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Nr. 403 30. Jahrgang

Seilage öes Vorwärts

Sonnabend, 0. flugust 1919

Das neue Statut üer Internationale. Beschlossen in Luzern zur Vorlage an den nächste» Jnteruationalen Sozialistenkongrest. Einleitung. Di« Internationale beruht auf folgenden Grundsätzen: 1. Die politische und wirtschaftliche Organisation der Ar- beiterllasse zwecks Abschaffung der kapitalistischen Eesellschafts- form und Sicherung der völligen Befreiung der Menschheit, durch die Eroberung der politischen Macht und der Sozialisierung der Produttions- und Austauschmitiel. 2. Die internationale Einheit und Aktion für die Organi- sation des wahren Völkerbundes, der der Bund der Völker sein wird, die ihrer Geschicke Herr sein werden, durch den Kampf gegen Chauvinismus und Imperialismus, und für die allgemeine und gleichzeitige Abschaffung des Militarismus und deS Regimes der Rüstungen, um den Weltfrieden zu sichern, das heitzt, durch Um- goftaltung der kapitalistischen Gesellschaft in eine kollektivistische oder antikapitalistische. 3. Die Vertretung und Verteidigung der Interessen- der uniterdrückten Völker und Rassen. 4. Zur Erreichung dieser Prinzipien dienen der Arbeiter» klasse drei Formen des Kampfes, deren jede auf einer anderen Entwicklungsstufe steht und ihre besondere Aufgabe erfüllt: die politische, die genossenschaftliche: die gewerkschaftliche. Diese der- schieoenen Organisationen müssen als autonome Körperschaften weiter trachten, ihren Einfluß in den verschiedenen Ländern immer mehr zur Geltung zu bringen und die internationale Geschlossen- heit zu festigen. Da diese Organisationen denselben Zielen zu- streben und jede eine Erscheinung der einen großen Bewegung darstellt, darf keine Gelegenheit versäumt werden,(Ich zu ver­ständigen, um gemeinichasjlich in internationalistischem und revo- iutionärem Geiste für die Erhaltung des Friedens zu wirken. Statuten. i. Die Jrrternationale ist eine Föderation von nationale» Sektionen, die sämtliche Arbeiter- und sozialistischen Organisatio- nen eines Staates oder einer Nationalität umfassen, deren Recht auf ihre Autonomie oder Unabhängigkeit von den internationalen Kongressen anerkannt wurde und die auf den Grundsätzen beruhen. die in der Einleitung ausgesprochen sind, 2. Die International« besitzt als permanente Organe:

a) den Kongreß, b)'"

a).. b) den Internationalen Rat, c) das Exekutivkomitee, d) daS Sekretariat.

Vertretung der nationalen Sektionen. Z. Die Nationalen Sektionen regeln selbst im Rahme» der Bestimmungen ihre Vertretung für die verschiedenen Organ« der Jnternaftonale. Aber sie werden eine gerechte Vertretung der Minderheiten sichern. Tie Parteien oder Organisationen, die angeschlossenen sowohl wie die nichtangeschlossenen, haben das Recht, gegen die Entscher. düngen der nationalen Sektionen an die Internationale salbst zn berufen, deren Entscheidungen souverän sind. Ter Kongreß. 4. a) Der Kongreß ist die oberste Instanz der Jiriernationale. Er setzt die Prinzipien fest, nach welchen das Exekuiiv-Komitee, der Internationale Rat, die Parteien und die angeschlossenen Or- ganisationen ihre Aktion zu führen haben. Er stellt dre Grund- sähe fest für die Aktion des Exekutiv-KomiteeS, deS Jnternatio- nalen Rates, der Parteien und der angegliederten Organisationen. Eine angegliederte Organisation kann dem E.-K. jeden Verstoß gegen die Grundsätze melden, den sich eine Organisation zu schulden kommen lassen würde. Das E.-K. w�rd eine Untersuchung der- anstalten und deren Ergebnis dem nächsten Kongreß oder dem zu dieser Zeit tagenden Kongreß überreichen.

b) Er setzt sich aus den Delegierten der nationalen Sektionen zusammen. Jeder nationalen Sektion steht das Recht zu, den Kongreß mit mindestens 6 Delegierten zu besch'cken, aber mit höchstens so vielen, als der doppelte» Zahl der ihr vom Jnter- nationalen Rat für die gewöhnliche Ausübung zugesprochenen Stimmen entspricht. Die nationalen Sektionen können sich aus dem Kongreß nicht durch Mitglieder anderer Sektionen vertreten lassen. c) Der Kongreß tritt regelmäßig alle zwei Jahre zusammen, und wird vom Exekulib-Komitee im Einvernehmen mit dem Jmee- nationalen Rat einberufen, und er muß es tun, wenn Sektionen, die zusammen ein Drittel der stimmen vertreten, es verlangen. DaS Exekutiv-Komitce ist berechtigt, auch außerhalb dieser Frist einen außerordentlichen Kongreß einzubevufen. sOer nächste reguläre KPigretz findet im August 1921 statt. d) Tit Einladungen für den Kongreß werden vom inier- nationalen Sekretär den Sekretären der nationalen Sektionen zu­geschickt, die die Weiterbeförderung für ihr Land übernehmen. Die Namen der Delegierten für den regulären Kongreß und der Betrag ihrer Kongveßtaxe müssen mindestens einen Monat vor Abhaltung des Kongresses im Besitz des internationalen Sekretärs sein. Ihre Mandate werden vom Internationalen Rat überprüft, der sich zu diesem Zweck am Vorabend des Kongresses versammelt und darüber Bericht erstattet. e) Die nationalen Sektionen oder Parteien, die eine an die Internationale angeschlossene nationale Sektion bilden, haben für den alle Mei Jahre stattfindenÄcn Kongreß, einen Bericht über ihre Tätigkeit seit dem letzten Kongreß auszuarbeiten und denselben vvr dem 1. Juni des Kongreßjahres dem Sekretär zuzusenden, Diese Berichte werden von der Internationale in französischer, deutscher oder englischer Sprache veröffentlicht und den Delegievten aus dem Kongreß übergeben. Der Kongreßbericht wird in französischer, deutscher und eng- lischer Sprache herausgegeben. k) Der Text der für den regulären Kongreß bestimmten Reso­lutionen und die Vorschläge für die Ernennung des Präsidenten, des Kassierers und Sekretärs sowie für die Funktionen des Mit- gliedes des Exekutiv-Komitees müssen bis spätestens.16. Februar (deS Kongreßjahres) im Besitz des Sekretärs sein. g) Die Tagesordnung für den Kongreß wird vom Jnter- nationalen Rat nach den Vorschlägen der Sektionen festgesetzt und allsogleich den nationalen Sektionen übermittelt. Neue Fragen können nur im Einvernehmen mit dem Jnter- nationalen Rat oder durch eine Entscheidung des Kongresses selbst auf die Tagesordnung gesetzt werden. b) Der Internationale Rat ist befugt, jede Frage, die auf der Tagesordnung des Kongresses steht, einer Spezialkommission zur Prüfung zu überweisen, deren Bericht noch rechtzeitig vor dem Kongreß den nationalen Sektionen übermitteln wirb. Die Anzahl der vom Kongreß zu ernennenden Kommissionen, bleibt auf höch­stens sechs beschränkt. i) Jede angeschlossene naftonale. Sektion, die mit ihren Bei- trägen für die dem Kongreß vorangehende» Jahre im Rückstand ist, wird nicht zum Kongreß zugelassen. Der Internationale Rat. 6.») Der Internationale Rat setzt die Arbeiten des Kon- gresseS fort. Er soll bestehen aus zwei Delegierten einer natio­nalen Sektion, die von der nationalen Sektion selbst ernannt wer- den, und aus den Mitgliedern deS Exekutiv -Komiiees. b) Der Internationale Rat versammelt sich in der Zeit zwischen zwei Kongressen mindestens zweimal, und zwar das erste- mal im April, das ist 8 Monate nach dem Kongreß, und das zweite- mal vier Monate vor Abhaltung deS neuen Kongresses. In der Uebergangsperiode bis zum August-Kongreß von 1921 wird der Internationale Rat im August 1929 und im April 1921 zusammentreten. c) Die Sitzungen des Internationalen Rates werden vom Sekretär im Einvernehmen mit dem Exetutiv-Komitse einberufen. d) Der Text der für den Internationalen Rat bestimmten Vorschläge muß spätestens S Wochen vor dem Zeitpunkt, zu welchem der Internationale Rat einberufen wurde, in den Händen des Sekretärs sein. Andere Fragen können nur im Einvernehmen mit dem. Exe- kutiv-Komiiee oder durch eine Entscheidung des Internationalen Rates selbst ans die Tagesordnung gesetzt werden.

e) Der Text der Tagesordnung wird vom Sekretär vier Wochen vor der Sitzung des Internationalen Rates den Sekre- tären der nationalen Sektionen zugesariht. i) Die Spesen der M: ig i jeder, die an den Sitzungen deS Jnternatwnalen Rates teilnehmen, werden ans einem gemein- samen Fonds gedeckt, dessen Reglement vom Internationalen Rat festgesetzt wird. Das Exekutiv-Komitee., V. z) DaS Exekutiv Komitee ist das administrative Organ der Internationale und untersteht der Kontrolle und der Aussicht deS Internationalen Rates und ler Kongresse: b) Das Exekutiv -KomitLe setzt sich zusammen aus dem Präsi- denten, dem Kassierer und dem Sekretär der Internationale und sechs anderen Mitgliedern c) Es versammelt sich mindestens einmal vierteljährlich und hat an den Internationalen Rat und an den Kongreß Bericht zu erstatten. d) Die Spesen für die im Auftrag der Internationale unter« nommenen Reisen der Mitglieder des Exekutiv-Komitees werden vom Fonds der Internationale nach einem vom Internationalen Rat festzusetzenden Reglement gedeckt. e)'Der Sekretär ist der Hauptfunktionär der Internationale. Er ist dauernd angestellt nnd seine Bezüge werden vom Inter­nationalen Rat festgesetzt. Er ernennt sein Personal. In außer- gewöhnlichen Fällen ist er befugt, an Stelle des Exekutiv-Komitees die Resolutionen von Kongressen durchzuführen. Auch kann er im Einvernehmen mit dem Exekutiv-Komitee eine Geschäftssitzung mit einzelnen oder allen Sekretären ein- berufen. k) Dem Kassierer obliegt als Funktionär die finanzielle Ge- barung der Internationale. Er hat jedem Kongreß eine Bilanz der Ausgaben und Ein. nahmen vorzulegen. g) Der Präsident führt den Vorsitz in den Sitzungen des Exe- kutiv-Komitees und des Internationalen Rates sowie in den Er­öffnungssitzungen der Kongresse. b) Der Präsident, der Kassierer und der Sekretär sowie die übrigen sechs Mitglieder deS Exekutiv-Komitees werden vom Jnter- nationalen Rat ernannt, und zwar in einer Sitzung, die während der Kongrehdauer abgehalten wird. Sämtliche Mitglieder können aus allen nationalen Sektionen gewählt werden. Die Abstimmung. 7. Die Abstimmung in den Sitzungen des Internationalen Rates nnd auf den Kongressen ist persönlich, kann jedoch, falls drei Sektionen es v.clangen, nach einer Stimmenskala erfolgen, die zwischen eins und dreißig variiert. Diese Skala wird vom Internationalen Rat festgesetzt und von ihm von Zeit zu Zeit revidiert. Es wird dabei berücksichtigt werden: a) die Anzahl der zahlenden Mitglieder im Verhältnis zur Einwohnerzahl; b) die Bedeutung der Nation; c) die Stärke der gewerkschaftlichen, genossenschaftlichen und politischen Organi- sationen; d) der politische Einfluß der einzelnen oder all-er� sozia­listischen und Arbeiterparteien. Die Verteil-ung der Stimmen innerhalb jeder Sektion wird von der Sektion selbst geregelt. Wird keine Einigung erzielt, entscheidet endgültig der Jnter- nationale Rat. Parlamentarische Sitzungen. DaS Exekutiv-Komitee kann Zusammenkünfte mit Abordnun- gen einiger oder aller parlamentarischen Gruppen einberufen. Der� Sekretär versieht hierbei daS Amt eines interparlamentarischen Sekretärs. Presse. 9. Dem Sekretariat wird ein Pressebureau angegliedert, das sich speziell mit der Organisation und Verbreitung der Arbeiter- und sozialistischen Presse befassen wird. Das Pressebureau wird außerdem ein in drei Sprachen erscheinendes Bulletin heraus- geben, das mindestens einmal vierteljährlich erscheinen und alle die nationalen Sektionen interessierenden wichtigen Dokumente der angeschlossenen Organisationen wie auch der parlamentarischen Gruppen beröffentlichen wird. Jede nationale Sektion verpflichtet sich ihrerseits, mindestens ztveimal im Monat ein Bulletin zu veröffentlichen, das die Orga- nisationen der anderen Länder über die Ereignisse ihres eigenen Landes dokumentieren wird.

Löf

Erleuchtung. Roman von Henri Barbusse . Verdeutscht von Max Hochdorf .

Nun war ich allein, und ein Schauer durchlief mich. Die Müdigkeit hatte meine Gedanken ausgeschöpft, und die Er- mattung lastete auf meinem Herzen. Ich trat an die Schieß- sckiarte heran, ich sperrte die Augen auf, ich starrte spähend durch die feindlich: Nacht, die unergründlich war und beladen von Rätseln. Ich glaubte, daß ich Sckptten sähe überall. Sie husch- ten durch dos farblose Schattengetriebe des freien Feldes und durch den Schlund des Waldesdickichts. Ich war ausgeliefert an dos Entsetzen und an das Gefühl meiner ungeheuren Ver­antwortlichkeit, und ich erstickte kaum einen' Angstschrei. Aber neinj Die volle Finsternis wälzte sich nun vor meinen Augen ganz und entsetzlich heran. Tie Unbeweglichkeit aller Dinge reckte sich vor mir auf. Rucksack und Brotsack hatte ich ab- geschnallt. Ich wickelte mich in meine Decke. Ich blieb stille und stand eingekreist in den Krieg, der seelenlos sein Spiel zum Horizont hinspielte. Und üblr mir das lebendige Donnern der Geschütze. Ganz sachte erleichterte und beruhigte mich das Aus- harren in der Wachsamkeit. Alles, was mich selber anging, ich schaltete es aus meinen Gedanken aus. Was ich wollte und wähnte, das war nur Spähen und Spähen. Doch ich sah nichts, ich wußte nichts. Erst nach zwei Stunden gelangte ich wieder vollkommen zu mir zurück. Der wohltätige Schritt der Ablösung wurdd ver- nehmbar. Ich riß mich von dem Ort los, an den ich so lange verankert gewesen war, und ich machte mich auf den Weg, um in unserem Unterstand zum Schlafe zulainmenzukriechm. Der Unterstand war sehr geräumig, aber so niedrig, daß ich an man- chen Stellen auf den Ellbogen vorwärts rutschen mußt:, um unter dem schweren, knorrig geschwungenen Deckenverlxiu vor- wärtszukommen. Unser Unterstand war voll von dicker Feuchtig- keit und warnt von Menschen. Ich streckte mich auf der Strohstreu meines Schlafplatzes ans, ich legte den Kopf auf den Tornister, ich schloß die Augen, mir wurde wohl dabei. Als ich die Augen wieder aufschlug, be- merkte icb eine Soldatengrnpve, die im Kreis herumkauerte. Sie aßen aus ber gle cki.m Lchiissel und in der Finsternis des niedrigen Gewölbes waren äbre Gesichter gleich verlöschten Bil­dern anzuseben, Ihre Füße standen aneinandergereiht um die Schüssel Die Fußsormen waren unförmig, schwarz und schart'g w-e"isa grabeiie Sl.'ine£if aßen geme-n'eiiafil-ch und ebne Zii�zciig Jeder bediente sich nur seiner eigenen Hände. i

Mein Nachbar schickte sich an, auf Wache zu ziehen. Er be- eilte sich nicht. Er stopfte seine Pfeife und zog aus der Tasche einen Zündschwamm, der lang wie ein Bandwurm war, und jagte:Du hast erst um 6 wieder Wache. Ach, Du kannst von Glück sagen!" Die dicken Rauchschwaden seines Tabaks mischten sich mit den Ausdünstungen der Körper ringsumher. Der Kamerad sah alledem aufmerksam zu. Und um uns lagen die übrigen; sie schliefen und schnarchten. Der Kamerad kniete vor mir, um seine Sachen zurechtzumachen, und dann gab er mir einen Rat: Pah, mach Dir doch nichts draus I Hier passiert ja doch nie- mals'was. Das Schlimmste ist bloß, bis man rangezottelt ist. Wenn Du hertrippelst, dann schießt's in die Glieder, besonders, wenn Du noch nicht wach geworden bist. Aber nachher, da denkst Du gar nicht mehr dran! Das Schlimmste ist, wenn,s bei freiem Himmel drunter weggeht. Aber bei meine Bekannten ist noch keiner angezappt worden. Immer nur bei die anderen. Ja, Junge, zwei Monat schon, und wir können sagen, daß wir den Krieg ohne Wehwehchen überstanden haben." Beim Morgengrauen bezog ich wieder die Wache an dem Schießloch. Das Gesträuch und das kahle Gezweige auf der Senkung des kleinen Waldgehölzcs sind mit Wassertropfcn llbertaut. Dort vor mir, wo das Totenfeld liegt, das ständig von den Geschossen übersprüht wird, ist alles noch ebenso un­bestimmt wie die Tagesdämmerung. Das freie Feld ähnelt nur beiläufig einem freien Felde. Die Landstraße ähnelt nur ober- flächlich einer Landstraße. Hie und da kann man einige Leichen unterscheiden. Aber welch seltsam winzige Sache ist so ein Leich- nam auf einem Felde: Er ist wie etwa ein verwischter Blumen- duschen," den die geringsten Gräsergertlein schon verderben. Ein Sonnenstrahl, der plötzlich aufblinkt. Er gleicht einem Etwas, das sofort in die Vergangenheit verschluckt wird. So gingen die Tage hin. die Wochen und die Monate. Vier Tage im vordersten Graben. Dann Rückmarsch und dann wieder Vormarsch, der die Glieder zerrieb. Tie ein- tönigen Wachen. Der Ausluck auf die Feldertrift. Die Sinneneinschläferung, die von dem wildweitcn Gelände aus den Menschen überströmte. Die Wüstenei des Wortens und Wartens. Und dann vier Tage Ruhe, die aber von Märschen ausgefüllt wurden, dann wurde alles durch und durchgesehen und geprüft. Straßen und Sachen mußten gewaltig ge- säubert werden. Der Befehl war streng, und allerhand Strosen konnte man einheimsen. Tanscndc Gebote und Verbote, mit denen man bei der geringsten Bewegung hart zusammenstieß. Die Litanei des hoffnungsvollen, körver- losen, wesenlosen Geredes in den Heeresberichten und ein Hauptmann, der immer nur an die Patronen nnd an die eiserne Ration im Freßsack dächte. Das Regiment hatte keine Verluste oder säst keine Verluste. Beim Ausbruch nur -

einige Verwundungen und manchmal ein oder zwei Todes- fälle, und man redete davon wie von einem gewöhnlichen Unglücksfall. Man machte nur riesige Strapazen durch, und war eine Strapaze überstanden, so folgte ihr die neue. Die Soldaten behaupteten, daß man alles in allem doch wie im Frieden lebe. Marie schrieb mir:Bei den Piots hat mem neulich sehr nett von Dir gesprochen." Oder:Der junge Trompson ist Leutnant geworden." Oder:Wenn Du all die Schiebun- gen wüßtest, die man hier unternimmt, um sein Gold zu verstecken! Denn seit einiger Zeit fordert man das Gold sehr dringend ein. Wenn Du all die Skandalgeschichten wüßtest!" Oder:Hier ist noch immer alles ganz beim alten." Eines Tages kehrten wir zu unserem gewöhnten Dorf in der rückwärtigen Linie zurück. Aber zum großen Leid- wesen der Leute, die am Ende ihrer Kraft waren und unter dem Gewicht des Tornisters keucksten, wurde nicht halt ge- macht. So marschierten wir mit eingezogenem Nacken weiter durch die Abenddämmerung. Eine Stunde später zerstreuten wir uns zwischen den dunkel verhüllten Häuserreihen, den finsteren Wegweisern in einem unbekannten Ort. Man stopfte uns in Schatten hinein, die neuartige For­men aufwiesen. Seitdem wurden wir bei jeder Ablösung in ein neues Torf gesteckt, und man wußte es immer erst, wenn' man schon einmarschiert war. Ich wurde in Scheunen unter- ssebracht, in die man sich auf einer Leiter hineinschob. Oder ich wohnte in Ställen, in denen es schwammig und dumpf dunstete, oder auch in Kellern, in denen der ununterbrochene Zugwind die Verwesungsgerüche aufstöberte. Die Ver- wesung, die von dem schlechten Wetter gebraut wurde, hing in den'baufälligen geborstenen Scheunen. Sie hastete in den zerschlissenen Gerüsten nnd Buden, die krankschwankend in den wiedererbauten Dörfern standen wie Trümmer einer durch»nd durch zerschmetterten Welt eingestämmt mitten rn diese Gespensterei der Schlünde und der Kellersckiächte. Während man schlief war man dem Wind und Wetter ausgesetzt. Manchmal behalf man sich sehr barbarisch mit kleinen Holzplutöflein ssege» die herandringende Kälte, aber der Kops zersprang schier in der vergifteten Glut. Und so­bald man wieder an einen anderen Ort gelangte, verga' man gas alles. Ich hatte orgefangem die Namen der Ort ickiasten aufzuschreiben, wa wir durchmarschirrten, doch icl verlor mich in dem dunk'en W'-bel d-ek"- Worte, wenn id mein Geschreibsel wi-der las. l'nd die Buntkeit. und dar Gewimmel der Menschen rivg� herum war so verworren daß ich kaum dm einzelnen Gesichier nach den lliichiig� Namen erkennen konnte. lFortsetzung folg:.)