daß sie, obtvM sie die Revolution, wenn nickt„gemacht", so doch gewollt hatten(und zwar in erster Linie gewollt, unter Zurückstellung der Landesverteidigung an zweite Stelle), die Volksmassen nicht zu sich kommen sahen, wie sie es gehofft hatten. Wir wollen übrigens annehmen, daß der bei ihnen ausschlaggebende Revolutionswille auf ihrem unbedingten Vertrauen in das Wort Wilsons, in die Versprechungen der „westlichen Demokratien" und in die machtvolle Unterstiitzung durch die Ententesozialisten beruhte. Nun, es ist richtig: dieses dreifache unbedingte Vertrauen hatten wir nie gehabt — und Versailles hat uns leider nur zu recht gegeben: und deshalb versuchten wir die Revolution vor dem Frie» den zu vermeiden. Und da möchten wir diejenigen Führer der U. S. P. fragen, denen das Los Deutschlands anscheinend nicht gleichgültig war— und wir denken dabei z. B. nicht nur an H aase und Dr. Oskar Cohn, sondern sogar an Ledebour, der doch oft Beweise deutschen Empfindens an den Tag legte—:„Wenn Ihr gewußt hättet, daß die Entente ihre Versprechungen brechen, als sie uns vollständig wehrlos am Baven sehen würde, wenn Ihr die Hoffimng gehabt hättet, daß das Vorhandensein eines bei den Friedensverhandlungen intakten deutschen Heeres uns Danzig und das Saarbecken erhalten hätte, hättet Ihr auch dann die Revolution getrollt? Oder hättet Ihr nicht vielmehr, w i e w i r, die große gründliche Abrechnung, die Revolution, bis nach jenem Tage zurückstellen wollen, der die Erhaltung deutscher Ge- bietsteile dem Deutschen Reiche , deutscher Kraft- und Lebens- quellen der deutschen ZUbeiterklassc gesichert hätte?" Victor Schiff.
Oberst Reinhard maßregelt! Ein freches Schreiben. Auf den offenen Anklagebrief, den der„Vorwärts" am TO. August 1919 veröffentlichte, antwortet Oberst Reinhard mit dem folgenden an uns gerichteten Schreiben: Berlin , den 3t. August 1919. An die Redaktion des„Vorwärts", Berlin . Auf Ihren Artikel von, 30. August.Eine Anklage" er- widere ich: Mein Bjunsch für? Vaterland im Augenblick ist vor allem Ordnung. Weil ihr sich Reuendorff nicht fügte, ist er entlassen worden. Daß bei den augenblicklichen Zuständen einem Feld- und Frontsoldaten gelegentlick ein recht derbes Wort über die Lippen fährt, wird wohl niemand wundern. Auf die Wiederkehr einer Monarchie im Augenblick ist wohl nicht zu denken; sie verbietet schon die Entente; daS weiß auch Ihre Redaktion. Ich vermag daher in Ihrem Artikel nur den Versuch zu erkennen, sich für kommende Unruben bei den radikalen Parteien noch schnell in günstiges Licht zu setzen; auch dies bezweckt wohl die Gründung des Republikanischen Führerbundes in Ihren Räumen. Sie können nickt verlangen, daß man zusieht, wie Sie und Ihre Anhänger sich allmählich der Zerwühlung der Truppe widmen. Diese �eitz genau, daß sie für die kommen- den Zeiten treu zusammenhalten muß, wenn sie bestehen will. Nicht um Republik oder Monarchie wird es sich demnächst im Lande handeln, sondern um Arbeit und Ordnung. � Ich' ffr-m die Redaktion nur bitten, sich hierbei zu beteiligen. So' wird sie Deutschland am meisten nilhen, und auch nur dann tzitrieder Männer finden, die:br helfen, wie am 11. Januar.' : Reinhard, Oberst und Jnf.-Führer der Reichsw.-Brigade Berlin . Der anmaßende und unverschämte Ton des Schreibens .nacht eigentlich jeden Kommentar überflüssig. Mit der be- zeichnenden Ausdrncksweise, daß er„im Augenblick" nickt an, eine Wiederherstellung der Monarchie denke, und auch dies nur aus dein Grunde, weil es die Entente verbietet, enthüllt Oberst Reinhard seine Gesinnung auf das deutlichste. Seine gegen uns gerichteten Vorwürfe treffen uns nicht. Schon in dem Anklagebrief des Offizierstellvertreters Neuen-
dorff war gekennzeichnet, in welch tendenziöser Weise Oberst Reinhard die Bekämpfung der von ihm und seinen Kumpanen ausgehenden reaktionären Machenschaften als„Wühlereien" usw. zu verdächtigen sucht. Die Methode ist alt und nicht un- bekannt. Gerade der„Republikanische Führerbund", der Herrn Oberst Reinhard begreiflicherweise besonders ein Dorn im Auge ist, betont in seinem Programm die Aufrecht- erhaltung der Disziplin und Ordnung inner- halb der Armee. Er ist übrigens nicht, wie Herr Reinhard sich aus den Fingern saugt, in den Räumen des„Vorwärts" gegründet worden. Wenn Herr Reinhard aber mit dieser Be- merkung vielleicht die Mitwirkung eines„Vorlvärts"-Re- dakteurs an der Gründung dieser Organisation treffen will und in diesem Zusammenhang höhnisch auf die Rückeroberung des„Vorwärts" am 11. Januar anspielt, so dürfte ihm ja wohl nicht unbekannt sein, daß in den kritischen Januartagen— und zwar bevor Oberst Reinhard aus dem Plan erschien— der Regierung aus der ,.Vorwärts"-Redaktion selber eine tatkräftige Hilfe zuteil geworden ist, ohne die die Rückeroberung des„Vorwärts"-Gebäudes am 11. Januar vielleicht nicht mehr möglich gewesen wäre. � Aber wichtiger als diese Auseinandersetzung ist uns die zynische Feststellung des Obersten Reinhard, daß er den Offizierstellvertreter Neuendorff gemaßregelt hat. Da- mit ist die von diesem erhobene Anklage nur allzu deutlich bestätigt. Das Recht eines„recht derben Wortes" erkennt Oberst Reinhard offenbar nur sich selber und allen re- aktionär Denkenden zu; wenn ein republikanisch gesinnter Feld- und Frontsoldat von demselben Rechte Gebraucht macht, so setzt ihn Oberst Reinhard auf die Straße. Dieses Berliner Gegenstück zum Münchener Herrgott bat schon lange genug sein Unwesen getrieben. Für diesen Mann ist in der republikanischen Wehrmacht kein Platz. Die siegesbewußte Anmaßung, mit der er schreibt, zeigt zur Genüge, wie notwendig die Gründung einer reprcklikanischen Abwehrorganisation gegen derartige m o n- a r ch i st i s ch e Wühler und U m st ü r z l e r gewesen ist. Wir verlangen vom Reichswehrminister, daß er diesem Treiben ein Ende macht, und zwar auf dem Wege, den ihm Oberst Reinhard selber gewiesen hat. m Zum Fall des Obersten Reinhard erhalten wir übrigens noch verschiedene Zuschriften, welche die Denkart dieses Mannes ins grellste Ljcht setzen. Eine Zuschrift stellt eine Aeußerung fest, die Oberst Reinhard am 10. Juni 1917 in einer Ansprache anläßlich eines Sportfestes des 2. Garde- regiments bei Cornay in den Argonnen vor versammelter Mannschaft getan hat. Sie lautet: Wenn es nach ihm ginge, dann würden die Sozialdemokraten, die augenblick- lich in Stockholm den Frieden machen wollten, an dem ersten besten Apfelbaum(er zeigte dabei auf ein paar nahe Bäume) aufgeknüpft werden. Ein Angehöriger der Reinhardschen Brigade übersendet uns eine offene Anfrage an den Reichswehrminister, in der er fragt, ob es diesem bekannt ist, daß durch die s y st e- matische Abschiebung der sozial demokrati- scheu und demokratischen Wehrleute und die irreführende sogenannte„Aufklärung" seitens reaktionärer Offiziere die Truppe mit der Zeit der Regierung voll- ständig entfremdet wird? Uns sind diese Machen- schaften jedenfalls nicht unbekannt, sie beleuchten die Art und Weife, wie Oberst Reinhard sein Ziel der„Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung" in Wirklichkeit auffaßt.
Gefährdung der Grotgetreideverforgung. Eine 3folge des freien Handels. Der Ausdrusch des Brotgetreides ist dieses Jahr in ganz besonderem Rückstände. Der Grund ist einmal hier- für die Verspätung der Ernte um drei Wochen, ferner in erster Linie die neue- Preisgestaltung des Hafers. Bekanntlich ist
der Hafer zu einem erheblichen Teile von der Zwangv- Wirtschaft befreit worden. Infolgedessen schnellten die Haferpreise außerordentlich empor und überstiegen die Roggcnpreise. Angesichts der Wahrscheinlichkeit des baldigen erheblichen Sinkens der Hafer- preise bemühten sich die Landwirte, den Hafer möglichst schnell auszudreschen, um sich die höheren Haferpreise zu sichern. Die Folge hiervon war eine Vernachlässigung des Roggenausdrusches, wodurch wiederum unsere B r o t v e r- s o r g u n g in eine überaus gefährliche Lage ge- kommen ist. Um dieser einigermaßen zu steuern, entschloß sich der Reichsernährungsminister zu folgenden zwei Maß- nahmen: Er gewährte für Roggen zwecks raschester Lieferung einen A b l i e s e r u n g s z u s ch l a g, der auf löv M. für die Tonne bis zum 1. Oktober und darüber hinaus bis zum 1. Oktober auf 75 M. bemessen wurde- Sodann können für die nächsten sechs Wochen, die kritischste Zeit der Brot- Versorgung also, sowohl Haferdrusch als auch Hafertransporte zwangsweise si st i e rt werden, sofern nicht der Kommunal- verband für besonders dringende Fälle ausnahmsweise die Druschgenehmigung erteilt. Die Kostendeckung der Preiserhöhung für die Lie- ferungszuschläge wird vom Reich übernommen. Unter Be- rücksichtigung dieses großen Opfers mögen die Landwirte nicht vergessen, daß die unliebsame Erfahrung mit der außer- ordentlichen Verteuerung des Hafers eine Folge des A b- baues der Zwangswirtschaft gewesen ist. Diese Tatsache dürste wieber einmal den Mangel«n wirtschaftlicher Einsicht derjenigen Kreise beweisen, die sich nicht laut genug für den freien Handel aussprechen können. Kohlennot— eine Warnung! Die K o h l e n n o t, die einen völligen Zusammenbruch unseres Wirtschaftslebens herbeizuführen droht, macht eS jedem einzelnen ohne Rücksicht auf seine persönlichen Vorteile oder Bequemlichkeiten zur unabweisbaren Pflicht, die Be- schränkungen im Verbrauch von Gas. elektrischem Strom. heißem Wasser und Kohlen, die im Interesse der Gesamtheit verfügt worden sind oder noch verfügt werden, aufS Genaueste einzuhalten. Soeben ist bekannt geworoen, was für ein- schneidende Beschränkungen sich die HauS- Haltungen gefallen lassen muffen. Binnen kurzem ist eine erhebliche Beschränkung der P o l i z e i st u n d e in Gastwirtschaften und des Betriebes von Theatern. Kinos und sonstigen Vergnügungsstätten zu erwarten. Das Landespolizeiamt beabsichtigt, von der ungeheuren Bedeutung der Frage der K o h l e n e r s p a r n i s für daS gesamte deutsche Volk und sein Fortbestehen durchdrungen. unnachsichtlich und mit vollster Schärfe gegen jeden Verstoß gegen die bereits bestehenden oder noch zu erwartenden Ein- schränkungen im Verbrauch von Gas, elektrischem Strom usw. vorzugehen. Wenn man schon unter den bisherigen Ver- Hältnissen den Betrieb von Tanz- und Spiellokalen weit über die vorgesehene Polizeistunde hinaus aus allge- meinen Gründen verwerflich finden könnte, so ist daS eine Sache, die eine Strafverfolgungsbehörde als solche nichts angeht. Wohl aber ist sie befugt und auch ins- besondere unter den jetzigen Umständen verpflichtet. Ueber- tretungcn der bestehenden Vorschriften mit allem Nachdruck zu verfolgen.; Das Landespolizeiamt ist daster Entschlossen; jede Gastwirtschast, jedes Hotel, jeden Klub oder ähnlichen Betrieb bei Polizeistundenübertretungen rücksichtslos zu schließen. Wer heute noch nur seinen eigenen Vorteil wahr- nimmt und sich über das Interesse der Allgemeinbeit hinweg- setzen zu dürfen glaubt, muß sich die Folgen selbst zuschreiben. In den nächsten Tagen werden umfassende Nachprüfungen der Schankwirtschaften durch das Landespolizeiamt mit Hilfe der ihm neu zugeteilten Gewerkschaftler veranlaßt werden.
Neue Zeit. Größentvahnfinnigc Herrenmenschen, die ans eigener Macht das Schickial von Millionen leiteten, habgierige Ausbeuter, die immer nach de« anderen Eigentum schielten, verhetzte, vertrauensselige Völler brachten es zum Krieg, zum vierjährigen blutigen Morden. Und als der Tod zu tiefe Wunden riß, als Not und Elend zu schwer auf dem Volke lasteten, als im leeren Magen zegliche be- nebelnde, beweihräuchernde Flamme erlosch, da erinnerten sich die Besten deS Elend?, daS ickion vor dem Kriege gewesen, da erinnerten sie sich der Wege zum Frieden, zum Glück, die große und tief« Denker aufgezeichnet hatten. Es wuchs und wuchs daZ Wort, das Wollen: Es muß anders werden; es soll besser werden I Der Novembcrsturm segte da» Harte, Allzuspröde, Verknöcherte hinweg, jedoch mißtrauische, eben noch befehdete Rachbarn, ver- dorbeiie Felder. Not und Elend schmiedeten einen eisernen, tief in das Fleisch ichneidenden Ring um dq� deutsche Volk. Fetter Boden ist die Not für das böse Erbe, da» der Krieg unseren Seelen geschenkt, Habgier, Mißbrauch des Nächsten und Anbetung der Gewalt. Betrügen lassen sich die leeren Mägen und Sorgen durch das funkelnde Wort, Es kann besflrc werden, gleich! Selbstsucht und Machtgier, im Krieg stark gewordene Kinder schreien: Nimm dir, was du brauchst, so lange Du die Macht l» Daß uns Selbstsucht und Machtgier in unser Elend geführt, wer spricht noch davon? Und daß wir, daS Volk, durch Vertrauensseligkeit mitschuldig sind, wer hört eS gern? Gewalt? Diktatur? Soll das alle, sinnlose Spiel weitergehen, wir un» nur auf die allen Herrenthrone setzen, andre knechten, bis sie in Verzweiflung und Not so stark geworden, uns wieder nach unten zu werfen, die Herrenpeiticken wieder auf unsre Rücken sausen zu lassen? Soll das tierische Einanderknechten weitergehen? L a ß l u n s einander helfen, arbeiten! Laßt uns die Revolution weitertreiben zu fruchtbringender, aufbauender Arbeit, das ist der einzige schöpferische Kampf, der einzige, den die Drohnen fürchten I Laßt eine wirkliche neue Zeit sein, keine Fort« setzung der alten!__ S a u l u s. Eine„fehenüe" Maschine. Da? Bedürfnis, bei rein mechanischen Arbeiten Zeit und Menschenkrast zu ersparen, hat schon vor mehreren Jahren zu dem Versuch geführt, Massensendungen ohne Briefmarken zu versenden. Dieses Verfahren, wobei die Briefe nur gezählt und dann nach Be- zahlimg des Portos gleich gestempelt werden, hat sich in Bayern , wo es schon seit dem Jahre 1910 eingeführt ist, außerordentlich be
währt. Nun könnte aber auch die markenfreie Beförderung von Postsachen noch vereinfacht werden, und zwar dadurch, daß man auch die Zählung der Sendungen auf mechanischem Wege vornehmen würde. Eine solche Zählung könnte, wie in den„Neuesten Er- findungen und Erfahrungen" mitgeteilt wird, z. B. sehr vorteilhaft mit Hilfe des Selens erfolgen. Die Selenzelle besitzt die Eigen- schaft, Lichieindrücke m Elektrizität umzusetzen, so daß, wenn die die Selenzelle treffenden Lichtstrahlen vermehrt oder vermindert werden, die Zelle diesen Lichtwechsel sofort in Stromschwankungen und elektrische Arbeitsleistungen umwandelt. Auf dieser seltsamen Eigenschaft der Selenzelle würde nun auch die Leistungsfähigkeit der durch sie in Tätigkeit gesetzten Zählmaschin«, ein« Erfindung des Ingenieurs Ries, beruhen. Die Postsendungen müßten zwischen einer Lichtquelle und einer Selenzelle in der Weise hindurchgleitcn, daß das Selen durch jeden einzelnen der gleitenden Gegenstände belichtet oder beschattet würde, während die hierdurch hervorgerufenen elektrischen Strom- schwankungen gleichzeitig auf ein Zählwerk einwirken könnten. Würde tnan dieses Zählwerk noch mit einer Frankostempelmaschine in Verbindung setzen, so wäre es also wohl möglich, in aller- kürzestem Zeitraum ein« ganz enorme und rein mechanische Arbeits- lcistung zu bewältigen. Man hat berechnet, daß das Bekleben von 6000 Postsendungen mit Briefmarken nicht wemger als 9 Arbeit?- stunden erfordert. Bei einer jährlichen Durchschnittszabl von 1,8 Millionen Sendungen würde das Bekleben mit Marten demnach volle 3300 Stunden menschlicher Arbeitskraft kosten. Ganz abgesehen davon würde dl? Poftverwaltung auch die Herstellung der Brief- marken ersparen._
Mzu echte Sühnenkunst. In der englischen Bühnenkunst herrschen noch immer vielfach die Forderungen der bei unS als„Meiningertum" bezeichneten Richtung, die den größten Wert auf möglichst« Stilechtbeit legte. Daß aber solche Bühnenausstaitung bisweilen allzu echt sein kann, dafür ist ein Borfall bezeichnend, der sich kürzlich ereignete. Bei der Aufführung der Oper„Pro Patria" wurde in der Kritik� geladelt, daß der Uniform rock, den ein einen deutschen General verkörpernder Schauspieler trug,„ganz falsch" sei. Der also in seiner Ehre ge- kränkte Darsteller konnte aber nachweisen, daß der von ihm ge. tragen« Uniformrock einstmals im Besitz eines wirklichen Generals der deutschen Armee gewesen sei. Aus diesem Anlaß erzählt ein englischer Musitschriststeller zwei weitere Beispiele für„allzu echte" Bühnenausstattung. Bei der Aufführung von Puccinis„Madame Butterfly " war behauptet worden, die Uniform, die Caruso als amerikanischer Marineoffizier trug, weise schwere Verstöße gegen da? Reglement auf und habe ganz unnatürlich gewirkt. Carliso aber zeigte, daß er auch in diesem Punkte seiner Rolle die größte Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Seine Uniform war bei einem der offiziellen Schneider der amerikanischen Marineverwaltung in Washington angefertigt worden, wozu die besondere Erlaubnis der Behörden eingeholt worden war. Ja, der Sänger trieb die Echtheil so weit, daß er sich auch echte Uniformknöpfe verschaffte. waS ihm nur durch ein« vom Marinemmister selbst ausgestellte Bescheinigung möglich war. Eni anderer derartiger Vorfall ereignete sich bei einer Aufführung von„Tristan und Isolde " in der Londoner Covent-Garden-Op«, Di« Ausstattung des SchiffcS im erste» Akt
und die ganze Szenerie wurde damals aus archäologischen Gründen schwer getadelt. Ter Bühnenkünstler aber hatte sich die Mühe ge- nommen, im Britischen Museum die keltischen Altertümer zu stu- dieren und einen Fachmann der keltischen Archäologie zu Rate zu ziehen. Das Schiff war die genaue Kopie eines keltischen Schiffes, das noch heute zu Bloomsburq zu sehen ist. Man sieht an solchen Beispielen, daß allzu getreue Naturnachahmung auf der Bühne, die nun einmal den„schonen Schein" verlangt, die Illusion häufiger stört als fördert.
Notizen. - Der isländische Dramatiker Johanu Gig»«. j o n s s o n. dessen bedeutendstes Werk„Berg Ehvind und sein Weib" in der Aufführung der Berliner Volksbühne starken Erfolg hotte, ist im Alter von 39 Jahren in Kopenhagen einem Herzleiden erlegen. — Musik. ES haben sich Birgitt Sngell. Luise Willer . Bruno Walter, Alexander Peischnikoff und Joiet Disolez zusammengetan. um vor der Aufführung von Hans Pfitzners„Palestrina" in der Berliner Siaatsoper dem Berliner Publikum ei» Bild von PfitznerS kammermusikalischem und Lieder-Schaffen zu geben. Do» Koiizert findel als erste Veranstaltung des HanS-Pfitzner-VereinS für deutsche Tonkunst am 22. Sept. in der Singakademie statt. — Ein« Organisation Berliner Musiklehr« kräftr hat sich gegründet, die alle an Konservatorien und privat Unterrichtende zusommeniassen will, um durch gemeinsame Arbeit die wirtschaftlichen und künstlerischen Nöte dieses Berufe» zu über- winden. Es sollen auch die künstlerischen Bestrebungen des Berufes, besonders die Vorbedingungen für die Berechtigung mufiipädago- giicher Tätigkeit, geordne» werden. Zuschriiten find zu richten an W. Zimmermann, Charloltenburg S. Sophie-Charlotte-Str. 36. Die nächste Versammlung findet Sonntag, den 11. September, vor« miilagS tihr, Dorolheen-Lyzeum, NW, Wilhelmshavener Straße 2, statt. — Der«ntifylla bu», das streitbare freidenkerische WeltonschauungSgedicht, da« während de» Sozialistengesetzes rrotz oller Verbole in der Arbeuerschaft von Hand zu Hand ging, ist in einem guten Neudruck im Verlag der Buchhandlung Vorwärts er- schienen. Das Heft(Preis 75 Pf.) enthält, auch die anderen nicht weniger bekannten großen Kamvigedichte F r i« d r i ch Kra Isert — Ceterurn censeo, die Marseillaise des Eprislentums, der alte und der neue Glaube— und gibt in einer Einleitung Ankunft über den Dichter, der ein siebenbürgischer Achtundvierziger war und in den sechziger Jahren zum Sozialismus gelangte. — Die Sahara- Eisenbahn. Nach dem Kostenanschlag eines französischen Ingenieurs soll der Bau der Tahara-Eisenbahn, wie die Halbmonatsschrift„Der neue Orient" berichtet, mindesten» S00 Millionen Frank kosten. Die Lange wird auf 2500 Kilometer geschätzt. Besondere Schwierigkeiten wurden den Arbeiten nicht ent- gegenstcben; auch eine„Ueberschwemmung " der Strecke durch den Wüstensand ist an keiner Stelle zu befürchten. Die Reise von Frankreich nach dem südlichen Afrika soll durch diese Sahara -Effs�- bahn auf fünf Tage verkürzt werden, während sie jetzt»nrdesteu» drei Wochen dauert. Allein durch die Beförderung von Fleisch dem Inner» Afrika »»ürdeu die BetriebSkoft« gebe« werden könne«.