Nr.293. 36. Jahrg.

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Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

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Mittwoch, den 11. Juni 1919.

Vorwärts- Verlag G.m.b. H., Sw. 68, Lindenstr. 3. Fernsprecher: Amt Morikplatz, Nr. 117 53-54.

Der Senat gegen Wilson.

Der amerikanische   Senat befiehlt die Drucklegung des Friedesvertrages.

Parteitag und auswärtige Politik.

Weimar  , 10. Juni 1919.

Die Akten über die Armenier­

frage.

Im Ausland

Eine schwere Niederlage Wilsons. Der politisch bemerkenswerteste Vorgang der ernsten und Bersailles, 10. Juni.  ( Eigener Drahtbericht des„ Bor  - ist der Beschluß, das Thema: Auswärtige Politit" fachlichen Sizung, mit der heute der Parteitag eröffnet wurde, In der Zeit zwischen Frühjahr und Ende des Jahres wärts".) Der„ Temps  " meldet aus Washington  : Der Präsident als besonderen Puntt auf die Tagesordnung zu 1915 spielten sich auf den verschiedenen mit Armeniern be­Wilson hat dem Borsigenden des Ausschusses für auswärtige An- setzen und den Genossen Ed. Bernstein mit dem Referat siedelten Bläzen des türkischen   Gebietes furchtbare Dinge gelegenheiten ein Telegramm gesandt, das eine Unter- hierüber zu betrauen. Sachlich läßt sich der Beschluß ab. Große Teile des armenischen Volkes, Frauen und Kinder fuchung barüber verlangt, daß fich Personen im Befite faum rechtfertigen, weil die auswärtige Politik wohl beim einbegriffen, wurden unter dem Vorwande von Kriegsnot­bes Wortlauts des Friedensvertrages befinden, Fraktionsbericht und die keineswegs befugt waren, sich den Wortlaut zu verschaffen. Es verständlich mit zur Diskussion steht. beim Referat Scheidemann selbst- wendigkeiten und als Strafe für das Verbrechen einzelner fei von höchstem Interesse, ben Wortlaut eines Dokuments nicht zu Teltow  - Beeskow   hätte denn auch kaum eine Mehrheit er- dem Hunger und den Strapazen ausgefekt worden. Diese Der Antrag von Armenier deportiert und sind in Massen getötet oder tödlich veröffentlichen, das gegenwärtig noch Gegenstand von Berhand- zielt, wenn nicht das persönliche Element bei der entsetzliche Tragödie der Armenier ist in Deutschland   nicht lungen und änderungsfähig ist. Wilson sei sich vollständig bewußt, Entscheidung der Delegierten mitgesprochen hätte. Das zeigte bekannt geworden, weil die Zensur des alten Regimes jede daß seine Ehre auf dem Spiele stehe. Er sei in dieser Angelegen sich bei der Abstimmung, die lange zweifelhaft blieb, wo es Veröffentlichung darüber unterdrückt hat. heit im felben Sinne und in derselben Weise amtlich festgelegt, wie sich um die sachliche Trennung der Materien handelt, aber wurde aus der erzwungenen Schweigsamkeit der deutschen  die Bertreter der anderen Großmächte. Er sei davon überzeugt, eine an Einstimmigkeit grenzende Mehrheit ergab, als Deffentlichkeit hetzerisch eine Mitschuld des deutschen   Volkes daß seine Landesgenossen nicht von ihm erwarten, daß er das ge- es an die Bestimmung des Referenten ging. Der an den fürchterlichen Vorgängen konstruiert. Das danken gebene Wort verlege und er hoffe, bas bie Untersuchung Parteitag wollte offenbar zeigen, daß er teine wir den alten Gewalthabern. grünblich burchgeführt wird. Schablonisierung der Debatten wünscht, sondern Für die Ausrottung des größten Teiles des armenischen Und unmittelbar unter diesem Telegramm Wilfons bringt Meinungen, die von den allgemein herrschenden abweichen, Boltes gibt es keine Beschönigung. Dieser in der neueren ber Temps" aus Washington   folgendes Telegramm: Als Ant- sehr gern hören will. Viele wollten aber auch ihre Geschichte unerhörte Vorfall ist ein Gewaltakt brutalster Art wort auf die Beschuldigung, daß die Kopie des Friedensvertrages Genugtuung dahin zum Ausdruck bringen, daß der alte gewesen. Wenn wir das aussprechen, so wissen wir, daß nicht authentisch fei, begann der Senator Borah(?) den Vertrag Kämpfer Ed. Bernstein wieder in unseren Reihen steht. Damit nichts Böses gegen das türkische Volk selbst gesagt ist. von der Tribüne des Senats aus zu verlesen. Die Demokraten Der Parteitag feierte durch seinen Beschluß eine Wieder- Denn dieses mit uns heute noch durch warme freundschaft­versuchten, biese Betiefung als reglementswidrig zu verhindern, bereinigung im kleinen und bewies dadurch, daß er liche Gesinnung verbundene Volk hat über die Urheber and aber ber Senat beschloß mit 49 gegen 24 Stimmen, dem seinen Gefühlen nach die Wiedervereinigung im großen Organisatoren der Grausamkeiten gegen die Armenier tets Senator bie Erlaubnis zu erteilen, die Berlesung fortzusehen, will, daß er sie aber freilich nur will auf dem alten Boden ebenso geurteilt wie wir. worauf Borah während einer Stunde weiter las. Alsdann gaben sozialdemokratischer Grundsäze. Wenn wir für diese Art von Jetzt hat Dr. Johannes Lepsius  , ein bekannter die Senatoren, bie der Berlesung Widerstand geleistet hatten, nach. Ginigung eintraten, spotteten die Unabhängigen, wir forderten menierfreund, eine Sammlung diplomatischer Daraufhin gabber Senat den Befehl mit 47 gegen sie zur Rückkehr in den Schoß der allein seligmachenden Aktenstücke( Deutschland   und Armenien  , Tempelverlag 24 Stimmen, daß ber Drud des Vertrages als Stirche auf. Das Beispiel Ed. Bernsteins zeigt, Potsdam  ) veröffentlicht, die uns nicht nur einen großen öffentliches Dokument vorgenommen werde. daß eine so ernste Frage nicht mit frivolen Ueberblick über die Summe von Scheußlichkeiten, durch die Wizeleien erledigt werden fann. Bernstein   ein großer Teil des intelligenten Volfes im vorderen Orient hat sich mit schlichter Selbstverständlichkeit wieder eingefunden, vernichtet worden ist, verschaffen, sondern auch dartun, daß

Also doch Vergewaltigung der Wilson- Ideale ohne daß ihm von irgend einer Seite das geringste Opfer feitens der deutschen   Regierung alles ge­der Ueberzeugung zugemutet worden wäre, und die Partei schehen ist, was zum Schuße der Armenier bon Ein vielsagendes Dementi. hat ihn sogleich eingeladen, vor ihrem höchsten Forum die ihrer Seite aus möglich war. Diejenigen Armenier, für deren Amsterdam  , 10. Juni. Der Pariser Korrespondent der Daily Meinung zu vertreten, die er für die richtige hält. Damit Rettung die deutsche Kraft nicht ausreichte, haben sich einer News" meldet, er fei ermächtigt, der Behauptung entgegenzu- ist gesagt, daß jeder, der Sozialdemokrat geblieben ist, der geradezu rührenden Fürsorge durch die deutschen   Kon­treten, daß Wilson erklärt habe, der Friedensvertrag sei voll- die demokratischen Grundforderungen der uln im Innern Klein- Asiens erfreut. ständig in Uebereinstimmung mit den 14 Punkten. Partei noch nicht preisgegeben hat, seinen vorbehaltlosen Als die Hauptschuldigen der Armeniermassakres Wilson habe niemals, weder öffentlich noch privat, irgend etwas Platz in der sozialdemokratischen Partei findet. Die alte Partei werden allgemein die ehemaligen Großwesire Said Halim  Derartiges gesagt. ist und bleibt der Sammelpuntt aller wirklichen Bascha und Talaat Pascha  , ferner der Kriegsminister Enver Sozialdemokraten. Sie will die Kritit nicht unter- Bascha und der Marineminister Diemal Pascha angesehen. drücken, verschiedenen Meinungen in ihrem Rahmen Raum Sie hatten in der Provinz zuverlässige Freunde und Helfer, Entgegenkommen der Entente. gewähren nur die Einigung mit Leuten, die nicht mehr die ihrerseits einen. Apparat forrumpierter Unterführer mit Die Frage der deutschen Kolonien. Sozialdemokraten sind, hält sie für unmöglich. Das tam auch ausreichenden Scharen bedenkenloser Bewaffneter zur Hand im Referat von Wels zu flarem Ausdruc. Amsterdam  , 10. Juni.  ( T. K.) Wie die„ Daily hatten, um die geplanten Maßnahmen zuverlässig durchzu­Das ist der Sinn der heute gefaßten Beschlüsse. Bern  - führen. Mail  " aus Paris   berichtet, wird die Antwort der Alliierten stein wird nach Scheidemanns Referat über die Aufgaben der auf die deutschen   Gegenvorschläge ein sehr umfang. Partei in einstündiger Redezeit über die auswärtige Politik unter dem Vorwand der Gefährdung der militärischen Der formale Gang der Ereignisse war in der Regel der: reiches Dokument darstellen und dreihundertfünfzig sprechen. Die Debatte über beide Punkte wird zu- Sicherheit der Türkei   wurden zuerst die armenischen engbeschriebene Seiten umfassen. sammengelegt.

Aus offiziös inspirierten Mitteilungen an die englische Presse läßt sich mit Gewißheit erkennen, daß die Alliierten in ihrer Note Zugeständnisse von einschneiden­der Bedeutung an Deutschland   machen werden und daß darüber auch bereits im Viererrat völlige Einigkeit erzielt worden ist.

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Wutgeschrei der französischen   Presse.

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Meldung, daß Deutschland   im Oktober in den Völkerbund auf­Genf, 10. Juni( Gigener Drahtbericht des Vorwärts".) Die genommen werden soll, veranlaßt die französische   Bresse zu les­Haag, 10. Juni.  ( H. N.) Aus London   wird gemeldet: haften Protesten. Im ,, Echo de Pars" schreibt Bertinar unter der , Daily Expreß  " erfährt aus Paris  : Falls, wie jetzt festzustehen Ueberschrift: Deutschland   beginnt zu lächeln", der Friedensver­scheint. Deutschland   im nächsten Oktober als Mitglied des trag sei in Gefahr. ,, Echo de Pars" sieht sich genötigt, die außer Bölkerbundes in Washington   vertreten sein wird, dann wird ordentliche Wirksamkeit des Begleitschreibens vom 29 Mai dic Besatzungsarmee sofort aus dem Rheinland   zurück- anzuerkennen, nach dessen Ueberreichung der deutsche Himmel sich gezogen werden, anstatt dort 15 Jahre zu bleiben. Diese Tatsache aufgklärt habe. Das Blatt sieht Frankreich   den Sieg entgleiten ist vom industriellen Standpunkt von allergrößter Bedeutung. Diese und fordert die Regierung auf, durch eine energische Tat den Sieg Regelung wird von Lloyd George   und Wilson kräftig befür- wieder herzustellen. Es ist bezeichnend, daß 54 Zeilen des Artikels wortet. Die Amerikaner in Paris   find davon überreugt, daß der von der Bensur gestrichen sind. In gleichem Sinne schreibt der Senat das Abkommen ratifizieren wird, aber vielleicht wird die Matin" unter der Ueberschrift:„ Der französische   Sieg ist in Ge­allgemeine Ratifizierung durch alle Beteiligten so spät kommen, fahr". Infolge der deutschen   Gegenvorschläge und der Kampagne daß die Möglichkeit einer Zusammenkunft schon im Oftober der engischen Zeitungen sei eine radikale enderung des Geistes wenig wahrscheinlich ist und der Termin für diese Zusammenkunft des Friedensvertrages zu befürchten, so daß es weder Sieger einige Wochen später festgesetzt wird. Mit dem Wert der noch Besiegte gebe und das geschlagene Deutschland   leicht ge­deutschen Kolonien ist jetzt bereits bei der Einschung rettet neben dem siegreichen Frankreich   stehe. Die Humanité" der Enschädigung gerechnet worden. Der Wert der deutschen   legt ein warmes Wort für Toller ein und bittet im Namen der Kolonicu ist auf 5 Milliarden Pfund Sterling   geschäst französischen Sozialisten die Regierung Hoffmann, sich nicht mit worden. Das stellt genau die Summe dar, welche nach Angabe der seinem Blute zu beflecken. deutschen   Delegation selbst von Deutschland   gezahlt werden kann.

Der legte Sag ist einigermaßen unklar: Soll das Soll das heißen, daß Deutschland   anstelle von in bar zu leistenden Zahlungen seine Kolonien abgeben soll oder wird damit die Alternative eröffnet: entweder Entschädigung in Gold oder Waren oder Verlust der Kolonien.

Besehung Malmedys durch die Belgier. Haag, 10. Juni.  ( HN.) As Brüssel wird gemeldet: Man berichtet, daß die belgischen Truppen am Donnerstag Malmedy  befehen werden.

Notabeln verhaftet und meist für immer stumm gemacht. Dann wurde die Entwaffnung der männlichen Armenier durchgeführt und die dann waffenlose Bevölkerung in der Richtung auf Mesopotamien   zu abzutransportiert. In Männer abseits getrieben und ermordet. Jüngere Frauen vielen Fällen wurden gleich bei Beginn des Transportes die wurden vergewaltigt und in türkische Harems verkauft, die Kinder, soweit sie nicht schon umgebracht oder verhungert waren, wurden vielfach in mohammedanische Waisenhäuser geschleppt, um sie, wie ehemals die Janitscharen, zu islami­fieren. Die Karawanen, die in der mesopotamischen   Ebene anfamen, waren meist nur noch fümmerliche, verelendete Reste der früher aus ihren Heimatdörfern abgetriebenen Ar­menier. Man rechnet, daß mehr als zwei Drittel der türki­ schen   Armenier in jenen Schreckensjahren ihr Leben lassen mußten.

Die deutsche Botschaft und alle deutschen  onsuln in der Türkei   ohne Ausnahme haben ihr Bestes getan, um die gefährdeten Armenier zu schüßen. Daß fie, als fremde Vertreter, das Fürchterliche nicht gewalt­sam verhindern konnten, wurde zweifellos von niemand mehr beklagt, als von ihnen selbst. Freiherr von Wangenheim, der in der Hauptperiode jener Geschehnisse als deutscher Bot­schafter in Konstantinopel   amtierte, ist dabei, wenigstens im Anfange der Deportationen, häufig von den türkischen Staatsmännern getäuscht worden. Seine Proteste lassen das

ebenso erkennen, wie seine Berichte. In Bera kennt man nur das europäische aber nicht das asiatische Gesicht der Tür­fei" sagt Lepfius indigniert. Wangenheim hat aber bald ge­lernt, auch das asiatische Gesicht" zu sehen. Seine anfangs mit höflicher Surüdhaltung formulierten Protefte wurden