Nr.346.36.Jahrg.
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Mittwoch, den 9. Juli 1919.
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Ratifizierung des Friedens.
Heute berät und beschließt die Nationalversammlung über Wir wollen aber diese Deutschen versichern, daß wir fie nie berdie Ratifitation des Friedensvertrages. Mög gessen, wie wir auch fest glauben, daß sie niemals unsere gelicherweise ist die Ratififation bereits erfolgt, wenn diese Zeilen meinsame Geschichte bergessen und unser gemeinsames Leben nie verleugnen werden. Im übrigen werden wir unser den Lesern zu Gesicht kommen. Bei der gegenwärtigen deutsches Haus mit all den Kräften, die uns verbleiben in der Situation hat der Aft, der die Zustimmung der Voltsvertre- schweren Leidenszeit, so ausstatten, daß in unseren Schwestern und tung zur Unterschrift der Regierung ausdrückt, nur formale Brüdern, die uns entrissen werden, das Bewußtsein nationaler ZuBedeutung, und es besteht fein Zweifel, daß diese Bu- fammengehörigkeit wach bleibt, bis auf friedlichem Wege in hoffentstimmung erteilt werden wird. Denn die Unterzeichnung des lich nicht zu ferner Zeit in einem wahren Bund der Völker alle Friedensvertrages durch die Regierung ist bereits im aus- ftrittigen nationalen Probleme eine gerechte, das heißt den Willen drücklichen Einvernehmen mit der Mehrheit der der Bölfer achtende Lösung findet.( Lebhafter Beifall.) Nationalversammlung erfolgt, die gegenwärtige Regierung ist ( Bei Redaktionsschluß spricht der Redner weiter.) zum Zweck der Unterzeichnung eingesetzt und mit entsprechender Bollmacht versehen worden.
Wissell vor dem Rücktritt.
Die Ministerkrise.
Sachlich bedeutet die Natifikation, ebenso wie die Unterzeichnung, nur die Unterwerfung unter äußerem 3wang, feine innere 8ustimmung zu dem In- Wie bereits bekannt, hat sich das Kabinett gestern, angen halt des Vertrages. Dem wird die Nationalversammlung noch scheinlich aus politischen Gründen, mit großer Mehrheit einmal besonderen Ausdruck geben. Der Kampf gegen gegen das Wissellsche Planwirtschaftsprogramm gewandt. diesen Friedensvertrag muß gerade nach Abschluß Die Demission des Reichswirtschaftsministers ist noch nicht des Friedens mit aller Energie aufgenommen werden, natürlich, wie wir gegen Mißdeutungsversuche der feindlichen Presse immer wiederholen, als ein Kampf mit geistigen und moralischen Waffen, mit unterstützung der gesamten internationalen sozialistischen Arbeiterschaft.
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51. Sizung, Mittwoch, den 9. Juli, 10 Uhr. Saus und Tribünen start befeßt. Am Regierungstisch Bauer, Müller, Erzberger , Noste, Bell, Schmidt, David, die preußischen Minister Hirsc und Feine, der baherische Gesandte und Dr. Ludo M. Hartmann. Die Eröffnung der Situng verzögert sich um 4 Stunden. Auf der Tagesordnung steht die erste Beratung des Gefeßentwurfes über die Ratifikation des Friebensvertrages. Präsident Fehrenbach teilt mit, daß von der Deutschnationalen Boltspartei folgende Entschließung vorgelegt wird:
Die gesetzgebende Nationalversammlung wolle beschließen, die Ratifikation vorzunehmen unter dem ausdrücklichen Vorbehalt: 1. daß vor dem Inkrafttreten der Artikel 227 bis 230 von Lehrern des Bölkerrechts von Ruf ein Gutachten darüber eingeholt wird, ob es nach den anerkannten Grundsäßen des Völkerrechts zulässig oder üblich und gerechtfertigt erscheint, mit rüdwirtender Kraft einen Gerichtshof zur Aburteilung vorhergegangener angeb licher Verstöße gegen das Wölferrecht einzusehen und auf vorher noch nicht angedroht gewesene Strafen zu erkennen.
2. daß im Interesse der Gerechtigkeit zur Untersuchung der Frage von der Schuld am Kriege ein neutraler Gerichtshof eingesetzt wird. Zu dieser Entschließung wird in der zweiten Refung Stellung genommen werden. Müllers Nede.
Wir müssen ohne Vorbehalt, ohne Hinterhältigteit in die neuen Bflichten hineingehen. Inwieweit wir sie für unerfüllbar halten, haben wir ausgeführt, als unsere Unterschrift erzwungen wurde. Aber für die Grenze der Erfüllbarkeit darf uns feine Schuld und kein Vorwurf treffen. Wir alle, unser ganzes Voik steht heute vor dem Ausbruch zu einem
vierzigjährige nMarsch durch die Wüste.
erfolgt, dürfte aber morgen oder übermorgen zu erwarten sein. Vorher wird eine Besprechung Wissells mit der Fraktion stattfinden. In der heutigen Situng der Na tionalversammlung war Minister Wissell nicht mehr am Regierungstisch. Man rechnet in politischen Kreisen damit, daß das Reichswirtschaftsministerium nach seinem Abgang von dem Reichsernährungsminister Schmidt übernommen werden wird.
Die Arbeit des Nürnberger Gewerkschaftskongresses.
Bon A. Grigorianz.
Der Sozialismus, das Ringen um die Beseitigung der privatkapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, das ist es, was im Mittelpunkte aller Meinungskämpfe auf der eben geschlossenen Nürnberger Tagung stand. Nicht nur formell in der auf dem Kongreß angenommenen Sazzung des Allgemeinen Deutschen Gewerk. schaftsbundes bekennen sich nunmehr die freien Gewerkschaften Deutschlands zum Sozialismus, sondern man wohnte fortwährend einem leidenschaftlich ausgetragenen Kampfe bei, in dem der Unterschied der Auffassungen über den Weg, die Mittel und das Tempo der Bewegung bei Unfundigen oder Voreingenommenen den Eindruck einer unüberbrückbaren grundsätzlichen Differenz hervorrufen könnte. Diese Schlußfolgerung ist falsch. Wie im Einführungsartikel zum 10. Gewerkschaftskongreß im Vorwärts" vom 29. Juni bereits hervorgehoben wurde, ist bei den Gewerkschaften, als den Vertretern der wirtschaftlichen Interessen der Arbeiterklasse, das Verständnis für die Probleme der Sozialisierung und der Drang zu ihrer praktischen Lösung zum Teil kräftiger ausgeprägt, als bei viel Nur- Politikern in der Sozialdemokratie.
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Ueber die Sozialisierung referierte Paul Umbreit, Ministerrat in Weimar. der Hauptredakteur des„ Correspondenzblattes der Generaltommission". Korreferate hatten Rudolf Hilferding . Die Schul- und Kulturpolitik. der Chefredakteur der Freiheit", und Sedert- Chemnit Seute mittag um 12 Uhr findet in Weimar eine Ka- von den Kommunisten. Leider war der kommunistische Rebinettssigung statt, in der außer den Reichsministern die ferent frühzeitig abgereist, so daß der Kongrez des Genusses preußischen Minister Hirsch, Saenisch und seine des Aufeinanderprallens der Ansichten beraubt wurde. Denn teilnehmen. Außerdem find die Reichskommissare Winnig was die beiden Referenten zur Sache selbst gesagt haben, ist and Hörsing sowie zahlreiche Vertreter aus Breslau und genau dasselbe. Das wundert nicht, denn in der SozialiSchlesien in Weimar anwesend. Die Verhandlungen be- fierungskommission gehörten sie beide, wie bekannt, dem reffen zunächst die oberschlesische Frage in Verbindung mit 18 der Verfassung.
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Das
linken Flügel an. Hilferding fehrte mehr, was verständlich ist, die politische Seite des Sozialisierungsproblems Außerdem werden die Fragen der Kultur- und Schul- hervor und kennzeichnete in durchaus maßvollen und sachpolitik geklärt werden. Zwischen unseren Vertretern in der lichen Redewendungen, daß der Sozialismus niemals auf Reichsregierung und der preußischen Regierung hatten sich dem Wege des Kompromisses mit dem Sapitalismus zu ergewisse Meinungsverschiedenheiten entwickelt, reichen ist. Die Wissellsche gebundene Planwirtschaft" ist die ihren Ursprung in der veränderten Zusammen- nach Silfending nichts anderes als ein Versuch mit untaugeßung der Reichsregierung hatten. Nach dem Ausscheiden lichen Mitteln, die alte Lehre von der Harmonie zwischen der Demokraten stellte das Zentrum als einzige bürgerliche Kapital und Arbeit wieder zu Ehren zu bringen. Bartei in der Regierung erhöhte Ansprüche; über das Bemerkenswerterweise berührte Baul Umbreit die Frage Reichsminister der auswärtigen Angelegenheiten Müller: Zum Maß des Entgegenkommens waren unsere Genossen in der der gebundenen Planwirtschaft" mit keinem Wort. Friedensvertrag selbst haben Sie und wir bereits Stellung ge Reichsregierung und der preußischen Regierung geteilter fann nach Lage der Dinge nicht anders verstanden werden, nommen. Aufrecht erhalten bleibt heute und immer unser ein- inficht. Wie wir hören, find jedoch dieje Meinungsver- als daß in den leitenden Gewerkschaftskreisen der Plan stimmiger Protest gegen diese Bertrag gewordene Vergewaltigung.chiedenheiten auf dem besten Wege, überbrückt zu werden. Wissells mit großer Stepfis betrachtet wird. Umbreit ent( Lebhafter Beifall.) Aufrecht erhalten bleibt aber ebenso unsere Die Frage wird erschwert durch die hier schon gekennzeichidelte in seinem ausgezeichneten Referat einen großzügigen Zusicherung der nete Erpreiserpolitik des Zentrums, das plan des Aufbaues der zerrütteten Volkswirtschaft, der nur namentlich auch mit einem schlechten Ausfall der Volks im Zeichen des Sozialismus allein möglich ist. Er beVertragserfüllung bis zum äußersten. abstimmung in Oberschlesien droht, wenn seine trachtebe die Lage Deutschlands nach innen und nach außen Wünsche nicht verwirklicht werden. und, trotzdem das Bestehen einer sozialistischen Wirtschaft inmitten der sie umringenden privatkapitalistischen Staaten unmöglich ist, forderte er, daß Deutschland sofort mit der energischen Sozialisierung den Anfang macht. Noch mehr: Es gibt für Deutschland , sagt Umbreit, feinen anderen AusEine sonst besser informierte Berliner Nachrichtenquelle weg aus der schrecklichen Not, feine andere Rettung als die Der erste Schritt auf dem Leidenswege ist die Ratifika tion. Wir haben sie zufolge der letzten Note Clemenceaus be hat am gestrigen Abend eine Meldung herausgebracht, die der energische Inangriffnahme der Sozialisierung. Kein Zögern, fchleunigt, da uns die Aufhebung der Blodade in Aussicht gestellt Deutschen Zeitung" Anlaß gibt, den Genoffen Ulrich, den fein schwächliches Fragen, sondern Entschlossenheit und fester ist. Neben der Gewißheit der Aufhebung der Blockade haben wir hessischen Ministerpräsidenten, des Hochverrats und der Kor- Wille! Im weiteren enthielt das Referat ein ins einzelne noch die Hoffnung auf Rückkehr unserer Kriegsgefangenen. Wenn ruption zu beschuldigen. Es handelt sich um die angebliche ausgearbeitetes Programm der Sozialisierungsmaßnahmen, das Wort„ Frieden" nicht jeden Sinn verlieren foll, muß die Rück- Gründung einer großhessischen Republik, das die ernsteste Beachtung und weiteste Verbreitung bergabe der Gefangenen jest erfolgen.( Bebhafter Beifall.) Es sind die Genoffe Ulrich mit Hilfe der Franzosen und des Generals dient. in weitestgehendem Maße Borkehrungen getroffen, die Rückkehr der Mangin betreiben soll. Mar so das Sozialisierungsproblem an sich fein GegenSeriegsgefangenen in ibre Heimat auf raschestem Wege zu ermögDiese Meldung stellt die Tatsachen auf den Kopf. Bei stand tiefgehender Meinungsverschiedenheiten zwischen rechts lichen und es sind darüber hinaus auch alle Borbereitungen getroffen, ihnen mit der Rückkehr auch Arbeit, Beruf und Verdienst den vom Genossen Ulrich unternommenen Schritten handelt es und links auf dem Kongreß, gelangte man in rein gewerkzu sichern.( Lebhafter Beifall.) Wir danken für die Fürsorge der sich gerade umgekehrt um einen Kampf gegen die schaftlichen Fragen oftmals zu einstimmigen Beschlüssen, so neutralen laaten, bei denen unsere Kriegsgefangenen französischen Aspirationen auf die rheinischen tat sich in der Beurteilung der Tätigkeit der GeneralfomHeilung und Erholung gefunden haben. Wir danken diesen Böl- Gebiete. Alle ron Genossen Ulrich unternommenen Schritte mission während des Arieges und ferner in der Stellungfern und dem Papst von ganzem Herzen.( Lebhafter Beifall.) Wir sind in engster Fühlung und völligem Einbernahme zum Rätesystem ein flaffender Gegensaz auf. Aus danken dem Roten Kreuz für die Sorgfalt und Obhut, die unsere nehmen mit der Reichsregierung geschehen. Es eigenem Antrieb schlug die Generalkommission vor, daß ihre Ariegsgefangenen durch das Rote Kreuz erfahren haben.( Leb bestehen keine 20sreißungsabfichten, sondern im Kritiker das Recht auf ein Rorreferat zum Bericht über ihre hafter Beifall.) Wir wollen unsere Dankesschuid in Werken des Gegenteil bestrebte Genosse Ulrich die Erhaltung sämtlicher Tätigkeit erhalten. Als es sich entpuppte, daß die UnzuFriedens abtragen.( Lebhafte Bustimmung.) Sobald der Friedensvertrag auch von den drei der gegnerischen hessischen Gebiete beim Deutschen Reich. Bei der ganzen Bo- friedenen sich zu einer regelrecht geschlossenen Opposition zuHauptmächte unterzeichnet ist, was in wenigen Wochen der Fall sein litik der Sozialdemokratie ist das selbstverständlich. Das fammengefchweißt hatten und als solche auftraten, zeigte der wird, dann haben wir Getobe der Deutschen Zeitung", wonach die Sozialdemokratie Kongreß eine erstaunliche Toleranz und Mäßigung. Bon ein gerftüdelies Deutschland , jezt ihre wahren reichsverräterischen Bläne enthülle, ist völlig vornherein war flar, daß die vorherrschende gewerkschaftliche von dem ein Teil abgerissen ist, der unserem Bolte nach Bitte und gegenstandslos. Bisher waren die sozialdemokratischen Richtung in der großen Mehrheit war, sie konnte angesichts Sprache zugehört, ohne daß die Bevölkerung vorher das Recht er- Arbeiter im Rheinland die besten Hüter des deut der reichhaltigen Tagesordnung, die zu bewältigen war, ein hielt, nach freiem Willen über ihre Staatszugehörigkeit zu beichen Einheitsgebankens und werden es auch blei- anderes Verfahren wählen. Sie hat aber ohne viel Ausftimmen. Wir haben nicht die Macht, dieses Unglüd zu verhindern. ben, während gerade die Barräter verkrachte Alldeutsche waren. I einandersehungen von der Tatsache einer geschlossenen Op
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