Nr. 176.
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Vorwärts
11. Jahrg.
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Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Mittwoch, den 1. August 1894.
Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
Arbeiter! Varteigenossen! Trinkt kein boykottirtes Bier!
Der Schneckengang der gewerb- damit einer unangenehmen Kritik aus, die fie gern ver- gegangen", heißt es im„ Reichs- Anzeiger", daß ein Belichen Sonntagsruhe.
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meiden. Die neue Verordnung soll nämlich nur den dürfniß nach gesteigerter Thätigkeit, soweit nicht durch allerlegten Rest von Ausnahmen noch festlegen, Heranziehung von Hilfskräften abgeholfen werden kann, der bisher noch nicht geregelt wurde. Die Hauptsache in erster Linie zur Zuhilfenahme von UeberarbeitsIn dem Schneckenzug, den die Entwürfe des Reichs- ist schon gemacht. Den reichsten Industrien ist längst stunden an den Werktagen führen wird, und daß fanzlers zu bundesräthlichen Verordnungen über die Sonn- nicht blos für eine lumpige" Saifonzeit" im Jahre, fon- ferner gerade diese verstärkte Thätigkeit an den Werktagen tagsruhe für Industriearbeiter seit 1891 bilden, ist jetzt dern für das ganze, Liebe, lange Jahr für den infolge davon ganz besonders erholungseinmal zur Abwechslung eine anscheinend etwas weniger jede mögliche Sorte von Ausnahmsarbeiten ge- bedürftigen Arbeiter eine thunlichst unverkürzte Sonntagsmißgestaltete und häßliche Schnecke aufgetaucht: der Ent- stattet. Weil sie früher so freigebig gegenüber den ruhe geboten erscheinen läßt. Auch wird in den Erwurf einer Bekanntmachung betr. die Ausnahmen für Unternehmern war, hat die Reichsregierung jetzt gut den läuterungen des Entwurfs darauf hingewiesen, daß gegenSaifonindustrien. Langsam und bedächtig friecht ja auch Schein erwecken, als wollte sie die Sonntagsarbeit zur wärtig das zu gewissen Jahreszeiten eintretende vermehrte Ardieses gute Thierchen aus dem Reichskanzleramte daher; Saison" Wunder wie stark einschränken. Für unsere Haupt- beitsbedürfniß weniger in der Eigenart des Fabrikationses streckt behutsam seine beiden langen Fühlhörner aus, ob gewerbe ist in dieser Beziehung das ganze Jahr„ Saison", zweiges als in der Gewohnheit des Publikums, die Ertheilung die Luft rein sei, und ob sich nicht der oder jener mächtige und der nationalliberale Unternehmerpreßknecht hat in seinem von Aufträgen hinauszuschieben, seinen Grund findet, und Unternehmer nahe, der ihm mit einem Fußtritte das Lebens- Uebereifer etwas verlangt, was die kapitalmächtigsten seiner daß es nicht der Absicht des Gesetzgebers entsprechen würde, licht ausblase. Brotgeber in den bisherigen Schattenenqueten über die einer solchen Gewohnheit, die zur Ueberanstrengung der Sonntagsarbeit, die man übrigens neuerdings ganz auf Arbeiter wesentlich beiträgt, durch Zulassung von Sonntagsgegeben hat, Sonntag für Sonntag erreicht haben. Die Un- arbeit Rechnung zu tragen, während andererseits von übersehbarkeit des Papiers und der Zeit, welche schon auf der Durchführung der Sonntagsruhe eine günstige Eindiese Ausnahmebestimmungen verwendet worden sind, mögen wirkung in dieser Richtung erhofft werden dürfe." Das den kapitalistischen Federföldling entschuldigen. nennt man wohlfeile Marktwveisheit, nachdem auf grund zwar nicht desselben, aber doch des unmittelbar vorhergehenden Saßes desselben Gesetzesparagraphen Alles gethan worden ist, die„ thunlichst unverkürzte Sonntagsruhe des erholungsbedürftigen Arbeiters" zu durchlöchern.
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Nach demselben Entwurf sollen Ausnahmen von der gewerblichen Sonntagsruhe" nur" für folgende Saisonindustrien" gemacht werden: für Präferven- und Konservenfabriken ( Fabriken zum Dörren und Einmachen der Gemüse und Früchte), für Schlittschuhfabriken, für Anstalten zur Herftellung von Chokoladen- und Zuckerwaaren, Honigkuchen Die Arbeiter lassen sich nicht täuschen. Der berühmte und Bisquit, Christbaumschmuck und Spielwaaren. Das§ 105d der Gewerbeordnung, auf grund dessen jetzt an tlingt sehr radikal, und nationalliberale Blätter, die sich scheinend nur wenige Saisonindustrien fleine Ausnahmen be offenbar durch ihren Uebereifer recht offen als reine Rapi- willigt erhalten sollen, ist ja schon seit 2 Jahren die unerschöpf: talistenblätter fennzeichnen wollten, sind denn auch auf diesen liche Fundgrube für Sonntagsarbeits- Bewilligungen an die Uebrigens stehen die Ueberzeitbewilligungen für Arbeiterinnen, Raditalismus" hereingefallen; sie haben sofort eine wahre Lepo- Hütten-, Bergwerks, chemische, Zuckerindustrie und Dutzende welche die preußischen Verwaltungsbehörden den Unters relloliste von Betrieben entrollt, für welche auch eine Ausnahme" anderer Gewerbe. Sie alle hat man auf grund des nehmern bis zur Stunde aus ganz nichtssagenden Anlässen zur Zeit der Saison" gemacht werden müßte, und diese ersten Satzes von§ 105d als Betriebe, in denen Ar- nach Ausweis der amtlichen Gewerbeinspektionsberichte geLifte umfaßt nicht mehr und nicht weniger als folgende beiten vorkommen, welche ihrer Natur nach eine Unter- währen, in schneidendem Gegensatz zu dem obigen, an Vorschläge: Ausnahmen für Anlagen zur Herstellung von brechung oder einen Aufschub nicht gestatten", über scheinend so arbeiterfreundlichen Urtheil über den Mißbrauch Gold- und Silberwaaren, Metall- und Ledergalanterie- reichlich bedroht, und deshalb ist es leicht jetzt sparsam mit hinausgeschobenen Aufträgen. Das Papier des„ Neichswaaren, Portefeuille- und Phantasiewaaren, Reiseartikeln, zu sein, weil nun auf grund der der weiteren Anzeigers" ist geduldig, in Wirklichkeit richtet sich keine Kotillonartikeln und Blechwaaren, ferner Eisen- und Metall- Bestimmungen des§ 105d, nämlich für Betriebe, Behörde bis jezt nach den schönen Grundsätzen". Und gießereien für funstgewerbliche Gegenstände, Musikinstru- welche ihrer Natur nach auf bestimmte Jahreszeiten die Praxis ist die Hauptsache, nicht mehr oder weniger schöne menten, Kerzen und Posamentenfabriken, Stickereien, Hut- beschränkt sind, oder welche in gewissen Zeiten des Jahres Worte! und Buzmachereien, Fabriken für Teppiche, künstliche zu einer außergewöhnlich verstärkten Thätigkeit genöthigt Blumen, ferner der Betrieb der Maler, Anstreicher, Buch- sind",( eigentlich taum etwas zu bewilligen" übrig bleibt. drucker, Buchbinder 2c. Alle diese Branchen sind in der ,, Saison" nothleidend, der Gesetzgeber bezw. der Bundesrath muß sich ihrer erbarmen und ihnen ungemessene Sonntagsarbeit bewilligen.
Nun wird der nationalliberale Unternehmerpreßknecht schon erstaunt sein zu hören, daß seinen Auftraggebern garnichts Saran liegt, wenn er nochmals solches Aufheben von den Sonntagsruhe Ausnahmen macht. In der That kann unseren Kapitalisten recht wenig darauf ankommen, daß sie mit ihren einzelnen Geschäften hier nochmals als" Saison industrie" aufgezählt werden. Im Gegentheil, sie sehen sich
Feuilleton.
Der Jude.
Deutsches Sittengemälde
aus der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts. Von C. Spindler .
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Industrien Politische Weberlicht.
Deshalb ist sogar die Scheidung zwischen Kampagne- Industrien ( auf bestimmte Jahreszeiten beschränkte") und Saisonindustrien( mit verstärkter Thätigkeit zu gewissen Zeiten des Jahres") fallen gelassen und unter der Etikette„ Saisonindustrieen" Alles zusammengeworfen, was noch mit dem letzten Rest von erlaubter Sonntagsarbeit beschenkt werden soll.
Nachwahl zum Hessischen Landtage. Uns geht aus Offenbach am Main die folgende Privatdepesche zu: Genosse Gramer wurde im 15. Hessischen LandtagsWahlbezirk nach zwei resultatlosen Wahlen durch's Loos wiedergewählt.
Wenn man dies weiß, wird man sich durch die an scheinend so ruhefreundlichen Redewendungen nicht imponiren lassen, die dem neuesten Entwurf nebenbei mit auf den Weg gegeben worden sind. Man sei von der Erwägung aus- steht
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Alle Preußen find vor dem Gesetze gleich, das zwar in der Verfassung, muß aber dem
Alte kläglich ein:" Der Schultheiß? das arme Kind... und Estherchen frei werde von Amaleks sündigen Richtern." wer war der Verräther?" Joseph, der Arzt," erwiderte Nimmermehr!" wiederholte Crescenz: Ich traue Tir Bodick leise, um die elfte Stunde kommen des Oberst nicht, ich glaube Dir nicht, Du abtrünniger Mensch, dem's richters Trabanten heraus, und wehe Dir, wenn man die mit dem wahren Glauben ebenso wenig Ernst ist, als mit 101 Dirne findet. Mir hat's gesagt der kleine Finger, und ich dem falschen. Du bist ein Gezeichneter. Mache, daß Du will holen das Estherchen und es bringen zum Vater." von hinnen kommst!"-
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" Bum Bater?" fragte Crescentia mißtrauisch. Faule Fische, Ein blitzendes Messer züngelte wie ein Strahl durch rothköpfiger Jude."" Ich will sprudeln Gift und Galle die Deffnung des Ladens; Crescenz gewahrte jedoch noch ein Jahr lang," betheuerte Zodick, wenn es nicht ist wahr. zu rechter Zeit des meuchelmörderischen Versuchs, sprang Ich habe herausgebracht den Alten aus dem Thurm und zurück und riß den Laden mit einer Gewalt zu, daß die ihm versprochen, weil er selber ist krank und schwach, die Klinge zerbrach. Der Mordbube fluchte draußen halblaut Tochter zu retten aus den Klauen der haarigen Böcke." über des Weibes Klugheit und den Verlust seines Gewehrs. Ei, Du unverschämtes Lügenmaul!" eiferte die Alte, Crescenz belferte ihm aber zu:" Rothhaariger Schuft, wo Du hältst mich für eine Schnattergans, daß Du solch Du nicht gleich Reißaus nimmst, rufe ich meine Lente, und Possenzeug mir weiß machen willst. Esther ist nicht hier, Dein letztes Brot ist gebacken, Du Schurke." Eilig, wie ist noch nie hier gewesen, magst Du wissen, Du schleichender ein rollender Kiesel entsprang der Bösewicht, und die Spürhund. Hier haust eine andere Jungfer, die mit Euch Hunde, wie von einem Zauberspruch betäubt, rührten sich Juden nichts gemein hat, weißt Du das? Deine Märlein nicht in ihren Hütten. von dem Oberstrichter und seinen Knechten trage nur anderwärts hin, hörst Du?"-
Dreizehntes Rapitel.
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„ Wofür? Du Schaltsgefell?" fragte Crescenz, noch immer ungläubig. Der Fremde vor dem Fenster fuhr aber fort: Man ist Ben Davids Estherchen gekommen auf die Spur, Du gutes Weiblein. Sie werden kommen, ehe vergeht eine Stunde, mit Spießen und Stangen, um die Jüdin zu fangen, und um Dich, als Hehlerin zu sehen auf den Thurm bei Wasser und Brot." Crescentias Herz klopfte heftig, denn sie konnte nicht an dem guten Wissen des Klopfen den zweifeln. Sie öffnete schen den Laden, obgleich nur halb, und beleuchtete vorsichtig Zodicks häßliches Antlig, das sich hereinbog. Wer bist denn Du, Nachtläufer?" Laßt doch das lächerliche Gedibber," versetzte Zodick D, höre doch, wie sein Donner zürnet, und welch eherne Rede von fragte sie halb erschrocken.- Kennst Du mich denn nicht, unwillig:" wer im Giebelstübchen wohnt, weiß ich gar wohl, feinem Munde ausgeht! Er stehet Memmie!" sagte Bodick entgegen: Bin ich doch gewesen so gut als der Prophet Elias. Ruf mir das Schickselchen unter allen Himmeln, und sein der Knecht, der Dir so oft gebracht hat mildthätige Beifteuer herab, und ich führe sie zum Aette, che noch die Gewalt Blitz scheinet auf die Enden der von Ben David, dem Sohne Jochai, Du mußt Dich noch kommt über Euch."" Wenn Du nicht alsobald gehst," Erde! Hiob. besinnen auf meine Gestalt."" Ach! Du bist's?" rief die erwiderte die Alte, derb: so tommt die Gewalt meiner Haue „ Ach! Die gute Crescenz hatte nichts Eiligeres zu thun, als Alte erschreckt:„ Weiche von dannen, Du Lügner, der seinen und meiner Hunde über Dich, wenn Du nicht die letzteren den Weg zur Giebelkammer zu suchen, um die holde Esther, Herrn zum Tode bringt durch seine blutige Bosheit!"- vergiftet hast, da ich keinen Laut von ihnen höre." die kaum, von Thränen und Leid erschöpft, entschlummert " Ich bin nicht derselbe," hieß es entgegen: Jener Bodick, Ohne Sorgen, Mütterlein," sagte Zodick schmeichelnd: gewesen, aus der süßen. Ruhe zu wecken. Das Mädchen Der geklagt hat in Edom , ist nicht mehr, sondern ein reuiger fie leben, die Thiere; aber thun werden sie mir nichts, fuhr erschrocken empor, und ihr Schrecken verdoppelte sich, Zodiak lebt noch, und darum will er retten die Tochter benn ich verstehe das Handwerk, und habe ihnen gegeben als ihre Pflegerin ihr ins Ohr rief:" Du bist verrathen, seines Herrn, die einer aus Ifrael verrathen hat an den Kuchen, besser als der Kuchen Levi in der Nacht des Passah. Mägdlein! auf! Dein Heil ist nur die schnellste Flucht!" wollüftigen Schultheiß ." Um Gotteswillen!" fiel die Du, laß mich aber hinein, aß nicht Unglück einzieht bei Dir, Verrathen?" stammelte Esther: woher wißt Ihr...?
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