Einzelbild herunterladen
 

Nr. 20736. Jahrgang

Groß- Berlin

Keine Mehlschiebungen.

1. Beilage des Vorwärts

Offiziös wird geschrieben: Es ist völlig ausgefchloffen, daß an den Mehlschiebungsgerüchten etwas Wabres ist. Die Nab­rungsmittellieferungen gelangen sofort in die Hände der Behörden und bleiben auch bis zu ihrer planmäßigen Verteilung in dieien Händen. Die Behörden üben selbstverständlich die stiengste Kon­trolle. Der einzige Weg, auf dem von diesen Beständen etwas in die Hände von Schleichbändern tommen fönnte, wäre der des Diebstahls. Von Diebstäblen an den neuen Sendungen ist nichts bekannt geworden. Bei der strengen Kontiode müßten Dieb­

stäble alsbald entdeckt worden sein..

Es scheint sich bei den ausgestreuten Gerüchten um Machen­schaften des Spekulantentums zu handeln, das keine Ge­legenheit vorübergehen läßt, die ihm zur Diskreditierung der Zwangswirtschaft geeignet erscheint.

Wo der Segen blieb!

Wo bleibt der Gegen? fragten wir fürzlich( in Nr. 186) unter Hinweis auf die Nachricht, daß aus Betrieben der Heeres­

Donnerstag, 24. April 1919

Dies ist anzuraten, wodurch auch das Arantenernährung, ungeachtet aller attefte nur troffenen widerlegen. dürftige 8 ujasnabrung bewilligt erbalten, Mentenfestießungsverfahren eine wesentliche Beschleunigung erfahren während man in Hotels und Restaurants alles, freilich nur für würde. Heute läßt der Rentenbescheid oft viele Monate auf sich schweres Geld, in Hülle und Fülle haben könne. Angesichts folcher warten. Zustände müffe man, fagt er, den Frauen und Mädchen geradezu raten, sich vor Schwangerschaft zu hüten. Sehr berechtigt erscheint uns feine Forderung, daß bei der Verteilung der aus dem Ausland gelieferten Lebensmittel besonders die Schwangeren berücksichtigt werden.

An die sozialistischen   Techniker! Wer den Sozialismus fordert, muß ihn bauen. Jeder komme und helfe dazu. Die gesamte Volkswirtschaft ist umzustellen. Mit Die Sozialisierung den Werkbetrieben ist der Anfang an maden. will herausgearbeitet sein, allüberall. in allen Betrieben. Jhr Techniker alle, die Ihr sozialistisch denken und empfinden gelernt habt, meldet Euch ohne Bögern zu einer großen Arbeits. gemeinschaft, die der Durchführung der Sozialisierung dienen soll! Wir brauchen alle,

Jeder nach seinen Kräften. Willens find!

Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Techniker. Geschäftsstelle: Berlin  - Stegliß, Hohenzollernstraße 6.

Neue Wege im Mieterrecht.

nut

Eine rhetorische Frage richtet eine Buschrift an uns. Sie stellt. fest, daß im Turnverein" Fichte" erst beschlossen wurde, ...- und St. P.- Mitglieder in den Vorstand zu wählen und daß hinterher in der Oster-, Freiheit" unseren Genoffen nachge­höhnt wird, sie, die sonst das demokratische Brinzip über alles stellen, wollten nun von ihm nichts wissen, weil feins ihrer Mit­glieber gewählt wurde. Dann heißt es in der Zuschrift: Leute mit der Moral des Schreibers der betr. Notiz in der Freiheit" werden für fähig gehalten, Ehrenamter in Arbeiterorgani­fationen zu befleiden, wenn sie nur Unabhängiger oder Kommunist find. Siht denn auf der Redaktion der Freiheit" nicht wenigstens ein einziger Mann, der wahrheitsliebend ist? Oder ist dort die Scham zu den Hunden geflohen?" Ja, ist da noch eine Antwort nötig?

Die bestialische Ermordung zweier Galizier  , die bei den März­unruhen verhaftet worden waren, hat eine vom Gouverneur Schöpflin auf Veranlassung der Freiheit" angeordnete Unter­suchung ergeben. Auch in diesem Falle konnten die Schuldigen nicht ergriffen werden, genau so wie der Leutnant Czekalla, der den alten Herrn Abrahamsohn erschießen ließ, oder wie Herr Alois Lindner  , der im bayerischen Landtag mehcere Regierungsvertreter und unseren Genossen Aner niederschoß. Konferenz der sozialdemokratischen Gemeindevertreter Sonntag, vormittags 10 Uhr, im Herrenhaus, Leipziger Str. 3, großer Sizungsfaal: Tagesordnung:

Referent:

1. Die Eingemeindungsfrage von Groß- Berlin. Genosse Scholz- Neukölln. 2. Bildung der am 16. März beschlossenen Ausschüsse. 3. Verschiedenes. Keine persönlche Einladung mehr! Es wird um bestimmtes und pünktliches Erscheinen ersucht. Der Vorstand der Kommunalen Konferenz der Gemeindevertreter von Groß- Berlin( S. P. D.). J. A.: Ritter  .

bie reinen An Euch Technikern liegt viel. 8eigt Euch des großen Augenblids würdig. Tretet der Arbeitsgemeinschaft der sozialistischen   Technifer bei! Genoffen der Technit, Genoffen der Weltanschauung, tretet an, verwaltung für 75 Millionen Mart Kleidungs- greift mit uns zu, richtet den Neubau der Wirtschaft auf! Und stoffe zur Verwendung für 3ibilkleidung freiweil Jhr befriedigend produzieren, aber schwerlich befriedigend gegeben worden find. Mancher allzu Hoffnungsselige glaubte, fozialisieren fönnt, so sollen allerwärts Arbeitsstellen für ertvarten zu dürfen, daß nun bald der Stoffmangel nachlassen und Sozialisierungsfragen errichtet werden. Wer näheres die Kleidungspreise sinten würden. Hierzu erhalten wir von unter über diese hören will, richte eine Anfrage an uns. richteter Seite die folgenden Mitteilungen, die uns sehr beachtens­wert scheinen. Zur Verteilung von Stoffen an die Schneiderinnungen der Provinz Brandenburg   batte die bei der Handwerfs­tammer Berlin   bestehende Hauptstelle für gemein­schaftliche Handwertslieferung ibre Muwirtung ange­boten. Sie erwarb dann von einem Gewerbebetrieb in Spandau  Der Mieterbund Groß- Berlin hält die Miet. etwa 30 000 Meter leichteres Tuch zu je 19,50 M. und etwa einigungsämter als dauernde Einrichtung für 10 000 Meter schwereres Tuch zu je 22,50 m. Bei der Verteilung nötig. In Richtlinien für ihre Tätigkeit stellt er den Grundfah bediente sie sich der Einkaufs- und Verkaufsgenossenschaft für auf, daß bei der Entwertung aller Kapitalanlagen die Hauseigen­Schneiderbedarfsartikel, die ihrerfeits die leichteren Stoffe zu 25 m. tümer keine Ausnahme und Bevorzugung für sich beanspruchen und die schwereren zu 28 m. veräußerte. Ein Teil der Stoffe ge- dürfen. Die Mietefteigerungen sucht er durch Festsetzung von langte aber nicht an das Schneiderhandwerk, sondern blieb so. Höchstzuschlägen zu begrenzen, wobei besonders eine Notlage der zuiagen unterwegs hängen, und zwar schon bei der er- Mieter und überhaupt ihr Einkommen berücksichtigt werden soll. wähnten Haupistelle für gemeinschaftliche Handwerkslieferung. Andererseits soll gegenüber wohlhabenden Mietern eine etwaige Ob- und Vertrauensleute der Hilfskräfte des Magistrats Angestellte der Saupistelle erhielten erhielten Stoffe Stoffe bis Berlin  ! je zu Notlage des Hauswirbes zu dessen Gunsten berücksichtigt werden. 4 Meter, und von anderer Seite wird sogar behauptet, Dem Geist der Zeit entspricht das Verlangen, den Mietern ein Heute mittag 1 Uhr, im Englischen   Hof, Aleganderstraße 27, daß jeder der beteiligten Angestellten 10-20 Meter erhalten habe. Mitbestimmungsrecht einzuräumen. Die Richtlinien for­Eine uns gemachte Mitteilung über die außerordentliche Stoffmenge, dern Wahl von Vertrauensleuten aus den Mietern des Hauses, Versammlung, um den Bericht über den derzeitigen Stand die nur einzelnen bevorzugten Personen überlassen worden sein soll. aber sie weisen diesen Mieterräten" mur die Ueberwachung der der Verhandlungen mit dem Manistrat Berlin   entgegenzunehmen. tlingt io unglaublich, daß wir sie nicht wiedergeben wollen. Es Zentralheizung und der Warmwasserversorgung zu. In der Bun- Das Ericheinen aller Ob- und Vertrauensleute ist unbedingt er­drängen sich hier einige Fragen auf, vor allem die, mit welchem desversammlung des Mieterbundes wurden die Richtlinien erörtert. forderlich. Die Verhandlungskommiffion. Im Anfirage: gez. Kuligt. Recht ein Teil der Stoffe an Brivatpersonen gegebrn Gefordert wurde unter anderem das Recht der Entscheidung über und wieviel davon etwa mit Profit weiterveräußert Mietesteigerungen und der Anordnung von Ausbesserungsarbeiten. Die Zahl der unterstützten Erwerbslosen in Groß- Berlin Betrug wurde. Unferes Erachtens muß nicht nur die Handwerkskammer  , In dem Bericht über die bisherige Tätigkeit des Bundes erwähnte sondern auch die Heeresverwaltung ein Intereffe daran haben, Auf der Vorsitzende Dziend, daß die Bemühungen, eine Erweite. Ende der letzten Woche zusammen 224 494 gegen 226 51b an in den größeren Bandorten 19 766 flärung hierüber zu schaffen. Uebrigens wird uns gefagt, jener rung der Mieterschusverordnung durchzusehen, nicht Wochenende zuvor. Ferner Heeresbetrieb sei gar nicht berechtigt gewesen, felbständig die Stoffe ohne Erfolg geblieben sind. Der Schutz gegen übertriebene Miete- gegen 20 700. zu verkaufen. Dieses Recht stehe allem der Reichs- Textilaftien steigerungen, die die Mieteinigungsämter gewähren sollen, wird gesellschaft zu, die für gleichmäßige Verteilung der Waren an das in allernächster Zeit endlich auf Neubermietungen aus Handwerk zu sorgen hat. Un berichtigungseifrige Leute richten wir gedehnt werden. Der Reichskommissar für das Wohnungswesen im voraus die Bitte, nicht etwaige ungenauigkeiten nebeniächlicher hat einer Abordnung des preußischen Mieterbundes auch erklärt, Angaben zu bemängeln, sondern sich an die Hauptfache zu halten. daß die Reichsbehörden bereits Sozialisierungspläne für das Wohnungswesen bearbeiten.

Teuerungszulage für Lazarettfranke.

Warum in der Großstadt die Milch so knapp ist. Zu unserer am 10. April in Nr. 184 veröffentlichten Mitteilung, daß auf dem Gut Schönerlinde bei Berlin   der Rechnungsführer für seine fünfköpfige Familie damals sechs Liter Vollmilch bezog, schreibt uns der Rechnungsführer Bournot, daß er bis 15. April nur drei Liter erhielt und seitdem nur noch zwei Liter erhält. Gin Biter bezieht er als Teil feines Diensteinkommens, ein Diter ift Die Ernährung der Schwangeren für ein Kind von etwa einem Jahre bestimmt, und ein Liter wurde ist noch immer io jammervoll, daß man um die werdenden Mütter einem Rinde von etwa fünf Jahren auf Attest gewährt, doch ift wie um ihren Nachwuchs die ernsteste Sorge haben muß. In der In der Zuschrift des Kriegsministeriums, die wir in der Nr. 205 diese Lieferung wegen Genesung des Kindes am 15. April eingestellt Kriegszeit versicherten die Aerzte sehr eifrig, es fei troy allen Er- des" Borwärts" unter der Ueberschrift Die Abfindung der Kriegs- worden. Herr Bournot läßt in feiner Zuschrift auch durch die nährungsichwi.rigkeiten festgestellt worden, daß Neugeborene nicht beschädigten" veröffentlicht haben, wird uns mitgeteilt, daß die Gutsverwaltung die Richtigkeit seiner Angaben bescheinigen. Um schwächlicher zur Welt tämen und auch die Wöchnerinnen feine berichiedene Bemeffung der Teuerungszulage für Unter die Aufklärung des Widerspruchs zu unseren Angaben wird sich besonderen Schädigungen zeigten. Heute aber werden jene Be- offiziere und Mannschaften als ungerecht empfunden wird. Wir stimmen vielleicht noch der Kanalisations- 3wedverband der schwichtigungsräte schwerlich noch den Mut haben, folche Weisheiten diefer Auffaffung bei. Die Teuerung ist für alle gleich fühlbar; die Gemeinden Reinickendorf   und wittenau bemühen, zu verkünden. Wie sehr die Schwangeren unter dem Unteroffiziere haben schon den Vorteil höherer Löhnung. Der Prozent- dem das Gut Echönerlinde gehört. Wir äußern feinen Zweifel an fortdauernden Mangel an Nahrungsmitteln fag älterer Leute, deren Familien auch noch zum Teil mit den Be- dem guten Glauben des Rechnungsführers und aller sonst in Frage Leiden, davon erzählen immer wieder die slagebriefe, die aügen der Kranten rechnen müssen, ist erfahrungsgemäß bei den tommenden Personen, aber offenbar hat man auf dem Gut Schöner­uns in großer Bahl zugehen. In einem über acht Seiten langen Mannschaften mindestens ebenso hoch, wie bei den linteroffizieren. linde wie in der Familie des Rechnungsführers fich bisher über den Brief, deffen volle Wiedergabe natürlich unmöglich ist, schildert hier eine Gleichstellung zu schaffen, balten wir für dringend nötig. Nauminhalt der Kanne geirrt, die täglich zweimal mit der für die ein junger Ehemann uns das Elend seiner das erste Kind Außerdem scheinen die Lazarette noch nicht durchweg aus Familie bestimmte Milch gefüllt wurde. Die Sorglosigkeit, mit der erwartenden Frau." Ich bin," schreibt er, vier Jahre im reichend informiert zu sein, da über Borenthaltung der Teuerungs- die Milch ohne Benutzung eines Maßes hineingeschüttet wurde, Felde geweien, aber fobiel Hunger, wie meine Frau bis jetzt, habe zulagen geflagt wird. Ebenso wird geklagt, daß, entgegen dem läßt darauf schließen, daß auf dem Gute die anderswo so bitter ich nicht ausgestanden." Da er lange ohne Arbeit war, fehlten ihm bom Striegsministerium eingenommenen Standpunti, Kriegs empfundene Milchknappheit unbekannt und daher feine Milch­die Mittel, für die Frau etwas hintenherum" zu taufen. Bitter beschädigte vor Festlegung ihrer Versorgungsgebübrnisse gegen knappserei üblich ist. Daß in dieser Zeit der Anspruch des hoffent­beflagt er, daß Schwangere von der Zentralstelle für ihren Willen entlassen werden. Dem fönnen sich die Be- lich gesunden Rechnungsführers auf täglich ein Biter Vollmilch als

7]

Ein Doppelgänger.

Grzählung von Theodor Storm  .

Der düstere John sah die wilde Flucht gerade auf das Brunnenloch zufahren und sprang rasch vor die verfallene Um­zäumung. Sie will mich totschlagen!" schrie die junge Dirne und stürzte mit solcher Gewalt in seine Arme, daß ihm selbst die Füße auf dem Boden wanften.

Nun, Dirne," rief er, sollten wir hier beide in den Brunnen? Es wär vielleicht das beste!" und hielt fie fest an seiner Brust.

Sie wollte sich von ihm losringen. Laßt mich!" rief sie. Was wollt Ihr von mir?"

Er sah sich um, fie waren ganz allein: das große Frauen­zimmer hatte vor dem Aufseher sogleich die Flucht ergriffen, die anderen Weiber arbeiteten fern am Westrande des Acers; er wandte seine Augen wieder auf das Kind in seinen Armen.

Sie hatte mit ihren fleinen Fäusten ihm ins Gesicht ge­schlagen. Laß mich," rief fie, ich schreie; glaub nicht, daß du mir Leides antun kannst!"

Er schwieg eine Weile und die dunklen Augen beider sahen regungslos ineinander. Was ich von dir will?" sagte er dann; Leids will ich dir nicht tunaber ich will dich heiraten, wenn du es willft!"

Sie antwortete nicht, ein paar Augenblicke lag fie wie tot an seiner Brust; er fühlte nur, das Widerstreben ihrer Glieder hatte nachgelassen.

,, Willst du nicht sprechen?" frug er sanft. Da griff fie jäh mit beiden Händen um seinen Hals, daß sie den starken Mann fast würgte. Ja, ich will," rief sie. Du bist der Schönstel Romm weg vom Brunnen! Du sollst nicht drunten liegen, in meinen Armen ists beffer!" Und sie füßte ihn, bis sie den Atem verloren hatte.

Weißt du," sagte sie dann ,,, du ziehst zu uns, zu mir und meiner Mutter in das Fleine Haus; du zahlst die halbe Miete!" Sie sah ihn wieder an, sie füßte ihn nochmals; dann warf fie den Kopf mit dem dunklen Haar in den Nacken, und ihr helles Lachen stieg jetzt fast zu übermütig aus den roten Lippen. So!" rief fie ,,, nun lauf ich voraus; komm aber bald mir nach und sieh zu, ob ich nicht auch die schönste von all den Weibern   bin!"

Sie stürmte dem Arbeitsplage zu, und er folgte ihr, tau­

melnd vor Entzüden. Wer ihn jetzt gesehen und einen Freund bedurft hätte, der würde ohn' Bedenken in seine Arme gestürzt sein; der gefährliche Mensch war wie ein Kind geworden; er öffnete die Arme und schloß sie langsam wieder über seiner Brust, als müsse er das Glück umfassen, das ihm die junge Dirne zugebracht hatte, die wie ein fliegend Bög­lein dort vor ihm das Feld hinanlief. Und Arbeit," rief er und streckte die starken Fäuste in die Luft, die soll für uns nicht fehlen!"

Als er den Arbeitsplatz erreicht hatte, suchte die große Dirne sich vor ihm zu berbergen; aber, was sonst niemand noch gefehen hatte, seine Augen lachten nur, wenn sie auf ihr grobes Angesicht trafen. Lauf nur, was schierst du mich!" sprach er zu sich selber, du warst der Hund, der unversehens mir das Glück in meine Arme jagte!"

Die junge Braune aber wußte ihrem Liebsten stets aufs neue zu begegnen. Lach doch! Warum lachst du nicht?" raunte sie ihm zu und hielt ihm selber lächelnd ihre dunklen Augen hin. ,, der Brunnen!" Ich weiß nicht," sagte er

Was soll der?" frug fie.

-

Ich wollt', er wäre aus der Welt!" Und nach einer Weile: Du könntest mir einmal da hineinfallen, du bist so wild, Hanna er darf nicht offenbleiben."

11

-

,, Du bist ein Narr, John," raunte ihm die Dirne zu, wie sollt' ich von heut' an noch in den Brunnen fallen! Wenn nur die dummen Weiber nicht so nahe wären, ich fiel dir lieber an den Hals!"

Aber er ging sinnend von ihr, und als er später bei Ende der Tagesarbeit über den einsamen Acker ging, konnte er an dem Brunnen nicht vorbei; er blieb stehen und warf wieder kleine Steine in die Tiefe: er kniete dabei nieder und bog sich über den Stand und lauschte, als ob die Tiefe ein furchtbares Geheimnis berge, von dem er einen Laut er horchen müsse.

Als auch das Abendrot am fernen Horizont verschwun­den war, ging er langsam in die Stadt zurück und nach der Großstraße in das Haus seines Arbeitgebers. Am anderen Morgen erschien zur Verwunderung der Arbeiterinnen ein 3immermann auf dem Acker und schlug ein robes, aber der bes Brettergerüst um den alten Brunnen.

Im September, gegen Abend, wurde auf dem ersten Backboden des ungeheuren Speichers das Bichorienbier" ge­

feiert, das schon am Nachmittag begonnen hatte; was in der Fabrik in Arbeit stand, der Fuhrmann, der Heizer, der Bren­ner und wie sie alle genannt wurden, alle waren da, es war wimmelnd voll; Gewinde von Astern und Buchsbaum und von sonstigen Herbstblumen und Blättern hingen überall an den Balken. An großen Tischen, an über Tonnen gelegten Brettern haben sie gesessen; nun aber war der Kaffee aus­getrunken; die Hampen und Laternen, die zwischen den Kränzen hingen, wurden angezündet, und in dem dämmeri­gen Gemuntel wurden eine Klarinette und ein paar Geigen laut, wonach die jungen Dirnen längst die Hälse gestreďt hatten.

-

John tanzte schon mit seiner jungen Frau, die heiß in seinen Armen lag; er sah vor Lust über die dunkle Men­schenmenge hin; aber was ging sie ihn an? Da wurde er mit seiner Tänzerin gegen das Ende eines schweren Eichen­tisches gestoßen, der unter die Tanzenden hineinragte, und sie tat einen jähen Aufschrei. Es hatte nichts auf sich, aber John rief den jungen fräftigen Heizer an: Silf mir den Tisch fortsetzen, Franz!"

"

Er schien es nicht zu hören; da faßte John ihn an dem Aermel. Was soll's?" rief der Seizer und wandte halb den Kopf. ,, Nicht viel," entgegnete John ,,, der Tisch muß fort, dort in die Ede!"

Ja, trag ihn nur dahin!" sagte der junge Mensch und drängte sich zu den anderen Arbeitern, von denen ein Teil zusammenstand. Was wollte er von dir?" frug einer von ihnen.

Ich weiß nicht; ich sollt' ihm helfen! Mag er sich selber helfen! Man hat nur keine andere Arbeit, sonst müßt' man von hier fort!"

Die andern lachten und gingen auseinander, um sich Tänzerinnen zu suchen. John aber, der aus halbgehörten Worten fich genug heraus hörte, flemmte die Lippen au­sammen und tanzte weiter mit seinem jungen Weibe, und immer nur mit ihr.

Inmitten der Fröhlichkeit kam auch die Herrschaft mit einigen Freunden auf den Boden; auch der Bürgermeister war dabei, einer von denen, deren Teilnahme damals den Berurteilten in das Zuchthaus begleitet hatte. Jetzt folgte sein Blick dem hübschen jungen Paare.

Gorts. folgt.)