Die zweite Lesung des i 36. Sitzung vom 13. März 1919. Am RegierungKtisch: Wisiell, ZioKke, Schmidt, Bell und Erz- berger. Zur zweiten Dcrcrwng steht der Entwurf eines Sozialisierungs- Gesetzes. § 1 Ich tri in seinem 1. Wiatz nach den Beschlüstcn des Auö-- fchuiieS: Jeder Deutsche hat unbeschadet seiner persönlichen Frei- heit die sittliche Pflicht, seine geistigen und körperlichen Kräfte so zu betätigen, wie es paS Wohl der Gesamtheit erfordert. Die Worte»Unbeschadet seiner persönlichen Freiheit" sind vom Ausschuß neu eingefügt worden. Nach§ 2, der gemeinsam mit§ 1 beraten wird, ist das Reich befugt, im Wege der Gesetzgebung gegen angemessene Entschädigung 1. geeignete wirtschaftliche Unternehmungen, insbesondere solche zur Gewinnung von Bodenschätzen in Gemcinwirtfchaft überzu- führen und 2. im Falle dringenden Bedürfnisies die Herstellung und Verteilung wirtschaftlich«? Güter grmeinwirtschaftlich zu regeln. Die EntschSdigungspflicht, die durch besondere Reichsgesetze geregelt werden soll, ist von der Kommission neu eingefügt worden. ebenso die Bestimmung, daß die gemeinwirtschaftliche Regelung der Herstellung und Verteilung wirtschaftlicher Güter nur»im Fall« dringenden Bedürfnisses" durch das Reich erfolgen kann. Abg. Soegler(D. Bp.): _ Ich habe namens meiner Fraktion zu erklären: durch dt« Kom- missionSbeschlüsse zu dem Sozialisier ungSgesetz sind Grundsätze an- genommen worden, die«S ermöglichen, die frei« Privaitmrtschaft und den freien Handel in Deutschland durch Staaiseingriffe völlig zu lähmen. Wir legen gegen diese Beschlüsse hiermit Verwahrung ein. Es geht nicht allein um die Kohle. Der BursaukrarisierungSorozetz läuft weiter. Wir wollen eine e v o- lutionär« Entwicklung, was aber in den augenblicklichen Vor- lagen erstrebt wird, ist«ine revolutionäre Entwicklung, für die wir die Vevanttvortung ablehnen.(Lebh. Beifall rechts.) Abg. Dr. Pachnickc(Dem.): Von einer rsdoluttonären Entwicklung kann nicht gesprochen werden, wir werden rechtzeitig abzustoppen wissen. Wir ziehen eine scharfe Grenze und werden nicht zulassen, daß der Motor des perföntichen Interesses aus de? Wirt- lchaft ausgeschaltet wird.(Sehr richtig bei den Demokraten.) Der § 2 öffnet die Tür für die Sozialisierung so weit, dag da» ganze Erfurter Programm dadurch einmarschiere» kann.(Sehr richtig bei den Soz.) Da wir keine Sozialisten sind, können wir diesen Bestimmungen nicht zustimmen. Wenn wir trotzdem däran das Gesetz nicht scheiien: lassen wollen, so leitet un< dabei die Erwayrnng. dag zur Sozialisierung in jedem einzel- nen Falle ein besonderes Gesetz notwendig ist. Unsere Fraktion stimmt dem Gesetz alS ganzem zu.(LeSH. Beifall bei den Dem.) Wg. Veidt(Dtschnatl.): Man könnte dem Gesetz die Ueber- schrift geben»Ein Ausflug in den ZukunfiSstaat". Die Regierung bat uns noch immer keine deutliche Aufklärung darüber gegeben, was sie eigantlich unter„Sozialisierung" versteht, die M«hrheuS- iozia listen aber verstehen darunter Rommunisierung. Viele Mehr- boitssozialisten gehen in dieser Frage einig mit d«r äußersten Linken, nur wagen sie das nicht offen auszusprechen.(Sehr gut bei den Unabh.) Eigenartig berührt eS. wenn die Unabhängigen hier die Notwendigkeit betonen, da» seelische Gleichgewicht wiederherzustellen. Diese Eideshelfer der Spartakisten sollten doch nach Lichtenberg gehen und dort das seelische Gleichgewicht wiederherstellen.(Sehr gut rechts.) Wir lehnen die�jetzt von der Regierung vorgeschlagene Art der Sozialisierung als im tiefsten Grunde unsozial ab.(Lebhafter Beifall rechts.) Inzwischen find folgend» AvänberungSantcäge eingegangen. Die Abgg. Arnstadt (Dtschnatl.) und Genossen beantragen kür 8 2 folgende Fassung:„Für eine Vergesellschaftung geeignete wirtschaftliche Unternehmungen, insbesondere solche zur Gewin. nung von Bodenschätzen und zur Ausnutzung von Naiurkräften— gegen angemesssne Entschädigung— in Gemeinwirtschafi übcrzu- rühren, ist Sache der Reichsgesetzgebung." Dieser Antrag führt also im Gegensatz zur Regierungsborlagc die E n t s ch ä d i- gungspflichi des Reiches ein und streicht die Regelung de? He?stelrung und Ve?teikung wirtschaftlicher Güter für die Gemeinwftischafi. Im Falle der Ablehnung dieses An- «»«geS wollen dieselben Abgeordneten in einem Eventualantrag« vcch den Betrieb(nicht die.Herstellung) und die Verteilung der in gemein wirischaftlicken Uniernehmungen gewonnene» Er- -eugnisse im Interesse der Gesamtheit regeln lassen. Di- Abgg Dr. Rießer und Voegler(T-Vp.) beantragen die Fassung, daß erstens geeignete wirtschaiilicks Unternehmungen, insbesondere die Gewinnung von Bodenschätzen und die Aus- Nutzung von Naturkröften für die Gesamtheit der deutschen Volks- Wirtschaft nutzbar gemacht werden können, und daß zweitens im Falle dringenden Bedürfnisses und— solange ein dringendes Be- dürfniS vorliegt— die Verteilung(also nick« auch die Herstellung geeigneter wirtschaftlicher Güter zugunsten des Reiches, der Glied- staaten, Gemeinden oder Gemeindeverbändo gesegelt werden kann. Abg. Burlage lZ.): Gegen Z 1 baben wir kein« Bedenken mehr, nachdem die sittlich« Pflicht zur Arbeit mit der Rücksicht auf die persönliche Freiheit ctngSkchränkt ist. Zu§ 2 bemerke ich, daß mein« Pari« daran festhält, daß eine Enteignung nur gegen angemessene Entschädigung stattfindet. Die Anträge zu 1 und 2 sind für uns unannehmbar. Dem Emporstreben der Arbeiter wollen wir zu Hilfe kommen, Abg. Dr. Loh»(Unabh. Soz.): Vielleicht wird ein künftiger Geschichtsschreiber dieses Gesetz ein« Lex Spartakus nennen, aber die sozialistische Ahsicht hat sich, wenn sie bestanden hat. nicht in die sozialistische Tat umsetzen können. Die politische Koalition hat zu einer Entartung geführt. Man hat uns mit den Lichtruborger Vorgänge» in Verbindung gebracht. Wir lehnen die Verantwortung dafür ab. Aber alle diese Nachrichten über Masscnerschießunyen von Polizei- beamien sind Tendenziös übertrieben. In 8 1 des Gesetze? möchten wir da» Wort„sittlich« Pflicht zur Arbeit' ersetzt wissen durch „soziale Pflicht'. Etwas sozialistischer Geist steckt ja in veni ß 2, aber wir glauben nicht an die Ausführung dieses Ge- danken». Die R ä i e- D e m o k r a ii e auf Wirtschaft- lichem Gebtete wird kommen, dagegen mag man fich sperren wie man will, sie ist unausrottbar in das Bewußtsein der Manschen übergegangen.(Beifall bei den Unabhh.)
r V<#IV0IIVl VI MIIMv VAVIVIftlVV« Von den Abgg. Auer und Genossen geht der Antrag ein, in § 2 die Worw:„Gegen angemessene Entschädigung" zu streichen. Hierüber wird von den Abgg. Rießer(DVp .) und Genossen na- m e n t I i ch e Abstimmung beantragt. Abg. Braun-Nürnberg(Soz.): Die Scharfmacher als politische Ratgeber des GenevalS Luden- dorff haben den Krieg verlängert. Der Krieg hat auch den äußersten Pessimismus, der heute die Grundstimmung des deutschen Volkes ist, in den Massen erzeugt, und da kann keine Rede davon sein, die deutsche Volkswirtschaft beim alten zu lassen. Durch den Krieg ist die deutsche Wirtschaft zusammengebrochen. Die Zeche müssen auch die Unternehm er bezahlen. Die Ar- beiter haben genug Opfer gebracht. Die Arbeiter müssen Anteil an dem Gedeihen der Unternehnrungen erhalten, damit sie wieder Freude am Wirken habem Auch wir betrachten diesen Gesetzen!- Wurf lediglich als ein Rahmengesetz, und wir hätten ihn gern anders gehabt. Ter Ausdruck„sittliche Pflicht' ist nicht glücklich gewähi. Wir stimmen gern für den Antrag..soziale Pflicht' zu sagen. Der Staat bekommt hier die Verpflichtung, für die Er- werbslosen zu sorgen. Wir behalten uns unsere endgültige Stellungnahme vor, aber den EnlschädigungSanspruch lehnen wir ab. Wir wollen ein neue? Eigentumsrecht schaffen. Durch die Waren- Häuser sind viele einzelne Kaufleute ohne jede Entschädi- g u n g verschwunden. Das Kohlenshndikat hat viele Kohlenhänd- ler und andere Unternehmungen ausgeschaltet, ohne zemalS eine En tschädigungs Pflicht anzuerkennen. Wir leben in dem Gesetz nur den Anfang zu grösseren Taten, die unsere Wirtschaft einer besseren Zukunft entgegenfuhren werden.(Beifall bei den Soz.) Abg. Dr. Becker(DVp .): Heute haben alle Redner der Mehr- heitsparteien anerkannt, daß nicht sachliche, sondern politische Gründe das Sozialisierungsgesetz veranlastt haben. Als wir das in der ersten Lesung behaupteten, sprach Ministerpräsident Scheide- mann von der„Stirn", so etwas zu behaupten.(Hört, hört! rechts.) Wenn daZ Gesetz nur wirklich Ruhe und Ordnung bringen würde. Wir glauben nicht daran. Wir lehnen das Gesetz im unlust,(Sehr richtig! rechts.) Abg. Dr. Traub(Dtschnatl.): Die Anträge der Sozialdsmo- krateu und Unabhängigen lehnen wir ab. DaZ Gesetz hat im wesentlichen einen agitatorischen Zweck. Diesen Sprung von einem gewissen Sozialismus zum Kommunismus machen wir nicht mit. 'Sehr richtig! rechts.) Das vorliegende Gesetztz ist kein Gesetz zur .Hebung der Arbeitsfreudigkeit, sondern zur Förderung der ArveitZ» unlust.(Sehr richtig! rechts. Reichswirtschaftsminister Wiffell: Tie Anträge des Herrn Traub uno seiner Freunde gehen darauf hinaus: man darf wohl an den Grundlagen des Staats und de? Wirtschaft rütteln, aber man muß den davon Betroffenen eine angemessene Entschädigung zahlen.(Sehr gut! bei den Soz.i Wenn nack» dem Antrag Rießer gewisse Unterneh- mungen für die Gesamtheit der Volkswirtschaft„nutzbar" gemacüi werden sollen, so liegt darin das Zugeständnis, daß es Unterney- mungen gibt, die der gesamten Volkswirtschaft nicht dienstbar sind. In unserer Zeit hat lein Privatunternehmen noch einen Anspruch darauf, Privatverdienstc zu niachen.�sobald das Wohl der Allgemeinheit fordert, daß es in ihren Besitz übergeführt wird. Nach§ 4 der Regierungsvorlage soll die durch dieses� Gesetz vorgesehene Sozialisierungsbefugnis ungesäumt durch besondere Reichsgesetze zur Ausnutzung von Energiequellen nach gemeinwirtschafilichen Gesichtspunkten geregelt werden. Die Kommission hat das Wort„ungesäumt" gestrichen. Sie hat daZ nur getan, um jeden Schein zu vermeiden, als ob nun etwa von heute auf morgen gehandelt tverden solle. Die Regierung fühlt die Verpflichtung, ungesäumt au die Durchführuug des ihr mit Annahme des Gesetzes gewordene« Auftrages Heranzugeheu . Auf Vorschlag des Präsidenten Fehrenbach beschließt das Haus, heute nur die Diskussion über die Vorlage zu beendi» gen, die Abstimmungen auf morgen zu verschieben. Nach 8 4 wird die Ausnutzung von Steinkohle, Braunkohle, Preßkohle. Koks, Wasserkräften und sonstigen natürlichen Energie- quellen nach gemeinwirtschaftlichen Gesichtspunkten geregelt. Ein Antrag Dr. Rieß«?(DVp .) will die Energiequellen ausschließen, die zur Deckung de? Eigenbedarfs der Werke erforderlich find. Dasselbe will ein Antrag Arnstadt (Dtschnatl.). Ein Antrag AgneS(Unabh. Sog.) will das Wort„ungesäumt" wieder ein- fügen. Ein Antragg A r n st a d t(Dtschnatl.) will in einem ß 4s land. und forstwirtschaftlich benutzten Boden und sein« Bewirt- schaftung von der Sozialisierung ausschließen. Abg. Schiele(Dtschnatl.) beginnt unter wachsender Unruhe mit einem Rückblick von den Zeiten Diofletians an und wendet sich zum Schluß gegen die Aeußerungen des Reichsministers Schmidt. Er wird wiederholt zur Sache gerufen. Zu Z 6, der bestimmt, daß das Gesetz mit dem Tag« der Ver- kündung in Kraft tritt, begründet Abg. Kraut(Dtichnatl.) einen Antrag, das Inkrafttreten für die besetzten Gebiet« während der Dauer der Besetzung auszusetzen. Abg. Hugenbcrg(Dtschnatl.) begründet einen Antrag, dem Ge» setz die Ueberschrifi„GemeniwirischaftSgesetz" zu geben. Wir fegein mit diesem Gesetz in daS ossene Meer des Kommunismus hinein. Da ist es nur ehrlich, diesen Kurs auch im Namen zum Ausdruck zu bringen. Damit ist die zweit« Beratung erledigt. ES folgen persöu- liche Bemerkungen. Schluß 8% Uhr. Nächste Atzung Donnerstag 19 lllhr.
Das Kohlenwirtstbaftsgefetz im Ausschuß angenommen. Der HauShaliSauSschuß der Nationaldersammlung hat in. einer Nachisitzung vom Dienstag auf den Mittwoch das Kohlcnwirt- schaft»g«setz gegen die Stimmen der Deutschnaiionalen Volkspartei angenommen. Gleichfalls angenommen wurde ein sozialdemokratischer Antrag, die Regierung zur baldigsten Vorlegung eines Gesetzentwurfs über die Tätigkeit der Betriebsräte, Bezirksarbeiterräte und eines Reichsarbeiter» vatS aufzufordern. Ein demokratischer Antrag, der bei Bildung der Betriebsräte die Gewerkschaften herangieben will, fand gleich- falls Annahme.
Reichsheer oder Dunöesheer. Die bayerische» Reservate. Im VerfafsungSauSfchuß der Nationalversammluny wurde gester» ein heftiger Rckdekampf um di« bayerischen Reservat? echte auf dem Gebiete des HeereSwesenS gekämpft, wobei die sozial- demokratischen Redner mit großer Enischiedenbeit für das ein- heitlichc Reichsheer eintraten, während die Vertreter der baye- rischen Regierung(welche?) mit großer Hartnäckigkeit darauf be- standen, daß die bayerische» Reservatrechte nicht ohne die Zustim- mu«g Bayern » aufgehoben werden bürsten. Ein« Abstimnnmg «folgt« nah nicht.
Tschechische Märchen. Bemäntelung der Morde i» Teutschböhmen. Berlin . 12. März.(Amtlich.) Dar tschechoslowakische Minister de» Innern und stellvertretende Ministerpräsident hat nach Mel- düngen au» Prag , offensichtlich mit Bezieh'.tftg auf die jüngster. Zusammenstöße zwischen Tschechen und Deutschböhmen, in der Na- tionalversammlung eine längere Erklärung verlese«, die sich u. a. mit einer angeblichen gegen die Sicherheit der tschechoslowakischen Republik angezettelten Verschwörung befaßt und dabei die Be- Häuptling aufstellt, die Angelegenheit de» verhaftete» Dr. Schwarz erbrächte de» Beweis dafür, dich Fäden dieser Berschwö«
vung auch nach Verlin führten. Ferner ivirö in der ErHä- rung behauptet, es habe der Plan eines kombinierten deutsch - magyarischen Einfalles in das Gebiet de? Tschecho« flowakei be stand eu. Deuigegenüber sei auf das Bestimmteste fest- gestellt: 1. Gegen die Sicherheit des tschechoslowakischen Staates ist von Berlin aus niemals etwas unternommen, noch sind etwaige Be- strsbungen dieser Art irgendwie uiucrstützt worden. 2. In der so- genanmen„groß angelegten Spionageaffäre Schaar z" ist seitens der tschechoslowakischen Regierung trotz mehrfachen Ersuchens der deutschen Regierung das angebliche Belastungsmaterial bisher noch nicht zur Verfügung gestellt worden. Bis zum Beweise des Gegenteils durch die deutscherseits amtlich angekündigt« Untersi-bung muß auch entschieden bestritten werden, daß Dr. Schwarz getz-yn die Sicherheit des tschechoslowakischen Staates gearbeitet hätte. Ü. Die Kombination eines geplanten deutsch -magyarischen Einfalls in ischechaslowakisches Gebiet muß schon im Hinblick auf die militärische und allgemeine Lage des Deutschen Reiches als Phantasie. ge bilde bezeichnet werden. Im übrigen hat die deutsch « Regie- rung wiederholt zu erkennen gegeben, daß sie mit der tschecho- slowakischen Republik fr e u n dn achb a r l i che Beziehungea zu unterhalten wünscht.
Regierungskrise in der Tschechoslowakei . Die Sozialdemokraten für Versammlungsfreiheit. Prag , 12. März.(H. N.) Das Tschechoslowakische Pressrbureau meldet: In der heutigen Sitzung des BerfasiungSouSschusses der Nationalvirsammlung erklärt« bei der Verhandlung über das Ver- iammlungSgesetz ein sozialdemokratischer Abgeord- neter namens bei sozialdemokratischen Klubs, daß dieser sich an den Weiterverhandlungen nicht beteiligen lönne, da eine Paria- mentS- und Regierungskrise ausgebrochen sei, die durch den letzten Beschluß des VerfassungSauSschusseS über das Versamm- lungSrecht hervorgerufen wurde. Es war nämlich entgegen den Forderungen der Sozialdemokraten beschlossen worden, daß für jed e Versammlung die b t s h er i g e A nm el d ep fli cht weiterbestehen solle. Der Redner beantragte Vertagung der Sitzung. Daran? entspann sich ein« lange lebhafte Debatte, worauf «inmüttq beschlossen wurde, die Verbandlung so lange zu vertagen, bis die Parlaments- und Regierungskrise beseitigt sei.
Wie üas Großkapital noch immer wirt- jchastet. Man schreibt unS: Am 10. Februar d. I». Gab die Reichelt Metall- fchraubenfabrik A.-G. bekanat, daß fi« ihren Aktionäre» lür das verflossene Geschäftsjahr Sö Proz. Dividende, allo Söv M. pro Aktie von 190l) M. und außerdem einen Bonus von KOO M. Kriegsanleihe, also gleich 30 Proz. Dividende auS in früheren Jahren ge- stellten Rücklagen zur Ausschüttung bringen würde. Die Aktionäre, die bei dieser Gesellschaft sicherlich Großkapita- listen und Banken sein werben, erhalten also 75 Proz. Dividend« sür das Geschäftsjahr 1918, dal Jahr, in dem der Krieg verloren ging und der Zusammenbruch Deutschlands erfolgte. Am 27. Februar wurde in der Presse die Fusion der Schult- h e i ß- B r a u e r« i mit der Pfesserberg- Brauerei angekündigt. Die Aktionäre der Pfeffeiberg-Biauerei erhalten sür 400V M. ihrer Aktien 8000 M. neue Schultheiß- Aktien, so daß nominal für 2,8 Millionen Mark Pfefferberg-Aktien 2,1 Millionen Mark Schult- Heiß-Aktien gegeben werden. Nicht steuerpflichtiger Buchgewinn mithin 700000 Mark. Am 27. Februar d. I. wurde in der Presse über den Verlauf der Generalversammlung der Rhein . Möbel st ofsweberei A.-G. berichtet. Der Auistchtsrat dieser Gesellschaft hat die von ihm beherrschte Generalversammlung beschließen lassen: 1. An Stelle der bisher dem SuifichiSrat zustehenden 10 Proz. Tantieme vom Reingewinn, werden an den Suffichtlrat für jedes Mitglied«ine feste Vergütung von 6000 M., an den Vorfitzenden, den Drahtzieher der Versammlung, 12000 M. gezahlt. Zweck dieses Beschlüsse»: Um g e h un g der 20 Proz. be- tragenden Tantiemen st euer und Sicher st ellung der Tantiemen bezüge gegenüber Arbeiter- ansprüchen(siebe unter 8). 2. Die Gesellschaft übernimmt Ö60 Aktien eine» nicht einmal genannten Texlilunternehmen»(kauft also die Katze im Sock) zu einem Kurse von 363 Proz.. also zum Gesamtbetrag« von 2031 000 M. von einem ungenannten Konsortium, dem der LufsichlSraiSvorsitzende sicherlich sehr nahe sieht, wahrscheinlich ist er mit diesem in irgend einer Form überhaupt identisch. Gewinn bei dieser Transaktion für die Draht- zieher wahr> che: nlich!>/, Millionen Mark. 3. Um die Welt zu blenden, hat dann die Generalversammlung noch den Beschluß gefaßt: Der nach Verteilung von 4 Proz. Dividende verbleibende Rein- gewinn wird zwischen Arbeiterschaft und Aitionäre geteilt. Ein Blender, dem die unter 1 und 2 dem Unternehmen auf- gebüideten Belastungen, werden«bsckreibungen notwendig machen, die Gewinne und- Dividenden nicht mehr gestatten werden. Am gleichen Tage, 27. 2. d. I.. wurde mitgeteilt, daß die Burbacher Hütte den Eschweiler Bergwerksverein in sich auf- zunehmen beabfichlig«. Da zwischen beiden Unternehmungen bereit» eine Jnteresiengemeinschaft besieht, so ist das Gerücht sehr wahr- scheinlich. Einzelheiten der Verschmelzung find noch nicht bekannt. Sicher Ist aber ein M i Iii o n e n g e w in n— und die bedauerliche Tatsache, daß ei» deutsches Berg wert in luxemburgischen(französchen) Be- sitz gerät, daß also deutsche Kohle dem deutschen Boll verloren geht. Am 1. März d. I. berichtet die Waggonfabrik A.-G. vorm. Busch in Bautzen , daß sie aus der letzten KopitalSerhöhung einen Betrog von 339 998 M. dem Reservefonds zugeführt hat. Nicht st euer Pflichtiger Groß kapital» gewin» rund 390 000 Mark. Diese Beispiele lassen sich fortlaufend und in jeder Weiie ver- mehre», wobei besonders bezeichnend' ist, daß trotz der schlechten und unklaren Wirtschaftslage die Geschäft« dieser Art, die in nor- malen Zeiten fich beträchtlich häuten, an der Tagesordnung find. Dt« Bestrebungen de» Berfosier« dieser Zeilen» dies« Gewinn� die zum Teil nur der Reichsstempelpflicht unterliegen, dmch eine besondere Staffelsteuer zu fassen und e» den Bftiengesellschaften und SutfichtSräten unmöglich zu machen, Steuerhinterziehungen in ver- kappler Form zu treiben, sind unter den lrüheren Regierungen, ebensowohl— wie unter der jetzigen Regierung trotz wiederholter Bemühungen achtlos beiseite geschoben worden. Der finanziellen KrtegSsübrung find Milliarden entgangen. Der Sozialisierung der Betriebe im Sinne einer Beteiligung der Arbeiter- schast am Reingewinn wird vorgebeugt.