unS utterfrogltÄ Welche Garantie vermag die„FreiHeii" dafür zu bieten, daß auf Belagerungszustand und gewalt- same Einschränkung der persönlichen Freiheitsrechte all- seitig verzichtet wird? Solange dieser allseitig« Verzicht nicht ausgesprock)en ist, handelt es sich doch in Wahrheit gar nicht darum, ob der Belagerungszustand bestehen soll oder nicht, sondern nur darum, wer ih n verhängt. Schon macht sich in den breiten Massen der Arbeiterschaft eine Ernüchterung bemerkbar. Besonnene Elements gewinnen wieder die Oberhand, die sihh in keinen Kampf einlassen wallen, ohne zu wissen, was sein Preis sei. Sie wollen sich nicht für das politische Rätesystem die Köpfe einschlagen, so- lange sie nicht wissen, wie es aussieht, und wenn von Sozia- lifierung gesprochen wird, genügt ihnen nicht mehr das bloße Schlagwort, sondern sie wollen Weg und Ziel deutlich sehen. Der Sozialismus kann bei einer solchen Entwicklung der Geister nicht verlieren, sondern nur gewinnen, denn Schwie- rigkeiten überwinden kann nur der, der sie vorerst erkannt bat und nicht in erwachendem Lichtrausch mit dem Kopf gegen dicke Mauern taumelt. Laßt der Demokratie Zeit sich auszuwirken! In abseh- barer Zeit wird die Nationalversammlung dem ersten Reichs- tag der deutschen Republik weichen, der nach den Wünschen des Volkes zusammengesetzt sein soll. Entspricht die Ratio- nalversammlung nach fünfmonatigem Bestände nicht mehr der Volksmeinung, dann laute die Parole nicht„Befestigung der Demokratie!", sondern„Neuwahl". Laßt den staat- lichsn, den städtischen Parlamenten Zeit zur positiven Tätig- keit, und wenn auch die nicht befriedigt, wählt nach Ablauf ihrer Tagungsdauer neue Vertreter, die euch besser zusagen. Aber alle, die Ihr den ganzen Frieden wollt, den inneren wie den äußeren, habt Achtung vor dem Recht jedes ein- zelnen, habt Respekt vor dem Menschenleben! Draußen ist das Werk getan, es ist nicht geraten, wie wir es wollten, aber es ist! Nun, Pazifisten, an die innereFront!_ Reichswehr unö ßrieüensfchwß. Erlah des Kriegsministeriums. Berlin , 24. Juni. Das Kriegs Ministerium veröffentlicht fol- gruben Erlaß: In llebereinstimmung mit der Mehrheit der deutschen Rational- vcrsammhmg und trotz Würdigung des Einspruchs des Reichswehr- Ministers und deS Preußischen Kriegsministers hat die Reichsregie- rung sich unter dem Druck der Not und der Gewalt veranlaßt gc- sehen, das Friedensdiktat unserer Feinde anzunehmen. Sie mußte damit auch die für das deutsche Heer besonders '.hmachvollen Bedingungen unterzeichnen. Wir Soldaten können diese Bedingungen mit unserer Ehre nicht in Einklang bringen und werden dieses niemals vergessen dürfen; wir wollen und müssen aber unsere persönlichen Bedenken zurückstellen, weil die dringlichste Pflicht gegen das Vaterland die Aufrechterhaltung der Ordnung und Ruhe und die Weiterführung des laufenden Dienstes erfordert. Es muß daher jeder Offizier und jeder Heeresangehörige, unbeschadet der persönlichen Stellung- nähme des einzelnen zu der neugeschaffenen Lage unbedingt so lange auf seinem Posten aushalten, bis er abkömmlich oder . rsetzt worden ist. Um das Beschleunigte jAus scheiden von Offt- zieren aus dem Dienste zu erleichtern,. bestimme ich im Einver- nehmen mit dem Rcichswchrmini ster; 1. Sämtliche preußischen Generale können vom heuti- gen Tage ab ihre Stellung zur Disposition unmittelbat beim Personalamt des Kriegsministeriums schriftlich oder tele- graphisch ohne weitere Formalitäten beantragen. Diese? Recht läuft am 23. Juli ab. Die Entscheidung über die Genehmi- gung mutz ich mir in jedem Falle vorbehalten. Sie hängt von der Möglichkeit des Ersatzes ab. Für die preußischen Generale der Reichswehr entscheidet der Reichspräsident.
Der Truthahn. Bon Heinrich GoereS. Fm Schaufenster deS dicken Geflügelhändlers ruhte der Trat- hahn auf weißlackiertem Brett recht würdig. Als man ihm die .Kehle durchschnitt, hatte er verzweiflungsvoll die langen stahlgrauen Scharrkrallen ineinandergezogen und reckte sie jetzt wie kleine Fäuste gegen die Scheibe. Aber das tat seiner Schönheit keinen Abbruch. Ben den muskulösen Schenkeln waren die Federn entfernt. Sie luden geradezu zum Anbeißen ein. Nicht minder die ebenso ihrer natürlichen Bedeckung entkleidete Brust. Breit und rofig stieg ste empor bis zur Höhe des steil ragenden Brustbein», ein Chimborasio des Gaumenkitzels, Orgien der Tasellust versprechend. Der auSge- 'ächerte Schwanz, die lässig hängenden Schwingen gaben dem najestätischen Körper wirkungsvolle Folie. Ein außerordentlicher Truthahn. .Wie Marzipan", seufzte eine stattliche Dame in mittleren Jahren, »ach, hätte ich ihn!" Ihre Backen blähten sich auf, ihre Augen funkelten wie dtf eines Raubtieres. Achtzehn Mark das Pfund! Zehn Pfund wog er mindestens. Nein, ein Fünftel des Monatseinkommens ihres Mannes durfte fie nicht daran wagen. Betrübt schwankte sie erloschenen Blickes weiter. ES kamen ihrer viele, die mit dem Anblick vorlreb nahmen, mit nasser Zunge und gelindem Schluckkrampf von bannen wandeln mußten. Schließlich war man froh, wenn das Stückchen ameri- kanischen ranzigen'Specks im Topf schmorte. Der armen Weiber mit verschlissenen Marktkörben gar nicht zu gedenken. Sie gingen, je. nach Temperament, zornig oder gleichgültig vorbei, wenn sie die Preisforderung lasen, und zogen ihre nacktsüßigen, den merkwürdigen Vogel anstaunenden Kini�r mit sich. Der dicke Geflügelhändler im Laden bemerkte mit Entzücken die Anziehungskraft, die sein Hahn ausstrahlte, und drückte behursam den blutigen Kopf des Tieres unter den rechten Flügel.„Es ist recht warm geworden," jagte die Kassiererin,.sollen wir ihn nickt in« Hotel schicken?"—„Ach wo, Fräulein," meinte der Chef,„wir verdienen so wie so höchstens zwanzig Prozent daran, beim Hotel nur zehn. Wir werden ihn schon noch verkaufen." Er lächelte. Die zwanzig Prozent waren eine Finte, dreißig fielen ab. Tie Angestellten brauchten nicht all�S zu wissen. Der Truthahn verharrte in erhabener Unbeweglichkeit. Die Sonnenstrahlen, die eifriger und heißer vom Frühsommerhimmel schössen, entdeckten ihn nachmittags, als der Herr des Ladens sein Schläfchen hielt und die Kassiererin während der stillen Stunden i�r Köpfchen statt über Berechnungen von Gänse- und Karnickel- vierteln auf den neuesten Roman der Courihs-Mahler senkte. Was ihr übrigens erlaubt war. da es das Geschäft nicht schädigte. Die Sonne beleuchtete den Hahn umständlich, strich siebkosend über seine blanke Haut. Sie weckte in ihrer Allbarmherzigkeit auch eine bis dahin in der Ecke träumende goldene Fliege. Die rieb ihre feinsten Beinchen sauber, probierte, ob ihr Kopf noch fest saß. surrte auf und erblickte das herrliche Federvieh. Sofort wußte ste, wozu es dalag. Trug sie nickt ein goldenes Gewandt war sie nicht die Königin der Lüste? Alle» Fleisch ihr nicht Untertan? Hurtig ließ sie sich nieder, spazierte eifertig hin und her an dem Berge ihrer guten Hoffnung und fand geschützte Winkel
S. Da dieser Weg für die Gesamtheit der Qfsiziere. SanitäiS- offigiete, Veteriuäroftizier« und Beamte nicht durchführbar ist, muß es sich für diese, ebenso wie für die Unteroffiziere und Freiwilligen, bei dent bisherigen Dienstweg verbleiben, jedoch können die Gesuche um Verabschiedung in allereinfachstsr Form eingereicht werden mit der SiellungnahiNe der Vorgesetzten, ob im Interesse der Auftechterhaltung des Dienstes das Ausscheiden an- gängig ist. 3. Alle Versorgungsansprüche bleiben unberührt bestehen. gez. Reinhardt.
Kein Jubel in öer feinülichen presse. Rücktritt Clemenceaus nach Unterzeichnung. Versailles , 24. Juni. Wie„Echo" erfährt, hat Clemenceau in dsr Ueberzeugung, fein Werk, für das er sein Amt übernommen hatre, durchgeführt zu haben, die Llbsicht kundgegeben, zu r ü ck z u- treten, sobald der Friedensvertrag unier Dach und Fach ist. Mit den Riesenüberschriften„Der Friede ist da",„Deutschland unterwirft sich" verkünden die Blätter heute, daß Deutschland die Bedingungen der Alliierten bedingungslos angenommen hat. „Homme Libre" erklärt, das deutsche Volk, welches immer nur das Gesetz der Gewalt kannte, hat sich diesmal auch nur der Gewalt gebeugt. „Journal" hofft, daß durch die Tatsache, daß Deutschland die Schuldigen nicht selbst bestrafe, die Illusion derer, die auf b a l- dige Versöhnung hoffen, hinfällig würde. Im„Petit Journal" schreibt V i v i a n i, die Aufgabe' des französischen Volkes fei nicht zu Ende; in Frankreich müsse alles neu gemacht werden. Ohne Einigkeit eines Volkes sei dies unmöglich. „H u m a n i t e" freut sich für die Menschheit, für Frankreich und das deutsche Volk. Das Blutbad ist zu Ende. Aber an diesem feierlichen Tage würde« wir gegen unsere Pflicht als Sozialisten und Republikaner verstoßen, wenn wir nicht laut berennten, daß wir die Bedingungen dieses Friedens mit allen unseren Kräften zurückweise», weil fie ungerecht find und den Interessen Frankreichs zuwiderlaufen. Es ist lächerlich, zynischer Spott, wenn man dem, was man Rechtskrieg nannte, ein Ende der Gewalt und der Unge- rechtigkeit gibt. Der Friede ist für Frankreich gefährlich, denn er häuft in Deutschland schweren Haß gegen unser Land an. Er bringt unsere verwüsteten Gebiete um die Wiedergutmachungen, welche, wenn sie maßva llund vernünftig gewesen wären, sofort hätten gefordert werden können. Er bringt uns die Last des weiterbestehenden Militarismus und die Notwendigkeit langer militärischer Besetzung und folglich erdrückende Lasten für unsere bereits schwachen Finanzen. Dieser gehässige» ungeschickte Frieoe ist nicht der Friede deS franzSfischen BolkeS und seiner Soldaten. Amsterdam , 24. Juni. Dem„Allgemeen Handelsblad" zufolge schreibt„Time s", die Unterzeichnung des Friedensvertrages werde den Frieden nicht bringen. Deutschland habe die Ab- ficht, ein falsches Spiel zu spielen. Die konservative„Morning Post" schreibt: Deutschland schließt Frieden mit Haß im Herzen. Die Alliierten müssen auf ihrer Hut sein. „Daily Telegraph " sagt: Die vollständige Ausführung der Bedingungen des Friedensvertrages ist eine Frage, welche die Wachsamkeit und Entschlossenheit der Mächte erfordern wird. Das beste, was man erwarten kann, ist, daß man keine Zeit ver- liert» um die Unterzeichnung zu einer Tatsache zu machen. Sie wird die Zustände in Deutschland stabilisieren und in der ganzen Welt eine gegen den Frieden gerichtete Bewegung hervorrufen. Der sozialistische„Daily Herald" schreibt: Deutschland kann die ihm in diesem Bertrage auferlegten Berpflichtungen nicht halten und wird es auch nicht tun. Es würde sich wohl an einen auf dem Recht aufgebauten Vertrag gehalten haben und das wäre für die Deutschen selbst und für die ganze Welt von Bedeutung gewesen. Es ist deshalb ein Fehler, daß wir Deutschland zur Unterzeichnung zwingen, und es wäre töricht, mit unzeitgemäße» Friedenskundgebungen einen Frieden zu feiern, der keiner ist.
genug, mehrere Wochenbetten abzuhalten. Darauf schwirrte sie närrisch vor Freude an der Glaswand, fand ein Luftloch und flog eilig davon. Denn die goldene Fliege war kein herzloses Geschöps, sie besaß soziales Empfinden. Eine bestimmte Adstung durchzitterte sie, daß manche ihrer Schwestern in Sorge um sicheres Unter- kommen für die Nachkommenschaft bangten. Bald versammelte fie fich zu diesen Bekümmerten, gab ihnen ausreichende Erklärungen. Alle hoben sich und sausten durch den Lichtglanz gleich abtrofenden Fünkchen de? glühenden mütterlichen Gestirns. Die Kassiererin ver- schlang das hundertste Blatt des Romanbuckes, der Truthahnerhob seine Einwendungen und ehe der übernächst« Morgen graute, vermehrte sich die Familie der goldenen Fliegen um sechstausend viel ver- sprechende Mad?»jungsrauen. Vorläufig hielten fie fiS entsprechend ihrem nnschutdigen Lebensalter noch vor dem Angesicht der Welt verborgen.. Nun jedoch erschien der Diener de» Großkaufmanns Fürchte- nichts. Herr Fllrchtenichts erwarb in den letzten Jahren des Krieges durch geschickte Dirigierung einer Anzahl Eisenbahnzüge voll Leder, Tuch, Zucker, Mehl und lonstiger den meisten Menschen ftemd ge« wordener Artikel um das Vaterland, wofür ihm gerechterweis« einige Mllionen zufloflchi. Sein Diener forschte im Auftrog der Küchen- Verwaltung nach frischem Geflügel und nahm den imposanten Hahn mit, da der Kostenpunkt in» Falle FürchtenichtS keine Rolle spielte. Abends meldete die Köchin der hochbebusten Lebensgefährtin FürchtenichtS, der Hahn erscheine ihr verdächtig. Die gnädige Frau folgte unwillig in die Kücke, da sie gerade dabei war. ihre Brillanten für einen GesellschaftSbesuck anzulegen und das Auto schon wartete. Auf drei Schritte iah Frau Fürchtenichts ein wilde« Gewimmel auf dem Bratentier, fürchtete sich und wich entsetzt zu- rück:„Pub, wie widerlich I Entfernen Sie das Zeug aus dem Hause. Morgen schicken wir eS zurück— oder, wenn Sie es viel» leicht Abwaschen und für die�Pcrsonalküche verwenden wollen.— Für morgen mittag nehmen Sie Schinken mit Spargel. Wieviel Schinken sind übrigens noch da?"—„Drei, gnädige Frau."—„Nur noch drei? Gleich werde ich schreiben lassen nach Pommern , dainit ein halbe» Dutzend geschickt werden. Vielleicht ist auf denf Ritter - gut auch wieder ein Kalb schlachlfertig. Guten Abend." Die Köchin äffte ihr nackt„Pub. de«'S mich auch zu eklich. Was Sie nich essen, gnädige Frau, frißt det Personal schonst lange nich I" Nahm den Hahn mit der Zange, trug ihn in den Garten und legte ihn auf eine Bank. Nachts schießen die Ratten aus ihn. Die ekelten sich nickt Hielten vielmehr eine erlesene Mahlzeit. Der älteste Ratterich strich sich den Magen und predigte:„Kinder, seid dankbar, sowas ist selbst im Frieden nickt dagewesen." Zurückschicken ließ sich der von den Ratten anatomisierte Hahn nicht mehr. Er blieb liegen, �bis der Gärtner die Knocken fortschaffte. Von den sechstaufend Ftiegenjungfrauen überdauerten zweitausend den RattenfchmanS. Sie stoben bei Eintritt der Volljährigkeit als goldene Wolke gegen den Zenith und sangen ein Loblied ob ihrer wunderbaren Jugendzeit. So war alle» zufrieden. Der Gcflngelhändler. denn er blieb im unangefochtenen Besitz seiner dreißig Prozent, die gnädige Frau, die anderthalb Pfund milden Landschinlen verzehrte und an das kleine Mißgeschick nicht mehr dachte, derRittergutsbcsitzer in Pommern , der sich über die zahlungskräftigen Kunden freute, die Köchin, weil sie
Die hollänöische preffe unü üie Unter- werfung Deutschlanös. Amsterdam , 24. Juni. Nur ein Teil der holländischen Morgen- blätter nimmt in Artikeln zu der gestern hier eingetroffenen Nach- richt, daß die deutsche Regierung die bedingungslose An- nahme des Friedensvertrages beschloffen hat, Stellung. Sie betonen die Zwangslage, in der Deutschland sich befindet. Nieuws van den Dag schreibt: Deutschland fügt sich zwar in die. aufgezwungenen Bedingungen, ober das herrliche Wort Friede paßt kaum auf den Zustand, der jetzt entsteht. Der Krieg ist aus; ob es wirklich Friede wird, muß sich noch zeigen. Oder kann man es einen Frieden nennen, einen Frieden, der diesen Namen verdient und von Dauer ist, wenn dem Besiegten, nachdem ihm das Messer an die Kehle gesetzt wurde, gestattet wird, sich geschlagen und verstümmelt, mit Erbitterung im Herzen, auf unabsehbare Zeit in dem Dienste des Siegers ab- zuquälen? Dieser Friedensvertrag birgt nicht nur den Keim für neue Kriege in sich, sondern ist an sich schon eine neue Be- drahung des zukünftigen Weltfriedens. „Het Baderland" schreibt: Es gab keinen anderen AuS- weg für Deutschland , nur vor der Uebckmacht hat es die Flagge gesttichen. Aber wird dieser Friede, der die Völkerversöhnung hätte einleiten müssen, keinen Haß»nd keine RachegefLhle zurück- lassen? Sckon jetzt seien Anzeichen dafür vorhanden, daß das deutsche Boll ihn als Brandmal empfinde. Die Bcrsrnkung der deutschen Schiffe und das Verbrennen der französischen Kriegs- trophaen zeigten, daß der Funke der Vaterlandsliebe und des Nationalstolzes noch unter der Asche glimme. Amsterdam , 24. Juni.„Algemeen Handelsblad" schreibt zur Annahme der Friedensbedingungen durch Deutsch- land: Das militärisch wehrlose, wirtschaftlich erschöpfte, der LebenSmitteworräte und Rohstoffe beraubte Land, das nicht nur von Hunger und Arbeitslosigkeit, sondern auch von ernsten politischen Spaltungen gequält ist, hatte keine andere Wahl. Die große Masse des Volles wollte Ruhe für den erschöpften Körper und die gepeinigte Seele. Ein weiteres Festhalten an der Unannehmbarkeit der Friedensbedingungen würde ein Hazardspiel gewesen sein, und einen solchen Zufall darf keine Regierung das Schicksal ihres Volkes und� ihres Landes überlassen. Die Zeit wird, was an Unerfüllbarem, Unerträglichem in dem Vertrag gefordert wird, ändern. Ein großes Volk, das leben muß und leben will, wird leben. Der ententefreundlich gesinnte„T e l e g r a a f" hält daran fest, daß die Alliierken mit allen Mitteln, die ihnen zur Verfügung standen, getrachtet haben, eine ehrliche und gerechte Lösung aller Fragen zu finden.
Vergeltung für Scapa§low. Besprechungen des Biererrates. Versailles , 24. Juni. kEigsmneldung des„Vorwärts".) Nach dem„Journal" beschäftigte sich der Biererrat mit dem Zwischenfall von Scapa Flow . Wie das Blatt wissen will, sucht man nach einer Form von Wiedergutmachung, die aber nicht in einer finanziellen Entschädigung, sondern darin bestehen soll, daß man ten Kieler Kanal besetzt oder von neuem das Schicksals des Kanals einem internationalen Kontrollausschutz überläßt. Ein endgültiger Beschluß ist jedoch noch n ich t gefaßt.
Der Reichs- und preußische Staatskommissar für das Wtth- nungswescn. Geheimer Regierungsrat Scheidt, ist zum Unter- staatssekretär des in der Bildung begriffenen preußischen Wohl- fährtsminiHeriumS ernannt worden. Die Geschäfte des Staats- kommissariats werden von dem neuen WohlfahrtSmimsterium über- nommen werden, so daß die WohnungSfürsorge in Preußen auch weiterhin in weitgehender Weise der Aufsicht des bisherigen Staatskommissars unterstellt bleiben wird. Unterstaatssekremr Scheidt wird voraussichtlich auch die Geschäfte des Reichskommissars für das Wohnungstvesen nebenamtlich weiterführen.
der Alten ein Schnippchen schlagen konnte. Die Natten vererbten die Historie von der Schwelgerei von Generation zu Generation, das Geicklecht der Fliegen breitete sich aus wie Sand am Meere und erfüllte den Raum mit schwebenden Edelsteinen. Selbst die nacktsüßigen Sprößlinge der armen Weiber spürten keine Betrübnis, da sie überhaupt kein Verlangen nach dem Vogel getragen hatten. weil ste seine WesenSarr nicht kannten und auch wohl nicht kennen lernen würden. Rur die Dame mit den geblähten Backen und den Raubtier- äugen erlitt einige Enttäuschung: Ihr träumte, ein gebratener Truthahn stände, braunem Marzipan gleich, auf ihrem Tisch. Als sie ihn mit dem Messer anrührte, zerplatzte er wie eine dünne Pergamenthülle und ein Berg von Papierzetteln quoll hervor. Auf jedem stand mit großen Buchstaben:„Das Pfund kostet 18 Mark".
Notizen. — Theaterchronik. Sonntag wird in der Volksbühne nicht„S'Jungferngist". sondern„Der Schwarzkünstler' von Emil Gott gegeben: — Friedrich Mo est liest am Sonnabend, den 28. d. M., abends 7>/g Uhr, Faianenstr.'33. Novellen von Betty Winter, F. Gräfin zu Reventlow und Auguste Supper . — Courbets Heimkehr. Die 100-Jahrfeier der Geburt deS großen sranzönichen MalerS hat auch die Ucbcrfiihruna seiner Leiche nach Frankreich in ein neues Stadium gebracht. Courbet ruht, von der französischen Regierung aus der Heimat verbannr, in La Tour de Peilz in der Nähe von Vevey in der Schweiz . Bereits vor einiger Zeit war eine Bewegung im Gange, die Leicke nach seinem Geburtsort OrnanS zu überführen. Jetzt hat sich ein Komitee von Berehretn Courbets gebildet, und seine„Heimkehr" wird nun in feierlicher Meise erfolgen. — Eine bedeutsame physiologische Entdeckung. Prof. H. Zwaartemaken in Utrecht hat entdeckt, daß ein überleben- des Froschherz, das mit einer kaliumfreien Salzlösung durchspült wird und infolgedessen nach einer gewissen Zeit zu schlagen auf- hört, wieder in völlig normale Tätigkeit versetzt werden kann, wenn es mit einer kaliumsreien Salzlösung durchspült wird, die kleine Mengen anderer radioaktiver Stoffe gelöst enthält. Höchst merk- würdig und für die Anbahnung tieferen Verständnisses bedentungS- voll ist, so berichtet Prof. Bornttau in der„Umschau", die weitere neue Beobachtung der holländischen Gelehrten und seiner Mit» arbeiter. daß das infolge kalhimfreier Speisung zum Stillstand ge- kommene Froschherz binnen einer Reibe von Minuten wieder zu schlagen anfängt, wenn es aus unmittelbarer Nähe in seinem Radium- oder Mesothorium-Präparat bestrahlt wird. — S i e w e i ß B e i ch e i d. In der Münckener„Jugend" er« zählt Benno Heiyl: Ein Mädchen hatte„Familienzuwachs" bekommen, nachdem ihr ein Herr eidlich die Ehe versprochen. Da weigerte sich der Herr, nicht nur das eidliche Versprechen zu halten, sondern auch für Mutter und Kind zu sorgen. In der nun folgenden AlimentationSklag« sagte der Richter zur Klägerin:„Ich brauche Sie doch wohl nicht aus die Folgen eines falschen Eides aufmerksam zu machen?" „Nein." antwortete das Mädchen, die kenne ich!"