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Zum Generalstreik
Am Montag früh find die Belegschaften sämtlicher Gruben der Braunkohlenbezirke Bitterfeld, Halle, Dberröblingen, Geifeltal, Weißenfels , Meuselwitz und Borna ohne jede Begründung zu geben in den Generalstreit eingetreten. Der Beschluß zum Generalstreit ist in einer Bergarbeiterversammlung in Halle am 23. Februar 1919 unter Vorsitz der Mitglieder des Bezirksbergarbeiterrates Roenen, Rausch und Peters gefaßt wreden. Vertreter aus Weißenfels , Beiß und Meuselwiß, die gegen den Streit sprachen, wurden niedergeschrien. Nach Mitteilung des unabhängigen Volksblattes vom 24. Februar trat Steiger Peters für die sofortige Erklärung des Generalstreiks ein.
Die Gründe des Streifs sind rein politischer Natur. Wie aus den Aeußerungen der verschiedenen Arbeiterausschüsse auf den Gruben hervorgeht, soll durch ihn ein Drud auf die Regierung dahin ausgeübt werden, daß sie die von dem Bezirks arbeiterrat gewünschten Betriebsräte nach Essener Muster anerkennt, daß die Sozialisierung sofort in Angriff genommen wird, und letzten Endes, daß die gegenwärtige Regierung einschließlich der National versammlung zurücktritt. Bon besonderem Interesse ist die Begründung, welche der Betriebsrat der Grube Elise I bei Möcheln schriftlich niedergelegt hat. Sie lautet:
Sofortige Anerkennung der Betriebsräte, Anerkennung der Räteregierung Bayern, sofortige Einführung auch bei uns. Beseitigung der Reichsregierung und der Nationalversammlung, Anerkennung der Räte auf politischen und wirtschaftlichen Interessen. Das sofortige Eingreifen soll geschehen durch den Vorfall in Bayern und den verschiedenen Verhaftungen, auch über solche in Halle betr. Genossen Ferchlandt, Leutnant. Fall Ferchlandt betrifft besonderes Interesse, da derselbige ein zweiseitiger iſt."
Der Streit um die Betriebsräte währt bereits seit Erlaß der Regierungsverordnung vom 18. Januar 1919. In ihr hat die Reichsregierung in weitgehendem Entgegenkommen den Arbeitern die Einrichtung von Arbeiter- und Angestelltenausschüssen nach dem allgemeinen, gleichen, geheimen und unmittelbaren Wahlrecht und nach den Regeln der Verhältniswahl zugesagt und die sofortige Wahl angeordnet. Der Hallesche Bezirksbergarbeiterrat, eine ohne Zutun der Bergarbeiter, lediglich offenbar aus persönlichem Ehrgeiz zustande gelommene ungefehliche Vereinigung politisch auf dem Boden der un abhängigen Sozialdemokratie stehender Männer, von denen die Hälfte überhaupt nie im Bergbau tätig war, hat sich mit dieser gesetzlichen Regelung nicht einverstanden erklärt, sondern eine aufreizende Propaganda unter den Belegschaften auf Einrichtung von Betriebsräten eröffnet, deren legtes Ziel die Sozialisierung von unten sein soll. Der Erfolg dieser Tätigkeit ist ber jezige Generalstreit, dessen Folgen nicht allein für die Industrie Mitteldeutschlands , sondern für die allgemeine deutsche Volkswirtschaft von unheilvollstem Einfluß sein wird.
Der Streit ist systematisch betrieben. Noch am Freitag, z. T. sogar noch am Sonnabend, ist auf den Gruben keinerlei Beunruhigung zu Tage getreten und selbst am Montag haben auf einer großen Reihe der Werke die Arbeiter erklärt, daß sie keine Veranlassung zum Streit hätten und mit ihren jezigen Arbeits- und Lohnbedingungen zufrieden wären, daß sie dagegen der Gewalt und der Drohung wichen.
Anscheinend sind neben den unabhängigen Führern Spartakusleute und mit russischem Gelde beftochene Elemente die treibenden Kräfte, die den größten Teil der Arbeiterschaft ganz gegen seinen Willen in diese Katastrophe zwingen.
Die Durchführung des Streits wird in rücksichtslosester Art, z. T. gegen die eigenen Intereffen der Arbeiter gehandhabt. Am Montag früh erklärten sich noch die Ausschüsse fast sämtlicher Gruben bereit, für die Kohlenversorgung der eigenen Nesselhäuser, Pumpen und Schwelereien einstehen zu wollen. Eine Bergarbeiterversammlung in Teuchern am Montag, ben 24., nachmittags, faßte jedoch den Beschluß, ohne Rücksicht auf die eintretenden Folgen, den Betrieb ganz ruhen zu lassen. In einer Versammlung in Hohenmölsen wurde vereinbart, die Schwelereien innerhalb 48 Stunden falt zu legen, obwohl eine so schnelle Abfeuerung die größte Gefahr für den baulichen Zustand der Anlagen zur Folge haben muß. Waffer. werke und elektrische Zentralen werden mit Kohle nicht mehr versorgt; auf einer Grube bei Halle ist durch den Arbeiter. ausschuß ausdrücklich betont, daß jeder Absatz an das Wasserwerk Halle mit Gewalt verhindert werden würde. Beamte die zur Aufrechterhaltung des Betriebes Kohle förderten, sind daran gehindert worden; aus Grube Emilie bei Tackau ist die Lichtleitung zum Tagebau durchschnitten worden. Beamte sind auch auf anderen Gruben am Betreten der Werke gehindert worden. Die Folge dieses Terrors ist der am 24. Februar nachmittags erklärte Generalstreit der Beamten, die damit zum Ausdruck bringen wollen, daß sie die ungefeßlichen Maßnahmen der Arbeiter nicht billigen.
Zu ihrem Bedanern sind die Leitungen der Betriebe dadurch außerstande, die Geschäfte weiterzuführen. Die lediglich aus politischen Gesichtspunkten betriebene Agitation einzelner ihrer Verantwortlichkeit in feiner Weise bewußten Personen hat also Mitteldeutschland in den wirtschaftlichen Abgrund getrieben. Bald werden Städte und Dörfer ohne Licht, ohne Wasser, ohne Kraft sein, Hunger und Elend werden in alle Kreise einziehen, der Haß unter den Bevölkerungsklassen wird aufs neue aufgepeitscht, unser Vaterland wirtschaftlich zugrunde gerichtet und das alles ohne jeden vernünftigen Grund.
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Es handelt sich um eine Machtfrage, die alle auf dem Boden der gegenwärtigen Regierung, der Ruhe und Ordnung stehenden Kreise zu einem geschlossenen Auftreten gegen die Unvernunft und Gewiffenlosigkeit zusammenschweißen muß. Die Bergwerksleitungen lehnen jedenfalls eine Verantwortung für die Ereignisse und Folgen ausdrücklich ab. Die Führer der Gewerkschaften stehen der Streitbewegung fern.
Hallescher Bergwerks- Verein.