Nr. S9 ♦ 3S. Jahrgang
Heilage öes vorwärts
Vleastag, 19, Februar 1919
GroßGerün Tie Postbeamte« und die Wahl. Bor den Post, und Telegraphenbeamten und-beamtinnen sprach in den.Germaniasälen" am Sonntagbormittag Genosse Dittmer(Beigeordneter im Reichspostamt). Er arbeitete die Bedeutung der Kommunalpolitik in einer Weise heraus, datz der Wille der Versammlung in folgender einstimmig gefaßten Entschließung Ausdruck fand: »Die am 16. Februar 1019 in den„German tafäletv" versammelten über 3000 Angehörigen der Reichspost» und Tele» graphenoerwaltung haben mit Genugtuung zur Kenntnis genom- men. daß durch die sozialdemokratische Partei der von ihr seit Fahrzehnten eingeschlagene KurS endlich Verwirklichung finden soll. Sie begrüßt e» freudig, daß Vertreter aus ihren Reihen zur politi- scheu und kommunalen Neuordnung hinzugezogen worden sind. Sie sollen die Interessen de? Beamtentums vertreten helfen. Des- halb verpflichten sich die Versammelten, mit tätig zu sein durch Eintritt in die sozraldemokratische Partei. Nur so können in Staat und Gemeinde die Rechte der gesamten Be» amtenschast einwandfrei vertreten und der Ausbau der ein. geschlagenen sozialistischen Richtung gefördert werden." Die vielen kleinen Schmerzen, welche tn der Versammlung laut wurden, legen Zeugnis ab, daß die Vertretung der Interessen der Reichspoftbeanrten nur der Sozialdemokratie in die Hand gelegt werden und begründen die Notwendigkeit des einheitlichen Zu- sammenschlusseS aller Beamtenkategorien. Dieser EinheitSwille »von unten herauf' wird die.oberen� Hemmnisse wegfegen, nicht allein in den Betrieben, sondern— und vor allem auch— in den Organisationen. Da» modernd« bureaukratisch« Zopstum mit all seinen Anhängseln muß und wird mit diesem Geist ausgeräuchert werden. Und dieser Wille duldet auch keine Bevormundung. Der AmtSvorsteher vom Postamt 9 in Charlottenburg wird sich schwer täuschen, wenn er seinen.Untergebenen" glaubt zumuten zu können, für die Deutschnationalen am 23. Februar Wahlhilfe zu leisten— wenn auch gegen Entgelt. Der stet« Postbeamte leistet unentgeltliche Wahlhilfe— aber nur für die soztaldemo- kratische M eh r h e t t» pa r t e t. In Massen kamen sie mit ihren Beitrittserklärungen zur sozialdemokratischen Partei, mit ihren Bestellungen auf den»vor- wärts", und geschlossen gehen sie am kommenden Sonntag zur Wahlurne mit dem Stimmzettel für die List« H e i m a««. 3« de« Vorgängen in der Wederstrast« am Somwbendabend teilt un» der SichertheitSsoldat Albert Kunze , Lichtenberger Str. 20, folgende« mit: Ich befand mich bei der Aushebung de».Roten Eoldatem- bunjteZ" dienstlich in der Weberstraße. Dre absperrenden Truppen versuchten, mich gewaltsam in der Aueübung meines Dienste« zu behindern. Durch unflätige Redensarten wurde mir erklärt, daß ich hier gar nichts zu suchen habe:.Jetzt sind wir hier!" Die Bor- zeigung meiner Legitimation und der Hiwoei» auf meine Dienst» binde fruckteten nichl». ich wurde einfach beiseite gestoßen. Sine Frau, die die Postenkette vossieren mußte, um in ihre Wohnung zu gelangen, wurde mit den gemeinsten Schimpfworten bedacht. Auf ihren Protest hin, rief ihr einer der rohen Burschen zu: .Mach, daß Du fortkommst, sonst erhältst Du doch noch eine blaue Bohne in den A.. Da«, Publikum verhielt sich trotz dieser Provokationen ruhig. Tätlich, da» können mit mir zwei Kameraden (die Namen sind uns bekannt. Red.) beschwören, ist niemand gegen die Soldaten voraegangen. Plötzlich, ohne jede Peranlaffung. sielen einige Schüsse. Ich sah an der Ecke der Waßmannstrahe einen Mann zu Boden stürzen. Er wollte gerade um die Ecke biegen und erhielt dabei da» tödliche Geschoß in den Hal». E» gelang mir mit noch einigen Kameraden den Echwerverwundeten tu ein Hau» zu tragen. Ein bald hinzukommender Arzt konnte aber nur den bereit» eingetretenen Tod feststelle,». Zum beabsichtigte, BpanakuSputsch. Bste an« der Boldaim- rat de» PoC�rtpräftdmm» mitteilt, wäre eine Msicht der Sparta - listen, auf dem Lichchofe de« Präsidmm« ein« Demonstrnrtaa zu Vevonstalten. ein- llnmoglichke«! geworden. Die Sicherheit«mann- schaffen de» Präsidium» sind bereit, da« Präsidium gegen jeden Putsch von recht« soeoohl nnt von link» zu verteidigen. Di« Mann. schaften waren infolgedessen auch während de» Sonntag« ailacm- bereit.
Tie für Dienstag angesagt, Truppendemonstratia» wird nach Meldung einer Lokalkorrespondeng nicht stattfinden. Gegenüber einem Ausfall der.B. Z. " wird un« geschrieben, daß die geplante„Truppenschau" mit Spartakus auch nicht den entferntesten Zusammenhang hatte. Die Erregung der bürgerlichen Presse ist wohl nur darin begründet, daß ihr bekannt wurde, die Truppenschau versinnbildliche den Gegensatz zum alten MlitariS» muS und würde den Beweis erbringen, daß Disziplin und ManneS» zucht bei den Berliner Regimentern besser gewahrt find al» in den Freiwilligenverbänden. Der eigentliche Zweck der Freiwilligen- korps soll hier nicht geschmälert werden; er darf aber auch nur seinem gewollten Ziele nachstreben, in erster Linie die Grenzen zu schützen. Die Republikanische Soldatenwehr mit den Garnisonregi- mentern hat in de? Spartakuswoche bewiesen, daß sie ihr Leben für die Sicherheit Berlin » voll und ganz einsetzt. Die llllsteinpresse mit ihre» Anhängern dürste den größten Dank abzustatten haben. Ei»„TicherheitS"matr»se mH Gewehr verhinderte w der Rächt zum Sonniag m der Frankfurter Allee eine» Ziviliften, ihm au»- zuioeichen, brüllt« ihn bann wogen..AnrempelnS" an und schlug tuf ihn ein, ohne ihn zu Wort kommen zu lassen. Solchan Ele- manten ist man jetzt ausgeliefert weil dr« Nouvettbigkeit. den Terror einer kleinen Minderheit rasch zu brechen, die genau« Auswahl der Sicherheitstruppen erschwerte. Es müßte den zu- ständigen Behörden ab« doch möglich sein, solche Flages fesizu- stellen, auch wenn mm, ihre Lrmbindemunmvr nicht«kennen konnte. Banditen. Am Freitag vormittag XU llhr erschien ein Zivilist in einer Wohnung am Nürmberger Platz mit der Begrün- dung, Lebensmittel und Wertsachen zu beschlagnahmen. Sofort hinter ihm erschienen zwei Soldaten und forderten nun all« drei mit gezogenem Revolver Geld und Schmucksachen. Der Frau nahmen st« ein« sehr wertvolle Brosche und ein Paar wertvolle Ohrringe ab, eigneten sich«inen Pelzmantel und-muff wie die Brieflasch!!, Uhr und Mantel des Sohne» an und schlössen alle Anwesenden dann in ein Zimmer«in. Oeffuet Unbekannten nicht die Tür! Sin dreister Hotrldiebstahl wurde in der Rächt zum Montag Unter den Anden verübt. Dort klettert« ein Dieb von der Straße au« in die im ersten Stock belegenen Hotelzimmer oine» rherm- schon Großindustriellen, stahl hier unbemerkt Schmucksachen im Werte von ungefähr 60000 M. itrtd entkam unerkannt, lö Pvoz. Belohnung. Die Räuberbande von TvScka bcschäfttgt noch weiter die Kri- minalpolizei Es gelang dieser, ein sechste« Mitglied der gefähr» kicken Räuberbande festzunehmen, einen 2st Fahre alten Handlung». gehilfen Frank Helmbach. Der Bande konnte bisher schon erne ganze Reihe Raubüberfälle nachgewiesen werden. Andere, die wahrscheinlich ebenfalls roch auf ihr Konto kommen, bedürfen noch. der Nachprüfung. Die Räuber hatten e» in fast allen Fällen nur' aus bares Geld abgesehen. Zu? restlosen Ausklärung de» gemein- gefährlichen Treibens der Räuberbande ist e» dringend«rforder. sich, daß sich Ueberfallene und Beraubte, bei denen eine sechsköpfige Bande erschien, deren Anführer ein großer Mensch in gutsitzender Feldweibelumsorm wo? uttd von der ein Mitglied lahmte, sofort vti dem Polizeipräsidlue» melden. Ein Protest geht un« von den Soldatenratstmittgssiehern und Vertrauensleuten de» Reserve lazarett» Siephanstr. 8/8 zu. Sie beschweren sich darüber, daß da« FnÄebentreten de« schon dreimal gewählten Soldalenrat« von der Verwaltung verhindert. He Kran. ken gegen ihn aufgehetzt werden unh Urlaubsschein« von dem zu- rückgeiretenen S.-Rat»mttgl«d Freud «! gezeichnet werden. Em« auSsühtliche Beschwerde wird an den zustandigon KovpSsoldaten- rat gerichtet. Schwimm. verein„Vor« Britz *. Gin« außerordentliche Mit vmfqT
gliederversammlung am 8. Februar faßt« eine Entschließung, in der c» heißt: Unser« Programmpunkte: L Etnfsthrnng de« obligatorischen Schwimmunterricht» in den Schulen. 8. Kommunalifieruna sämtlicher Badcbetriebe, 3. Unentgeltlich«» Bade» für iuaendlia� Per- sonen, 4. Verbreitung de» Schwimmen» tu der werktätigen Bevölke- rung, v. Erziehung der Jugend in gesundheitlicher, geistiger und sittlicher Beziehung. 6. Unterstützung der Freibäder-Bewegung, 7. Einführung de» gemeinsamen Schwimmbade« beider Geschlechter, 8. Ausbau des Rettung«wesen« können nur tn einem freien Poll». staat erreicht und verankert werden, deshalb geloben die anwesenden Mitglieder mit ihrer ganzen Person für die Erhaltung der sozialen Republik einzustehen.
Deutsche Gesellschaft für«tbischr Kult»«. Herr vrosessor Dr. g. g a st r o w wird Donnerstag. 7'/. UHr, In der Aula der Kaiser. Friedrich-Cchule. Knes-beckslr. 24(Savignhplatz) üder.Die Trennung von Staat und Kirche- sprechen. Ardetter-Samarlterbund. Kol»»»« Groß-Verlt». MMwoch, abend» 7 Uhr. MusilerHettsäle, Kalser-Wilhebu-Strabe Sl, issentlicher LichlbUdervoriraa. Revolution und die Geschlechtskrankheiten. Vor» Nagender Herr Dr. K o s ch m a n n. V. Abt. Neukölln , Vetchielstr. 6, Freitag Uebungsstund«. Zeuge«, die gelehen baden, wie am«. Februar durch die miMärische» Wachtposten be! dem Gute Frledrich-WilbelmShos nah« Bernau ein Mann erichossen und zwei Männer schwer verwundet worden sind, werden gebeten. alle zur Ausklärimg der Sache dienlichen Beobachtungen dem Unterzeichneten schleunigst zukommen zu tasten. Rechtsanwalt Dr. Stegfried Weinberg, Berlin C. 2, Klosterstraße 65/67. »rbetter-Atbletenbund. Kret» 4 sEroß-Berlw). Donnerstag, de» Lst. Februar, abend« 7llf Uhr, im Lokal Meter, Oranienftr. 170: Wichtige Besprechung. E» ist Pflicht jede« dem«-A.»v. angcdirigeu Verein», seine Vertreter zu«ntteitven. Alle Zuichrislen find bi« aus wettere» an nachsteheno« Adresse zu richten: M. sellhetm, Berttn 80 26, Nauuynstr. 2. Im Berliner Arbetter-Schachklub wurde Sonntag dt« erste Runde de« kiöiitasgambttturnier« gespielt, e» gewannen Obermeter gegen Schula- tiewtcz. Becker gegen Bredewig, Keunow gegen Voigt, Weisser gegen Zi ltwttz. Eyber gegen Meyer. Abgebroi en wurden die Partien Ltschle— Schuchow, Dtrnibier— F. Elison, Ewardt-Kottschlag. Reuköll». Heber 600 Stadibeamte und Angestellte haben noch ooger Aussprache folgende Entschließung einstimnug angenommen: Die Versammlung bedauert, daß die erste VerHand- hing deS geschäftsführenden Bea mtenauSschusseS mit der Personal- kommission deS Magistrats in der TeuerungSzulagencmgelegcnhert nicht in dem Sinne geführt worden ist. wie sie Yen Vereinbarungen gemäß hätte vor sich gehen müssen. Die Beamten können sich nicht de» Eindrucks erwehren, daß die Verhandlungen durch das Auftreten de» Vorsitzenden, Bürgermeister Dr. Mann, eine Form angenommen haben, die geeignet ist. ein weiteoeS gedoihlicheS Zu» samlnenardeiten in Frag« zu stellen. Die Beamten und Attge- stellten erwarten, daß ihre vertrete? al» gleichberechtigte VerHand- lunySteilnehmer anerkannt werden und die Personalkommission in Zukunft mit ihnen so verhandelt, daß nach Möglichkeit der ange- stravte Zweck, die Evzielung smer Einigung, erreicht wird. Martendorf. Zu den Beschlagnahmen im„Seebad" und im Gaswerk wird mitgeteilt: Die amtlichen Feststellungen haben er- geben, daß die Beschlagnahme im Reservelazarett Seebad Marien- dors nicht aufrechtzuerhalten war. EL ist von der Intendantur festgestellt worden, daß die Lebensmittelmengen der HeercS- Verwaltung gehören und un Reservelazarett Mariendorf ord- nungSmäßig oerbucht worden sind. Die beschlagnahmten Mengen sind zur besonderen Verpflegung der tuberkulösen Soldaten dem Reservelazarett wieder zur Verfügung gestellt war- den. Nur über einen geringen Bruchteil der beschlagnahmten Mengen, etwa» Tee. Gerste und Mais, sind die Feststellungen der Intendantur noch nicht abgeschlossen. Die am Gaswerk beschlag- »ahmten Vorräte waren vom Gefangenenlager zur Verpflegung der früher im Gaswerk Martendorf beschäftigten Kriegsgefangenen überwiesen worden und nach Entlassung der Gefangenen zunächst dort verblieben. ES handelt sich auch hier um Bestände der HeereS- Verwaltung, über die die Intendantur weiter verfügen wird. Lankwitz ohne Gemeindeoberhaupt, von einem Vertreter-deS ArbetterratS wird un» mitgeteilt, daß die Meldung, wonach der stellvertretende Genie mÄevorsiehe?, Schöffe Pein ebenfalls i rf�ge der ihm in letzter Zeit vom Arbeite rrat gemachten erheblichen Schwierigkeiten sein Amt niedergelegt hat, nicht den Tatsachen entspricht. Die Gerne i nbeveri? ein ng hat die schon früher bean- tragt- Erhöhung der Bertreterzahl ohne Mitwirkung de» Bürget?. meiste r» BehenSorff abgelehnt, desgleichen die Wahl des Wahk- borsvaride». die dann Genera fkontzul Pein unter Mithrlfe ein iget Gemeindevertreter vollzooen hat, weshalb er sich von dem Schöffen, Generalbirekto? de« KalishnDikatS, Fornnann eine Anzeige zugezogen hat und die Gomeindeiwahl am Ort erst am L. März statt- finden kann. Spandau . Stadtverardneten-Verfammluns. Gefordert werden SO 000 M. au» dem Dispositionsfonds für die Ausbesserungsarbeiten im Inneren de» Rathause», die durch die Kämpfe am ll. Januar entstanden sind. Die Wiedererstattung der Kosten ist bei der Re- gierung beantragt. Dr. Stemmer(bürgert.) bezweifelt, daß da? Reich verpflichtet ist, diesen Schaden zu ersetzen, dahingegen sei e» möglich, diezentgen für den Schaden verantwort- lich zu machen, di« ihn verursacht haben. Diese» Vorgehen würde eine große moralisch« Wirkung haben und Ruhe und Ordnung verbürgen. Er wendet sich dann gegen die Benutzung de» Stadtverordnetensaale» durch den Soldaienrat. Die Ausführun-
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Seine Mensthenkinö. von Marti» Andersen Rexö. 9.
S t i n e besucht da« Märchenland. Stine war setzt groß genug, sich auf eigene Faust hinaus- zuwagen, und lief oft von Hause fort, ohne daß Maren sich aus diesem Grunde beunruhigte. Sie brauchte jemand zum Spielen und suchte da« Dorf und die Hütten am Waldrande auf, um Gleichaltrige zu treffen. Aber die Eltern riefen ihre K'nder herein, wenn sie sie kommen sahen. Allmählich lernten die Kinder selber, sich vor ihr in acht zu nehmen; sie warfen mit Steinen nach ihr, wenn sie sich näherte, und riefen ihre Schimpfnamen: Hurenbalg und Hetzenmädchen. Dann versuchte sie es bei einer andern Gruppe von Kindern und hatte dort dasselbe Schicksal: bis sie erkannte, daß sie außerhalb stand. Nicht einmal der Kinder daheim in der Hütte war sie sicher: lag sie mit ihnen zusammen in den Dünen und band Halsbänder und Fingerlinge au» der kleinen blauen Ska- biosa, so kam die Mutter herbeigestürzt und riß die Kinder an sich. Stine mußte sich allein mit ihrem Spiel einrichten und bei den Dingen um sie herum Gesellschaft suchen: und auch dai ließ sich machen. Schnell hauchte Stine ihrem Spielzeug Leben ein: den Steinen und Stücken Brennholz, einem jeden wurde seine Rolle zugeteilt, und es war gut und einfach, da- mit umzuget>en Fast zu brav waren sie. so daß Stine selber ihnen ein bißckiey Empärergeist einflößen mußte, damit es nicht zu langweilig werden sollte. Da war ein alter ver- schlissencr Holzschnh, der Sören gehört hatte: Maren hatte ein Gesicht darauf gemalt und ihm ein altes Tuch als Kleid ge- 6 eben. In Stines Welt war das ein Junge, der fortwährend lnglück anrichtete und schleckte Streiche verübte. Trocken hielt er sich nie. und alles schlug er in Stücke, �eden Äugen- blick mußte Stine ihn vorneymen und ihm eine gehörige Tracht Prügel geben. Stine war jetzt so groß, daß sie selber ihr Teil auf dem Trocknen hatte. Aber das Problem als solches fuhr fort, in ihr zu spuken, keine andere Frage auf Erden war so ernst. Sie wußte aus Erfahrung, daß kein« andere Anklage so schmerzte wie die, die hinterrücks kam.
Eines Tages saß sie vorm Giebel in der Sonne und schalt auf den unartigen Puppenjungen, mit einer Stimme, die vor mütterlichem Kummer und levger ganz tief war. Maren stand drinnen an der Küchentür und reinigte Hering«, sie hatte ihren Spaß an dem Kinde..Tust du es noch einmal." sagte die Kleine,.dann bringen wir dich zur Hexe, und dann ißt sie deinen Matz." Maren kam hastig heraus..Wer sagt so?" fragt« st«, ihr faltiges Gesicht bebt«. .Das sagt« der valastemcmn," erwiderte die Kleine ausge- räumt. .Unsinn, Mädchen, sei mal ernst. Wer hat so gesagt? So antworte mir doch. Menschenkind!" Stin« versuchte, ein ernstes Gesicht aufzusetzen.„Der Balasse— Wauhund hat es gesagt— heute morgen!" Plötz- lich prustete sie los. Es war kein Auskommen mit ihr: st« langweilte sich, und da verfiel sie aus unsinniges Zeug. Maren ging wieder an ihre Arbeit hinein: sie war jetzt.ruhig, aber sehr nachdenklich. Ganz aus der Luft gegriffen war das Geschwatze der Kleinen nicht. Maren hatte, einen jungen Seemann im Dorf kuriert, der nicht trocken liegen konnte und aus diesem Anlaß jahrelang unter dem Spott der Kameraden gelitten hatte. Die erste Bedingung dafür, daß di« Kur glücken sollt«, war. daß der junge Mann den Mund halten konnte: und nun wollten die Leute Aar zu gerne erfahren, was mit ihm ge> schehen war. AuS ihm hotte man nichts herausgebracht, und so phantasierte man darauf loS— �sje schmutziger, desto besser! Maren stand drinnen und weinte über ihren Heringen, daß die salzigen Tränen ip die Lake hinabtropften. Sie weint« oft in der letzten Zeit, über d'e Welt und über sich� selbst: sie wußte, daß sie ihren Mitmenschen nichts anderes als Gutes tot, und dann behandelten diese sie wie eine Pest- kranke und vergifteten die Luft um sie her mit Feigheif und Haß. Tie bedienten sich ihrer gegen ihre Leiden, gewiß, aber im stillen gaben sie i h r die. Schuld für diese selben Leiden— und räucherten gründlich hinter ihr aus, wenn sie fort lvar. Fast alles Böse stammte ja von ihr: selbst in dem unschuldigen Munde deö Kindes hieß sie die Hexe. Maren Augen hatten all« heu Sorg « und Wider-
wärttgkeiten nicht standhalten können: sie waren rot ent- rundet, und die Lider kehrten die Innenseite hervor. Von oen Tränen waren sie geworden, aber für die Leute in der Gegend waren sie ein Zeichen mehr dafür, daß Maren ein« verstockte Hexe war. Da« Sehvermögen nahm auch stark ab: und � kam vor. daß et ganz versagte. Dann mußte sie ihre Zuflucht zu StineS jungen Augen nehmen: und zuweilen be- nutzte das Mädel die Gelegenheit und beging Schelmen - streiche. Sttne war nicht böse— sie war weder böse noch gut. Sie war schlecht und recht ein kleines Wesen, das kür ihr Gemüt der Abwechflung bedurfte. ES geschah so wenig in ihrer Welt, und da nahm sie das Erlebnis, wo eS zu finden war— schuf es selber, um sich nicht zu Tode zu langweisen. � Aber eines Tages ereignete sich etwaSl Maren hatte von dem großen Gut Ellebäk. das weit drinnen im Gemeinde» land lag, dessen Waldungen aber bis zu den Dünen reichten, einen Waldschein erhalten: jeden DienStag durste sie in den Wäldern Reisig sammeln. Zum Heizen verschlug ei nicht; aber eS war genug, um eine Taste Kaffee darauf zu kochen. Dies« DienstagSgänge wurden zu einer Art von Au»- flügen. Sie hatten Essen mit. das sie an diesem oder jenem schönen Fleck verzehrten, am liebsten am Ufer deS großen Waldwassers: und Stine fuhr auf dem Schiebkarren hin und nach Haufe. Wenn sie ihre Ladung hatten, pflückten sie Beeren oder zur Winterzeit— Schlehen und wilde Aepfel. die auf dem Kachelofen gebraten werden konnten. Nun lag Großmutter krank. Sie hatte so viel geweint, daß sie nicht sehen konnte— was Sttne gut verstand: wunder- licher war es, daß es sich auch wie Wasser in die Beine gesetzt hatte, so daß sie sich nicht darauf halten konnte. Die Kleine mußte allein in den Wald traben, um Reisig zu holen. ES war ein schweres Stück Arbeit, aber dafür war der Wald jetzt im Sommer so unterhaltend. Sie konnte setzt tief hineindringen, wohin sie sonst nicht gehen durften, wefl Großmutter Angst vor dem Äckicht hatte und sich am liebsten am Rande aufhielt. Da drinnen tönte der Vogelgesang, und es funkelte so seltsam in dem grüney Schein unterm Laube, die Luft war wie grünes Wasser, darin Strahlen' standen: und im Dunkel unter den Sträuchern brauste und summte ei, ©orts. folaU