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vorgeht, die Städte: Livorno , Cesena und Jmola. In Livorno wurde ein Anarchist Namens Franchi unter dem Verdachte verhaftet, Mitschuldiger bei der Ermordung Bandi's gewesen zu sein. Ruhlands Finger dürften demnächst in der serbischen Politik zu bemerken sein. Der Stipendiat Rußlands und ehemaliger serbischer Ministerpräsident uud Führer der radikalen Partei, auch Sozialdemokrat a. D. Pasic ist in Belgrad eingetroffen, um an den Berathungen des radikalen Zentralausschusses theilzunehmen. Unterdessen sucht sich die serbische Regierung ihrer Feinde zu entledigen. Nach einer Meldung derPolitischen Korrespondenz" aus Belgrad ist die Untersuchung in dem Hochverraths- Prozesse gegen Cebinac beendet. Außer gegen Cebinac wird der Staatsanwalt die Anklage wegen Hochverraths er- heben gegen den ehemaligen Deputirten und Präsidenten des radikalen Skuptschinaklubs Ranko Taisitsch, den Sekretär des Kragujewatzer Kreisausschusses Sima Djakovitsch und den ehemaligen Schullehrer und Steuereinnehmer Alexander Zujovitsch. Ueber die Cholera in Rußland schreibt man uns aus St. Petersburg : Noch sind die Folgen der vorjährigen Cholera- epidemie nicht überwunden, noch konnte man vor kaum einigen Tagen in den Zeitungen die Berichte über die Gerichtsverhand- lungen gegen die an den vorjährigen Aufruhren betheiligten Bauern lesen und� schon ist abermals in Folge der elenden Lebens» Haltung der russischen Bevölkerung mit doppelter Gewalt die Epidemie ausgebrochen. So waren am 24. Juli allein in den Petersburger Krankenhäusern vorhanden: 867 Cholerakranke, im Lause des Tages kamen weiter zu 159, als genesen sind entlassen worden 93. gestorben sind 93. Angesichts solcher Zahlen hielt es idie ganze liberale Presse Rußlands für ihre Pflicht. doch einmal den Finger in die Wunde zu legen, indem sie die wahren Ursachen der Epidemie der Oessentlichkeit bekannt machte. Sie führte aus: daß im Jahre 1893 die höchste Zahl der täglich erkrankten nur 60 betrug wogegen sie jetzt 160 beträgt; daß der größte Theil der Erkrankten aus den Vororten Petersburgs stammt; daß dort nämlich-die ärmste Bevölkerung wohnt, die sich am elendsten ernährt und den größten Theil der Nächte unter freiem Himmel zubringt! daß ein sehr großer Prozentsatz zu den Cholera-Erkrankten von den Mannschaften und Arbeitern der sich auf der Neva und den Sladtkanälen be- findenden Schiffe gestellt wird, die hauptsächlich trockene und kalte Nahrung und ungekochtes Wasser zu sich nehmen und die Nächte unter freiem Himmel, aus den Schiffen auf Holz und Misthaufen zubringen müssen. Daß auch in Petersburg , wie seiner Zeit in Haniburg, von den Aerzten beob- achtet wurde, die Kellerwohnungen die Cholera ungeheuer för- dern; daß es bis nun erwiesen ist, daß die diesjährige Cholera in keiner Verbindung mit der vorjährigen steht. Es erhelle dies auch aus der Thatsache, daß, während die Cholera im voriaen Jahre die dichtbevölkertsten Stadttheile aussuchte, in diesem Jahre, wie schon erwähnt, zumeist die Vororte und die zerstreuter bewohnten Stadttheile heimgesucht werden. Die liberale Presse erachtete es aber auch für ihre Pflicht, auf die Mittel hinzuweisen, die zur Beseitigung wenigstens der augenblick- lichcn Gefahr anzuwenden wären, und während sie von der Be. thätigung der Oeffentlichkeit auch jetzt eine Abhilfe erwartete, wie sich diese schon während der Hungersnoth gezeigt hatte, wollte die reaktionäre Presse wissen: daß diese Abhilfe nur durch die Energie der Regierung möglich sei. Ter Waghalsigkeit der liberalen Presse gegenüber konnte die Zarenregierung nicht ruhig bleiben; ihr erschien es überhaupt als ein Frevel, daß jemand von einem anderen als der Regierung eine Abhilfe erwarten könnte. Schon während der Hungersnoth prahlte sie mit den von der Oeffentlichkeit zusammengebrachten Gaben, indem sie die Getreidewagen, die nach den Hungerprovinzen abgingen, mit Väterchens" Bild und Namen ver zierte und so den wahren Ursprung dieser Gaben vertünchte. Auch jetzt griff sie die liberalen Blätter an. indem sie im Staatsanzeiger bekannt machte, daß die Presse nur dazu beitrage, die öffentliche Meinung zu verwirren und irre zuführen und seitdem haben die liberalen Zeitungen in den Chor der Regierungs» reptilienpresse gezwungener Weise miteinstimmen müssen. An Verwarnungen und Strafen, wie das Entziehung des Privat- reklame- und Jnsertionsrechts. wie der Verbot des Einzelverkaufs hat es für die liberalen Blätter natürlich bei dieser Gelegenheit nicht gefehlt. Jetzt liegt nunmehr die Bekämpfung der Cholera allein in den Händen der Regierung und der Polizei, die es als ihre erste Aufgabe erachteten, stets die volle Wahrheit zu ver» schweige». Was die eigentlichen Bekämpfungsnuttel anbetrifft, so sind diese schon so schwach genug, geschweige dennoch jetzt, da sie sich in den Händen einer russischen Behörde be- finden. Geld ist nicht mehr vorhanden, da die vorjährige Cholera und Hungersnoth alle Geldmittel erschöpft ha- be», und so bleibt nichts übrig, als der Kampf mit geistlichen" Waffen. Auf allen Märkten und Plätzen und in allen Kirchen werden Tag für Tag Gottesdienste zur Ab- wehr der Cholera abgehalten. An Polizei-Erlassen regnet es förmlich, so werden z. B. die Schnapsstubenbesitzer aufgefordert, darauf zu achten, daß ihre Gäste nicht voll und ganz betrunken werden. Mit Verlaub der Behörde haben sich Zirkel gebildet, die der Bevölkerung dieAbstinenz" predigen sollen was übrigens überflüssig rst, da die russische Bevölkerung so wie so Abstinenz" üben muß. Das sind die Kampfesmittel der russischen Regierung gegen die verheerende Choleragesahr; werden sich dem gegenüber die europäischen Regierungen aus die Zarische Jnitiativerlassen oder werden sie zeitig genug selbst Mittel zur Abwehr der nahenden Gefahr ergreisen? Ueber die Cholera im Ausland liefen heute die folgenden Drnhtmeldungen ein: Warschau , 31. Juli. Für sämmtliche Gouvernements in Polen hat Generalgouverneur Gurko die Wallfahrten nach Czenstochowa angesichts der stark auftretenden Cholera verboten. Ueber die Maßregeln der deutschen Regierung gegenüber der Gefahr der Einschleppung der Cholera aus Rußland informirt die am 30. Juni ergangene Rundversügung des Oppelner Rc- gicrungspräsidenten, wonach die Beschäftigung landwirthschaft» licher Arbeiter aus Rußland nur unter folgenden Bedingungen gestattet wird: 1. Von den Arbeitern bezw. den sie begleitenden Führern ist ein Attest der zuständigen russischen Polizeibehörde vorzulegen, durch welches erwiesen wird, daß der Herkunstsort der Arbeiter cholerafrei; 2. auf Kosten der Arbeiter beziehungsweise ihres Führers . oder des Arbeitgebers ist durch einen deutschen Arzt beim Ein- tritt in das Inland festzustellen, daß ein Verdacht bezüglich der Person der Arbeiter auf Choleraerkrankung und bezüglich ihrer Sachen aus Verunreinigung durch Choleradejeltionen ausge- schloffen ist. Die Grenzzollämter wurden ersucht, die betreffenden Arbeiter- trupps nicht eher in das Inland eintreten zu lassen, als bis die erwähnte Untersuchung stattgesunden hat und nach ärztlichem Befund gegen den Eintritt Bedenken nicht obwalten, während die Prüfung der Bescheinigungen des Herkunftsortes durch die Polizeibehörde vor der Vornahme der Untersuchung zu veran- lassen ist. Bezüglich des Durchzugs russischer, für andere Re- gierungsbezirke des Inlandes bestimmte; Arbeiter findet die obige Verfügung sinngemäße Anwendung. Warum werden diese Maßregeln bloß auf Arbeiter und nicht *uch auf Nichtslhuer, wie Rentiers u. vergl. angewandt? Aus Maroceo, einem der Wetterwinkel der Politik, liegen wieder recht bedenkliche Nachrichten vor: AuS Calagaran aus Mindanao wird gemeldet: Die spanischen Truppen griffen am 24. d. Mts. die malaischen Mohamedaner an und brachten denselben eine vollständige Niederlage bei. 250 Malaien fielen in dem Kampfe. Nach marokkanischen in Madrid eingetroffenen Mel- düngen wurde ein französisches SchiffSt. Vincent" in der Nähe von Tanger von Riffkabylen überfallen und vollständig geplündert. Das Schiff wurde erst nach dem Eingreifen des spanischen Gouverneurs freigegeben. Aus Malaga liegt hierzu die folgende Meldung vor: Die Riffkabylen nahmen eine unter französischer Flagge segelnde, von Tanger kommende Bark weg und raubten die ganze Ladung. Ist's Krieg? Oder ist es nicht Krieg? Wir meinen den Konflikt zwischen Japan und China . Eine Kriegserklärung ist noch nicht erfolgt. Jedenfalls aber wird gehauen und geschossen. Die Japanesen, die sehr anstellige Leute sind, haben von den Europäern gelernt, daß das Völkerrecht nur dazu da ist, um gebrochen zu werden. Eine der von allen Geschichtsbüchern gepriesenenGroßthaten" Friedrich'sdes Großen" war es bekanntlich, daß er seiner Zeit Oesterreich und Sachsen ohne Kriegserklärung über- fiel. Und wie in neuerer Zeit Bismarck die Kriege machte, und den Angegriffenen zwang, den Krieg formell zu erklären, das wird zwar in den Geschichtsbüchern ver- schwiegen, ist aber jedem einigermaßen Geschichtskundigen bekannt. Die Katzbalgerei zwischen den Chinesen und Japanesen kann uns an sich sehr gleichgiltig sein. Für uns von Interesse sind nur die russisch-englischen Gegen» sätze, die anläßlich dieses Konflikts zu Tage treten werden. Bei der trostlosen Finanzlage des russischen Reichs und der völligen Zerrüttung desselben ist freilich nicht zu befürchten, daß es zu einem ernsten Zusammenstoß kommen wird. Das absolutistisch-zaristische Regiment hat sich in Rußland so vollkommen unfähig erwiesen, und hat so toll die Grundlagen seiner eigenen Existenz zerstört, daß es that- sächlich für den Augenblick nicht einmal die niedrigste aller Politiken: die Raub- und Eroberungspolitik, erfolgreich zu betreiben im stände ist. Wenigstens nicht im großen Maßstabe. Denn im Kleinen raubt dieser kolossale Raubstaat mit den thönernen Füßen ja fortwährend und ununterbrochen. Pavteiuarfiftdjlcn. Die lebte Landeskonferenz der badifchen Sozial- demokratie hatte neben den bereits bekannten Beschlüssen auch den gefaßt, den sozialdemokratischen Landtags-Abgeordneten werde zur Pflicht gemacht,den Parteistreit weder in Versamm- lungen noch in der Presse weiter zu tragen". Die Mannheimer Volksstimme" erklärt nun, nachdem sie den auch von uns ge- brachten Bericht des Offenburger Volkssreunds" über die Ver- Handlungen der Konserenz, der vom Landesvorsiand herrührt, veröffentlicht hatte, in einer Anmerkung zu einem zweiten Bericht, daß der erste Bericht parteiisch abgefaßt sei, und sie sich deshalb nicht um den Beschluß kümmern werde, wonach der Streit nicht mehr inderPresse und den Versammlungen erörtert werden soll, denn derVolksfreund' habe diesen Beschluß selber für so unter- geordnet gehalten, daß er ihn in seinem �Bericht gar nicht er- wähnte. DieVolkestimme" begann darauf in ihrer Numnier vom 23. Juli eine Artikelserie, die den TitelNachklänge zur Landeskonferenz" trägt. Im ersten dieser Artikel wird an der Art und Weise der Verhandlungen der Landeskonferenz Kritik geübt; die anderen Artikel liegen uns noch nicht vor. Gegenüber diesem Verfahren ist zu bemerken, daß eine Partei wie die unsere ohne Disziplin nicht bestehen kann. Ist man mit dem Urtheil der Konferenz nicht einverstanden, so bleibt einem noch der Parteitag, um sein Stecht zu suchen. Jedenfalls liegt kein genügender Grund vor, die Fehde in der Presse fortzusetzen, Damit ist natürlich nicht gesagt, daß man auch über das rein theoretische der Frage schweigen solle. Von den übrigen Blättern unserer Partei haben einige zu der Angelegenheit insofern Stellung genommen, als sie dem Sinne nach Dr. Rüdt vorwarfen, er bringe bei der öffentlichen Thätig- keit seine atheistische Weltanschauung stärker zur Geltung, als sich mit dem Interesse unserer Partei vertrüge. Wir meinen, daß die Parteipresse gut thun wird, wenn sie bei der Besprechung der Angelegenheit die Sache von den Personen trennt. Die badischen Parteigenossen in ihrer Gesammtheit sind zweifellos ebenso wenig wie die übrigen deutschen Genossen auf die Namen von Personen eingeschworen. Vorderhand ist es ihre Pflicht, mögen sie Dreesbach oder Rüdt Recht geben, darüber streng zu wachen, daß die Beschlüsse ihrer eigenen Konferenz so lange ge- achtet werden, bis der Parteitag entschieden hat, dem die Ange- legenheit aller Wahrscheinlichkeit nach unterbreitet werden wird. AuS Lörrach in Baden wird von bürgerlichen Blättern ge- meldet, daß dort einesozialdemokratische" Versammlung dem von der badischen Landeskonferenz aus der Partei ausgeschlossenen Landtags-Abgeordneten S t e g m ü l l e r einstimmig ein Ver» tranensvotum ausgestellt habe, so daß dieser das Landtags- Mandat behalten werde. Das Progranim der sozialdemokratischen Partei verlangt unter Ziffer 6: Abschaffung aller Aufwendungen aus ösfent- lichen Mitteln zu kirchlichen und religiösen Zwecken. Da Stegmüller im Landtage den Bau einer Kirche aus Landesmitteln befürwortet und damit bewiesen hat, daß er nicht auf dem Boden unseres Programms steht, kann er das Vertrauensvotum nicht von Sozialdemokraten erhalten haben. Zur Agitation wird uns geschrieben: Die außerordentliche geistige Regsamkeit, die sich in den Kreisen der Parteigenossen gellend macht, findet ihren natürlichen Ausdruck in dem Ver- langen nach einer nie erlahmenden Agitation. Jeder Partei- genösse weiß, daß stetig und unermüdlich agitirt werden muß, um denUnverstand der Massen" den zuverlässigsten Bundes- genossen ber bürgerlichen Gesellschaft zu bewältigen. Zwar leistet die sozialdemokratische Presse in bezug sauf die Ausklärung der Massen Außerordentliches. Die Bernlehrung der Preßorgane und deren steigende Abonnentenzahl beweisen den guten Erfolg. Doch vollen Ersatz für die mündliche Agi- tation kann die Presse nicht bieten. Beide Formen der Agitation haben sich zu ergänzen. Der Wunsch der Parteigenossen, das belebende, anfeuernde Wort aus dem Munde der Vorkämpfer zu hören, macht sich heute noch genau so gellend, wie in den Kinderjahren der Sozialdemo. kratie. Das ist ein erfreuliches Zeichen. Es ist das Verlangen, sich an den Idealen zu begeistern, im Redner das Sprachrohr der eigenen Gefühle, des eigenen Denkens und Wollens zu sehen und zu hören, um sich zu stärken und zu stählen sür den ernsten Kampf. Um den vielen, oft sehr weitgehenden Wünschen der Partei- genossen in bezug auf die mündliche Agitation gerecht zu werden, hat die Parteileitung eine solche in verschiedenen Gegenden des Reiches vorgesehen. Wenn dabei nicht alle Gebietstheile berück- sichtigt werden konnten, so lag das an dem Umstand, daß nicht mehr Genossen, die mit dem Ehrenamt eines Reichslags-Abgeord- neun betraut sind, der Parteileitung sich zur Verfügung stellen konnten. Die in der Vorbereitung begriffene Agitation wird im Laufe des Monats August ausgeführt von den Abgeordneten Kühn in SchleSwig-Holstein , Herbert in Schle s'ien. Metzger in Thüringen und am Harz , Schumacher am linken Rheinufer, Meist in Baden und der Pfalz , Seifert in der Lausitz , Schulz in Ost« und Westpreußen und W u r m in der P r o v i n z S a ch s e n. Zur Ergänzung der gegebenen Erläuterung sei noch bemerkt, daß der Abgeordnete R e i ß h a u s gleichfalls im Auftrag der Parteileitung mit der Agitation in den beiden M e i n i n g e r Kreisen betraut ist, und die Abgeordneten Förster und Wurm längere Agitationstonren in ihren Wahl- kreisen unternommen haben. Bereits mehrere Wochen ist der Abgeordnete Dr. Schönlank in Württemberg agitatorisch thätig. Um das Bild vollständig zu zeichnen, sei daran erinnert, daß die Nachwahl in den beiden eroberten Wahlkreisen einen großen Theil der Abgeordneten stark in Anspruch nahm. Es steht nun zu erwarte», daß die Genossen allerorts für die von den Vertrauensmännern einberufenen Agitationsversammlungen das rührigste Interesse bezeugen, und mit gewohnter Energie sür einen zahlreichen Besuch Sorge tragen. Darum auf zur Agitation! Der Sozialdemokratie zu Nutz, den Gegnern zum Trutz Die Hänsiakeit der rurtheilunge» sozialdemokratischer Redakteure erklärt dasV o I k s b l a t t sür Halle" treffend damit, daß die Redakteure unserer Parteipresse bei jeder Kleinigkeit vor den Kadi gezogen werden. Es komme nicht selten vor, daß dieselben Artikel, die uns Verurtheilungen einbringen, von den bürgerlichen Zeitungen gebracht würden, o h n e daß Anklage erhoben werde. Wie niederträchtig die bürgerliche Presse gegen die Sozialdemokratie polemisirt, zeigt wieder ein Bericht derRhein.- Westfälischen Zeitung" über die Agitationstour unseres Genossen T h. v. W ä ch t e r. Es heißt da, Wächter wolle nur möglichst schnell viele Arbeitergroschen einheimsen, um sich dann vom Schauplatz zurückzuziehen und ein gemüthliches Leben zu führen. Hätte Wächter das wollen, so hätte er nur seine Ueberzeuguug zu verleugnen und ein Pfarramt anzutreten brauchen. Zlus Elberfeld berichtet*dieFreie Presse", daß der Bau eines großen Versammlungshauses aus dem Johannisberg, das sogenannte Stadthallen- Projett, in- folge des dankenswerthen Entgegenkommens der bisherigen Eigen- thümer. Gebr. Küpper, so gut wie beschlossene Sache sei. Die beiden Herren, Rudolf und Emil Küpper, haben nochmals ge- meinschastlich 23 000 M. gezeichnet, so daß sse jetzt aus ihre erste Preissorverung im Ganzen 50 000 M. nachgelassen haben. Sie erhalten demgemäß von der Stadt die sür das Versammlungs- haus bewilligten 400000 M. und von dem Stadthallen-Ausschuß 70 000 M., welch letztere bis auf eine verhältnißmäßig un- bedeutende Summe, wofür der Vorsitzende des Stadthallen-Aus» schusses, Stadtverordneter Schmerfeld, sich vorläufigstark machen" wird, durch die Zeichnungen der Vereine und Privat- Personen bereits zusammengebracht sind. Zu diesen Vereinen gehört auch, wie wir schon kürzlich berichteten, der Sozialdemokratische Volksverein", der 2000 Mark bei- gesteuert hat. Unter den Privatpersonen fehlen� bis auf ver­schwindende Ausnahme» so ziemlich alle Geldsäcke der Stadt! Das Versammlungshaus wird also demnächst als ein Werk der unteren" undmittleren" Schichten der Bevölkerung auf stolzer Bergeshöhe dastehen. Todtenliste der Partei. * In Köln ist der bewährte Parteigenosse Faßbender an den Folgen eines Schlaganfalls verschieden. Noch vor kurzer Zeit feierte er in voller Rüstigkeit seine goldene Hochzeit. Polizeiliches. Gerichtliches«. Der gegen unsere Dresdener Parteigenossen Eich» Horn und F i n d e i s e n wegenErpressung"(verübt durch eine Aufforderung zum Boykott!) eingeleitete Prozeß, ist vom 23. Juli auf den 22. August vertagt worden, und zwar deshalb, weil ein Zeuge, der Rechtsanwalt Gerlach, Ausstchtsrathsmit- glied der boykottirten Waldschlößchen-Brauerei, nicht erschienen war, sonder» sichg e g e n w ä r t i g zur ik u r i n T i r o l a u f-. hält". Dieser Herr stärkt seine Gesundheit in den Alpen, und unser kranker Genosse Eichhorn muß mit Findeisen deshalb v i e r Wochen länger i» Untersuchungshast sitzen! Eichhorn hat, wie der Gefängnißarzt feststellte,einen guten(!), alten Katarrh" übrigens eine recht passende Ausdrucks- weise für einen Arzt! und neben den Narben älterer Fistelgeschwüre auf der Brust ein frisches Fistelgeschwür; kurz Eichhorn ist so leidend, daß er. als ihn seine Frau besuchte, kaum noch sprechen konnte. Uebrigens ist ähnliches bereits Gradnaner widerfahren. Seine Haft wurde im voriaen Monat ebenfalls dadurch verlängert, daß«in Vertreter der Waldschlößchen-Brauerei, der Direktor Bier, bei seiner Berufung zur Zeugnißablcgung ans der Reise war und erklären ließ» er könne nicht nach Dresden kommen, weil er krank sei. Diese Vorkommnisse zu kritisiren ist überflüssig. Sie selbst kritisircn die sächsischen Verhältnisse vernichtender, als die schärfste Kritik es könnte. Im Februar d. I. beschlagnahmte in E l b e r f e l d die Polizei bei einer Haussuchung in der Druckerei derFreien Presse" auch drei Exemplare eines Heftes des LiederbuchesDer freie Sänger", worin das Herwegh'sche LievBei' und arbeit'! ruft die Welt" abgedruckt ist. Durch Entscheidungen der Berliner und Erfurter Strafkammer sind sozialdemokratische Liederbücher, worin sich dieses Lied befand, beschlagnahmt und unbrauchbar gemacht worden, deshalb ließ die Elberfelder Staatsanwaltschafr dieser Tage das Landgericht über ihren Antrag entscheiden, daß im Verfolg jener Urlheile auch diese Nachdrücke vernichtet werden möchten. Die Belheiligten, der Siedakteur derFreien Presse" und der Verleger des Blattes, ließen durch ihren Rcchtsbeistand auf ein Urtheil der Elberfelder Strafkammer vom 4. Slugust 1391 hinweisen, wonach der Verleger von der Anklage der Aufreizuntz, die durch Verbreitung jenes Liedes geschehen sein sollte, frei- gesprochen worden war, und beantragten Ablehnung des An- lrag-'s der Staatsanwaltschaft. Das Gericht erkannte demgemäß, indem es die Staatsanwaltschaft abwies und die Kosten des Ver- fahrens der Staatskasse auferlegte. Polizeilich verboten, und zwar ans grund des H 1 des Vereinsgesetzes, wurde in Hamburg eine öffentliche Versammlung. wo Herr F. Lauskötter einen Vortrag halten sollte über:Die geistige Ausbildung der nachschulpflichtlgen Jugend, mit besonderer Berücksichtigung der Hamburger Verhältnisse." Einen Grund zu dieser polizeilichen Maßregel kann dasHamburger Echo". dem wir diese Nachricht entnehmen, nicht entdecken. Soziale Llelreesichk: Wie griindlich die Unternehmer das Boykotte» be­treiben, zeigt wieder ein vom BraunschweigerVolksfreund" veröffentlichtesVerzeichnih hervorragender Agi- t a t o r e n", das von dem hierin berüchtigten Verband deutscher Metallindustrieller in Berlin von Zeit zu Zeit versandt wird. Das Verzeichniß enthält Vor- und Zu- namen, Stand, Geburtsort, Geburtstag und den Namen der Fabrik, wo der mißliebig gewordene Arbeiter zuletzt in Arbeit gestanden hat, und am Schlüsse der Liste heißt es:Vor derAnstellung der in diesem Verzeichniß Ge» nannten werden Sie hierdurch gewarnt." Boykottirt der Arbeiter eine Brauerei oder verhängt er über eine Werkstatt die Sperre, so entzieht er dem Unternehmer damit noch lange nicht die Möglichkeit der Existenz. außerdem wird ein solcher Boykott immer nur auf eine mehr