Kr. 138 ♦ 38. Jahrgang
2. Seilage ües vorwärts
Sonntag, 18. März 1818
Groß�Berlm Beschwerden über die Ncgierungstruppe« find uns in erheblicher Änzabl Mgegangen. Zu Ihrem Abdruck fehl! uns der Raum� wir haben sie olle wie schon mitgeteilt, dem Kommando /;ur Untersuchung Lbermiitelt. Wenn die.Freiheit' da« gegen lrrscht, so weife jedermann, weshalb sie das tut: um die Schandtaten ihrer Freunde, von dem versuchten Kinder» und Kranken mord durch Was> er« und GaSab- sperrung bis w den Bestialitäten gegen einzelne Gesungene vergessen zu machen. Durch dieses elende Manöver, aus dem schioiternde Angst vor dem Volkszorn deutlich genug spricht, wrrd sich Grofe-Verlin nickt>rre machen lasien. Nachdem aber der Aufstand niederoeschlogen ist, fällt kllr uns das Bedenken r'ort. die Abwehr zu sckwäcken iind wir wollen daher weniastens in der Hanpisacke angeben, wessen die Regierungstruppeu in den an imS gerichteten Bne'en angeklagl werden: Grundlose Härie bei Abiperrungen! Herabreifeen von roien Kokarden: provorierendeS A»b llllen durck O'fizierposten sFiaiiiösri'cke Srrafee>: isicksickisloses Cckiefeen sofort nach dem Rus.Strafe?>re>!'..ehe mau sich enifernen kolinre: war» nungsloieS Beickiefeen von Häusern: tckäisste Unter» drückuiigsmofenabmen auch in bis dahin ganz ruhigen Gegenden; Be'chlaanabme von Privaieigeiilrim ohne Prii'ung als angeblich ge» stohleries Heeresuut. z. B. eigene Zeltbahnen der Firma Gebr. Pa?eal vorn Gesckä'tswagcn auf ostener Tirafee: Beunruhigung ganzer Sirafeen durch tage»»»» näcklelange» Geschlly» und Ge- wehrteuer wegen einzelner wirtlicher oder auch Nur vermeintlicher Dackichügen— mw. Manche der Beschwerdeführer haben wir bereit? daraus hin- gewiesen, dafe sie nichi wisten lönnen. ob nicht die Truppen be- schössen worden sind, ehe sie z» ieuern begannen Aber andererseits kann eme Grofeltadi nie>0 leer«ein wie ein modernes Scklochtsetd, der schnoddrig? Ton des alten PreufeenS dar« niemals wieder eingesllhrl werden und Häuserbeschiefeung ohne Warnung der Insassen ist über» hauvt nickt zu»echtferligsn. Ueber Haupt sollten die Truppen sich bewußt sein, daß, wen« sie die VevSlkrrung durch»erlehendes Anfiretrn verbittern, sie der Sache der Freihert und Ordnung schlechte Dienste erweisen. » Am Sonnobendvormiiiag gegen Ubr war in der Lehrter- strafe? zwischen der Sevdlitz- und Jnvolideniirafee eine Absperrung, durch die aber e-nrelue Soldaten durchgelasten wurden. Emern kranken Soldaten wurde d>es verwehrt, was er als.lachhaft' bereichnele. Dar ausbin erklärte ihn em Vizewackimeister für her» basret und bedrohte ihn, als er seiner Wege geben, wollte, unter Hinweis auf das S:a»drecht ll> mit Erschießen!„Wir haben schon andere Dinge gemacht I' fügte der Herr hmzu. Bant vor! Die Mordgesellen, welche durck Master» und Gas« sperren Kinder und Kranke elendem Zrigrundegehen auSzuleyen am Werte waren, dürie« nickl wieder au' kommen. Ihr Arbeiter der Waster» und Gaswerke, seid Euch bewufet, dafe Ihr ein öffentliches Ami bekleidet, dafe Eurer Pfl'chirreue und Eurem Menschentum die Gesundheit von vier Rillionen anvertraut stnd. Schliefet Euch zu» sammen zu einer Abwehr, die— wenn»S nötig sein sollte— jeden Terror schändlicher Verbrecher oder wahnwitziger Fanauker machtlos gerflattern macht I Funktionäre«nd Arbeiterräte der©. P. D. in den Staat». betrieben Spandan. Montag. 17. Möpz, nachmittags Uhr, Versammlung in der Aula des LhceumS, Spandau . Wer hat das Straasberger Viertel beschossen? Wir erhalten die Namen und Adressen von zwölf Lichtenberger Einwohnern, die bereit find, zu bezeugen, dafe sie mit eigenen Augen geieben haben, wie die Rebellen Minen na» dem SlrairS- be-ger Viertel und nach Fredrichsselde schössen. Weiter wiid be» kündet, dafe die nach dem.Schwarzen Adler' abgeführten Gefangenen mS Gesicht geipuckl und mit Gewehrkolben blutig geschlagen wurden. Ein Zuschauer, der dagegen Einspruch erhob, wurde schwer mifebandell. « Bom Baltenplatz wi-d im? geschrieben? Sonnabend vormittag kam ein Wogen mit 3 Soldaten angesahven. Den«inen Soldaten risien die Banditen vom Wagen und hieben th» mii dem Gewehr-
kolben über den Kopf. Der Soldat schrie und hob bittend die Hände. Da hoben sie ihn auf den Wagen und eine Bestie s ch 0 fe aus ihn mit dem Revolver, dafe er zusammensank. Noch einer schwang sich auf den Wagen, der in der Richtung Rigaer Strafee fuhr. Wenn wieder etwas in Sicht wa:, kamen sie alle wie Wegelagerer ange- schlichen und führten ihre Roheit aus, unter den Augen vieler Zu» schauer, die ihnen noch beistanden. Wollte jemand etwas sagen, hiefe es blofe:»Haut ihn.schlagtdenHundtotl' Rachmtttags zwischen 4 und 5 Uhr brachten sie einen Soldaten jagend vom Peters» burgcr Platz her. schon ohne Mütze, immer von hinten aus ihn ein- schlagend. Am Eingang Rigaer Strafe« k achte ein S ch u fe. Ge- troffen sank der Mann mitten aus das Pflaster. Und wie eS vom Balkon rief:.Pfui, Mörder!', wurde nach oben geschosten. Dann schleppten sie den Venvundsien in das Gebüsch des Baltenplatzes. Ein junger Mann mit Rote Kreuz-Fahne wollte ihn wegschaffen lassen, wurde aber du ch die Banditen daran gehindert. Am Sonntag. spatnachmiltag wurde ein Soldat erst an der einen Ecke mit Ohr» feigen traktiert, an der nächsten Ecke zog der Pöbel über ihn her und trat ihm daS Gehirn zum Kopf heraus. Dann brachten ihn drei Mann in die Rigaer Strafee und dort wurde noch auf chn geschossen. Am Dienstag stellten sie überall Maschinen- gewehre hin und knallten was daS Zeug hielt. Am Mittwoch kamen die Regiernngstruppen und wir atmeten erleichte t auf. Von den Banditen war nichts mehr zu sehen. Sobald sie Rauch riechen, ver- duften sie sich: sie sind nur stark gegen einzelne wehrlose Menschen! R. S. W., Seidenblusen und sonst was. Wir hoben bereits eine Richtigstellung der von einer Korr«- spondenz verbreiteten Notiz gebracht, wonach in dem R. S-W.- Depot Hannoversche Strafee verdächtige Seidenblusen gefunden worden seien. Nun schreibt uns ein Genosse von der R. S.-W.t Der Wach« des Stettiner Bahnhofs war gemeldet worden, dafe in einem nahe gelegenen Geschäft gestohlen werde. Als 4 Mann der R. S.-W. dort eintrafen, flohen die Diebe unter Hinterlassung von 4 Kartons. Diese würben nach dem Depot ll gebracht und dem Depotführer abgegeben. Am l3. d. M. erklärte der Depot- führer. dafe etwa bü Blusen durch Reinhardsolldotcn entivendei worden seien, die übrigen sind dem Eigentümer zugestellt worden. Am Tag« nach der Besetzung des Depots waren sämtliche Spinden in den Stuben erbrochen und Ausrüstungsgegenständ« sowie per- sönlickeS Eigentum fehlten. Die Spinden waren zum Teil von den Wänden gerissen._ Die Dachschnhe«. Eine in weften Keifen geachtete Persönlichkeit schreibt unS aus Lichtenberg: sich Hab? von meinem Balkon und dem Turm unseres Daches nach Osten, Mainzer , Crossener, Grünberger, Baebagener, Gärtnerstrafee usw. 25 Maschinengewehre gezählt auf Dächern und zirka 4k> Gewehre. Diese haben Tag und Nacht gearbeitet. Eine grössere Anzahl Passanten und Kinder sind dieser Schiefee- rei zum Opfer gefallen. Nock kurz vor der Besetzung wurde ein Mann auf dem Balkon in der Gabriel-Map-Strafee getroffen, ebenso Kinder Sowie die Regierungssoldaten kamen, verstummten die.mutigen' Dachschützen, ich sah noch einen in der Dachluke ver- schwinden als die Regierungssoldaien schon auf der Suche waren. Die Mannschaften haben leider nicht dort gesucht, wo die Lümmel sich versteckt hielten. Die Frage nach Waffen wurde einfach ver- n e i n t. damit war die Durchsuchung zu Ende. Meine Schwiegertochter und meine Söhne haben mit angesehen, wie Regierungssoldaten mifehandelt, totgeschossen und dann noch auf den Leichen herumgetrampelt wurde. Das weibliche Geschlecht hat sich daran besonders beteiligt. An einem Tag« kam ich zu Fuss durch die Rominiener über die Wa'schaner Strasse. Die Sparta - listen standen an der Ecke der letzteren nebst den nötigen Anfeuerern. Da geschossen wurde, überlegte ich. ob ich hrnüberspringen oder warten solle. Da sagte ein junger Soldat, dafe die Mehrzahl der Spartakisten kerne Arbeiter seien und was denn diese Scknefeeret solle. Schon s ch l ug ihn ein Mann über den Kopf, Frauen zerr- ten und schugen ibn und zum Unglück lief er blutend und schreiend weg, dann sandten die Spartakisten ihm zwei Kugeln nach! Während ich die? Vorstehen-de schreibe, ist ein Regierungssoldat von einem Dackschntzen in der Boxhagener Strafe- erschossen worden. Ich sah ferner, wie ein Auto mit zwei Offizieren von lsi— 15 Mann beschossen wurde. Bon vielen Seiten wtrd daS ausserordentlich anständige loha le Auftrete» der Truppe» gelobt. Dies zur Steuer der Wahrheit. Neber die Rbsperruni, des Edenhoteks nsw. schreibt uns der Kommandant der' Außenwachen, Houpimann Goebel: Diese Massnahmen dienten ausschiiefelich dem ungestörten
I Arbeiten der Zentralleirung der Regiernngstruppen zum der friedlichen Bevölkerung Grofe Berlins . Wie schwer aber wurde den Posten und Wachen der mühsame Absperrungsdienst gemacht. Selbswerstä-ndlich bringen derartige Mafenahmen Unbequemiich- leiten und Härten gegen einzelne Personen mit sich und ich leugne auch nicht, dafe verschiedene Versehen und Ungerechtigkeiten vor- gekommen sind, die ober stets sofort zu ändern versucht wurden. Die Soldaten sind eben keine ausgebildeten, erfahrenen Polizei» beamten. Doch gerade in den meisten Fällen wurden den Posten Schwierigkeiten in ihrem Dienst gemacht von Personen, die wirk- lich einen kleinen Umweg ruhig machen konnten, von Personen, die auf dem Heimweg von Vergnügungen sich befanden, oder zu solchen gehen wollten. In verschiedenen Fällen wurden die Posten, welche doch nur die erhaltenen Befehle auskühlten, in gröblichster Weise iesch impft oder die militärischen Mafenahmen, die doch letzten Endes nur zum Schutz der Bevölkerung angeordnet waren, lächerlich gemacht. Sogar Angst und Feigheit wurde als Grund für die Absperrung bezeichnet und zwar von Leuten, � die in ihrem Leben keine Kugel haben pfeifen hören. Solches Verhalten des Publikums mufe aber Leute, die sich nach 4 Jahren an der Front wieder mit Leib und Leben freiwillig zum Schutze von Ordnung und Freiheit melden, verbsitern. Daher ist I wohl auch der Ruf„Mehr Rücksicht auf die ausführenden Militär» Personen bei Absperrmafenahmen' an das P ublikum berechtigt. VerkehrSelend in Berlin ßl. Man schreibt uns: Zu einem öffentlichen AergernrS. daneben aber auch zu einer nicht zu unterschätzenden Gefahr wachsen sich die Zustände aus, unter denen die Bewohner der Schönhauser Bürstadt zurzeit ihre Arbeitsstellen erreichen müssen. Aus den bekannien Plakaten kann man in Riesenlettern lesen, dafe nur Arbeit urrd wieder Arbeit uns vor dem Untergänge retten könne. Den etwa 200 000 Einwohner der nördlichen Schönhauser Vor- stadi und der angrenzenden Vororte, die. soweit sie eine gewerbliche Tätigkeit ausüben, zum übergrofeen Teil weitentsernie Arbeits» stellen haben, scheint man mit Gewalt die Arbeitsfreudigkeit aus- t r e i'b e n zu wollen. Für sie ist der H 0 ch b a h n v e r k e h r e i n g e st e l l t. für sie fahren keine Strafeenbahnen, für sie ist der Verkehr auf dem Verbinder gesperrt. Da- bei fährt die Hochbahn mit Leerzügen bis zur Endstation Nord- ring. Tie Strafeeribahn fuhr dort am ersten Tage nach Beendigung des Generalstreiks in der Schönhauser Allee bis Nordend als Test- streck« und der Vollringverkehr war ebenfalls eine zeistang auf- genommen worden. Seit zwei Tagen aber sieht es so aus, als ob wir uns wieder mitten im schönsten Generalstreik befänden. Man kann zwar nicht fahren, dafür aber darf man ein Stacheldraht- verhau am Bahnhof Schönhauser Allee passieren— das heifet, wenn man einen Ausweis hat. Auf unseren, im Regen besonders sehr angenehmen alltäglichen Wanderungen in das Innere der Stadt — vorher gestärkt durch eine fette Marmeladenstullc und Kaffee» ersatzbrühe— haben wir von durchaus nicht sparwkistisch gesinnten Leidensgenossen Aeufeerungen gehört, die es ratsam erscheinen lassen, schleunigst für Abhilfe zu sorgen. Sonst glaubt schliefelich kein Mensch mehr noch so riesenhaften Lettern, dafe nur Arbeit und wieder Arbeit uns retten kann. Tie Arbeiter- Samariter. Zkolonne hat sofort bei Beginn der Unruhen im und um das Vokizel» Präsidium Wachen errichtet. Die Station im Präsidium arbeitet« st bechaf». um Angrei'eri,. Verteidigern sowie Zivilpersonen ,u Helfen. Nackdem die Kämpfe um daS Präsidium eni'chieden wa»en, ,og auch die Station mitten WS Kompfgelände nach der Frank- furter Strosse 50/51. ES war aber bald notwendig, diese Stottoq weiter vorzulegen, und so kamen drei neue Berbandstellen in.tot, Frankkurter Allee 1 und 815 sowie 237 Hinzu. Zum Schluss wurde nock Scharnweberstr. LS für Lichtenberg eine Station eröffnet. Diele Station belorate den Transport von Verwundelen oflmnlS mit der Bahn nach dem Krankenhaus, da Fuhrwerke n'chl ,u be« schaffen waren. ES ist voraekommen. dass Sanitäter, die 7— 8 Nächte auf den Beinen waren. vorUeberanstrengung zusammen» brachen. Allein von einem zurzeit auf Urlaub weilenden Ge- nassen der Kolonne, welcher einige dieser Stationen führte, sind nicht weniger als 123 Fälle behandelt woiden. Verhaftungen. Der.Abend' meldet folgende Verhaftungen angeblicher U. S. P.-Msiglieder; wir können nicht nachprüfen, ob dir Nach» richten zutreffen: In Rahnsdorf und Friedrich shaqen Buchner und Wildbredt. die Waffen an ihre Gesinnungsgenossen. lowie an Kommunisten und deren Anhang verietli und z�
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E» lag in LarS Peters Natur, da znzugreifen. wo andre losließen. All das Unglück, das er gehabt, hatte ihn weich gemocht, anstatt ihn abzuhärten: sein Sinn beiigte sich unwillkürlich nach dem Versäumten hin. Vielleicht war der Umstand, dafe er sich des Mißratenen annahm, schuld daran, dafe andere meinten, ihm mißriete olles. Sein Stück Land war ein sandiger, schwer zu bearbeitender Flecken Erde , in den sonst niemand den Pflug setzen wollte: um seine Frau beneidete ihn niemand auf der Welt, und das Pieh auf seinem Besitztum bestand zum großen Teil aus Wesen, die er auf seinen Fahrten zu den Höfen davor be- wahrt hatte, totgeschlagen zu werden. Aber er konnte eS sich leisten, über das. was lein eigen war. glücklich zu sein, und er schätzte eS höber als alles. waS andere besaßen und hatten. Er beneidete niemanden, wollte mit niemandem tauschen. Am Sonntag sollte der große Klaus seine Nuhe haben; und es ging auch nicht an, an diesem Tage unterwegs zu sein und zu feilschen. Dann kletterte Lars Peter ans den Heuboden und legte sich dort zur Ruhe. Im Laufe der Woche bekam er zu wenig Schlaf: st. schlief er den« am Sonn- tag gern bis in den Nachmittag hinein, und Stine hatte ihre Mühe damit die kleineren Geschwister von der Scheune fernzuhalten: sie streiften draußen herum und lärmten von ungefähr, in der Hoffnung, er werde a»fwachen und mit ihnen spielen. Aber Stine war eifrig darauf bedacht, daß er ausschlafen konnte. Zweimal im Jahre fuhren olle auf einer bunten Fuhre zum Markte nach Hilleröd. Die Kleinen wurden hinten im Wagen in den Weidenkörben untergebracht, über die Seiten de? Wagens hinaus hingen die Reisigbesen in großen Bün- dein, unterm Sitz standen Körbe mit Butter und Eiern, und vorne— unter den Füßen von Lars und Sörine— lagen ein naar �»sammengcbiindene Schafe. Das waren die großen Festtage im Jahr, nach ihnK, berechnete man die Zeit. lS Das arme G r 0 ß ü e n. Ganz selten bekam Stine die Erlaubnis zur Großmutter hinüberzugehen und einige Tage bei ihr zu bleiben. Der
Vater sorgte dafür, und er richtete seine Fahrten so ein, daß er sie entweder holen oder hinbringen konnte. Großchen lag immer zu Bett, wenn sie kam— und wollte auch nicht mehr aufstehen.„Wozu soll ich wohl her- »mstolpern. jetzt, wo ich dich nicht mehr Habel Wenn ich im Bett liege, dann erinnern sich gute Menschen meiner, bringen mir etwas zu essen und machen ein bißchen bei mir rein.— Ach ja. das beste wäre, man stürbe, man ist überflüssig.' klagte sie. Aber sie stand doch aus und setzte Kaffeewasser aufs Feuer; Stine brachte die Stube, die in einer traurigen Verfassung war. in Ordnung; und sie machten es sich zu- sammen gemütlich. Wenn die Frist verstrichen Niar und Stine wieder fort mußte, dann weinte die Alte. Stine stand drattßen an der Hausecke und hörte ste klagen. Sie preßte die Hand gegen den Pfosten und versuchte, sich zusammenzunehmen. Nach Hause mußte sie. und wenn sie sich nun einen richtigen Stoß gab und ins Rennen kam. und wenn sie dann mit geschlosse- nen Augen das erste Stück lief, dann—. Aber es wurde ihr immer welier ums Herz; und ehe sie wußte, wie es zu- ging, war sie wieder drinnen und hatte die Arme um den Hals der Großmutter geschlungen.„Ich darf bis morgen bleiben," sagte sie. „Du hälft mich doch Wohl nicht zum besten, Kind?" sagte die Alte ängstlich.„Denn dann wirb Sörine gewiß böse werden.— Ja. ja." sagte sie kurz darauf,„dann bleib bis morgen. Der liebe Gott wird es schon in Ordnung brin- gen für dich— deines guten Herzens wegen. Wir sehen uns nichK zu oft. wir zwei." Am nächsten Tage ging es nicht bester: Maren hatte nicht die Kraft, das Kind wegzuschicken. In ihr war so viele», das sich Luft machen wollte. WaS bedeutete wohl ein Tag. wenn sich monatelange Leiden und Entbehrungen angehäuft hatten I Und Stine hörte sie ernst an; jetzt ver- stand ste, was Kummer und Entbehrung war.„Du bist drüben eine andere geworden," sagte die Großmutter— „ich merke es an der Art. wie du zuhörst. Wenn die Zeit nur etwas schnell für dich herumgehen möchte, damit du aus dem Hause kommen und einen Dienst annehmen kannst." Und dann war es eine» Tages vorbei: Lars Peter hielt draußen mit dem Wogen.„Nun mußt du wohl nach Hause kommen," sagte er und packte sie ein.„Die Kleinen weinen noch dir." .�la. vor dir bat man keine Furcht" lagt» die alte Maren.„Abel Törin« könnte gewiß freundlicher zu ihr lein."
„Ich glaube, es geht jetzt besser— und die Kleinen haben sie so gern. Sie ist ein richtiges Mütterchen für sie geworden." Ja, die kleinen Teschwisterl Bei dem Tedanken an sie wurde Stine ganz weh ums Herz. Die hatten ihre eigene Art gehabt, sich ihrer zu bemächtigen: indem sie ihr das Da- sein beschwerlich und mühselig machten, hatten sie sich in ihr Inneres eingeschlossen. „Wie geht es Paul?" fragte sie, als der Wagen über den Hügel weg war und sie Großmutters Hütte nicht mehr sehen konnte. „Ja. du weißt wohl, er weint viel, wenn du nicht zu Hause bist." sagte der Vater still. Stine wußte es. Er zahnte gerade, seine Wangen waren rot vom Fieber, und der Mund war inwendig dick und heiß. Dann hängte er sich der Mutter an die Röcke, wurde beiseite gedrängt»nd stieß sich. Wer mußte ihn dann auf den Sckwß nehmen und ihm gut zureden? Wie eine Anklage setzte es sich in dem allzu geräumigen Herzen deS Kindes fest: sie bereute, daß sie ihn allein gelassen hatte, und wurde still vor Sehnsucht danach, ihn wieder auf ihrem Schoß zu haben. Der Rücken tat ihr weh, wenn sie ihn trug— und der Lehrer schalt, weil sie nicht gerade sitzen konnte.„Es ist deine eigene Schuld." sagre die Mutler dann—„schlepp doch das große Kind nicht herum! Er kann ans seinen Beinen laufen, ganz gewiß!" Aber wenn er nun weinte»nd Schmerzen hatte! Stine kannte allzu gut von sich selbst den Drang des Kindes, sich einem klopfenden Herzen nahe zu fühlen. Sie hatte noch immer Spuren dieses Dranges in sich, obwohl sie es im Mutterleibe nicht allzu gut gehabt hatte. Sörine war böse, wenn Lar» Peter mit Stine znrück« kam.«nd sah mehrere Tage nicht nach der Seite hin. w», Stine sich aufhielt. Aber dann siegte die Neugier.„Wie siebt es mit der Wen— ist eS schlechter geworden?" fragte sie. Stine. die davon ausging, daß die Mutter aus Mit- testibl fragte, erzählte aussi'ibrlich. wie elend eS mit der lroßmiitter stebe:..Sie liegt immer z» Bett und bekommt mir etwas zu essen, wenn jemand nach ihr sieht und etwas mitbringt." „Dann wird sie Wohl nicht mehr lange leben." meinte die Mutter. (Forts, folgt)