LruMn am 5.?ugust gsnnger geKorden— nicht nur bei den Solbütsn. sondern, wie die Oberste Heeresleitung selber zu ihrem Schrecken erfuhr, auch bei' den Offizieren bis zum Divisions- fommandeur hinauf. Das war aber zum größten Teil wiederum nur die Wirkung jener ersten Niederlag«. Die deutsche Offensive 1916 war das letzte Aufbäumen des deutschen Widerstandes überhaupt. Kam dieser Widerstand einmal in dos geringste Wanken, dann war nichts mehr zu retten. Diese Mei- mmg wurde seit langem an der Westfront von hohen und höchsten Kommandostelleu geteilt. Innere Widerstände, ja Meutereien hat es in allen Armeen, auch in der deutschen, tmnnrr gegeben. Sie nahmen uberall zu, je länger der Krieg dauerte. Es hat auch Bestrebungen gegeben. von gewissen Stellen der Heimat und vom Feinde aus die Dis- ziplin doc Truppest zu erschüttern. All das aber drang nichtdurch.solangederSiegdenSoldatenbal- digen Frieden versprach. Erst als die mit allen Aus- lkärungSuiitteln im Heere genährte Siegeshoffnung an den Tatsachen der Nieder l a g e keinen Rückhalt mehr hatte. erst da begann die Propaganda des Feindes, die Propaganda der Heimat, wenn es eine solche gegeben hat. zu wirken. Nicht die böse Stimmung der hungernden Heimat, nicht die Millionen Rorthelifsescher Flugblätter haben das Heer verdorben: Sondern der strategische Zusammenbruch hat die Seele des deutschen Heeres so zermürbt, daß sie jeder subversiven Bearbeitung lkuümmgslos preisgegeben war. Diese Zuiommenhänge waren jedem klar, der die Dinge miterlebte.— wenn er sie auch öffentlich nicht schreiben durfte. Wer anstatt sie wenigstens heute, wo es keine Zensur und keine Rückficht auf eine feindliche Heeresleitung mehr gibt, so klar einzugestehen, wie sie sich jedem unparteiischen Betrachter dar- bieten, wetteifern seit dem 8. August gewisse Kreise in dem zügellosen Bestreben, die Verantwortlichkeiten für den Zusammenbruch total zu verschieben. Schon am 9. August wurde von der Obersten Heeresleitung die Parole ausgegeben, daß an der Niederlage des vorhergehenden Tages einzig die schlechte Disziplin der Truppe schuld sei. Diese Parole wurde von der deutschen Presse nicht be� folgt. Nur einige rechtsstehende deutsche Zeitungen griffen sie schon damals auf. Nichts hat in der Folge die schwer ringenden deutschen Verbände so aufgebracht, wie dieser Versuch, ihnen selber die Schuld aufzubürden für etwas, das. wie sie dumpf aber richtig ahnten, tn erster Linie von der Führung zu verant- warten war. ES ist nicht jedermanns Sache, stch an der jetzt in: Volke grassierenden Suche nach dem„Verräter" zu beteiligen. Aber die Hetze der rechtsstehenden Presse gegen die gerade in den letzten Monaten des Westkrieges übermenschlichen Leistungen der deutschen Soldaten auch da, wo sie weichen mußten— die Geschichtsklittörung derjenigen, die die Oberste Heeresleitung alauven auch da verteidigen zu müssen, wo sie gänzlich falsch beraten war— der bedauernswerte Versuch General Ludeildorffs selber endlich, diese für das künstig? deutsche Nationalbewußtsein gefährliche Legende mit seinem trotz aller volitischen Fehler doch groß bleibenden Namen zu decken, zwingt jeden, der den Dingen nahestand, das Schweigen zu brechen. Ich fasse zusammen: die Niederlage im Westen begann mit der Niederlage beiderseits Reims . Diese war eine reine Nieder- läge der Obersten Heeresleitung. Indem diese Niederlage alle Friedens- und Siegcshoffnungen zerbrach, hat sie die Westfront auch moralisch ins Wanken gebracht. Alle späteren Niederbogen hängen operativ und psnchologisch mit der Iuli-Niederlage zu- lammen und letzten EndeS von ihr ab. Der Versuch, die Dis- ziplmlosigkeiteoo am 8. August als den entscheidenden Anfang des deutschen Zusammenbruchs hinzustellen, ist daher willkürlich und legt den bösen Vcrdachr nahe, daß man die eigene S ch u ldvonsichauf andereabwälzen will. Ttirnning schwer erkrankt. Wie au« Kopenvagen gemeldet wird. ist Mmister Genosse Stauninz schwer erkrankt, er leidet an Gehirnblutungen.
Der Hungertod. Wirkungen der Blockade auf die Sterblichkeit. Um zu erkennen, wie die Blockade die Zahl der Slerbefälle in den einzelne» Altersstufen beeinflußt hat, wird in der nachstehenden Aufstellung die durch die Blockade derursacbte Ber- mebrung der Sterbefäll« de» Jahre» l öl? nach«inigen Alterostufen gegliedert und zugleich aufueslihrt, wirviel vom Hund- dert der Steibe'älle des Friedentjahre» 1013 diese Vermehrung in jeder AlteUstufe ausmacht. Altec» stufe
Säuglinge und Kinder
s 0- 1 Jahr.. { 1- 5 Jahr«.. I 5—15...
Männliche Er- wacbsene tnnr Zivilisten) Weibliche Er- wachsen«
15-48 4a—«o. 60—7 0„ 70u mehr„ 15-30. 30-60, 60-70. 70 u.mehr» Der Einfluß der Blockade auf die Zahl der Sterbefälle der unter ein Jahr alten K'uder ist dank der großen Sorofalt. die aus die Ernährung der Säuglinge und den Schutz der Müiter Verwender worden ist, nur gering, die Erhöhung der Zahl der Srerbefälle be- trägt nur 2,4%. Dagegen ist der Einfluß der Blockade auf die Sterbesälle der Kinder von 1 bis 5 und von 5 bis 15 Jahren sehr groß, die Erhöhung beträgt bei den 5 bis 15 Jahre alten Kindern 53% der Sterbesälle im Frieden. Bon dieier Altersstufe an nimmt der Einfluß der Blockade bei dem männlichen Geschlecht br» zur Altersklasse von 48 bis 60 Jabren ab, um dann im bo'beren Alter wieder anzusteigen. Bei dem weiblichen Geschlecht nimmt der Ein- fluß der Blockade von dem Höchstmaß in der Altersstufe von 5 bis 15 Jabren bis zum Alter von 70 Jahren ab, um dann in der höchsten Altersstufe dieselbe Höhe wie beim männlichen Geschlecht zu erreichen. Die BolkSgeiundbeit bat also außer im KnideSalier von l b>S 15 Jabren auch im erwerbstätigen Alter von 15 bi» 60 Jahren bei beiden Geschlechtern recht erheblichen Schaden er- litten._ partekausschuß in Weimar . Gemeinsame Beratung mit der Fraktion. Weimar , 22. März.(Eig. Drahiberickt de«.Vorwärts'.) Der ParteiauSswutz und die Fraktion vereinigten sich heute nachmittag � Uhr zu einer Ausspräche über die küniligen Aufgaben der Partei. Vom Partrivorstand sprach zuerst Genosse Hermann Müller über die politische Laar und die Aufgaben der Partei. Er be- bandelt« in seinem zweistündigen Vortrag« all« Erscheinungen. die seit dem 9. November in Deutichland aufgetaucht find. schilderte den verlauf der Revolution, den Gang der Parteibewegung und ma»te Vorschläge, wie da« Organisation«- wesen unserer Partei sich gestalten müsse, damit wir in der Lage find, all die Aufgaben, die unser harren, bewältigen zu können. Insbesondere betonte er die Notwendigkeit, den Nach- wuchs für alle Patteistellen kräftig zu fördern. Müller berührte die Einigungsfrage, die Stellung der Sozialdemokratie zu den Albeiterräten, die Haltung der Sozialdemokrat'« in der Koalition»- regierung. Scharf wie« er die gebä'fige Kritit an der Naiionglvsrsammlung zurück, wie z. B. im Capua-Aitikel de»«.Berliner TageblatleS' geübt wird. Auch die Noiiz de«, Vorwärts' über das angebliche Schwänzen von Ab« geordn-ten in Weimar wird der Socke nickt gerecht. Wenn e» in Oberschlefien. im Ruhrrevi-r oder in Boyern brenne, müßten eben die Abgeordnelen dorthin fahren. Hermann Müller er- örterte dann die Gründe die bei den jüngsten Kommunalwahlen zu einem Stimmon'ückgang gefühlt hoben. Besondere Trag- weite kann er dieser Er'ckeiuung nickt beimessen. Einen
Parteitag hält er gegenwärtig noch skr verfrüht, zumal vor den Neuwahlen im Herbst ohnedies est» Parteitag staltfinden muß. Wichtiger sei jetzt die Auffüllung der Bezirks- und OrtSleitungen in den Paneiorgan'ialionen. Hermann Müller kündigt an, daß der 1. Mai zu einer großen Heerickau der Parte» ausgestciliet werden soll«. Zum Sckluß er- stallet er eingehend Bericht über die Berner Konferenz. Genofi» Braun sprach über die Brei seundüberNeugründunaen. Er führt» aus, daß uns im Laufe de» Kriege» durch den Druck der Berhällniiie ein schwerer Rückschlag in der Leserzabl der Parrei« presse gekommen fei. Gegen Ende de» Krieges bade fick dieser wieder ausgeglichen und mit dem Beginn der Revolution ier er« sprunghafter Auf stieg, über den Rahmen alle» bisher ge- kannien eriolgr. E» sei noiioendig. die groß« Masse'der Wähler, die bei der Wahl unsere Stimmzettel abgegeben bade, nun auch durch die Presse zu«rsasieii und sie im'ozialissticken Sinne zu festigen. Er machte detaillierte Vorschläge, wie man die Aus» gestallung der Parieipresse vornehmen ioll«. liebet die Organisation sprach Genosse Bartels. Der Inhalt keines Vorirages war in der Hauptsache vertraulicher Natur. Morgen 0 Uhr tritt die Beriammlung erneut zusammen, um die Aussprache über die Referate vorzunehmen. Sie weiß von nicktsl Die„Freiheit" schreibt am Freitag: Seit einigen Tagen gebt in der Presse das Gerücht um, für Ende März sei ein Massenstreik geplant. Je nach der Phantasie der betreffemden Schreiber ist es bald ein Generalstreik in Berlin oder in Sachsen oder gar in ganz Deutschland , der bevorsteht. Wir wollen dazu nur sagen, daß uns von all dem nichts bekannt ist und wir zu wissen glauben, daß nrr- gendS solche Absichten bestehen. Zu derselben Zeit werden in Berlin massenhaft Fing- blätter verbreitet, unterezichnet von der Zentrale der kommunistischen Partei Deutschlands (Spar- takusbund), in denen fettgedruckt zu lesen ist: Auf zum neue« Generalstreik! Wir rufen die Brüder und Klassengenosssn i« ganze« Reiche dazu auf. Aber der„Freiheit" ist von alledem„gar nichts bekannt", sie beteuert,„daß nirgends derartige Absichten bestehen. Wer es dennoch behauptet, ist ein Phantast und Regierunslsreptil". Das ist die typische Methode, wie die Unabhängigen den Spartakisten Handlangerdienste leisten.
Streikbewegungen in Westfalen . LuS Essen wird gemeldet: Di« Beleg'chafien der staatlicherr Zecken Scholven und Walirov lind wieder vollzählig angefahren. Auf den Zechen Präsident und Karolinenglück befinden sich 3240 Mann im AliSiland Durch denSlreik auf Karolinenglück drobt 10000 Ai beitern de» Bochumer Verein », der von dort seinen Kok» bezieht. AtbeilSlosigleii. Tiotzoem beschloß die BelegschaiiSoersammlung ein» stimmig, bi» zur Hafrenilaslung de« Vertrauensmannes Zimmer- mann weiter zu st r x i k e n. In Dortmund haben die Arbeiter de« Eisen-«nb Stahlwerks.Union ', mit Ausnahme der an den Hockö'en beschäftigten, wegen Lobndifferenzen die Arbeit niedergelegt. ES finden Berhandlungen zwischen dem Werk und den verbände» stall.
Strafantrag Peerfelde«. Hauptmann v. Beerfelde. hat gägtn die Zeitung, die ihn zuerst als militärischen Leiter der Sparta - listenunruhcn in Lichtenberg bezeichnete, die Beleidigungsklage angestrengt. Ebenso ist mirch seinen RechtSbesstand gegen dre Personen. die ihn als Anhänger der BoUchswistcn mit gewaltige« Summen zu bestechen suchten, sei es, um ihn tatsächlich für sich zu gewinnest oder in den Verdacht des BalschewiSmut zu. bringen, Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet worden.
„Eine tzeirat*. Volksbühne. Wir können jetzt alle als Gegengabe gegen den schweren Druck de« Leben» einen Soiilienbl'ck Fröhlichleit gebrauchen. E» ist darum nur zu billigen, wenn die Volksbühne uns das befreiend« Lacken wieder lehren will, anf daß wir olle Bitternisse am ein paar Theaterstunden vergrssen. Gu: ist cS auch, daß sie nock ein all» erprobies HeiterleitSmittel verschreipt, das unsere noch schwärenden Wunden nicht reizt. Gogols.HeiratSgeickichje', wie sie wörtlich beißt, ist in Deutsch - land bisher kaumbelannt gelveien. sie stand im Schatten seiner satirischen Komödie.Ein Revisor', die zur Wekiliteralur gehört. Denn die.ringe- wohnliche Begebenheit' nun auch in ihrer iozial-n Bedeutung keinesfalls an die große russische KorruprioiiSkoinödie heranreicht, so ist sie dock auS derselben Lust, lächerliche Gestalten und Charakter« zu ersinnen und sie in die lächerlichsten Siluationen zu versetzen, entstanden, dre Gogol sich selber nachrühmt. Sie zeugt von dein gleichen Ta- lent, mit einigen Strichen originelle Menicken hinzustellen, eine lebendig« Sitienichilderung echtrusstscheu KoloriiS zu geben und Menschen und Milieu vorzuführen und lonr.ich zu drapieren. Hinter ollem Lacken aber ipürt man ganz unauSgeiprocken. aber doch auf dem Grunde liegend: das Mitleid des eckten Humoristen. Em ausgepickter alter Junggeielle— Bodtoljesfin—. Beamter in einem Ministerium, den graue Haare und tiefe sisalien niahne», feln HauS zu bestellen, beschließt zu heiraten(vielleicht konnie er ei in ierner Jugend bei schlechtem Einkommen nick». Schüchtern und weltunerfahren, wie er ist— darin Gogols Ebenbild— nimmt er «ine Heiratsvermittlerin zur Hilfe. Und damit ist der dauernde Anlaß zu den komische» Siiualionen gegeben. Bei aller slockrnisi- schen Ausprägung ist diese F-gur uns dock durchaus vertraut. Als Sckadchen und Schmuser ist sie bei Jud und Christ bekannt; sie ist in der osteuiopäiicken jüdi'cken ww in der bodeuständiaen bayerisch-österreichi- Icken Literatur ein ständiger Typus. Ludwig Tstoma hat sie in seiner .Heirat' auf« köstlichste porträtiert. Geschioätzig. gerissen»nd dock für sich einnehmend, ist sie M Gogol der lebendige Miiietvunkt der Hand- lung: sie wirbelt dl« HeiraiStandidaten durckeniander und ilifiet die belustigenden Verwirrungen an. Das Mädchen, da« verkurpell werden soll, ist die richiige beschränltf Bürgert wt» er. ein« vermögende Waiie, die hock hinaus will. Der arme Chekandidat stellt sich, von einem energischen Freund geschoben, zusmnmeu mit drei anderen Freiern vor— alle uuier einen! nichtigen Vorwand. Ter brutale geldgierige Herr.Spiegelei', der reuonlmitrende Leutnant, sie sind oorlrefflich karikiert. Au» dein Durch- und Gegeneinanher der Bewerber entwickeln sich komiicke Situationen. Di» HeiraiSverinimerin wie der Freund wissen e» durck allerlei ulkige Intrigen zu schieben. daß ihr Kandidat— obwohl wider« strebend und retimrend— die andern aussticht. Er wie sie be- ginnen sich zu gefallen; unser Beamter durchkostet in einem Monolog bereit» die Wirren der künftigen Ehe: da befällt ibn plötzlich eine heillose Angst vor dem Ungewohnten: Er svringt au» dem Fenster und rettet' sich i» eine Droschke. Die Braut findet daö Nest leer. Alle« war umi'onstl Die Geprellten habe» da» Nachleben und den Lerger. der fich in Schimpfen entlädt. Die PokkSbühnenaufführung gab der Avmödi» alle», wa» ihr gebührt, aber darüber hinaus wurde sie auch dem russischen Dichter gevnWtz der ei» tief« Seelerckeuner und ei» Enthüll« des Mensch.
lichen ist. Tie Inszenierung hatte resolut auS dem Realisti. schen in» Stilisierr-imaginär« gesteigert. Da» Zimmer deS Junggesellen kam dabei zu kurz, aber der Salon der Heiratslandftatin gewann an szenischer Wirkung. Die Personen waren in der MaSle ms Karikaturhafte gehoben: sie schienen aus DaumierS Mappe zu stammen. Welch grotesk« Mitgistjäger V j a h I- N a chb a u r), oder der platonische Schwärmer(Harry Berber )! Mit feinem Humor stattete Guido Herzfeld de-; heiratslustigen Junggesellen auS: e» war eine feine Cbaraiurzeichnung. Seine Furcht vor dem zupackenden Leben hatte einen Stich ins Tragische. Um so drauf- «ingerischer gestallt« I. Sachs den Freund, den Ämateurtuppler. Als gezierte Gans mit einem Porzellanköpfchen in Blond und Rosa hatve Lucie Mannheim köstliche Wirkung. Di« Heirats» Vermittlerin(Marg. Albrecht) war eine derbe, urwüchsige Figur, die schon in der Erscheinung(in Schute und Umlegetuch) komisch wirkte. E» ist das Verdienst der Bolksbühn«, übe? die szenischen Wir» kungen hinaus dem Dichter dienen zu wollen. Wie Shakespeare „Maß für Muß" hat sie nun auch Gogols Komödie ein ganz neue» Gesicht gegeben: über all« Drastik und Komik hinaus den Eindruck, daß hinter allen ulkigen Verrenkungen beim wahren Dichter immer das Menschliche hervorleuchtet.—-.
Karl Sanüs Tat. Wenn Reokiionen, mit Blindheit geschlagen, Völkern den Weg zur Freibeil gewaltsam verlegen, so bri», die Stunde der Märtyrer an. Re'zsome Ein,eln»enschen errechnen, e»«ei notwendig und nütz- lick, mit der Waffe die Macht der Bedrücker in einem Ein»einen tödlich zu ireffen. Aber es Hai sich noch immer gezeigt, daß ihr erhitzter Geist sie narrte. Ihre Tat baue die Tragweite nickt, die ihre Rechlferrroung werben iollie. Sie gab vielmehr dem Gegner bequeme Gelegenheit, seiner Gewoltsamkeil vollends die Zügel zu iSien. Heute vor hundert Iah.«!', erdolchte der Jeneuser Student Karl Sand in Mannheim den Tbeaterichriftsteller Kotzebus. Der Rur , tür den ruisücken Zaren Spionendienste in Deutschland zu tun. hatte ibm den Haß der um sreibeiilicken Geist ringenden akodemiichen Jugend aufgeladen. Sand war»in ichwärmerifcher Idealist, ein Pbontost romantisch gerichleter Zeit. Nack seiner Tat rief er aus der Straße in vi« zusammenlaufende Menge:.Hock lebe mein dem« fcheS Vaierland, u»P im deutschen Vaterland alle, die den Zustand der reinen Menschheit zn fördern streben!' Dann kniete er h,n:„Ich danke Dir. Gott , für dlsseil Sieg". Ter Dolchstoß danach gegtii die eigene Brust lötete ihn nicht. Am£0. Mai wurde der Jüngling rnibauoiet. Do« deutsche Bürgertum jener ersten Jahrzehnt« nock der Au«- treibung der novolonilchen H rrichaft war politisch ohnmächtig. Es wurde von den herrschenden Mächten bald nach der.Bes>ei»ng' zum Schwergen gebracht. Um io mebr war Anlaß, da» Andenken eine» Sand heilig zu balren. ganr gleich, od die politische Bedeutung dkffen, den sein TolS be»iii,gte. nicht jugendlich weit über- schätzt war. Sand» Name wurde den vergölterien Frei- beitSbelden LliromS gleichgesetzt. Namhafte Geister, die seiner Tat selbst nickt huldigen mochten, ließen dock die Gründe der Tot gelten. In einem Gedickt„Ternsche Jugend an Teut-ch« Menge' wollte die Folgezeit Sands eigene Gedanken erkennen. ES ist nickt sicher erwiesen, daß Saud das Gedicht geschrieben Hätz aber im«««-
hin atmet eS den Geist der Krerse. die auf ihn Einfluß geübt tzatren ES lautete: Menschenmenge, große Menickenwüste. Die umsonst der Geisterfrühling grüßte, Reiß«, krache endlich altes EiS! Stürz in starken, stolzen MeercSstrudeln Dick auf Knecht und Zwingherrn, die dich hudeln, Sei ein Volt, ein Freistaai l Werde bgigl Bleibt im Freiheitskamvf da» Herz dir irostig, Iii der Scheide wird ein Sckwen dann rostig, Männerwille, aller Sckwerier Schwert! Wird e» gar>m Fürstenkampf geschwungen, Bald ist es zerschroien, bald zersprungen: Nur im Bolkekampf blitzt e» unversehrt. Turmbock aur de« Bürger» und de» Bauer» Nacken mögt Ihr eure Zwingburg mauern, Fürstenmaurer drei und dreimal zehn! Babels Herrentum und faule Weichheit Brick» wie Blitz und Donner, Fretdeil, Gleichheit, Golibei» au» der Menschen Mutterwehn I Die politische Wirkung der Tal. die Sand selber vorweg al» BolkSracke, geübt an einen Verräter, bezeickne«, trat so schnell«in, daß sich darau» ableien läßt, wie willkommen das Ereignis den Herrich. nven war. Im August schon bewiesen die von Oester» eich und Pieußen nebst den wichtigsten teulicken Einzelstaoten gefaßten Karl» Hader Bricklüiie. daß der österreichi'che SiaatS- Icnker Melle>nick die fürstlichen Regierungen nun vollends in irinem reaktionären Garn haue. Die kanstitutionellen V.rfvreckungen, der Enrag der Befreiungskrieg- Blutopier des Volke». wurden in einen toten Fetzen Papier verwandelt, und über alles, wa» kreia Bewegung der Geister hieß, wurde eine schonungslo>e Polizeib- tzs verhängt. Die Vlirkchenschaflen der Uiuveisiiäten— 13t5 in Jena gegrdndel. 181? am Gedenktag der Leipziger Tcklackt aus der Wartburg zu'amiiienfleschlosie» � vei fielen kurzweg dem Ver, bot. Kerker. Fluck:, Zeislörung de» Leben» wurde das Los Un» zäbiiger. Zu den Flüchlenden gehörte auch der Dozent Karl Fallen, der in Jena am Werke gewesen war, den Buricheiijcha'tern den Weg von .den»iebcl»den Idealen der Romantik zu den politisch teste» ae» soimten Ideale» der sranzösischen Revolution zu weiien. Die Tat Sand» war nickt von Fallen veranlaßt worden, aber Sand hat dielen letdenickaftlichen Kämpfer gciainit. Wie unier Denken zu diesem blutigen Borgang deutscher Geschickt« steht, bat Franz Mehring vor wenigen Jahren in dem Bück.Bon Kalisch nach Karlsbad " a'.iSgeiprocken in dem Satze:„Vom poli« tischen Standpuiilr aus war die Tat unsinnig wie jeder Mord, der in einer einzelnen Penon ein ganzes Shstem zn vernichten fuckr'. Allen aufgewühlten Zeiten hat dieser Satz eine wichtige Wahrheit einzuschärfen.______ ri. Ernst Sarlach:»der arme Vetter". In den Hamburger Kammerspielen erlebte deS Bildhauers und MalerS Barlack neues Drama„Der arme Vetwr" die Uraufführung. Hans Iber, die mi: geisterseherischer Inbrunst geschaute Hauptfigur dieses Werke», ist«tn Ungeselliger. Einsamer, auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten. Phantast strengster Observanz. regelloser Ketzer unter den Korrekten und Ausgeglichenen. Er wird von wütenden Dämonen � seinen eigenen Traumgedanken ge- jagt» von einer blutsaugenden Angst vor der fade» Leben Salltäglich-