Kr. 46$ ♦ 56. Jahrgang
Seilage öes vorwärts
dkeastag, H.September 1414
Morgen, Mittwoch, Zahlabenö in GroK-Serlin. Wem öie Partei am Herzen liegt, öer kommt!
Gro&BerMl Voll die Schuluot schon„beseitigt sei«? S«S den Berliner Genreindeschulen leilt der Magi. strat den Stadtverordnelen nach mehrjähriger Unterbrechung jetzt zum erstenmale wieder die K l a s s e n b e i e tz u n g in einer auZ- fübrlichen Zusammenstellung mit. Im lausenden Sommerhalbjahr 1919 bestehen 311 Gemeindeschulen, 29 HilfKschulen, 3 Schulen für Schwerhörige, 1 Schule für Schwachsichtige, und die Gesamtzahl ihrer Klassen ist 5162(einichl. 234 Hilssschul-, Vor-, Hör- und Neben- klassen). Die Gesamtzahl der Gemeinde schulkinder war am 1. Mai d. I. nur 204 737, gegenüber 224 956 im Sommer 1914, so daß die letzten fünf Jahre einen Rückgang um 20 219 ge« bracht haben. Wir erklären ihn uns zum Teil aus der in den Kriegsjahren beobachteten höheren Sterblichkeit auch der schulpflichtigen Kinder, zum größeren Teil aus dem Wegzug vieler kinderreicher Familien. Die Wirkungen deS außerordentlichen Geburtenrückgangs, der neun Monate nach dem Kriegsausbruch und der Heeresein« berukung einietzte, werden erst von Ostern 1921 ab sich in einer außerordentlichen Minderung des Zuganges sechsjähriger Schul- rekruten äußern. Im Rathaus rüstet man sich schon, von da ab viele Hunderte von Schulklassen als.überflüssig* einzuziehen. Es wird jedoch nötig sein, diese außerordentliche Zugangsminderung als eine Gelegenheit zu einer durchgreifenden Herabsetzung der Klassenfreguenz zu benutzen. Äuch die jetzige Frequenz steht trotz der in den Kriegsjahren zustande gekommenen weiteren Ermäßigung immer noch bedeutend über derjenigen, die als die hochstzulässige gelten kann. Der Durch- schllltt iür alle Klaffen lohne die selbstverständlich besonders schwach zu besetzenden HiltS- usw. Klaffen) stellt sich jetzt aus 40.67, gegenüber 43,52 im Sommer 1914. Für die verschiedene» Klaffen- stuken ist aber der Durchschnitt bekanntlich sehr ungleich: er ist jetzt für die Klaffen VII immer noch 45,38, für die Klassen VI 48,89, V 43.97. IV 43.93. III 40,88, II 33,43, I 32,53, für die Oberklassen 81,96. Doch auch diese Zahlen beweisen noch nichts für die im einzelnen vorkommenden Klassenfrequenzen, die iu gar nicht so wenig Fällen hinaufreichen über 50, ja über 55, b i S z u 56. 57. 58. 59! Solche Besetzungsziffern finden sich noch in beinahe allen Klaffen- stufen, am häufigsten in den unteren, häufig genug noch in den mittleren, gelegentlich aber auch noch in den oberen. Wie soll da, selbst bei gewiffenbaftester und treuesier Arbeit der Lehrenden, ein ErziehungS- und Unterrichtserfolg möglich werden I Solange nicht die unzulässig hohen Klassenfrequenzcn beseitigt sind, darf von Klasseneinziehungen nicht die Rede sein. Es fehlt leider noch sehr viel daran, daß wir überall erträgliche Klaffen- frequenzen hätten. Parieiversamwlungeu m Groß-Berlm siehe 4. Seite Hauptblatt. Achtung! Arbeiterräte. Betriebs- und Parteivertrauensleute: Plakate. Männer und Frauen der Arbeit* sind in unserem Bureau, Lindenstr. 114, v. I r., abzuholen. Der VollzugSrat der S. P. D.-Fraktiou der Arbeiterräte. Endlich! Der Oberbürgermeister von Berlin hat an den Staats- kommisfar sür da» W o h n u n g S w e s e n die nachstehende Drah- tung gerichtet:.Die Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt wird durch Zustrom von Flüchtlingen täglich schwieriger. Räume sieben uns nicht mehr zur Verfügung. Obdachlosigkeit droht mit unübersehbaren Folgen. Wir erbitten sofortige Anweisung an alle in Frage kommenden Ressorts, die� sämtlichen Reichs-, Staatsbehörden und Kriegsgesellschaften, die Wohnungen belegt haben, b:s zum 1. Oktober zwangsweise iu Kasernen, Baracken, Schlöffern usw. provisorisch unterzubringen.*
Wie halbamtlich verlautet, kann Berlin kein Zuzugs- verbot erlassen, sondern nur eine Zentralbehörde. Berlin muß daher eine erhebliche Zahl von Beamten aus den ehemaligen Reichslanden und der Ostmark unterbringen. Die Bevölkerung wird vom Wohnungsamt nochmals ersucht, freiwillig Leute zu wählen, die sie nach Maßgabe der Zugehörigkeit zu den Wohnungs- inhoioern mit Rücksicht auf Alter, Sland, Beruf, Konfessionen und anderes mehr aufzunehmen geneigt ist. Die Schaffung von Koch- gelegenheiten übernimmt die Stadt Verlin, die auch die Gas- und Elektrizitätszuteilung regelt. Auch die Aufstellung von Klosetts in abgetrennten Wohnungsteilcn wird von der Stadt Berlin besorgt. Das Wohnungsamt hat beantragt, daß diejenigen, die von ihm in eine möblierte Wohnung hineingelegt' werden, eine Kaution zu stellen haben. Die Beschlagnahme und der Ausbau von Läden schreitet fort. Neuerdings geht man auch den Spielklubs kräftig zu Leibe. Wenig geeignet dagegen sind Schlotzräume wegen ihrer Höhe und demgemäß wegen ihrer schweren Heizbarkeit. Gegen- wärtig baut das Wohnungsamt tn dem Häuserblock Volta- und Brunnenstraße einige hundert Wohnungen aus. Der Wilmersdorfes Woh-nungSauSschuß beschloß, von Zwangseinquarti erungen Abstand zu nehmen. Fahrt nicht auf dem Trittbrett! Am Sonnlogabend kam in der Nähe des Bahnhofs WeddingS ein unbekannter Mann, der sich auf dem Tritlbrett aufbielt, da- durch umS Leben, daß eine Tür von einem entgegenfahrenden Zuge aufging und ihn von seinem Platz herunterschleuderte.— Es kann nicht eindringlich genug vor diesem Leichtsinn gewarnt werden, der schon so vielen das Leben gekostet hat.
Die Schießerei bei Pichelsdorf gegen de» Zug der.Freien Jugend* hat leider Schußverletzungen bei fünf Teilnehmern zur Folge gehabt. So wenig es zu rechtfertigen ist, daß scharf geschossen wurde, so scheint es doch, daß die jungen Leute wiederum von ver- ürecherischen Drahtziehern ins Verderben gelockt wurden. Folgende Mitteilung geht uns zu:.Als die Teilnehmer des Zuges im Lokal vom„alten Freund* anwesend waren, verkauften sie dort Zeitungen „Die junge Garde" und erzählten uns im Vertrauen, diese Demon- stratioa hätte noch einen anderen Grund, nämlich den, heut« abend sollten noch die politischen Gefangene» befreit werden, und ältere Leute, welche mit dazu gehörten, erklärten, dieses fei«och nicht der Schluß vom Schützenfest, wir werden uns wundern, was noch kommt.* Zur Sichrrnng der Milchverforgung bittet Oberbürgermeister Mermuth in einem Telegramm den Reichsernährungsminister, die gesamte, der Reichsgetreidestelle zur Verfugung stehende Kleie den Städten zum Mschluß von Lieferungsverträgen zu überlassen. Das einzige Mittel zur Sicherstellung der Milchversorgung der Kinder und Kranken dürfe nicht'Bntzenutzt-ÄeÄ�tU'-".'''> Durchführung.-der FriedenSbedinguugtn. Die ReichsarbeitS- gemeinschaft ffür das Baugewerbe teilt mit, daß es sich bei dem neugcgründeten.Volksarbei tttam t" lediglich um ein Ma- növer unverantwortlicher Kreise unabhängig-kommunistffcher Rich- tung handle. Interessenten aus Arbeiter-, Angestellten- und Unter- nehmerkreisen deS- Hoch-, Beton- und Tiefbaugewerbes werden über die Ausführung von Arbeiten in Nordfrankreich recht- zeitig durch ihre der Arbeitsgemeinschaft für das Baugewerbe an- geschlossenen ÄerufSverbände unterrichtet werden. Von dem Volks- arbeitsamt können sie weder zweckdienliche Auskunst noch später Usbertragung von Arbeiten erwarten.— Wie wir hören, hat sich bereits eine sehr große Zahl von Arbeitern, sie sqll in die Hundert- tausende gehen, zum Wiederaufbau gemeldet. GaSstrafen für Kriegsteilnehmer? Bei der laufenden Ein- ziehung der Gasgelder kommen Prämien in Anrechnung für spar- strme Verbraucher, die sich darauf gründen, wer jetzt weniger Gas als 1916 verbraucht hat. Mag der Gedanke in Anbetracht der Kohlen not gut sein, in der Ausführung wirkt er aber vielfach un- sozial. In den Familien der Kriegsteilnehmer fehlten 1916 die er-
wachsenen männlichen Mitglieder, die weiblichen gingen zum Teil tagsüber aus dem Hause arbeiten und oft auch essen, und der Mangel im Einkommen zwang darüber hinaus damals schon zu äußerster Einschränkung des Gasverbrauchs. Durch die Heim- kehr der Kriegsteilnehmer und oft natürlichen Zuwachs sind dies« Familien jetzt größer geworden und verbrauchen trotz größter Einschränkung notwendigerweise mehr Gas als damals. Die Wirkung ist, daß die doch meist sozial besser gestellten Nicht» kriegsteilnehmer jetzt eine Prämie bekommen, weit sie 1916 mehr Gas verbrauchen konnten als andere. So leicht wird eine an sich gute Absicht zur Karikatur. Die Nordmark will deutsch bleiben! Durch die. Straße» werden große Schilder getragen mit dem Inhalt:„Nordschleswiger, meldet Euch noch heute zur Eintragung in die Liste der Stimm» berechtigten beim Deutschen Ausschuß für Schleswig, Berlin E. 2, Burgstr. 30, Zimmer 53. Kommt alle! Die Nordmark will deutsch bleiben.* v Keine Herbstserien? Zurzeit schweben Erwägungen, ob eS in Anbetracht der Schwierigkeiten, die jedenfalls im kommenden Winter infolge der Kohlennot eine geregelte Durchführung deS Schulunterrichts unmöglich machen werden, nicht angebracht wäre, die Herbstferien diesmal ausfallen zu lassen. Es ist als ziemlich sicher anzunehmen, daß in der kalten Jahreszeit bei dem Mangel an Kohlen die Schulanstalten gezwungen' sein werden, den Schul« Unterricht ganz einzustellen oder in erheblichem Maße zu kürzen. So trägt man sich im Kultusministerium mit dem /Gedanken in den von der großen Kohlennot hauptsächlichst betroffenen Städten die Herbstserien ausfallen zu lassen. Man hat endgültige Eni- fchlüsse zwar noch nicht gefaßt, aber es wird mit der Möglichkeit zu rechnen sein, daß besonder» in Groß-Berlin die Herbstferien völlig ausfallen. Achtung! Buchdruckerei. Vertrauensleute. Obleute und Ar» beiterräte jS. B. D.) am Donnerstag, den 11. S., nach- mittags S Uhr, in WilkeS Festsälen, Sebastianitr. Sg, an der Alten Jakobstraße, Konferenz. Aeußerst wichtige Tagesordnung. Kein Be- trieb dar! unvertreten bleiben. Eintritt nur gegen Vorzeigung des Hollge- klebten Mitgliedsbuches der S. P. D. VoUversammlnng aller Vertrauensleute der Hilfskräfte de? Magistrats Berlin . Morgen, Mittwoch. 1 Ubr, im Maraareiben-Lyzenm, JsslanMtraße. Tagesordnung: 1. Unsere geiordersc WirtschaftsSeiinlse. 2. Einzelheiten über den Tartsvertrag. 3. Stand der Verhandlungen über die Lewald'sche Verfügung. Zentraler-Ausschuß. Kuhligk. Kicdrowski. Die Akademie der Bnchsachverstäudigen, Rankestr 2?. beginnt Mitte. September mit ihren Vorlesungen. Die Akademie dient zur StandeSoertretung der akademisch gebildeten Sachverständigen, und zur kausmänntschcn Weiterbildung der Kriegsbeschädigten, KriegSgesangenen und der aus dem Militärdienst tretenden Personen. ZirknS Busch. Die Eröffnungsvorstellung am 13. September ver- spricht ein großes Ereignis zu werden, denn das equeiirischc und zirzensische Gebiet ist m so reichhaltiger und auserlesever. Weise' vertreten,. wie langt nicht.''' 3•,■ f""'' Berichtigung. In unserem gestrigen Bericht über die Gründung. eiwes, MebaicheK' Berliner. Junglehrer und iKriegsseminartsten mutz.es' in der- Rede des Junglehrers Kitzmann richtig heißen:'. Neben der Besserung der wirtschaftlichen Not wird die kollegiale Schulleitung die Beseitigung der zweiten Prüfung usw.... Schöneberg . Die Stadtverordnetenversammlung verhandelte gestern über mehrere wichtige Anträge, die an der Spitze ihrer sehr langen Tagesordnung standen.— Eine dringliche Anfrage der Un- abhängigen betraf Lebens Mittelverschiebungen, die in Schönetergs Kinderheilstätte Boldixuen vorgekommen sein sollen. Stadtv. Wilberg(U. S.) behauptete, die Anstaltsleiterim habe öfter Lebensmittelpäkete nach außerhalb versandt, und der Gemeindevorsteher habe lange Zeit hindurch Milch aus der Anstalt erhalten. Stadtrat R a b n o w antwortete, von den für die Kinder bestimmten Lebensmitteln fei, soviel er wisse, nichts an Fremde gegeben worden. Möglich sei, daß die Leiterin privatim Lebens- mittel im Ort angekauft und an Bekannte versandt habe. Milch sei manchmal, wenn die Kinderzahl durch Beurlaubungen sich ver- ringert, im Ueberfluß da. Dann könne dem Gemeindevorstehet
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Erleuchtung.
Roman von Henri Barbusse . Verdeutscht von Max Hochdorf . . Gelingt eS Vereinzelten, sich aus diesem Maschenwerk herauszuzerren, dann gewinnen diese Feiglings zugleich ge- wallige Kraft. Aber es gibt ihrer nur wenige, so sehr man auch das Gegenteil denken mag. Denn auch die Zahl der Mächtigen ist gering. Du, Du Mensch in Deiner Einsamkell, Du gewöhnlicher Mensch, Du dürftiges Milliardenteil der Menschheit, Du bist niemals etwas gewesen, und Du mußt in den Krieg marschieren bis zum Ende der Dinge oder bis zum Ende Deiner selbst! Du wirst zermahlen und zerknickt werden. Du wirst zu dem großen Gemetzel ausziehen. Und vernichten werden Dich die Menschen, die von Deiner Gattung sind. Denn der Krieg wird nur von Menschen Deiner Gattung geführt. Du wirst Dich-an Deinem Heimatsflecken wiederfinden, und Du wirst verkleinert und kränklich sein. Du wirst Dein nacktes Leben wohl erhalten haben, aber nicht die Gesundhcll, ober nicht die Lebensfreude. Nach zuvielen Tagen der Abwesenheit wirst Du armselig für alle Zellen sein, da man Dir soviel Zell geraubt hat. Sei selbst durch ein Glückswunder auserwählt, gehe selbst unversehrt aus dem Siege hervor. Du. Du wirst immer der Besiegte sein. Kehrst Du wieder heim in die un- ersättliche Maschine Deiner Wochentagsfron und in den Kreis der Deinigen. aus denen Gewinnwut und Habsucht das Elend herausgesogen haben, dann wird sich Dein Dasein mehr als se zuvor verhärten. Denn der Krieg und alles, was daraus folgt, man muß es bezahlen. Du, der Du bevölkert hast die .Keller oder. die Mansarden der Städte, gehe hm, und be- dölkere die Starrheit der Schlachtfelder! Und wenn Du am Leben bleibst, dann bezahle nock obendrein. Bezahle für einen Ruhm, der nicht Dein Ruhm ist! Bezahle für Trümmer, die andere Menschen mll Hilst Deiner Hände zertrümmert haben. Da Wucht plötzlich dicht vor meinem Leidenslager eine linkische Gestalt empor. Mir ist, als läge ich in einem Kran- kenzimmer und in einem Bette, und ich wäre nun Plötzlich aufgewacht. Obwohl Dunkelheit herrscht, sieht man, daß die Gestalt entstellt tfL In dem Antlitze der Erscheinung erglänzt etwas Ungaoöhnllches. Mau matt auch bei dem Schritte des
schwankend Dahinschreitenden, der sich auf dem dunklen Grunde verliert, daß nichts Lebendiges in den Stiefeln steckt. Dt: Ge- stall kann nicht sprechen. Aber sie rudert mll magerem Arme durch dst Lust. Lose Lumpen baumeln vom Handgelenk. Die Hand ist unvollständig, aber sie martet die Gedanken gleich einem falschen Klange. Und nun deutet sie auf die Stell: des Herzens. Ich sehe dieses Herz, das in die Finsternis des Flei- sches eingegraben ist, und in das schwarze Fleisch des lebendigen Menschen, denn nur das stisch fließende Blut ist noch rot. Es geschieht mll meinem eigenen Herzen, daß ich dieses in der Tiefe liegende Herz erblicke. Würde dieses Herz jetzt etwas sprechen, so würde es nur diese Worte sagen, die ganz sacht und sickernd hörbar werden:„Dagegen können wir nichts tun!" Ich versuche, meine Starrhell zu überwinden. Ich möchte mich mir selber entwinden. Zcher ich kann es nicht. Ach bin ein- geschnürt in ein Alpdrücken. Wäre diese Erscheimmg nicht von selber erloschen, ich würde mich vor ihrem Schatten ver- wellt haben in unaufhörlicher Blendung und Bewunderung. Diese Erscheinung, die dorthin gewandelt ist, sie hat nichts ge- sprachen. Sie hat nur auf das wesenlose Wesen gedeutet, das sie selber gewesen ist. Dann ist sie verschwunden. Vielleicht wurde sie aufgelöst in das Nichts. Vielleicht wurde si: fort- getragen zum Tode: der Tod dürste ihr nicht geheimnisvoller erscheinen als das Leben, dem sie fachen entrückt wurde. Und ich sinke wieder ganz in mich hinein. * Doch die Gestalt kehrt zurück, und sie wendet mir Eon neuem ihr Antlitz zu. Ach, jetzt trägt sie eine weiße Binde um das Haupt, und an dieser schmutzigen Krone erkenne ich sie wieder. Wieder erlebe ich den Augenblick, da ich dieses Men- schenwesen an mich gepreßt habe, um es zu zermalmen. Wieder spüre ich, wie in meinen Armen dieses Menschen Knochen zer- brechen, unter denen das Herz ruhen soll! Er ist es!-- Und ich bin es! Mein stiller und unbekannter Bruder, öer schon in den ewigen Abgründen wellt, spricht kein Wort mehr. Und der Gewissensschrei, von dem meine Kehle zerfleischt wird. entgleitet mir. Ich suche weiter, nach einem anderen Wesen, das da irgendeine Rolle spielen muß. Wer wer und wo ist dieses Wesen? Ist die Kraft deS Verhängnisses, dst meinen Händen an- befahl, diesen Bruder zu töten, nicht mll einem menschlichen Antlitz begabt?
Termite sagt:„Die Könige sind schuld an allem!" Der gefangene, kahlköpfige Deutsch: mll dem Verbrecher- schädel sagt:„Die Mächtigen sind schuld an allem!" Die Könige, die Majestäten, dst übermenschlichen Men- schen, die von einem phantastischen Namen verklärt werden, und die sich niemals irren, ist das alles nicht seit langem abge- schafft? Man weiß es nicht. Die Menschen, dst regieren, man siebt sie nicht. Man sieht nur das, was sie wollen. Man sieht nur das, was sie mit den übrigen Menschen machen. Warum befehlen nur s i c immer? Man weiß es nicht. Die Massen haben sich ihnen nicht ausgeliefert. Sie haben sich die Massen angeeignet, und sie geben sie nicht mehr los. Ihre Macht ist von ühernatürlicher Kraft. Es ist so, weil es von altersher so gewesen ist. Die Erklärung, die Formel und der treibende Atem dieser Hohen besagt nichts anderes als nur dieses:„Es muß sein!" Genau so, wie sie die Arme der Masse in Besitz genonimen haben, bemächtigen sst sich der Köpfe, und sie pflanzen dorten einen Glauben ein. Der Kamerad, dem jeder der demütigen Soldaten zuge-- horcht hatte, er hafte ja auch ausgerufen:„Dst Hohen sagen Dir, dies sollst Du in Deinem Kopfe herumtragen, und jenes sollst Du in Deinem Herzen herumtragen." Von den Hohen ist eine unvermeidliche Religion auf uns alle hingeworfen worden. Nur dieser Glaube hält aufrecht, was lebt, nur dieser Glaube hält aufrecht, was besteht. Plötzlich hör: ich neben mir einen im Tode verröchelnden Soldaten, der laut stöhnt. Es ist, als wenn ich in einer Reihe von Todesopfern stände, und ich isiaube, daß ich jetzt den Mann wiedersehe, der sich vorhin, gleich einem getroffenen Geier, auf dem todesgeschwellten Erdreich herumgewälzt Haft Die Worte dieses Sterbenden dringen in meine Seele dringlicher als eben noch, da der Sterbende über die Kraft seines Lebens ver- fügte. Seine Worte verwunden mich. Werde ich von Finster- nis zermahlen. werde ich von Helligkeit zerrieben? „Es ist eine Sünde, daß man den Menschen die Augen auftreißft" Feldwebel Marcafsin hatte gesagt:„WaS geglaubt werden soll, wird kommandiert, genau so wie alles übrige!" Und er hatte sich in seiner roten Hose emporgereckt, als wenn k der blutige Printer des KoegSgottes selbst gewesen wäre. (Forts, folgt.)