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Seilage öes Vsnvärts
Mttwoch, 10. September 1014
heute Zahlabenö in Groß-Serlin!
Der Münchener   Geiselmord vor Gericht.
München  , 9. Septeml'er 1919. L. 8. Von besonderem Interesse ist heute die Vernehmung des Aaufmonns Georg P f i st e r, eines stark nervösen Mannes, der im Uelde verschüttet worden und eben aus dem Lazarett entlassen ist. Er bleibt zunächst unvereidet, da er zur kritischen Zeit der dritte Kommandant des Luitpold-Gymnasiums gewesen ist. Er erkennt fast alle Angeklagten wieder und bekundet, er sei bis zum 14. April Vertrauensmann bei der damals noch be- j stehenden Republikanischen Schutztruppe gewesen, welche die alte Regierung stützte. Schließlich ging er seiner Stellung verlustig. Er will einen amtliche« Austrag gehabt haben, als er sich im Gymnasium um ein« Stellung bei den Kommunisten bewarb. Er behauptet, im Besitz einer amtlichen Erklärung gewesen zu sein, daß, wenn sich das Gymnasium kampflos übergebe, JC ein Mann erschossen werden würde. Leider sei es ihm nichf' gelungen, seine Kameraden auf diesen Weg zu bringen. Vorsitzender:«Sie sollten also da? Gymnasium wieder im die Hände der Regierung zu bringen versuchen?' Zeuge:.Ja, und zwar möglichst ohne Blutvergießen. Kampflose Heber- gäbe des Gymnasiums hätte daher viel Unheil verhüte:.' Vor- sitzender:.Sie sollen auch beaustragt gewesen sein, die Ma- schin engewehr« aus dem Gymnasium herauszuorin- gen?' Zeuge:.Ja.' Vorsitzender:.Um Ihre Tätigkeit zu verschleiern, haben Sie nun den Dienst im Gymnasium übernommen?' Z e u ge:Ja.' Vorsitzender:Wer war nach Ihrer Meinung der Leiter des Ganzen?' Zeuge:.Seidl. Er wurde nur der erste Kommandant genannt und bandelte durchaus selbständig, hat ohne weiteres Haus- suchungen angeordnet und vorgenommen und auck Beschlagnahmen durchgeführt. Auf diese Weise kamen sehr viele Sachen ins Gym- nasium. die er von seinen Ausslügen mitbrachte. Eimen   Wider- ivruch gegen seine Anordnungen gab eS nicht: auch die Soldaten mußten sich ihm bedingungslos imterwerfen. Er dwhte ihnen mit VerhgstSbehehlen und mit Ausschließung aus der Roten Armee.' Vorsitzender:.Wie war es bei Denunziationen?' Zeuge:Da war er auch selch schnell bei der Hand.' Vorsitzen- der:War er auch in militärischer Beziehung Oberster?' Zeuge: Er war schon der Oberste! Allerdings hatte Schicklhorer auch man- cheö zu sagen.' Vorsitzender:Welche Disziplin herrschte im Gymnasium?' Zeuge:Gar keine. Jeder tat, was er wollte. Zur Verpflegung und Beteiligung meldeten sich immer rund 899 Mann, aber wenn es zum Dienst kam oder zum Wachescbieben, waren eS kaum noch 30. Angenommen wurden alle Leute, die sich meldete» und zur K. K. D. gehörten, aber auch Ar- beitslose.' Vorsitzender:Zur Wache sollen sich aber meist anständige Leute gemeldet haben?" Zeuge:Ja, es waren aber nur wenige und sonst herrschte keine Disziplin. Dienst wurde überhaupt nur auf Drohungen hin gemacht." Vorsitzender:Sind auch LebenSmsttelbeschlagnahmungen durch Seid! gemacht worden?' Zeuge:Ja, er kam mehrfach mit Sol» daten und Weibern   heim, die Seife, Kakao, Ziga- retten usw. mitschleppten." B o r s i tz en d e r:Kamen nicht auch einmal silberne Rasierapparate als Lebensmittel mit?" Zeuge:Ja." Vorsitzender:Auch viel Wein?" Zeuge: .Das babe ich nicht gesehen.' Vorsitzender:SS sind allein ein- mal 599 Hektoliter veguiriert worden. Wissen Sie nichts von dem Gelage im Kommandantenzimmer?" Zeuge:An dem Tage hatte ich gerade dienstfrei." Vorsitzender:Ist auch geplündert wor- den?" Zeuge:»Ja, es wurde in anderen Depots mehrfach re- guiriert." Vorsitzender:Nein, auch die Kammer des Gym- nasiums soll einmal vollständig anögeplündert worden sein." Zeuge:Das ist richtig." Vorsitzender: Wieviel Frauenzimmer waren wohl im Gymnasium?" Zeuge:
Eine ganze Menge." Vorsitzender:War nicht auch eine so- genannte Krankenschwester da, an der ein Sittlichkeitsverbrechen verübt wurde?" Zeuge:Ja." Vorsitzender:Sie ist dann wohl verschwunden?" Zeuge:Jawohl." sHeiterkeit.) Vor- sitzender:Nach dem Etat waren im Gymnasium 339 Mann." Zeuge:Ja, aber beim Mittagessen meldeten sich 559, während des Abends beim Appell etwa 35 da waren." Vorsitze«der: Wie erklären Sie sich das?" Zeuge:Die sind einfach hinein- gekommen und naebher einfach auf und davon. Die meisten gingen zumHamster n."(Große Heiterkeit.) Vorsitzender:Waren nicht auch. Russen da?" Zeuge:Ja. es waren eingekleidete russi- sche Gefangene. Die babe» sich hauptsächlich an die Front gemeldet." Vorsitzender:Sind Festreden an die Leute oebalten worden und wissen Sie, daß Levien, Axeldrod und Levine-Nissen mit ihnen verhandelt haben?" Zeuge:Ja." Vorsitzender:In der Nacht zum Freitag, als das Champagnergelage mit den Weibern  gewesen sein soll, sind die drei dagewesen." Zeuge:Ja, und zwar in Begleitung einer Zivilperson." Vorsitzender:Hat sich nun Seidl um den Betrieb gekümmert?" Zeuge:Er hat sich nicht viel darum kümmern können, weil jeder tat, was er wollte, und wenn man schimpfte, rückten sie aus." Vorsitzender:Wer ordnet« an, daß die Geiseln in den Keller kamen?" Zeuge: Seidl." B or sii? e n d e r:Wie war die Behandlung der Gei- sein?" Zeuge:Die Behandlung der Husaren war Hunds  - gemein." Der Zeuge schildert dann, daß er zweimal verhaftet worden ist.Seidl sagte, das Tribunal hätte Mitteilung erhalten, daß ich mit der alten Regierung in Verbindung stände. Ich hätte bis dahin noch nichts zur Verteidigung ange- 'ordnet. Ich bestritt alles und schimpfte auf die Weiße Garde, um mich zu schützen. ' Die Sache sollte vor dem Tribunal zur Verhandlung gelangen. Mir selbst wurde ein Schweigegebot auferlegt. Inzwischen kamen die beiden Husaren ins Gymnasium und Hesselmann brackte sie zu mir ins Zimmer. Ich fragte ihn dabei: Was ist mit mir los? Daraus sagte er:Deine Sache ist sebr brenzlich. Du wirst wohl auch dran glauben müssen. Es hieß dann, die Weißgardisten rüsteten zum Angriff auf das Gymnasium. Darauf wurden die Posten in- formiert, daß alle Geiseln zu erschießen seien, sobald da« Gvmnasium ins Gefecht käme. Die beiden Husaren wurden schrecklich mißhandelt. Beide mußten Stichen fegen und Schüsseln reinigen. Als dem einen das Blut in die Schüssel lief, wurde er nochmals geschlagen. Man rief den Husaren zu: Mit Euch Luders machen wir es genau so. Ihr müßt Euch vorher Euer Grab selber schaufeln" Als die Geiseln zum.Kartoffelschäl«! auf den Hof gebracht wurden, schrie man den Weißgardisten zu: ,j£>o. jetzt kommt mit, Ihr Hunde Jetzt machen wir es mit Eych so, wie Ihr es mit uns machen würdet." Dann wurden sie zu zwei und zwei auf de« Hof geführt und bort hieß eS: Halt! Rechts schaut! Da standen in Zlbstünden von 5 Metern schon die Husaren an der Pfeilermauer. Es kamen mehrere Schützen aus den Hof. darunter Josef Seidl, der Kantinenwirt, den der Zeuge wiedererkennt. Er nennt auch noch die Namen anderer Personen, die aber nicht auf der Anklagebank fitzen. Der Zeuge fährt dann fort:Als die Schüsse auf die Husaren krachten, bekam ich einen schweren Nerde'achoc. Ms ich wieder zu mir kam, sah ich Seidl bei de« Leichen stehe«. Hesselmann und Schicklhofer habe ich nicht gesehen." Vorsitzender: Haben Sie das Kommando zum Feuern' gehört?" Zeuge:Nein, eS hat mich gewundert, daß plötzlich Schüsse fielen. Ich war sehr aufgeregt. Einer der Husaren schlug noch mit den Händen um sich, darauf erhielt er einen Fangschuß. Für mich wurde dann ein Arzt geholt und ich tmirjie hinausgetragen. Einer der Soldaten erkannte mich wieder und sagt«:Der war doch früher bei der Schutztruppe. Der gehört auch erschossen. Er ist nur als Spion hier." Der Zeuge bestätigt, daß
das Verhör der Geisel» eine reine Farce war. Bei der Abführung der Geiseln in Trupps ist die Bemerkung gefallen:So. das sind die, die für die 29 bei Forstenried erschösse- nen Rotgardisten niedergeknallt werden." Gleich darauf krachten auch die Schüsse. Rechtsanwalt L i e b k n e ch t:Was haben die Husaren darauf erwidert, daß sie Rotgardisten erschossen hätten und daß Kopfprämien ausgesetzt seien?" Zeuge:Da? weiß ich auch nicht. Sie haben eben nicht viel erwider nkö n n e n. Der Angeklagte Schicklhofer springt erregt auf und hält oem zeugen vor, daß er doch einen großen Teil der Anordnungen bei der Erschießung selb st getroffen habe. Zeuges Aber das ist doch Unsinn, Du warst doch mein Vorgesetzter. Schicklhofer:Umgekehrt, Du warst der Vorgesetzte." Zum Schluß gibt der Zeuge noch an, daß mit den vorhandenen Stempeln nn Gymnasium viel Unfug getrieben wurde. Jeder stempelte, was er wollt«. (Heiterkeit.) Der Staatsanwalt widerspricht der Vereidigung des Zeugen, weil dieser im Verdacht der Mittäterschaft stebe. Der Zeuge wehrt sich dagegen uud gibt an. er habe heimlich aus dem Gymnasium die Patronen fortgeschafft, die Handgranaten unbrauchbar und das Maschinengewehr in Unordnung gebracht. Die Ausklagten halten ihm demgegenüber vor, daß er die Reu« gruppier"« ng der Roten Armee vorgenommen habe. Zeuge:Jawohl, aber nur in bezug auf die Verpflegung." Der nächste Zeuge Ebner hat Schicklhofer aus dem Hof he' der Erschießung gesehen. Der Rotgardist Potze bekundet, daß Levien und Levine-Nissen im Gvmnasium waren, als die Geiseln erschossen wurden. Ein anderer Rotgardist, der zum Aktionsausschuß gehört«, erklärt, daß die geheime Sitzung vo.m 29. nicht unbedingt die Geisel- erschießung zum Gegenstand gehabt haben müsse. Es könne auch ein« einfache Parteisitzung gewesen sein.(Bewegung.! Zeuge Josef Schneider, der zux Wachmannschaft im Gvm- nasium gehörte, erklärt, von feiten der Wachmannschaft sei alle? getan worden, um den Leuten ihre traurige Lage zu verbessern. Der Zeuge gibt an, daß der Chausteur Seidls. ein gewisser Kam- merstädter zu ihm gesagt habe:Niederschießen habe.. ich sie schon helfen mber den Mut, ibnen die Papiere aus der Tasche zg holen, habe ich doch nicht aehebt. �Mir graut davor" Er, der Zeuge, habe dann zu Kammerstädter gesagt:Hole Dir doch ein paar Russen, die werden es schon machen!" Aus die wieder- holten Fragen des Staatsanwalts bleibt der Zeug« bei seinen Aus- sagen, die Kammerstädier schwer belasten. Hierauf wird unter großer Bewegung de? Publikums der in« zwischen festgenommene Zeuge Kammerstäd te r durch einen Schutzmann in Zivil vorgekührt. Er wird unvereidigt vernommen und kennt die Angeklagten sämtlich, fluf die Frage, welch« Kleidung der Zeuge als Chauffeur getragen habe, erwiderte er: Eine grüne Mütze und wollenen Schal, im übrigen Zivilkleidung. Daß er eine schwarze Lederjacke gctraaen bebe, bestreitet der Zeuge. lTa  ? ist wesentlich, weil die Angeklagten bei ibrer Vernebmuna. ebenso wie mehrere Zeugen angegeben haben, daß bei der. G e i.s e l e r» schießung auch ein Cbanffeur in der oben geschilderten Bekleidung mitgewirkt habe.) Der Zeuae bat in der Nacht, vom 29.. zum 39. m?i Seidl eine Fährt nach..MiHertMofen gemaW.Und fand am nächsten Mittaa in"seinem Ziminer in wer.Kaserne einen Rotgardisten vor, der Seidl iy einer. dringenden �Angglech'nbeit sprechen wollte. Der Rotaärd! habe ihm dann erzählt,' ru Grnn- wald seien Rotgardisten ew s cha s s c n worden iurb- dafür solle jetzt Vergeltung geübt wenden. Ich beachrrchtigte Seid! von der Botschaft und der sagte zu mir darauf:Wenn Du den Befehl ausführen willst, kannst Du es tun." Ich brachte die beiden Weißgardisten auf den Hof zur Erschießung. Die 8 bis 19 Mann znr Ezjckntion hat Schicklhofer im Gymnasium zusammengesucht. Auf die Frage de? Vorsitzenden, wer von den Angeklagten mit bei den Schützen war, deutet Kammer- städter auf den Kantinenwirt Seidl und sagt: Der hat mitgeschossen!" Vorsitzender:Ist das auch wahr?" Zeuge:Er hat ein Gewehr gehabt und mit in der S ch ü tz e n k e t t« g est a n de n.". Vor- sitzender:.Können Sie sagen, ob der Angeklagte Siebel auch mit- geschossen hat?" Zeuge:Den kenne ich nicht". Angeklagter Siebel:Aber ich erkenne Dich sehr genau." Seidl schickte mich
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Erleuchtung.
Roman von Henri Barbusse  . Verdeutscht von Max Hochdorf  . Er hatte recht. Er hatte die Kette beim richtigen Glieds gepackt, als er diesen Wahrheitsschrei ausgestoßen hatte, der sich gegen die Wahrheit richtete. Jeder Mensch ist ein Etwas, das gezählt werden muß. Aber die Unwissenheit treibt den Menschen von seinem Nebenmenschen fort, und der Verzicht auf Jegliches sprengt die Menschen auseinander. Jeder arm- selige Tropf trägt in sich ganze Jahrhunderte der Verlassen- heit und der Versklavung. Er ist ausgeliefert ohne Waffen und Wehr an den Haß uud an die Verblendung. Ich möchte mich aus dieser Verwirrurg herausarbeiten, wie aus dem Erdkote, der mich einwühlt. Ich suche den Mann aus dem Volke. Der Arbeiter, der sich mit der Arbeit mißt, er mißt sich mit einet Macht, die ihn weit überragt. Er entschlüpft niemals seiner Fron. Er ist der Sklave unserer Zeit. Ich sehe ihn in seiner sanften Wesenheit. Dort tritt er aus seiner im Hofgrund liegenden Werkstatt heraus. Er trägt ein viereckiges Mützlein. In seinem schlecht geschabten Barte schillern die Spuren des Alters. Mit Geräusch zerkaut und raucht er sein Tonpfeiflein. Er zuckt mit den Achseln, er lächelt ein gütiges und keineswegs aufsässiges Lächeln, und er sagt:.Krieg hat es seit altersher gegeben. Also wird es auch ewig Krieg geben." Und die Menschen, die um ihn herum stehen, sie zucken auch mit den Achseln, und sie denken in dem armen Einsam- keitssumpfe ihrer Seele das gleiche: Sie bergen die Ueber- zeugung. die fest in ihr Gehirn vernietet ist, daß die Dinge niemals mehr geändert werden können. Die Menschen stehen wohl jeder für sich und deutlich da, aber sie gleichen Eck- und Pflastersteinen, die fest in ihren Bezirk verbaut und verrammelt sind. Sie glauben, das Leben der Welt sei nur wie ein riesiges, steinernes, nicht mehr zu verrückenden Denkmalsgequadere. Und sie gehorchen. ohne daß sie zum Bewußtsein zu gelangen. Sie prüfen nicht mehr und unterwerfe» sich allem, was befehligt. Sie denken nicht mehr in die Ferne hinaus, obwohl die Zukunft ihrer Kinder auf sie wartet. Und ich erinnere mich an das Verhängnis, daS auch mich drängte Körper und Seele dem Verzichte hinzugeben, von dem alle Menschheft eingeschnürt
wird. Und dann ist ja auch der Alkohol da, der die Ge- danken zerdröhnt, und dann ist ja auch der Wein da, der die Gedanken ersäuft. Man sieht die Könige nicht leibhaftig. Man sieht nur den Widerschein, der von den Königen auf die Masse niederrieselt. Verblendung, Verblendung, der wir zum Gegenstande dienen müssen l Ich denke nach, und die Verblendung läßt mich nicht los. Meine Lippen sagen andächtig ein Buchstück auf, das mir einstmals ein junger Mann vorgelesen hat. Damals war ich noch ganz klein, und ich saß am Küchenttsch und stützte die Ellbogen auf und kämpfte mit einiger Schläfrigkeit. Der junge Mann aber las:Roland ist nicht tot. Jahrhunderte- lang ist unser prächtiger Vorfahr, der Krieger der Krieger, über die Berge und die Hügel geritten. Er hat das karolingische Frankreich   und das kapetingische Frankreich   auf seinem Rosse nach allen Richtungen durchsprengt. Bei allem großen Leide, das dem Volke begegnete, hat er sich vor dem der Völker aufgereckt. Wie ein Siegeszeichen stand er da, wie ein Ruhmeszeichen, und der Helm strahlte auf seinem Haupte. und das Schwert strahlte an seiner Seite. Er erschien und verweilte, gleich einem bepanzerten Erzengel, wenn der Schlachtenbrand am Horizonte aufbrannte. Er fehlte nicht, wenn man im Kampfe duftermassig zusammenwimmelte. Als die Pest kam, tauchte er nicht minder auf. Er rftt. auf die Flügelmähne seines Rostes ge- beugt, daS wild und phantastisch tanzte, als wenn die Erde berauscht wäre. Ueberall hat man ihn gesehen. Er hat das Ideal wieder aufgerichtet. Er hat die wackere Tapfer- keit der vergangenen Zeiten nicht aussterben lassen. Nach Oesterreich   ist er gekommen, als die endlosen Streitigkeiten zwischen dem Kaiser und dem Papste tobten. Sichtbar wurde er, als die Skyten und die Araber in Schlachten aufeinander« fuhren. Er hat dem reich-bunten Fortschritt der Menschheit gedient, der sich am mittelländischen Meere ansiedelte, um dort weitcrzuwirken, bald auffteigend, bald absteigend, wie ein MeereSgewoge. Der große Roland ist nicht tot, er ist niemals gestorben." Die Worte dieser Legende hat mir damals der junge Mann vorgelesen. Ich mußte sie bewundern und er blickte mich an. Dieser junge Mann, den ich derart wiedersehe, ge- nau so, wie mir sein Bild an jenem ungewöhnlichen Abend erschienen ist. war mein Vater. Und ich entsinne mich, wie ich sett jenem Tage an die Schönhett dieser Dinge glaubte.
obwohl ich doch nur im Strome mit allen übrigen Menschen hinwandelte. Denn mein eigener Vater hatte mir ja so ge- sprochen. Mein Vater, der Bürger aus einer verklungenen Zett, saß damals in dem niedrigen Zimmerlein unseres alten Hauses. Er saß unter dem weißlichen und grünlichen Lichtlem des schmalen Fensters, daS von Rautenmustern gezeichnet wurde, und er rief aus:Es gibt Menschen, die sind wahnsinnig ge- nug, um zu glauben, daß England und Frankreich   niemals mehr Krieg miteinander führen werden l" Aus dem Wirbel der Vergangenheit steigt mein Vater herauf, solches spricht er, und dann verschwindet er wiederum. Und ein Bild, das ich vor langer, langer Zeit auf einer Buch- seite studiert habe, gewinnt wieder Leben: An das Holzgeländer des alten Hafens lehnt sich der Seeräuber. Er ist rostig ge- worden im Wind und im Meeressalz. Sein alter Rücken ist gewölbt wie ein volles Segel. Er ballt die Faust nach der Fregatte, die in der Ferne vorübergleitet. Er beugt sich über das geteerte Balkenwerk, als wenn er auf der Brüstung eines Piratenschifses stände, und er sagt den ewigen Abscheu voraus, den seine Rasse gegen die Engländer fühlen wird. .Rußland eine Republik?" Man reckt die Arme zum Himmel.Deutschland   eine Republik?" Man reckt die Arme zum Himmel auf. Und die großen Stimmen, die Dichter und Sänger, was haben die großen Stimmen gesagt? Die Dichter haben den Lorbeer verherrlicht, ohne zu wisien, was der Lorbeer ist. Auch du, alter Homer, du Barde der stammelnden Küstenstämme I Auch du. Barde, mit den ehrwürdigen, hei­teren Zügen, die gemeißelt sind, in Eintracht mit deinem großen kindlichen Genie! Auch du, Homer, mit deiner drei- mal tausendjährigen Leier und deinen leeren Augen I Auch du, Homer  , der du die Dichlkunst zu unseren Tagen hinüber- gebracht hast! Und auch ihr, ihr Heerscharen der versklavten Dichter, ihr habt auch nicht begriffen. Gelebt habt ihr, be- vor man begreifen konnte! Gelebt habt ihr in einer Zeit, in der die großen Männer nur die Diener der großen Herren waren! Und auch ihr. ihr Knechte de« Ruhmes, der auck heute üppig erschallt, ihr beredsam und prächtig unwissenden Schmeichler. Ihr von Bewußtsein nicht erhellten Feinde der Menschen, auch Ihr endlich, Ihr habt den Lorbeer ver- herrlicht, ohne zu wissen, was der Lorbeer bedeutet! (Forts, folgt.)