die Partei die Führung beHallen, sie muß den Widerstand, der sich ihr von bürgerlicher Seite entgegenstellt, in zähem Kampf überwinden, muß sich aber auch behaupten gegen den unklaren Drang unbewußter Massen. Wir brauchen dabei keinen Augenblick zu verkennen, daß in jxnem Drang ein Element revolutionärer Erneuerung liegt, und daß jene Kommenden ebenso gut zu uns gehören, wie wir .zu ihnen. Eine spätere, hoffentlich nicht zu späte Zeit wird alle Arbeitenden, Kopf- und Handarbeiter, in gemeinsamer Front gesammelt, die verschiedenen Strömungen des Sozia- lismus wieder geeinigt finden. Nur dürfen wir über solche vor- ausschauende Betrachtung unsere gegenwärtige Funktion nicht verkennen, die darin besteht, Trümmer zu beseitigen, Grund- lagen zu schaffen, Hindernisse aus dem Weg zu räumen für das, was nachher kommen soll. Daß diese Funktion von jedermann oerstanden wird, dürfen wir nicht verlangen, daß wir Verwiin- schungen ernten für Dinge, an denen wir keine Schuld tragen, darf uns nicht irre machen, und wir müssen uns öfter � des Wahlspruchs erinnern, zu dem sich Marx im Vorwort seines „Kapitals" bekannte:„Kaxui il tuo corso, e lascia dir le genti!" Geh deinen Weg und lasse die Leute reden. Sollen wir, werden wir deshalb die Fühlung mit den breiten Massen verlieren? Ich sage NeinI Geben wir den Massen nur das Gefühl, daß unser Vormarsch in klarer Ordnung nach sicheren Zielen erfolgt und kein ängstlich-nervöses Hin- und Hertappen ist! Politisieren wir sie, indem wir chnen Gelegenheit geben, alle Probleme, mit denen wir uns herumschlagen niüssen, mitzudenken. Zeigen wir ihn?n die Schwierigkeiten, mit denen wir zu kämpfen haben und geben wir ruhig zu, daß wir keinerlei Unfehlbarkeit für uns beanspruchen. Unfehlbar in seinem eige- nen Gefühl ist nur der Dozierende, der Handelnde ist inimer fehlbar, und so zwingt uns das Schicksal, das uns zum Handeln zwingt, auch unsere Schwächen zu enthüllen, und, wo es not tut, begangene Fehler einzugestehen. Wenn wir aber bei alledem fest bleiben in unserem Wider- stand gegen einen naiven Utopismus, der aus einer Wüste im Handumdrehen einen Zaubergarten machen zu' können wähnt, wenn wir dem arbeitenden Voll weiter helfen, sich selber gegen einen wirren Putschismus zu schützen, der den Sozia- lismus nicht organisieren, sondern ihn nur kompromittieren kann, so werden'wir vor. Volk und Geschichte ehrenvoll bestehen und auch als Partei später die Früchte unseres Verdienstes ernten. Aber das können wir nur, wenn wir uns dessen bewußt sind, daß d i e Partei in ihrer gegenwärtigen Form nicht das Höchste ist, sondern daß wir verpflichtet sind, auch sie selbst aufs Spiel zu setzen, wo es gilt, das ganze Volk und die Sache des Sozialismus aus einem Taumel der Verwirrung und Verwüstung zu retten. Dafür trägt der Parteitag von Weimar die Verantwortung. Er ist nicht nur ein Stück Parteigeschichte, sondern auch in ungleich höherem Maße«ls irgend einer seiner Vorgänger ein Stück deutscher Volksgeschichte und ein Stück Geschichte des internationalen Sozialismus. Mögen seine Ver- Handlungen pon dem ungeheurm Ernst dieser Tatsache erfüllt sein!__ Die französischen Sozialisten und Deutsch - lande Stellung im völkerbunö. Haag, den 7. Juni. sN. N.) Aus Paris wird gemeldet: Die sozialistische Liammergruppe hat eine Entschließung eingebracht, in der sie den Wunsch äußert, Deutschlands Stellung hin- sichtlich des Völkerbundes klarer zu sasien.
Keine englischen Truppen nach Rußland . Amsterdam 7. Juni..Telegraaf" meldet aus London , Churchill habe neuerdings erklärt, daß keine britischen Truppen nach Rußland geschickt würden, und daß die dort augenblicklich befindlichen Truppen Polizeidienste verrichten. Churchill erwartet nicht, daß Moskau bald eingenommen werden würde.
psingst-Geist. Wenn ich heute, rastloser Wanderer, durch die Großstadt gehe, mitten durch das treibende Menschengewühl und oft in der zahllosen Menge, im Lärm der Bahnen und Wagen •einsam und suchend stehe, erhebt mein Herz ein schüchternes Frage«: Wo lebt inmitten der Reichen und Armen, der Mutigen und der Zagen, der Traurigen und Frohen, der Hungernden und Satten, der Freien und der Gefangenen, wo auf der Welt lebt der feuerzungige Heist von Pfingsten? Der Geist, der mit Flammenzungcn in allen Sprachen der Welt von der Liebe redet, und in seiner erdumspannenden, gütige» Hand die Herzen der Völker, die Millionen Herzen der Menschen hält? Vielleicht lebt er nur in eines Dichters einsamer Stube, voller Sehnsucht, die Herrschaft der Welt zu ergreifen, vielleicht in einer Mutter Herz, eines Kindes reinem Gemüt, das mit den Blumen des Frühlings unschuldig selig zum Himmel blüht? Sind wir nicht fremd noch vom Du zu Du, trüben uns unsere Freude, quälen uns, schließen unsere Herzen feindselig zu, und fühlen uns so arm und ausgestoßen aus den Straßen der Städte? Und wollen doch Völker versöhne», Länder vereinen, Menschheit verkünden, well unö alle der Wille zum Glück bewegt? Pfingstgeist, Geist der Litte, erobre in jedem Herz Deine Stätte! Du kommst, Du bist da, wenn wir Menschen Dich wollen und tragmi in unserer Seele und Deinen heiligen Namen einander sagen und verkünden und rufen und schreien über die Meere und Länder. Du kommst zu jedem von uns, Du gehörst uns allen, Geist der Liebe, vor dem alle Schranken der Feindschaft fallen» einziger Sieger, vor dem wir alle uns beugen, Nicnschenverbrüderer, Weltversöhncr, den wir ekstatisch be- .zeuge»! Me Gewalt, alle herzlose Tat, alles Harte und Trennende, weicht einst vor Deiner Milde und Güte,«nd festlich beglückt heben wir überall auf der Erde unser Menschenherz, de.s in Liebe brüderlich brennende, hoch in den leuchtende» Himmel zu Dir! Haus Eathmmm.
Die Krise in Frankreich . Tie Eisenbahner wollen den Truppenverkehr sperren. Versailles , 7. Juni(Eigener Dwhtbericht des'„Vorwärts".) Die Stroitlage in Frankreich läßt sich etwa folgendermaßen zu- sammenfassen: Der Bergarbeiterstreik in Novdfrankreich ist beigelegt, nachdem die Streitenden wesentliche Konzessionen erreicht haben. Ebenso der Streik dee-Schn eider, der allerdings schon seit sieben Wochen im Gange war, desgleichen der Streik der Anstreicher nach fünf Tagen, beida�mnt einem vollen Erfolg der Arbeiter. Da- gegen aber dauert der T cansportarbeiterstreik in Pari? (Elektrischen, Autobussen und Untergrundbahn) ziemlich unvermiu- dert an. Es ist zwar den Gesellschaften gelungen, den Verkehr in etwas erhöhterem Maße aufrechtzuerhalten, dank der Unterstützung durch die Regierung, welche Soldaten, die mit 15 Fr. täglich ent- lohnt werden, als Führer und Schaffner zur Verfügung stellt, was die Erbitterung der Streikenden erhöht hat. Vorgestern hatte die Untergrundbahn-Gesellschast an jeden Streikenden einen Brief ge- richtet, wonach diese entlassen seien, falls sie die Arbeit nicht sofort aufnähmen/ Diese Drohung hat keinen anderen Erfolg gehabt, als daß die Verstadtlichung der Untergrundbahn zu einer Streiksorde- rung erhoben wurde. Allgemein ist der Streik in den chemi- schen Fabriken und fast allgemein in der Metall- i n d u st r i e. Die gestrige Versammlung der Pariser Eisenbahner zeigte ein starkes Anschwellen der extremen Richtung. Der Sekretär des Gewerkschaftsverbandcs, Bidegareh, der als zu gemäßigt ange- sehen wird, konnte seine Rede nicht beenden. Es wurde einstimmig folgende Resolution angenommen: Die Pariser Eisenbahner beider Geschlechter sind der Ansicht, daß die gegenrcvolutionäre Tätigkeit der Regierung schon zu lange gedauert hat. Sie sind der Ansicht, daß die Revo- lutionäre in Rußland , Ungarn und Deutschland nur die Prinzi- pien anwenden, die sie stets verteidigt haben, und daß die Ent- eignung des'Kapitalismus an der Tagesordnung unserer Propa- ganda und unserer Tätigkeit bleibt. Sie stimmen den Soldaten und Matrosen zu, die sich weigern, einem verbrecherischen und verfassungswidrigen Manöver die Hand zu bieten. Sie erklären sich für eine sofortige AkMU, welche bezweckt, die Zirkulation d« Truppentransporte der Kriegsmaterial- und Proviantzüge, ausgenommen der Ur- lanberziige zu stoppe» und die Unternehmung der Regierung gegen die im Gange befindlichen Streiks, gegen die in Revo- lution befindlichen Völker und gegen die reaktionären Soldaten zu verhindern. Sie sind der Ansicht, daß die Gewerkschaft un- verzüglich in dieser Richtung eingreifen und die Aktion 6\ s zur vollständigen Demobilisierung der Armeen und bis zur endgültigen Amnestie fortsetzen mich. Sie trennt sich unter den Rufen: ES lebe der Generalstreik, eS lebe die Soziale Republik, es lebe die Internationale der Arbeiter. Heute abend wird dos Datum der erwähnten Aktion durch die Avbeiterausschüsse bestimmt werden. f Diese revolutionäre Bewegung hat natürlich die RegierungS- kreise in die höchste Aufregung versetzt. Verzweifelte Versuche wer- den gemacht, um der Arbeiterschaft klar zu machen, daß im jetzigen Augenblick, wo die Friedensverhandlungen vor dem Abschluß stehen, dies« Streikbewegung„nur den Interessen des Feindes" diene. Mehrere nationalistische Blätter, darunter„Figaro" und „Action fran?aise" beschuldigen die Sozialisten, von den Ge- Werkschaftsführern von Deutschland bestochen zu sein. Gegen diesen Unsinn wendet sich heute die sozialistische Presse sehr scharf, ebenso wie ein Ausruf des allgemeinen Gewerk- schaftsverbandes. In letzterem wird betont, die Streiks feien aus Wirtschaftlichen und Solidavitätsgründen entstanden, und daß die- jenigen im Gegenteil Verbrecher seien, die Verdacht über den Ur- sprung der Bewegung zu stveuen suchen. Doch sei sie auch das Er-
gebnis der allgemeinen Unzufriedenheit, die«ruf dem Lande lastet, und das Resultat der Politik der Gewalt und des Schweigens, das gegenüber den Bestrebungen des Volkes verfolgt wurde, und die Folge davon, daß man die feierlichen Verpflich- tungen, den Völkerfrieden und das gemeinschaftliche Zusammenwirke» der Nationen zu sichern,» vergessen habe. Der allgemeine Gewerkschaftsverband warnt da- vor, die Bewegung mit Gewalt unterdrücken zu wollen und die Annes dem Volke entgegenzustellen, das zum Wider- stand bereit sei. Englische Soldatenräte in fiegpten. Versailles , 7. Juni. (Eigener Drahtbericht des„Vorwärts".) „Humanite" meldet nach dem englischen Sozialisteublatt.L>ailh Herald", daß sich im englischen Expeditionskorps in Aegypten Soldatenräte gebildet haben. In EI Kwntara sei ein Zentral- ausschuß gebildet worden, bestehend aus zwei Vertretern eines jeden Truppen körpers. Es seien Meetings am 11. Mai im Theater von El Kantara abgehalten worden, an denen etwa 2500 Soldaten teilgenommen und ihre Forderungn den Offizieren unterbreitet hätten. Diese Forderungen be- ziehen sich hauptsächlich auf Demobilisierung der am längsten unter den Fahnen stehenden Jahrgänge. Der kommandierende General des Expeditionskorps habe in einem Tagesbefehl vom 14. Mai die revolutionäre Tätigkeit des Zentral- ausschusses verurteilt und die Bildung von Soldatenräten den Soldaten verboten. Im Unterhaus gab es am Mittwoch eine Interpellation der Arbeiterpartei über diese ernsten Er- eignisse. Der Staatssekretär erklärte, auf sie im Augen- blick nicht eingehen zu können.„Daily Herald" fügt hinzu, -daß die Lage in Aegypten sehr gespannt ist und daß die Soldaten immer energischer ihre Entlassung verlangen sntsprechond den Versprechungen der Regierung. Bezeichnend für die Mitlosigkeit der französischen Zensur ist der Umstand, daß diese Zensur das Wort„Sowjet" aus der Ueberschrift dieser Meldung der„HumorntH" hat streichen lassen, während zwei Zeilen später das verpönte Wort bereits wieder vorkommt. Das Wort„Sowjet" kommt in der Meldung ein halbes Dutzend mal vor und wird wiederum in einem Untertitel ein zweites Mal ge- strichen. EntenteantWvrt am ßreitag. Volksabstimmung im Osten. Haag, 7. Juni. (H. 91.) Aus Paris wird gemeldet: Ans einer Erklärung PnderewSkiS ergibt sich, daß der Rat der Bier und der polnische Premierminister über alle Punkte zur Urb er- einstimmung gekommen sind. Eine Sondrrkommission, in der Frankreich , England, Amerika und'Italien vertreten sind, studiert die Greuzfeststelluugen zwischen Polen «nd Preußen. Wahr- scheinlich wird eine Volksabstimmung stattfinden. Den Deutschen , die nächsten Freitag dir Antwort auf ihre Friedcnsvorschläge erhalten, wird eine Frist von vierzehn Tagen gegeben werden, innerhalb welcher sie antworten müssen. Graf Brockdorff-Rantzau wird mit seiner Tele- gation sofort«ach Berlin abreisen und von dort bekannt geben, ob seine Regierung de» Bertrag unterschreibt oder nicht. vereitelter Gefängniosiurm in Hannover . Aus Hannoder wird gemeldet: Am 6. Juni, 10'/» Uhr abends, versuchten etwa dreißig Personen, teils in Zivil, teils in Uniform, das am Waterlooplatz gelegene Militärarrest haue zu stürmen und die Insassen zu befreien. Die Angreifer waren mit Wurfminen, Handgranaten und- R e v o l v e r n o»Z« gerüstet. Durch die Wachsamkeit der Militärpolizei wurde indessen der Angriff vereitelt. Das gleiche Schicksal erlitt ein zweiter An- griffsversuch, der nachts gegen 2 Uhr erfolgte. Die Angriffsversuche bezweckten, die Peisonen, die wegen der vor einiger Zeit erfolgten spartakistischen Anschläge im Militärgefängnis festgesetzt waren, zu befreien.
Die Golöflieger im Tiergarten. „Hest du gesopen, betal och!" so legt sich das Volk in seiner Art den außerordentlich markanten Ruf aus, den man jetzt im Gegensatz zu früheren Jahren merkwürdig oft an sonnigen Tagen durch das Laub des Tiergartens schallen hört. Ja,— schallen! Zu sehen gibt's nichts. Die Biereule, die Regenkatze, der Diercsel, der Vogel Bülow, der Weihrauch'— ach, welche Namen hat dieser schöne Goldfarbene nicht mit der Zeit ngchgeschmissen bekommen!— dieser Vielbenamste ist, so laut er auch durch die Wipfel schmettert, kaum ein- mal zu erblicken. Hin und wieder nur erhasche ich im Tiergarten ein flüchtiges goldiges Vorbeiglitzern seines prachtvollen, exotisch gluthaften G«- fieders. Ach, ich kenne ihn ja sehr genau— aus Steglitz , aus Friede nau , aus einem alten Park hinter der Holsteinischen Straße. Wie oft habe ich da die drei Eifersüchtigen beobachtet: zwei Männchen, die um so eine Biereule wetteifernd sich die Flügel wund flogen und schmählich zankten. Es war eine Schmach! Und ein Vergnü- gen, das Zuschauen. Tie sonst so Scheuen hatten Mut bekommen— trunkenen Liebesmut, und sausten uns fast auf die Milchkännchen, morgenS, wenn wir auf dem Balkon frühstückten. Allerdings muß ich hinzusetzen: der alte Pari, wo sich dies goldene„Dreieck" katzbalgte, war wjrk- lich ein alter Park, ein einsam träumender. Darum auch wohl führten sich diese Schüren da in der Schat- teneinsamkeit, in dem kühl wuchernden Gebüsch und dem kniehohen Gras so ungeniert auf in ihrer Heiraterei. Bereits kurz vor San- nenaufgang schmetterten' sie durch die erste Dämmerung der Frühe, und dann den ganzen lieben Tag über. Selbst die Schwüle des Juli fürchteten sie mit ihren ewig rastlosen, hastigen Eifersuchts- luftstürzen nicht. Ich mache mir noch heute ein Vergnügen daraus, den Pirol ab und zu zum Narren zu haben. Mit etwas Veranlagung für den „Vogel " bring« ich es ab und zu fertig, einige ihrer Rufe mit an- gestrengtem Maulspitzeln endlich ziemlich biereselhaft nachzuahmen. Es dauert bei diesem Bicresel immer etwas länger als beim glühend verliebten Kuckuck, ehe er sich heranwagt, um dem Sanges- kollegen seine Reverenz zu machen. Der Kuckuck ist ein viel gedan- kenloserer, hitzigerer Brautwerber, �ioch vor einigen Tagen lag ich in der Nähe von Paulsborn und hatte einen dieser altdeutschen .Unglücksrufer', die sonst auch nichts vom Menschen halten und ihn möglichst meide», einige zwanzig Meter von mir auf einer Kiefer sitzen. Er rief un!x rief mit erregter Stimme, mit schmelzend wer- benden, dunkel brennenden Lauten nach allen Seiten; machte in die Gegend hinüber, wo ich reglos lag, sei»« reizendsten Honneurs, schlug mit den Flügeln so artig und so liebestoll, wippt« mit dem Schwanz dazu so kapriziös, daß ich meine Gaudi nur schlecht ver- berge» konnte. Ich habe zuletzt nicht«ehr gerufen, weil ich
fürchtete, er würde mir schließlich vor Liebestollheit auf die Nase fliegen und die ihn äffenden Lippen abhacken... Der Pirol ist mit seiner Reverenz und seinem Männchenmachen nicht so flink bei der Hand. Er antwortet ja immer sehr stürmisch: aber ein bisse! klüger scheint er doch zu sein als der Unglücksschreier. Einem allerdings von der menschlichen Sippschaft, der sich einmal erfrechte, di« jungen Bieresel auf ihre Eselsohren hin im Neste zu betrachten, dein ist das Pirolweibchen, das erst, mörderlich krächzend, ganz nah auf einem Ast herumtanzte, mit ein paar kräftigen Ohr- feigen um die Nase gesaust, daß der kleine Herr der Schöpfung baß verwundert der„frechen Alschen" nachguckte und dann doch lieber seine sürwitzige Nase etwas von dem Eselsnest zurückzog, als er das Männchen auch krächzend wie ein Rabe ansausen und mit den schwunghaften nachtschwarzen Fittichen zu gleichem Ma- növer ausholen sah.., A l w i n R a t h. Notizen. — Hermann Lopatin, der berühmte alte russische Re- volutionär, ein Freund von Karl Marx , ist in Petersburg , wie mitgeteilt wird, Hungers gestorben. Er hat Marx '„Ka- pital" inS Russische übersetzt. Als einer der bedeutendsten Männer der„Narodnaia Wolia" verfiel er dem Kerker des Zaris- mus. Die Oktoberrevolution 1005 befreite ihn auS der Schlüssel- burger Festung, in der er 21 Jahre gefangen saß. Ferner wird das Ableben des bedeutendsten russischen Literar- Historikers Lappo-Danilewski gemeldet. Auch ihn raffte der Hunger hin. gk. — Theater. Im Opernhaus, Mittwoch, nachmittags „ 7�'»H ä n s e I ii n d Grete l" und„P n p p e n s e e" zu ermäßigten Preisen. Der Vorverkauf beginnt Sonntag. — Am Sonntag, 15. Juni, Wirten im Deutschen Opernhaus Charlottenburg Hermann Jadlowter und Josef Schwarz, beide au? Riga , zu- gunsten ihrer durch Hungersnot und Plünderung in schwerstes Elend geratenen Landsleute in Tschaikowskis„Eugen Onegin " mit, — Im Theater, in der Königgrätzer Straße findet die Erstauf- führung von Paul Apels Satyrspiel„Der Häuptling" am 14. Juni statt. — Vorträge. In der Urania gelangt der Vortrag„Bon Kopenhagen bis Stockholm " am Sonntag, Dienstag, Freitag, Sonn- abend zur Darstellung. Montag. Donnerstag:„Die Insel Rügen." Mittwoch spricht Prof. Schwahn über �Werden und Vergehen im Weltenraum". — Hause nst ein über E i S n e r. DaS erste Hest der Monatsschrift„Der neue Merkur", München, hat mancherlei Be- ziehung auf Kurt E isner. Wilhelm Hausenstein zeichnet ein Lebens- und WesenSbild des Revolutionskämpfers in Knlturperspek- tiven, die seelisch und geschichtlich durchstrahlen und begreifen. „Der ganze Mann war Konzentration auf ein geistiges Ziel, das ihn znsebends stärker mit der Gewalt eines religiösen Syuibols ergriff. Aus diesem Munde ist nie eine zynische Silber über Reli- gion gekommen. Auch nie ein Wort der Zustimmung zu einem Dogma. Das religiöse Elainent war gleichwohl in ihm." Hausensteins Charakteristik drintg in Licht und Schatten,.in Kräfte und Schwächen ein. Wir haben Besseres s-h-r EjSner nicht zu Gesicht bekomme«..\