kopfe. Bett Nummer Zwölf". Die Melcidie trug ihn in der Schar schwatzender Kunden über die knarrende Holztrepp« zum Schlaf- saal hinauf, zitterte in seinem Blute, als er die Kleider herunter

streifte, das Hemd über den Arm hing und sich in die nackt« Schar reihte, die vorm Herbergsvater anfgepflanzt stand. Mit trüber Lampe hielt die HerbergSmutter daneben, von oben bis unten breit zerfließend, grollend« Blicke auf die dargereichten Hemden werfend, verärgert, wie eine geplagte Mutter, dt? mft ihren zer­lumpten Söhnen jeden Abend dieselbe Mühe hat. Nummer Zwölf" dachte Toni, gab sein Heind in de» BaterZ Hand und schaute nach der Zwölf aus. Der Lampenschein zitterte über die rotkarierten Kissen; Strohhalme sprießtcn unter dem Tuche hervor. Bretter krachten. In der Fensterecke warf sich Karl in das Stroh der Elf, wrnkie noch einmal mit dem Rotkopfe und streckte sich, der Glückspilz. Fe, so geiht dat nich, min Jung!" Toni fühlte einen Stoß zwischen den Rippen, schoß herum. sah in das grollende Augenpaar der Mutter und in das fragend« des Vaters. Der hielt Tonis Hemd an die Lampe und wies mit hartem, unbarmherzigen Finger in die aufgcfilzte Naht. Toni senkt« die Nase, schrak zurück, erbleichte. Eine Laus. Sie war in rötlichem Lichtschimmer getaucht und spazierte ge- messen durch die Wollfafern der Naht wie«ine Dame, die in großer Toilette unter den Bäumen einer Allee lustwandelt. Anziehn, min Jung!" Der Vater schmiß dem Kupferschmied das Hemd über den Kopf.Anziehn, du vcrbienst dat Bett!" In Tonis langes Gesicht kam ettvaS Blödes, Betrunkenes, als drehten sich die Betten im Tanz« um ihn. Ueber die nackten Leiber rund um die Lampe lief«ine Gänsehaut.Der jeht in der Bienen- iabinett, hihi," machte ein knochiger Alier und warf einen warmen Blick nach den Betten. Das.Bienenkabinett" lag unten im Hofe. Ein Stall mit Holztür, m der sin herzförmiges Luftloch gähnte. Toni sah das Herz im Lichtschimmer dcs Laternchen, mit dem der Vater in den dumpfen feuchtrvarmen Raum leuchtete. Hau dich aufs Ohr, Kunde!" eine Deck« flog auft Stroh. Die Laterne verschwand.__ Notizen. Arno Holz gegen Max Reinhardt . In der neuen Nummer der.Wellbühne" redet Arno Holz ein schar ftickiterlickies Wort über die Literaturförderung durch das Deutsche Theater. Er leuchtet in eigener Sache dem Theater grell Himer die Maske, denn seine Dl�men haben von Reinhardt nicht erfahren, was ihnen zukommt. Daß dieser Fall' einmal aus der Welt geschafft werden muß. ist klar. Wer aber welcher Berliner Theaterleiter wird sorgen, daß es geschieht? Zwischen Holz und Neinhardt ist wohl der Graben dermaßen vefschüitet, daß kaum anzunehmen rit, der Herr des Deutschen Theaters.'Lunte ihn mit kühnem Selbstüber- winden wieder freischaufeln und schiffbar machen. Leider. Denn die hingebende Darstellung eines s>er großen Holz-Dramen Ware immerbin ein Prüfstein auf den Gra� lebendiger Frische, den seine Kunst aufzubringen fähig ist. Wenn hfeinhardt aber ausiallt, wer wäre dann der Wagende? Hier liegt eine Aufgabe der Volksbühne und ihres Kayßler. - Gute Singspiele im G e lik» e r k s ch a ft S h a u s. Das aus bewährten Gesangslräften gebildete Groß-Berlmer Ensemble der Gemeinnützigen Singspielgeselliihaft, die den Be« strebungen des Theaterkullurverbandes angeschlagen ist, wird in sechs Gastspielen im GewcrkschaftShaiiS, Engelufer am 21., 2�, 26., 27., 28. und 29. Ottober Singspiele dop M o�z a r t, Hahdn, Gluck , Dittersdorf u. a. ausführe» Dies llnter« nehmen, das auf beste volksbildnerische Wirkungen ah.pelt, verdrent lebhafteste Aufmerksamkeit. Der Kartenvcrtrieb wirü �urch die Vertrauensmänner der einzelnen Gewerkschaften vorgenomriten werden, doch wird es auch noch Karten an der Abendkaffe geben. Alle zwei Tage findet ein Programmwechsel statt. Druckfehler-Berichtigung. In den gestern der« öffentlichien Ausführungen zur Frage des Schiller-TheaterS, muß es statt Zwischenturnus heißen: ZweiwochcnturnuS. Auf Freiersfüßen laufen. In Lappland heißt eZ nicht, auf FreierSfüßen gehen, sondern auf Freiersfüßen laufen. Wer um die Hand eines Mädchens anhält, muß sich mit ihr auf einen regelrechten Weitlauf einlassen. Sie erhält einen Vorsprung, der den dritten Teil der vereinbarten Lausbahn beträgt. Wider den Willen de« Mädchens kann sie der Freier nicht einholen. Nur don dem Freier, dem sie geneigt ist. läßt sie sich fangen. Damit ist aber nicht gesogt, daß alle jungen Männer, die den Mädchen nach- lauten, darum gleich sür Lappländer gehalten werden müssen.

Loöz.

das gelobte Land. Roman von W. St. Reymont . »Töte mich, aber wirf mich nicht hinaus! Tötet mich... ich halt' es nicht mehr aus! Adam, Bruder, Vater. Habt Er- barmen mit mir." »Scher' dich sofort hinaus und trete nie mehr vor meine Augen, sonst jage ich dich wie einen Hund hinaus und über- gebe dich der Polizei!" Die Mutter zischte unerbittlich. Sie erstarrte im Zorn. Alles erstarrte in ihr vor furchtbarem Schmerz, sogar das Mitleid. Fort!" schrie sie nochmals. Da richtete sich Soschka plötzlich auf und warf sich mit einem wahnsinnigen Schrei in den Korridor, so daß alle Nachbarn die Türen neugierig öffneten, lief durch das ganze Haus bis in den Hof, drückte sich in eine dunkle Ecke unter die blühenden Akazien und fiel vor wilder, tierischer Angst in Ohnmacht. Adam lief ihr nach, brachte sie zur Besinnung und sagte mit weicher Stimme: Soschka, komm zu mir! Ich verlaß dich nicht." Sie erwiderte nichts, wollte sich bloß rasch seinen Armen entwinden und fortlaufen. Nur mit Mühe gelang eS ihm, sie zu beruhigen. Er warf ihr ein Tuch um. das er mitgebracht hatte, und führte sie zu einer Droschke. Horn, der immer noch.im Flur wartete, schloß sich ihnen an. Die Sache ist die. Soschka wird einstweilen bei mir bleiben. Könntest du nicht einige Tage wo anders wohnen?" Gut. Ich gehe zu Wilczek. Der hat ja eine große Wohnung»" Sie fuhren schweigend durch die Straßen. Als sie an dem Keßlerschen Palais vorbeikamen, preßte sich Soschka fest an den Bruder und begann leise zu weinen. .Wein' nicht, das wird sich alles geben! Wein' nicht. Mutter wird sich versöhnen lassen, und mit Vater sprech' ich selbst," tröstete sie Adam, küßte ihre veriveinten Augen und streichelte ihr wirres Haar. Horn richtete gleich das Zimmer Malinowskis für sie her. der einstweilen in sein Zimmer übersiedelte. Soschka warf sich ermattet aufs Bett und schlief ein.

Jeden Augenblick sah Adam zu ihr herein, trocknete ihr mit einem Tafchentuch das Gesicht, weil die Tränen auch im Schlaf unter den geschlossenen Lidern immer noch flössen, deckte sie sorgfältig zu und ging ins andere Zimmer zu Horn. Du ahnst wohl, was vorgefallen ist?" »Nein. Doch sprich nicht davon, bitte, ich sehe ja, wte'S dir weh tut. Ich geh' gleich." »Bleib noch einen Augenblick. Du mußt doch gehört haben, was über Soschka geredet wurde?" »Was willst du also anfangen?" fragte Horn nach einer Weile teilnahmsvoll. Malinowskis Augen flackerten wild auf. Er steckte einen Revolver zu sich. »Das nützt nichts. Mit einem Vieh kann man nicht menschliche Dinge erledigen," sagte Horn, ihm zusehend. »Ich werde es versuchen, und wenn's mir nicht ge- lingt... dann:.." Dann?" Horn erschrak über die Drohung, die aus Malinowskis Stimme klang. Dann werden wir anders reden... Das wird sich zeigen..." Im Palais traf er Keßler nicht mehr an. und keiner konnte ihm sagen, wo der junge Keßler im Augenblick zu finden wäre. Voll Haß blickte er auf die prachtvollen Mauern deS Palais, auf die im Mondschein glitzernden Türme und die vergoldeten Balkons, auf die mit weißen Vorhängen ver- hüllten Fenster, und ging zum Vater in die Fabrik. Der alte Malinowski umkreiste in gewohnter Weise, wie ein unermüdlicher Kranich, das riesige Triebrad. Flüsternd fragte er den Sohn: Hast du Soschka gefunden?" Heute abend habe ich sie mitgebracht." Der Alte blickte ihn lange an und ging wieder um die Maschine herum, ölte einige Teile ein, prüfte das Manometer, wischte die Kolben ab, die zischend und von Oel triefend ar- beiteten, rief durch das Sprachrohr die Maschinisten an, die unten arbeiteten, kehrte zum Sohn zurück und sprach mit halberstickter Stimme: Keßler!" Er bleckte die Zähne, gls ob er beißen wollte. Ja. Aber er gehört mir l Laß ihn in Ruh', Vater," bat Adam innig. »Dummkopf! Ich habe mit ihm Wichtiges zu erledigen. Untersteh' dich nicht, ihn anzurühren, hörst du?" Ich höre, aber ich laß rhu nicht aus."

Unterstehe dich nicht!" knurrte der Alte und erhob seine riesigen schwarzen Fäuste, als ob er zuschlagen wollte.»Wo ist sie jetzt?" »Mutter hat sie hinausgejagt." Der Alte zischte durch die zusammengebissenen Zähne. Er sank in sich zusammen und umkreiste langsam wieder das Rad, das brüllend eine wahnsinnige Hymne der geknebelten Kraft sank, die wütete und raste und die zitternden Mauern sprengen wollte. Adam wollte gehen, da der Alte anscheinend ihm nichts mehr zu sagen hatte. Der Vater ging ihm aber nach und sagte leise, aus der Schwelle stehen bleibend: »Nimm dich ihrer an...'S ist ja unser Blut.. »Ich habe sie zu mir genommen." Der Alte zog den Sohn zu sich heran und drückte ihn ans Herz. Die grünen, süßen Augen des Sohnes versanken in großer Liebe in den dunkelgrauen, tränenfeuchten Augen des Vaters. Sie schauten sich bis in die Tiefen ihrer Seelen und schieden ohne ein Wort. Der Alte umkreiste eilig die Maschine und wischte sich mft den öligen Fingern die Äugen aus. V. Ein ganz einfaches Geschäft, pures Gold, sag' ich Ihnen. Einen Bauplatz habe ich gekauft, den mir Grünspan abkaufen muß. muß, sage ich, verstehen Sie, und zwar um jeden Preis." erzählte Wilczek am andern Morgen Horn, der bei ihm geschlafen hatte. Warum muß?" Weil mein Bauplatz seine Fabrik von der Seite und von hinten umschließt. An der anderen Seite liegen Schaja Mendelsohns Plätze und vor der Front die Straße. Grünspan will seine Fabrik vergrößern und hat drüben keinen Platz mehr. Er soll heute zu mir kommen, Sie werden ja sehen, was er für eine Miene macht. Um diesen Bauplatz handelte er drei Jahre lang und bot dem Besitzer jedes Jahr hundert Rubel niehr. Er wollte ihn billig kaufen und brauchte sich nicht zu beeilen. Durch einen wunderbaren Zufall erfuhr ich von dem Handel, gab dem Bauern bedeutend mehr und kaufte den Platz in aller Stille. Jetzt werde ich warten, jetzt habe ich es nicht eilig... ha, ha. ha!" Er lachte lustig, rieb sich die Hände und zwinkerte mft den Augen. (Forts, folfltl