Nr. 171 ❖ 36. Jahrgang
1. Seilage öes vorwärts
Donnerstag, 3. �pril 1616
GroßGerlln Die Kartoffelnot. Der vom Magistrat angelegte Wintervorrat ist aufgebraucht. Im Januar und Februar hörten die Zumbren auf. Tie wurden aber leider im Gegensatz zu anderen Jahren auch im März zu- näwst durch die in'olge des Generalstreiks eingeiretene Eiienbabnstockung. Ende deS Monats aber durch den ickarien Frost unterbunden. Der Magistrat ist daber, um auch die Raiion von b Pfund Kartoffeln wöchenllich verteilen zu könne», aui die laufen» den Anlünite angewiesen. Der Magistrai Hai iür diese die kräfligste Un:er stiitzung der Bebörden erbeten. Selbstverständlich darf auch nicht wieder eine Dtörnag der Zufuhren wie im Anfang März durch den Streik eintreten, da sonst für Woche» dir Kartoffclversorgung eingestellt werden müßte._ Zuschüsse für Hochbauten und Kleinhäuser. Bis Mitte März wurden den Gemeinden an Wohnungsbau- zuschüffen gewährt insgesamt 37,35 Millionen M. Davon«ni- fallen auf Notwohnungen, Behelfsbauten und Baracken 10,97 Mil- lionen, auf Dauerbauten im Hochbau 12,83 Millionen und auf Flachbauten 13,35 Millionen M. Die Kleinhaussiedlungen werden in möglichst großer Nähe der Bahnhöfe angelegt. Dah aber auch Hochbauten in gesundheitlich einwandfreier Weise für Klein- Wohnungen errichtet werden können, beweift die Aufteilung des Wollankschcn Geländes am Bahnhof Gesundbrunnen , wo 189 Zwei- zimmerwohnungen vorgesehen sind und zwar m Häusern ohne Hintergebäude und Seitenflügel; in der großen Innenfläche sind sogar noch HauSgärten und em» niedriger gebaute Kinderkrippe für die Einwohner des Blocks vorgesehen. Vcn den Millionenzuschüssen entfallen auf Berlin 13,4(5L für Notwohnungen, 8.2 für Dauerbauten im Hochbau); Char « lottenburg 1,02 für Notwohnungen; Schöne berg 4,49(9.4 für Notwohnungen 4 für Flachbauten(Kleinhaussiedlung Linden- Hof): Wilmersdorf 9.49 für Itotwohnungcn: Neukölln 1,85(9,75 für Notwohnungen, 1,19 für Hochbauten; Lichtenberg 3,85(9,55 für Notwohnungen, 1,54 für Hochbauten. 1,76 für Flachbauten(Wublheide-Siedlung); Spandau 2,91(1,29 für Notwoh- nun gen, 1,79 für Hochbauten, 9,91 für Flachbauten). Kreis Teltow 4L4(9,79 für Notwohnungen, 9,11 für Hochbauten, 8,43 für Flachbauten). Kreis Niederbarnim 5L7(9,75 für Notwoh- nugen, 9.18 für Hochbauten und 4<34 für Flachbauten). Mfo in den Landgemeinden fast ausschließlich für Kleinhäuser. Die Enthebung des Kommandanten Klawunde hatte, wie wir zuverlässig erfahren, den Grund, daß Klawunde sich größere Ver- fehlungen finanzieller Natur hatte zuschulden kommen lassen, durch die Unterstützungsfonds erhcSlich geschädigt worden sind. Ms diese Tatsachen dem Gouverneur, Genossen Schöpflm, be- kanntgeworden sind, hat er sofort die Enthebung des Stadtkomman- danten vom Dienste verfügt. Die gerichtlichen Schritte sind eingc- lmtet, sie werden unter Umständen noch weitere Kreise ziehen. Arbeiterräte Groff-Berlins S. P. D. Fnistaz. den 4. April, nachmittags 4 Uhr: Lraktionsfltzung. Tagesordnung: Stellungnahme zur Vollversammlung, Bericht der Kommission. Bericht aus Erfurt . Wahle«, Verschiedenes. Der Ort der Tagung wird noch bekannt gegeben. Der FraklionSvorstand. Haase. Soldatenräte! Am Sonnabend, den 5. Apiil 1919, vormittags 19 Uhr, findet im Gebäude des BollzugSrats, In den Zelten 23, Saal 4, eine Versammlung aller Soldatemäle derjenigen Truppenteile und Be« Hörden von Groß-veriin statt, di« nicht dem GardekorpS oder 3. Armeekorps angehören. Stellungnahme zur evtl. Wahl eines Delegierten zum Rätekongreß. Die Bollversammlung der Soldatenräte Groß« Berlins am Freitag im Plenarsaal des Herrenhauses wird pünktlich 1 Uhr eröffnet. Molkenbuhr. Albrecht. �ichtuag! 6. p. D.-vertraueusleute! Sitzung heute Donnerstag nicht Lehrer-BereinShauS, sondern Eopbien-SSle, Sophirnstr. 17.
Solüatenräte der S. p. V. Donnerstag, nachmittags 3 Uhr, F r a k t i o n S s i tz u n g In den Zelten 23: Stellungnahme zur Tagesordnung der Vollversammlung. _ Arndt. Arbeiterräte der Arbeitslosen von Groh-Berlin und Umgegend. Morgen Freitag, mittags 12>Uhr, im Dresdener Garten, Dres- dener Straße 45: Stellungnahme zum Rsichserwerbslosenkongietz, Wahl der Delegierten. Der Zentralrat der Groß-Berliner Erwerbslosen. Adieu Monarchie! Beide sozialistische Rathausfraktionen bean- tragen die Entfernung der Hohenzollernbilder und»büsten aus den StadtbureauS. Wann kommen die monarchischen Straßen- namen dran? Tatfl-Tata. Auch die Autosignale sollte man revidieren, ES ist ja namrlich ganz belanglos, vielleicht wirkl eS auf manwe iw gar als republikanische Demomtraiion; wenn jetzt von einem Milt- rärauto das berühmte.Tatü-Tala' ertönt Aber eS gib! Leute und ... Ze-tiingen, die daraus ein großes Geschrei und eine neue Hetze machen lönnen. Unabhängiger NesolutionSschwindel. Die RcsolutionZfaSrik „Freiheit" produzierte am 1. April auch eine Resolution deS Bc- kleidungSinstandsetzungsamtS des GardekorpS . Dort hat gar keine Betriebsversammlung stattgefunden. Es ist daran ein Arbeiterrat beteiligt, der von Lügen des...„Vorwärts" redet! Die Zahl der unterstützten Erwerbslosen in Groh-Berlin betrug Ende der letzten Woche 235 982, sie nimmt mithin langsam ab. Darum agitieren auch die Hungerpolitiker wieder für den Streik. Arbeitslose! Da es uns durch den Belagerungszustand zurzeit unmöglich ist, allgemeine Arbeitslosenversammlungen einzuberufen, so bitten wir Anträge und Beschwerden an unser Bureau. Kloster straße 92, zu richten. Arbeiterrat der Arbeitslosen Grotz-BerlinS. Strohsäcke, Kopfpolster und Laken zur Ausstattung von Untere kunftSräumen für Landarbeiter sind bei der ReichSlhekleidungSstelle Abteilung H(Berlin W., Nürnberger Platz 1) anzufordern. Brikettzuschlag. Die Kohlenhändler sind wegen der 69prozenHgen Frachtvertcnerung ermächtigt worden, Zuschläge zu den Brikett- preise« in Höhe von 15 P f. aus den Zentner zu fordern.
Zur Mordsache Weis. Bei einer erneulen Besichligimg der Wohnung der in der Bülowstraße ermordeten und beraubten Frau Weis wurde eine de« Mordes verdächtige Person einer Zeugin gegenübergestellt. Diese Zeugin war am Abend deS MordtageS gegen 7V3 Uhr noch in der Wohnung bei Frl. Weis, um Zigaretten zu taufen. Vor ihr trat ein Mann in die Wohnung ein, der auch noch in der Wohnung zu- rückblieb, als sie sich entfernte. Da nun nach den Feststellungen der Mord kurz nach 7»/» Uhr erfolgt sein muß, so ist mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß dieser Mann der Mörder ist. Die Beschreibung paßt auf einen Krastdroschkenführer Paul Mescheder. M. hatte von Frl. Weis 10990 Zigaretten gekauft, um sie in Spandau weiterzuverkaufen. Weil er sie nicht losgeworden war, brachte er, wie er behauptet, am Mittwoch, einem Tage vor dem Verbrechen, den Rest zurück. Fräulein Weis nahm sie nur unter der Bedingung wieder an, daß sie Gelegenheit habe, sie weiter- zuverkauien. und gab Mescheder den Preis hierfür, 999,— M. noch nicht. Auffällia ist es nun, daß sich Mescheder nicht um das Geld bemüht hat. Weiter ist es sehr verdächtig/ daß er sich zwei Tage nach dem Mord eine Autodroschke kaufte und darauf 15 999 M. anzahlte. Mescheder behauptet zwar, daß er daS Geld zum Teil schon vor dem Kriege besessen habe und später im Felde durch Handel mit Lebensmitteln weitere Ersparnisse gemacht habe. DaS Geld will er immer bei sich gehabt haben, weil er es auf der Bank nicht für sicher gehalten habe. Er wurde f e st g e- n o m m e n. Bei der Gegenüberstellung konnte die Zeugin nicht mit Bestimmtheit Mescheder als den Mann wiedererkennen, mit dem sie in der Wohnung zusammengetroffen ist. Zur Aufklärung ist die Mitarbeit des Publikums dringend erforderlich. So be- hauptet Mescheder, daß er, als er am Mittwoch bei Fräulein Weis gewesen fei, auch eine Dame und zwei jüdisch aussehende Herren zugegen waren. Die Frau habe Zigaretten gekauft und in ihre Handtasche gesteckt. Einer der Männer, der einen grauen Jackett- anzug getragen habe, habe sich noch darüber beklagt, daß die Zigaretten, die er früher für 11 Pf. erhalten habe, jetzt lg Pf.
kosteten. Diese Personen werden dringend ersucht, sich bei der Kriminalpolizei zu melden. Meicheder sagt serner, baß er Ickern vor dem Moide wegen Ankaufs einer Drosckke ve> banbelt habe, vermag aber bisher leine Adressen anzugeben. Wer hierüber etwas weiß, wild gebeten, sich zu melden, ebenio alle Personen, die mit Fräulein Weis in Verbindung ge st an den haben. Bei der Durchsuchung des Nachlasses wurden eine ganze Reihe Namen von Leinen gefunden, mit der Fiäniem Weis Beziehungen unter- ballen hat. Um nickt polizeilick gemcht zu weiden, mögen sie sich zur Knminalpolizei begeben._ Amtlicher Schleichhandel. Der LebenSmitielauSschuß bei der Oberpostdirektion kauft und vertreibt alle im Schleichhandel nur irgendwie erhältliche Waren, wie Mehl, Fleisch. Wurst, Zucker. Speck, Zwirn, Schnür- senkel, Seife usw. zu wahnsinnig hcheu Preisen. So wurde am 15. März Kochzucker in beliebiger Menge das Pfund mit 5,59 M. angeboten. Die Fleischlieferung erfolgt wöchentlich zweimal, Diens- tag» und Freitags. Die Ausgabe findet, da das Fleisch erst vorher ausgewogen wird, Mittwochs und Sonnabends von ungefähr 8f-h Uhr morgens ab statt. Zu diesem Zwecke finden sich die Bcam- ten der Lberpofldireklion und der Postämter Berlins in der König- straße 62, 2 Tr. rechts, vor dem Zimmer Nr. 445 ein. Das Fleisch wird zum Preise das Pfund 7—8 M. und daS Mehl zwischen 3— 4 M. abgegeben. Rückenfett ist das Pfund zu 22— 25 M. erhältlich. Welchen Umfang der Betrieb angenommen hat, geht daraus hervor, daß eine Aushilfskraft dauernd und sonst zwei Kräfte tätig find. Es waren bereits Herren vom Kriegswucheramt dort, da ihnen jedoch der Zutritt zu dem Zimmer bzw. die Erlaubnis zur Haussuchung verweigert wurde, mußten sie unver- richteter Sache wieder abziehen.(Ist man überall so rücksichtsvoll? Red.) Derartige Ausschüsse gibt eS außerdem z. B. auch noch beim Hofpostamt, Briefpostamt, Postscheckamt usw. Bei dem letzteren Amt wird sogar ab Lager verkauft.... DonnerStagmittag wurden im Hof des Berliner Stadt- Hauses mehrere Sack Mehl in ein Aktenauto des Ministe- riums deS Innern geladen, das damit losfuhr. Dem Verlader wird nachgesagt, daß cr auch im Stadthaus Mehl zu 8,49 M. verkauft, Un>d wenn solche Dinge am hellen Tage passieren können, da sollen wir mit Vertrauen der Verteilung der AuSlandSlebcnSmittel entgegensehen!_ WohnnngSkommissar hilf! In Oberschöneweide ist mit dem Bau don 179 Woh- nungen im KleinhauS begonnen worden. Es könnten einige Hundert Leute nutzbringend beschäftigt werden. Der Anfang ist gemacht, aber nun, nach Vollendung der AussckachtungSarbeiten, muß der Beirieb wieder stillgelegt, müssen die Arbeiter entlassen werden, weil der seit Dezember bestellte Zement für das Fundament- und Kellermauerwerk nicht beranzubnngen ist. Nach vielen Bemühungen sind die Eisendahnwagen zwar auf dem Papier freigegeben worden, eS werden aber keine Wagen geliefert. Ebenso ist es mit Kalk. Außerdem stehen die Zementfabriken unmittelbar bor der Still- legung des Betriebes, weil die Kohle» fehlen. 59 Käbne harren bei den Zement- und Kalkwerken der Verladung. Aber ohne Kohlen kein Zement und kein Kalk, ohne Kohlen leine Sieine! Das KriegSamt für Ziegelbewirtschaftung will die Ziegelsteine gleichmäßig auf alle Bedarfsstellen verteilen. Das hat aber den schweren Nachteil, daß keines von den Bauprojelten in Angriff genommen wird, so lange nicht der ganze Ziegelbedarf freigegeben und dsr flotte Fortgang des Baue? im vornherein ge- sichert ist. Kein Bauherr will Gefahr laufen, mitten im Bau stecken bleiben zu müssen. Man fängt deshalb gleich gar nicht an, denn daS Bauen ist heute sowieio ein sehr gewagtes Geschäft, da jeden Tag die Preise für alle Artikel sich ändern. Wer genauen Einblick in die Verhältnisse der Bauindustrie gewonnen hat, dem drängt sich die Ueberzcugung auf, daß neben den Kohlen und Vahnwagen noch etwas anderes fehlt: eine straffe Organisation für die Ingangsetzung der Bautätigkeit, eine Zen- trale für die Material-»nd Waggonfreigabel Zahllose Stellen, hauptsächlich Gemeinden und mit den Ge- meinben arbeitende gemeinnützige Ballgesellschaften, bearbeiten Kleinwohnungsprojekte. Alles rennt und läuft, um die Baumateri- olien und um die Waggons freizubekommen. Durch irgendwelche Zufälle bekommt die eine Stelle das Material frei, kann es ober noch nicht verarbeiten, weil daS Projekt noch nicht soweit gediehe» ist. An anderer Stelle müssen Arbeiter wieder entlassen werden, weil die Materialfreigabe auf Schwierigkeiten stößt. Eine Zentrale bekommt in wenigen Tagen einen Neberblick über
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Silal. Von Josef Luitpold.
Jeucht-rakekm fliegen auf. Grüne, rote Signallichter durchblitzten bisweilen den fernen Schnee nobel. Der Schein- Werfer von der Costasanta suchte das Gelände ob. Jetzt glitt der grelle Lichtkegel auch über die beiden Gestalten. Einen Augenblick lang sahen sie zlvanzig Meter unter sich den schneeverwebten Italiener im Drahtverhau hängen. „Am Ende wartet auch auf ihn noch eine Mutter," sagte Jungwnrt langsam.„Aber vielleicht erwartet mich meine Mutter nicht minder vergeblich." Toca legte seine Rechte auf die Ststulter des Kameraden. „Werrn'S eine Lawine war," begann Jnngwirt wieder. „dann hat es Wohl mancher schon hinter sich— die brauchen dann nicht mehr zu warten— die foltert die Zeit nicht mehr Jungwirt sprach scheu und stockend. Toca sah dabei den jungen Burschen, der sonst so wort- karg und verschlossen war. erstaunt ins Angesicht. So hatte «r den noch nicht reden gehört. „Wachkommandant." setzte der Posten fort.„Ich hätte eine Bitte— sie ließe sich jetzt am besten vorbringen- drinnen in der Kaverne vor den anderen— da kann man von alledem nicht sprechen— wer will den anderen das Herz noch schwerer machen?— DaS bringt kein Mensch zustande— darum schweigen ja so viele Menschen—- ja, darum schweigen sie— weil sie den anderen das Herz nicht schwer machen wollen-" Nach zehn Monaten gemeinsamen Frontlöbens begann Tora erst in dieser Stunde den jungen Kameraden, sein Schweigen und seine Scheu zu verstehen. Was MangÄ an Gefühl und Erlebniskvast schien, war ein Nebermaß von Empfindung und Güte. „Wer hier— unter den Sternen— zu zweien— hier kann man vielleicht sprechen-" Wer schon wollte sich die Scheu dieses zarten Bewußt- sechs wieder bemächtigen. Jungwirt verstummte, beugte sich horchend über die ver- stifte Felswand und sagte einlenkend:
»Jetzt habe ich geglaubt, ich höre so etwas wie einen Ruf. Wer es ist nichts. Es war eine Täuschung." Toca wollte nicht mehr locker lassen. Er spürte, daß eine reiche Seele daran war, ihm ihre Schätze zu zeigen. „Und was wolltest du von mir? Du hast doch etlvas Wichtiges mit mir zu besprechen? Und die Stunde ist doch so wie du sie willst? Stehen wir nicht zu zweien unter den Sternen?" „Das ist nämlich so— ich möchte nämlich nichts anderes — als mit einem Menschen von dem sprechen— was uns Sieben hier am Ende doch unabwendbar bevorsteht— vom Tode möchte ich so gerne sprechen." Jungwirt brach ab und schwieg. Er sah Peter Toea prüfend ins Antlitz. Er forschte in dessen Zügen, ob darin kein Lächeln des Spottes, kein Erstaunen des Mißverstehen? zu entdecken wäre. Er fand aber nur gleichgestimmten Ernst und herzverwandtes Mitgefühl. „Sprich I Sprich!" drängte Toca.„Du findest keinen, der dir aufmerksamer zuhören wird als ich. Keinen! Keinen! „Schauen Sie!" sagte nun der Poston im Schneemantel. „Schauen Sie— das Licht des Scheinwerfers dort— es gleitet und verlischt— aber es hat mitgeholfen, die Wirklich- keit z« affenbaren— es gleitet und verlischt— aber es hat die Wahrheit, die Entdeckung der Wahrheit.gefördert— aber wir— Ich bin in Zivil Buchdrucker— in Zivil habe ich meine Bedeutung— bin in Vereinen— mache Bewegungen mit— bin wie das Licht des Scheinwerfers dort— gleite— und verlösche— aber helfe mit, die Wirklichkeit zu erkennen, die Wahrheit zu entdecken— in Zivil, ja— aber hier?— jetzt oder doch noch heute nacht— spätestens morgen— gewiß in wenigen Stunden— da kommt das Unabwendbare über uns— da zerreißt der Boden unter unseren Füßen— da werden wir mit ihn: zerrissen und zerstückelt.— Aber nicht von dem da will ich sprechen— nein, davon nicht— etwas anderes quält mich viel hundertmal mehr— wenn es uns so ergehen wird, wie es kommt— da möchte ich wissen, ob damit alles einfach erledigt ist— Wissen Sie— nicht an einen Himmel über uns— nicht an eine Hölle unter uns denke ich dabei— nicht an die Tränen meiner Mutter— nicht an mein armes, liebes Mädl daheim— sondern mehr, wie soll ich das benennen, mehr allgemein— verstehen Sie mich?— Ich möchte wissen— ob man— einfach vergessen wird?— Bleibt
gar keine Wirkung übrig? Gar keine Folge?— Nichts wird sich ändern?" Peter Toca hörte in atemloser Erregung zu. Was ihn selbst an Empfindungen und Forderungen erfüllte, wovon er auf einsamem Hochgchirgsgipfel mit niemand noch gesprochen hatte, daS hörte er jetzt von brüderlichem Mund. Jungwirt aber formte, stockend, tastend, suchend, Frage um Frag«: „Der Mensch wird zu Tode gemartert auch nach uns?— durch alle Jahrtausende?— durch alle?— Und die Toten, sie sind einfach tot?— Ohne Einfluß?— Ohne Geltung?— Man ruft sie nicht mehr zu Rate?— Sie bedeuten dem Leben nichts?— Nichts?" Und als wollte er noch einmal das, waS ihm am Herzen lag, kurz, in einem einzigen Satze zum Ausdruck bringen, wiederholte Jungwirt mit einem Tone, der keine Antwort verlangte, der nur aufrütteln und das Unmögliche der Wirk- lichkeit aikfzeigen wollte, mit bebender Stimme die Worte: „Und die Toten sind einfach tot?" Leuchttakeden stiegen auf, grüne, rote Signallichter dirrchblitzten den Schneenebel. Der Scheinwerfer suchte das Gelände ab. * Toca saß wieder in der Kaverne an seinem kleiner Tisch neben der flackernden Kerze. Vor ihm lagen die Entwürfe und Skizzen der voran- gegangenen Sttmde. Unter ihm surrte und surrte die Bohr- Maschine. In ihm rief und schrie immer von neuem die Frage des Postens im Schneemantel:„Und die Toten find einfach tot? Vergessen? Und die Lebenden werden weiter zu Tode gemartert? Durch alle Jahrtausende?" Toca ahnt«, daß sein Bilal-Bitd das Erlebnis auch der letzten Stunde irgendwie zum Ausdruck bringen sollte. Neue Phontaste keimte in ihm. Er zeichnete weiter.' Bilal im Sturm. Oben auf dem Turme mußte der Wind gegen den rufenden Knecht mit wilder Stärke anfahren. Das sollte an Bilals Stellung, an seiner ganzen Gestalt zu sehen sein. Oder sollte er den Tod als Bilal darstellen? Hörten denn die Menschen auf das rufende Leben je? NM der Ruf des Todes fand Gehorsam und Gehör.—> (Forts, folgt)