Nr.314. 36.Jahrg.
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Berliner Volksblatt.
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Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutfchlands.
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Sonntag, den 22. Juni 1919.
Vorwärts- Verlag G.m.b. H., SW. 68, Lindenstr. 3. Fernsprecher: Amt Morisplai, Nr. 117 53-54.
Ministerium Bauer.
Weimar , 21. Juni. Das neue Reichsministerium im Württembergischen Ministerium. feht sich, wie folgt, zusammen:
Präsident des Reichsministeriums: Bauer, Reichsminister des Auswärtigen: Hermann Müller
,
Inneres: Dr. David, Vertreter des Reichsministerpräsidenten und Reichsminister der Finanzen: Erzberger , Reichswirtschaftsminister: Wissell, Reichsarbeitsminister: Schlice, Reichsschasminister: Mayer- Kaufbeuren, Reichs post minister: Giesberts, Reichsverkehrsminister und weiter betraut mit der Führung des Reichskolonialamts: Be II,
Reichswehrminister: Noske , Reichsernährungsminister: Schmidt, Reichsjustizminister: bleibt offen. WTB bemerkt hierzu: Unter den Ministern befindet sich ein Bayer und ein Württemberger.
Das Kabinett wird sich Sonntag nachmittag um 3 Uhr ber Nationalversammlung vorstellen und feinen Entschluß erklären, den Friedensvertrag zu unterzeichnen. Diese Entschließung wird auch den alliierten und assoziierten Mächten gleichzeitig mit dem Grsuchen übermittelt,
ben Termin für die Unterzeichnung hinauszuschieben. Das ist notwendig, weil, gleichgültig von wem die Unterzeichnung erfolgt, von einer besonderen Abordnung oder von den Be-, amten des Auswärtigen Amtes in Versailles neue Vollmachten notwendig sind. Ueber den Modus der Unterzeich nung ist sich das Kabinett noch nicht schlüssig geworden.
Geboren ist Schlide am
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Das Kabinett der Unterzeichnung
Genosse Hermann Müller , der das Aeußere übernimmt, hat soeben erst vom Sozialdemokratischen Parteitag ein Vertrauens- Die neue Regierung, die gestern unter der Führung des votunt bester Art erhalten, der ihn als Nachfolger Scheidemanns Genossen Gu sta v Bauer zusammengetreten ist, wird vor aum Parteivorsitzenden wählte. Hermann Müller wurde Gegenwart und Zukunft einen schweren Stand haben. Eine am 18. Mai 1876 zu Mannheim geboren, er war von Haus aus seichte und tendenziöse Geschichtsauffassung wird ihr die Handlungsgehilfe. Seit 1899 Parteisekretär in Görlik, wurde er Schule zuzuschieben suchen, die ganz andere Leute auf das 1906 in den Parteivorstand berufen. Dem Reichstag gehörte deutsche Volk geladen haben, sie wird versuchen, auf die uner seit 1916 für den Wahlkreis Reichenbach an. Das Portefeuille befleckten Namen dieser Männer den Schimpf und die Schande des Aeußeren dürfte er wohl erhalten haben auf Grund seiner der banterotten Macht haber zu häufen, die vor mehrfachen Vertretung der Partei auf internationalen fieben Monaten teils nach Holland , teils nach Schweden deRongreffen, gulegt auf der internationalen Sozia- fertiert sind. listentonferenz in Bern , während er in Amsterdam ohne Verschulden nicht mehr rechtzeitig eintraf.
ift.
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Die Fraktion stimmt geschlossen.
Eine Erklärung der Minderheit.
In der Weltgeschichte wird man das neue Kabinett als dasjenige zu stigmatisieren suchen, das den entsetzlichsten Frieden unterzeichnet hat, der dem deutschen Volte seit mehr als hundert Jahren zugemutet wurde. Unterzeichnet wohl, aber nicht verschuldet. Aus den Spalten der nationalistischen Presse heult bereits das Schimpfwort vom„ Schandfabinett". Ach, es sind die Schand buben selber, die gemeinen alldeutschen Verräter des deutschen Volkes, die Die unterzeichneten Mitglieder der sozialdemokratischen Frat- hinter dieser Schimpffanonade verbergen wollen, daß wir tion der Nationalversammlung haben folgende Erklärung erlassen: vor den Früchten ihres erbärmlichen Tuns Wir unterzeichneten Mitglieder der sozialdemokratischen Frat- stehen. Dieses Pack hat jest gut sich in die Brust zu werfen tion der verfassunggebenden Nationalversammlung sind, wie die und zu schreien: Auf feinen Fall unterzeichnen!" Ja, Gesamtheit der Fraktion überzeugt, daß die Annahme des von hättet Ihr uns mit Eurer frivolen und verbrecherischen der Entente angebotenen Gewaltfriedens dem Wohle des Reiches Politik nicht in die jetzige Lage gebracht, dann brauchten und der deutschen Arbeiterklasse sowie dem Weltfrieden schädlich wir allerdings nicht zu unterzeichnen! Mit allen Euren Tobsuchtsanfällen werdet Ihr die Tatsache nicht aus der Welt Wir sind für Ablehnung des sogenannten Friedensver- schaffen, daß der Friede, dem das Kabinett ickt seine Untertrages, um unsere Gegner, falls sie auf der Durchsetzung der. Be- fchrift geben muß, der Friede ist, den die Altdingungen bestehen, in die Notwendigkeit zu verseßen, ihn selbst deutschen, den Wilhelm, Ludendorff, Tirpit. durchzuführen und sich dadurch am wirksamsten von der Reventlow usw. dem deutschen Volt. bemoralischen und materiellen Unmöglichkeit der schert haben. Friede der Alldeutschen" das wird von uns geforderten Bekenntnisse und Leistungen zu überzeugen. fein Name sein. Wir lehnen deshalb die Zustimmung zu diesem Frieden ab. Dem neuen Kabinett Bauer gehören 7 Mehrheitsfozialisten und 4 Zentrumsleute an. Die AnWir wollen jedoch in Würdigung der Motive, die für den Benahme, daß die demokratische Fraktion als solche sich nicht be- schluß der Mehrheit maßgebend sind, und im Interesse der Aufteiligen, aber doch den Eintritt einzelner Mitglieder der Bar. rechterhaltung der Einheit der Partei davon absehen, in der Natiotei in das Kabinett zulassen werde, hat sich danach nicht be- nalversammlung abweichend von der Fraktion zu stimmen. stätigt. Die Demokraten haben vollständige Abgez. Wolfgang Heine , Mar Quard, Adolf Braun , Georg Schöpflin , stinenz geübt. Voigt, Antonie Pfülf , Klara Bohm- Schuch, Hans Vogel , Mich. Hierl, Das Berhalten der Demokraten während der ganzen Th. Wolff, Hoffmann( Pfalz ), Fischer- Berlin, Ab. Thiele, Arise ist ein wenig Rühmliches und für das deutsche Th. Kozur, Otto Landsberg . Volf wenig nüßliches gewesen. Nachdem klar war, daß die Ablehnungspolitik einfach schon an der Stärke der Opposition scheiterte, hätten die Demokraten sich nicht länger versagen dürfen. Statt dessen haben sie durch ein gefährliches Kompromiß- und Intriguenspiel das Land in schwerste Gefahr gebracht und die Krise zit heilloser Verzu wirrung getrieben, furzum eine Situation geschaffen, aus der ohne die Entschlossenheit unserer Parteigenoffen, die Sache zu Ende zu bringen, kaum noch ein Ausweg gewejen
wäre.
Ohne die Demokraten!
Die neuen Männer.
Die Haltung der Truppen.
Generale für Unterzeichnung.
"
Und in dem Aufruf selber heißt es:
-
Wenn wirklich deutsche Männer sich finden sollten, die diese Schmach unterzeichnen, dann ist es heiligste Pflicht aller National gesinnten, sie aufs schärffte zu bekämpfen.
Aber der alldeutsche Stinkgasangriff, der bereits konzentrisch gegen die neuen Männer einfegt, wird die geringste Gefahr für das Kabinett Bauer sein. Dagegen schützt ein gutes Gewissen und die Rhinozeroshaut, ohne die es in der Politik nicht geht. Ernster zu nehmen sind schon die realen Ma chenschaften der Rechten, auf die wir in unserer gestrigen Nachmittagsausgabe hingewiesen haben. Hinter dem alldeutschen Toben und Wüten verbirgt sich mehr als eine bloße Gemütsstimmung. Die Deutsch - nationale Volkspartei erläßt bereits im voraus einen offenen Fehdeaufruf gegen das kommende Kabinett, der zwar sorgfältig jedes Wort bon offener Gewalt vermeidet, der aber die bezeichnende Ueberschrift trägt: Die Ehre gebietet: Nun! Daraus soll wohl die alldeutsche Anhängerschaft entnehmen, Wie die Telegraphen- Union meldet, bielten die zurzeit in daß der Moment zum Losschlagen gekommen ist. Weimar anwesenden Führer der Freiwilligentruppen General Admiral v. Trotha gestern im Schloß Belvedere in Gegenwart Groener, Maerter, v. 2üttwis, Dldershausen, ferner von Reichswehrminister Noste, Striegsminister Reinhardt wiederum eine Besprechung der Lage ab. Dabei hat sich die Mehr- Dieser Kampf wird ein Kampf um Leben und zahl der erwähnten Herren für Unterzeichnung des Bertrages aus- Tod der deutschen Freiheit sein. Unter diesem geiprochen. Generalfeldmarschall v. Hindenburg hat ein Gesichtspunkt begrüßen wir es besonders, in dem neuen Schreiben gefandt, in dem er sich gegen die Unterzeichnung Stabinett den Genossen Noste wiederzufinden, der übrigens ausspricht. unseres Wissens von Anfang an die Notwendigkeit der UnterVon der Presseabteilung des Generalfommandos zeichnung erkannt hat. Wenn die Alldeutschen mit ihren üttwiß geht uns ferner folgende Nachricht zu: wahnsinnigen Plänen Ernst machen, so wird er Gelegenheit In Berlin laufen Gerüchte um, daß unter den Truppen des haben, zu zeigen, daß all sein Tun, weswegen er von links Generalfommandos Lüttwizz eine Abstimmung über Annahme oder angefeindet wird, doch nur dem einen Zwecke gedient hat: Ablehnen des Friedensvertrages stattgefunden habe. Die Truppen Dem Schutz der republikanischen Freiheit Gustav Bauer wurde am 6. Januar 1870 in Darfehmen, sollen dabei den Entschluß bekundet haben, im Falle der Annahme und der Demokratie, er wird beweisen, daß er der Ostpreußen , geboren, er hat also das 50. Lebensjahr noch nicht des Friedensvertrages der Regierung die Gefolgidaft Mann ist, diese Errungenschaften gegen jeden Angriff zu bollendet. Von Haus aus Bureauangestellter, seit 1893 Bureau au berweigern. An diesen Gerüchten ist natürlich fein verteidigen. vorsteher fam er über den von ihm begründeten Bureauangestellten wahres Wort. Richtig ist lediglich, daß die Truppen sich wiederholt berband sehr bald an leitende Stelle der gesamten Gewrtschafts- in scharfen Protesten gegen die Annahme der Schmad bewegung, von 1908 bis 1908 war er Sekretär des Zentral- Ar- paragraphen ausgesprochen haben und nach wie vor voll und beiterjekretariats in Berlin , seit Ottober 1908 zirciter Borsigender ganz auf dem Boden der in der Universität Berlin fürzlich abgeder Generalfommission der Gewerkschaften. Seine parlamentarische gebenen Erklärung der gesamten deutschen Reichs. Laufahn begann er verhältnismäßig spät, nämlich 1912, er hat also wehr, gegen die Unterzeichnung stehen. nur dem letzten Reichstag vor der Revolution angehört, in den ihn der Wahlkreis Breslau - Ost entsandte. Seine parlamentarische Tätigkeit, namentlich in sozialpolitischen Fragen war sehr fruchtbar. Neben Scheidemann war er der erste Sozialdemokrat, der in die Regierung gelangte; er gehörte bereits seit dem 5. Ottober 1918 dem Kabinett des Prinzen Mag von Baden an. Seine ruhige Sachlichkeit und sein treffsicheres Urteil haben Gustav Bauer schon lange das Vertrauen weiter Parteitreise erworben.
In dem neuen Kabinett wird die Sozialdemokratie die Mehrheit haben, unter den neu eintretenden Ministern befinden sich drei Parteigenossen, nämlich: Bauer, Hermann Müller und Schlide. Von diesen haben sich speziell zwei in der Gewerkschaftsbewegung emporgearbeitet, nämlich der Ministerpräsident selber und sein Nachfolger im Reichs. arbeitsministerium Alexander Schlide.
Rücktritt des Genossen Stampfer.
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Neben dem Verbleiben Nostes begrüßen wir auch ganz besonders das des Genossen Wissell, das zum Entsetzen aller Wirtschaftsreaktionäre- zeigt, daß das Wissell'sche Sozialisierungs Programm unverändert weitergeführt werden soll. Mit dem Ausscheiden der demokratischen Manchestermänner ist sogar die Aussicht auf reibungslose Durchführung dieses Programms bedeutend gestiegen.
Trogdem ist natürlich nicht zu verhehlen, daß der Abzug Genosse Friedrich Stampfer hat dem Partei- der Deutschdemokraten aus der Regierung an sich eine gevorstand und der Preßkommission mitgeteilt, daß er von wisse Schwächung für die Position des neuen Kabinetts seinem Posten als Chefredakteur des Vorwärts" zurücktritt. bedeutet, da seine Basis entsprechend schmäler geworden Um Mißdeutungen vorzubeugen, hat Genosse Stampfer ist. Denn die Unabhängigen werden wohl das Kabinett in uns ermächtigt, an dieser Stelle mitzuteilen, daß sein Rück der einen Frage der Unterzeichnung unterstützen, im übrigen Alexander Schlide ist besonders durch seine Tätigkeit tritt nicht auf die bekannte Meinungsverschiedenheit über die aber besteht wenig Aussicht, daß sie ihre Bequemlichkeitsim Deutschen Metallarbeiterverband bekannt ge- Friedensfragen innerhalb der Redaktion zurückzuführen ist, politik der grundsätzlichen Opposition verlassen werden, wie worden, der größten deutschen Gewerkschaft, deren Vorsitzender er sondern daß er seinen Entschluß mit Rücksicht auf die gefie ja auch jetzt schon troß ihres Eintretens für die Unterfeit 1895 war. Seit 15. Januar 1919 ist Schlice Arbeitsminister| sa mte politische Situation gefaßt hat. zeichnung es selber ablehnen zu unterzeichnen.