Einen positiven Wert enthalt die Antwortnote der En- tente— trotz der gesuchten Unliebenswürdigkeit ihrer 7orm — auch dadurch, daß noch einmal auf die künftige Möglich- keit einer Vertretung Oesterreichs im deutschen Reichsrat hingewiesen wird und doß an sie nur die schon bekannte Vor- aussetzung geknüpft wird, daß erst der Völkerbunds- rat seine Zustimmung dazu gegeben haben müsse. Auch diese Regelung entspricht nicht den Wünschen jener französi- sehen Gewaltpolitiker, die für alle Zeit den Zusammenschluß der beiden deutschen Staaten verhindern wollen. Verzichten wir also nochmals ausdrücklich auf die nie gehegte Absicht, den Zusammenschluß unter Bruch geschlossener Verträge zu vollziehen, so brauchen wir keineswegs auf die Absicht zu ver- zichten, die Welt durch unermüdliche Wiederholung unserer guten Gründe dem Anschlußgedanken günstig zu stimmen. Daß eine gewisse Sorte von Pariser 'Politikern mit diesem Ausgang der Sache nicht zufrieden sein kann, leuchtet ohne weiteres ein. Aber wir möchten fragen, wie lange das französische Volk eS diesen Politikern gestatten will, ihre un- heilvolle Rolle weiter fortzuspielen. Wir möchten fragen:„Ist nun Frieden oder nicht?" Ruhig urteilende Franzosen, gleichviel welcher Partei, werden sich doch sagen müssen, daß es nicht zum Vor- teil ihres Landes sein könnte, wenn sich im deutschen Volk der Glaube befestigte, Frankreich bleibe auch im Frieden der unversöhnliche Erbfeind und Deutschland müsie ständig gegen französische Anschläge auf seinen staatlichen Bestand Schutz bei der nichtfranzöfischen Welt suchen. Man braucht noch lange kein Anhänger einer einseitig verrannten, die Spitze gegen England richtenden„Äontinentalpolitik" sein, um einzusehen, daß für beide Nachbarstaaten, Frankreich und Deutschlmch, ein Verhältnis wünschenswert ist, in dem sie eines dauernden Schiedsrichters in ewigen Streitigkeiten entraten können. Es liegt auch nicht im Interesse Frankreichs , Deutschland immer wieder den Ausspruch des klugen Pertinax im„Echo de Paris" ins Gedächtnis zu hämmern, der Frieden von Ver- sailles habe die Einigkeit der Alliierten für min- destens dreißig Jahre zur Voraussetzung�. Das neue Deutsch- land will keine Politik des Ausspielens der Gegensätze treiben, weil die alte Diplomatie sie zum Unheil der Welt betrieben hat, es hat die ehrliche Absicht, zu allen seinen einstigen (sfegnern in ein gleich gutes Verhältnis zu gelangen und Schutz für seine berechtigten Lebensinteressen nicht bei ein- zelnen Mächten zu suchen, sondern beim erwachenden Rechts- bewußtsein der ganzen Welt. So liegt es im Interesse ganz Europas , daß das Rechtsbewußtsein des französischen Volkes nicht hinter dem anderer Völker zurückbleibt, daß es nicht länger durch die Intrigen unbelehrbarer Gewaltpolitiker ins Irre geführt wird. Hier eröffnet sich für den f r am z ö s i- schen Sozialismus eine große Ausgabe, die von ihrer Lösung noch recht fern ist, die er aber lösen muß im Interesse seines eigenen Vaterlandes, das zu mißachten wir ihm niemals geraten haben, wie in: Interesse der gesamten Menschheit.
Nochmals: Mer kommanöiert im Generalkommando Lüttwitz! Zu dieser Notiz teilt das Reichswchrgruppenkommando I mit, daß sowohl die erste Haussuchung wie der zweite Besuch der Zentralstelle für Einigung durch Agenten nicht auf Befehl deS RcichswehrgruppenkommandoS I erfolgt ist. Das Reichs- Wehrgruppenkommando hatte zwar Anordnung zur Neber- w a ch u n g der Zentralstelle gegeben, nicht aber zum Ein- dringen in ihre Räume. Eine Uebcrwachung war wegen des begründeten Verdachts des Vertriebes kommunisti- scher Zeitschriften von dort aus geboten, ein Verdacht, der im übrigen weitere Anhaltspunkte gefunden hat. Wegen der Haussuchung sind die verantwortlichen Persönlichkeiten zur Rechenschaft gezogen. So weit das Reichswehrgruvpenkommando. Wir milsien hierzu bemerken, daß die gegen bte Einigungszentrale erhobene An- schuldigung auf Bertrieb kommunistischer Schriften nur von einer politisch durch und durch unerfahrenen Persönlichkeit ausgehen kann. Die Zentralstelle wird von der großen Masse der K. P. D. wegen des„EinigungSrummelS- scharf bekämpft, und ihre allbekannten Zwecke und Ziele laufen wirklich nicht darauf hinaus, für die K. P. D. Propaganda zu machen. Bei der.Haussuchungbehauptete der unbeauflragte BeichSwehrlunktionär, der Sekretär der Zentralstelle habe kommunistische Schriften in einer vor kurzem abgehaltenen öffentlichen Versammlung, in der Eduard Bernstein referiert«, verkauft. Es braucht kaum hervorgehoben zu werden, daß da« unwahr ist. Wahrscheinlich handelte es fich um einen jener kommunistischen Schriftenkolporienre, die jetzt fast bei keiner öffentlichen Versammlung sehlen. Der ganze Fall legt die Frage nahe, ob denn die Organe, die hier Anordnungen auf.Heber- wachung- erlassen, auch nur die bescheiden st e politische Vorbildung haben, die zur Ausübung solcher Kompetenzen gehört. « Zu der Haussuchung beim Genossen Schlesinger in der Pariser Straße stellt das Oberkommando Noske in einer Erklärung an uns ausdrücklich fest, daß weiter eS selber, noch eine der ihm unterstellenden Stellen Anordnung z« einer Haussuchung in der Wohnung Schlesingers gegeben hat.— Wir nehmen das mit Vergnügen zur Kenntnis, möchten aber gerne wissen, auf we» denn eigentlich die Haussuchung, die zwei» fellos vorgenommen wurde, z u r ückz u führen ist. Habe» hier auch wieder.llnbeauftragte" gehandelt?
Remharüs veröienste. Die scharfen Angriffe d-'Z Genossen Scheide mann gegen den Obersten Reinhard haben nochmals die Diskussion über die RiÄ«, die Reinhard in den kritischen Januartagen gespielt hat, in den Vordergrund gerückt. Die rechtsstehende Presse jammert über groben Undank und kann nicht genng Reinhards Verdienste um die Rettung des Vaterlandes hervorheben, und selbst das demokratische„B. T.", das im übrigen Scheidemanns Standpunkt energisch unterstützt, glaubt zugestehen zu müssen, daß Reinhard wohl im Januar Gutes geleistet habe, was ihm aber keinen Frei- brief für ewige Zeiten ausstelle. Wir müssen diese ganze Geschichtslegcnde zerstören. Hier ist schon einmal darauf hingewiesen worden, in welcher höhni» schen und herausfordernden Weife Reinhard im kritisch. sten Moment jede Hilfeleistung für die Regierung ablehnte. Auch in den späteren Tagen, als er merkte, daß Spartakus nicht siegen würde und nunmehr wieder der Regierung einiges Interesse zuwandte, hat er durchaus nicht die entscheidenden Leistungen vollbracht, die ihm seine Anhänger nachrühmen. Gerade an den Erfolgen de» 11. Januar, die er in feinem bekannten
! Schreiben an den.Vorwärts" so herauSstreichl, halte er kernen Anteil. Er lvar es vielmehr, der durch seine Großmannssucht die damalige Aktion zur Wiederherstellung der Ruhe ernstlich gefährdete. Oberst Reinhard hatte sich, nachdem er bereits im Dezember mehrere vergebliche Versuche gemacht hatte, Stadtkommandant zu werden, zum.Kommandanten von Berlin - herauftituliert. Kategorisch verlangte er alle Machtvollkommenheiten und weigerte sich, mit seiner Truppe irgend etwas zu unternehmen, sofern er nicht als Oberbefehls- haber anerkannt werde. Als er fein Ziel nicht erreichte, schmällte er und überließ es den anderen Truppen, am 11. Januar das zu vollbringen, dessen er fich jetzt zu Unrechl rühmt. Die Truppen, die in der Januarwoche neben der damals gebildeten.Schntztruppe" die Hauptarbeit leisteten, waven die von der Kommandantur ohne das Zutun des Herrn Reinhard herangezogenen Verbände au? der Garnison Potsdam und die ebenfalls der Kommandantur zugehörigen Regimenter der Bcr- lincr Garnison, insbesondere die Maikäfer, Franzer und das 3. Garderegimeirl Nicht der Oberst war eS. der diese Verbände in den bedrohlichen Tagen zu einem brauchbaren Truppenkörper vereinigte. Es waren die Leute der Kommandantur, die, ohne jemals nachträglich Reklame für ihre Personen gemacht zu haben, die große organisatorische Arbeit vollbrachten. Aber auch militärisch bat der Oberst nichts geleistet. Er nimmt für sich das Lob in Anspruch, das nur dem Major Stephans zukommt. So sehen Reinhards„Verdienste" aus, und waS die angebliche Dankespflicht anbelangt, so möchten wir daran erinnern, daß die Regimenter Liebe und Reichstag , die im Januar mehr getan haben als Oberst Reinhard, sehr bald aufgelöst wurden, sobald man sie auf Grund stark übertriebener Mitteilungen für.sparta - kistisch verseucht" hielt. Damals hat kein konservatives Blatt über Undank geklagt.
„Deutsche Tageszeitung" unü Kriegsgefangene. Ein Kriegsgefangener schreibt unS: .Dieser Tage ist uns hier die„Deutsche Tageszeitung" vom vorigen Monat in die Finger geraten; diese hatte die große Dreistigkeit besessen zu schreiben, daß sämtliche amerikanische Gefangene Ueberläufer seien, wofür wir alle, ob Offiziere oder Mannschaften, den Gegenbeweis antreten können. Des- gleichen hielt es ein katholischer Pfarrer in München für gut, in empörender Weife uns Gepangene als Ueberläufer und Verräter zu beschuldigen; die Predigt erreichte den Zweck, indem zwei Bräute von gefangenen Kameraden sofort die Ver- lobung brieflich auflösten mit der Begründung, sie könnten un- möglich mit solch ehrlosen Männern ein Bündnis schließen, da es ja der Herr Pfarrer selbst von der Kanzel gepredigt habe. So geht es uns Gefangenen. Nicht nur, daß wir das schwere Los der Gefangenschaft ohne jedes Verschulden durchmachen müssen, ernten wir auch noch aus der Heimat, der wir tapfer ge- dient haben, diesen ekolhaften, aber von uns erwarteten Dank und sind gegen solche schweren Beleidigungen völlig machtlos." Bielleicht überkommt die„Deutsche Tageszeitung" nach der Lektüre dieses Briefes endlich ein Gefühl, das sie ganz verloren zu haben scheint und das doch unter anständigen Menschen nichts Seltenes fei� sollte: ein Gefühl der tiefen Beschämung nämlich. Sie, die, ihr Chefredakteur voran, jahrelang hindurch von der sicheren Redaktionsstube aus nicht genug Leute in den Tod schicken konnte, um für ihre nationalistischen Interessen zu verbluten, sie wagt es heute, unsere Gefangenen in derart gemeiner Weise zu beschimpfen. Diese aber werden nach ihrer Rückkehr erkennen, wo ihre wahren Feinde find. - r Die„Futterkrippe". Wenn der preußische Minister des Innern, Genosse Hein«, den reaktionären Verwaltungsapparat gründlich umbaut und die all- deutschen Oberpräsidenten, Regierungspräsidenten und Landräte durch modern denkende Persönlichkeiten ersetzt, so ist das nach der Behauptung reaktionärer Blätter nur ein Kampf um die.Futter- krippe", und die Unabhängigen, die alle Tag« jammern, daß nicht genug geschehe, tuten in dasselbe Horn. Für die Reaktionäre ist der Preußische VerwaltungSapparvt natürlich niemals eine Futterkrippe gewesen. Nur die sachliche Tüchtigkeit half dem Beamten aufwärts,— so sagen sie. Zufällig fällt unS ein Bericht der»Schiochauer Kreiszeitung" vom 6. September über eine in Schlochau stattgehabte Versammlung in die Hände. Die Versammlung war vom Arbeiterrat einberufen, um sich mit Schiebungen auf dem LandratSamt zu be- fchäftigeu. Der Arbeiterrat berichtete, daß die Aufdeckung dieser Schiebungen nur mit größter' Mühe möglich war, da immer wieder durch da? Landratsamt Hindernisse in den Weg gelegt wurden. Der Landvat hätte schon vor Zeiten Abhilfe schaffen könne«. Aber trotz aller Warnungen, die ihm von Kreis- eingesessenen und von seinen eigenen Beamten zugegangen waren, hat der Landrat den Schiebern noch andere Aemter gegeben und noch größeres Vertrauen als früher geschenkt. Der Arbeiterrat mußte infolgedessen auf eigene Faust handeln, um die Schiebungen aufzudecken, was ihm schließlich gelang. Wie wir erfahren, ist der bisherige Landrat von Schlochau , Herr v. Mach, vom Ministerium de» Innern vorläufig feine» Posten» enthoben und bis zum Abschlüsse der Untersuchung beurlaubt worden. Grund genug für die all- deuffchen Blätter,«irnnal wieder über die Entfernung der„alten zuverlässigen Beamten" und die.Futterkrippe" zu zetern!
Deutschnationale Zumutungen. Wa» fich die Deutschnationalen alle« erlauben, beweist da» Schreiben eines Geschäftsführers der Deutschnationalen Volk«» Partei, in welchem dieser«inen Gemeindevorsteher in einem Orte der Niederlansitz um vertrauliche Mitarbeit und Nennung der Namen deutschnational gesinnter Männer bat. Der Gemeindevorsteher soll also In seiner amtlichen Eigenschaft unter einer republikanischen Regierung einer monarchischen Partei Vorspanndienste leisten. Das ist immerhin allerhand und beweist, daß jene Herrschaften fich noch immer viel zu sicher fühlen.
Keine Verschiebung von Flugzeugen. Die.Freiheit" berichtet in ihrer heutigen Ausgabe, daß vom Flugpark Adlershof drei Flugzeuge nach Kurland verschoben worden seien. Hierzu wird unS von zustandiger Stelle mitgeteilt, daß diese Meldung auf einer Irre- führuug beruht. Die Nachricht, daß am Sonnabend drei Flug» zeuge in AdlerShof startbereit seien, um nach Kurland gebracht zu wechen, entbehrt jeder Begründung. Ein derartiger Auftrag ist der zuständigen Stelle weder erteilt,«och vo« ihr ausgeführt worden. Wahlsieg i« Prenzlo«. Aus Prenzlau wird uns berichtet: Bei der Magistratewahl, die hier am v. d. MtZ stattfand, wurden gewählt: 4 Mehrheitssozialisten, 2 Unpolitische, 1 Demokrat, 1 Be- amter. Die Mehrheitssozialisten haben nunmehr im Stadtparla- ment. wo sie bisher mit IS gegen 18 Stimmen gegen die anderen Parteien stände», die absolst« Majorität.
der Münchener Geiselmorö vor Gericht. München , den 13. September 1919. Ein längere Zeugenvernehmung gibt es dann noch in Bezug aus den Angeklagten Völkel, der aus der Untersuchungshart einen Brief an seine Braut, eines Fri. Wagensohn, hinauSschmug- geln wollte und tu welchem er diese ersuchte, einen Zeugen zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Der Zeuge sollte nichts davon sagen, daß er im Wiltelsbacher Palais gewesen sei. — Di« Braut enthält sich ihres Zeugnisses.— Vizewackitmelster Krüger- Berlin vom Freikorps Lützow und Unt«rwachtm:ister Heß- Berlin haben die Verhaftung des Völkel vorgenommen, da dessen Braut erzählt hatte, daß ihr Bräutigam bei den Geisel- crschicßungen beteiligt gewesen sei.— Es wird dann nock> da« Zeugnis dea�ausbesitzerin Wirsing verlesen, der Schickelhofer erzählt hat. wie alten Soldaten im Gymnasium hätten sich geweigert, die Geiseln zu erschießen, daraus habe er vier junge Soldaten herangenommen. Der Angeklagte Schicklhofer bestreitet, daß er die jungen Soldaten zur Erschießung befohlen habe, sie hätten sich freiwillig gemeldet.— Eine weitere Zeu- gin, Frau B o g n e r, die ein Liebesverhältnis mit dem Ange- klagten Hann« hatte, sagt aus, daß sie am Abend de? Mordtages mit ihm ei« Tanzlokal besucht habe. Dort habe ihr Hanne erzählt, daß er am verflossenen Nach- mittag Geiseln mit erschossen habe. T�bei habe er sich gefreut und gelacht. Geld habe er„massig gehabt. Vors.:„Hatte er das Geld schon vorher gehabt?" Zeugin:„Ich habe geglaubt, daß er Geld für die Erschießung der Geiseln bekommen hat." Vors.:„Haben Sie ihn nicht gefragt, warum er mitge» schoflen hat." Zeugin:„Ja. Ich habe gesagt, wie kann man nur so etwa? machen. Darauf bat er gesagt:„Ich hatte den Be- fehl dazu." Vors.:„Sagen Sie auch nicht gegen ihn aus. weil das Verhältnis jetzt gelöst ist?" Zeugin:„Nein, ich habe mit ihm gebrochen, weil er ein anderes Verhältnis hatte. Er hat auch zwei Kinder."— Der Zeuge Pauli konnte nicht erscheinen. Es wird deshalb seine Vorvernebmuna derlesen. Er gibt an. daß er den Angeklagten H u b e r Mitte Mai getroffen habe. Dieser habe ihm erzählt, daß er im Luitpold-Gymnasium gewesen sei und auch mitgeschossenhab«. Bei dem Kampf in Giesing habe er ein Maschinengewehr bedient. Angeklagter Huber:„Ja, ich habe ihm darüber erzählt. Aber ich habe nicht gesagt, daß ich mitgeschossen habe."— Der Zeuge Lehr, er, der Ordonnanz im Luitpold-Gvmnasium war, sagt aus, daß in der Nacht zum 39. der Aktionsausschuß dort gewesen sei. Er habe die Herren gesehen, wisse aber nicht, wer sie gewesen seien. Man habe ihm bestimmt versichert, daß Levien dabei gewesen set. Die Herren vom Aktionsausschuß seien häufig inS Kommandantenzimmer gekommen. Vors.:„Wen hat man denn in das Zimmer hineingebracht?" Zeuge:„Zwei Weißgardisten." Vors.:„Haben Sie etivaS beobachtet?" Zeuge:„Ich habe gehört, wie einer vom AktionSauZschuß sagte, man solle die beiden Soldaten nicht so schlagen. Ein anderer Herr vom Aktionsausschuß hat daraus ge- Antwortet:„Das tut gar nichts." Vors.:„Und Ihre Beobachtungen beim Geiselerschießen?' Zeuge:„Es waren etwa ö<X> bis 699 Soldaten bei der Hinrichtung. Solange ich da war, hat Haußmann kommandiert." Vors.:„Sie;ollen da- heim, am Abend des 39., sehr aufgeregt gewesen sein und gesagt haben, Sic hätten während des Krieges viel gesehen, aber so etwas nicht. Sie sollen gesägt haben: „Die Roten haben sich aufgeführt wie die Hyänen." Zeuge: Den Ausdruck habe ich nicht gebraucht. Vors.: Di« Gräfin , so erzählten Sie weiter, sei unzüchtig angepackt woroen. Sie habe sich gewehrt, sei aber doch an die Wand gestellt worden.— Zeuge: Ich habe nichts davon gesehen. Als nächste Zeugin wird Fräulein Hilde Kramer , die vom Pressefifch weg als Zeugin geladen wunde, vernommen. Vors.: Sie waren für die Räterepublik tätig und sollen Haftbefehle geschrieben haben.— Zeugin: Ja, auf Veranlassung des Stadt- kommandanten Mehrer. Als Grund für die Verhaftung wurde die Auffindung bela st enden Materials angegeben. ES waren 13 Stempel der Stadtkommandantur, des Güterbahnhofes, der Ar- beiterwehr, das Faksimile Eglhofers und der Stempel des alten VollzugSrates. Dann hat man 3999 Flugblätter der Demokrati - schen Partei und einige Judenhetzblätter und Mitgliedskarten der K. P. D. gefunden.— Vor f.: Waren Sie bei der Vernehmung der Geiseln dabei?— Zeugin: Nein.— Vors.: Waren Sie auch im Luitpold-Gymnasium?— Zeugin: Ich kann nur fest- stellen, daß ich nie i n meinem Leben dort war. Dia Zeugin wird dann entlassen. Dann wird die Wirtin Schickl- hoferS vernommen. Sie bekundet, Schicklhofer habe oft mit seiner Frau Streit gehabt.— Vors.: Hat seine Frau auch Hiebe bekommen? Zeugin: Ja, ja.— Vors.: Was hat Ihnen denn Schicklhofer am 1. Mai erzählt?— Zeugin: Er hat den Hauszins gebracht, und da habe ich ihn nach dem Geiselmord gefragt. Er hat gesagt, sie sind erschossen worden, weil sie unsere Leute auch erschießen. Er habe vom Oberkommando den Beseht erhalten, vier Mann zur Geifelerschietzung zu stellen. Dann hat er mir von Thurn und TariS erzählt. Der habe gesagt, als man ihn an die Wand stellte: „Hier ist meine Brust, schießt gut." Ich habe dann nichts mehr über den Mord hören wollen, denn mir hat gegraut.— Der Zeuge Raffreiter erzählt: Ich habe gekört, wie Pürzer(dieser An- geklagte ist bisher noch nicht belastet worden) von dem Geiselmord erzählt hat. Er hat sich ganz höhnisch ausgedrückt; wie ein Lust- mörder hat er sich benommen und gesagt: „Wie wir die»iedergcpfeffert haben, da? ist eine Freude gewesen." Angeklagter Pürzer: Ich habe bei dieser Unterhaltung nur. zuge» hört. Der,' wo das gesagt hat, ist ein kommunistischer Offizier ge- Wesen.— Rechtsanwalt Liebknecht verlangt die Ladung Mün- chencr Zeugen, die über die Bluttaten von RegierungStruppen, über die Ermordung Landauers aussagen sollen. Die Verlesung der Zeugen, die Dr. Liebknecht vernommen sehen will, dauert etwa eine Stunde. Die Anträge des Rechtsanwalt» Liebknecht werden schließlich nach kurzer Beratung des Gerichts samt und sonders abgelehnt. �
Industrie und Kandel . Börse. Die politischen und wirtschaftlichen Meldungen blieben auch int heutigen Verkehr völlig unbeachtet. Der Trubel tn Kolonial- papieren setzte sich in unverminderter Weise fort. Zum Teil wurden neue starke SufwärtSbewegungen erzielt. DaS galt, in erste� Linie bei Pomona, die gestern 2899 geschlossen hatten und heute um 999 Proz. höher mit 3299 eröffneten, später dann 300 Proz. wieder hergaben. Deutsche Kolonialanteilc sttegen zunächst um 89 Proz. bis auf 1189 und gingen dann weiter hinauf bis auf 1299. South- West 292 nach 197, Kaoko 74 nach 79. Neu-Guinea 281 nach 287. Otavi-Anteile 234 nach 237, Otavi�Äenußscheine 199 nach 199. Am RüstungSmarkt Hirsch-Kupfer, Köln-Rottweiler Deutsche Waffen bis 7 Proz. gebessert, von E l e k t r i t ä t s papieren Berg- mann k und Scbuck«rt 4 Proz. Hoger, dagegen Elektr. Licht- und Kraft 3 Proz. schwächer. Kanada anfangs lö Proz. höher, später 9 Proz. niedriger. Baltimore wenig verändert, Stcaua Romana S Proz. und Deutsche Petroleum 3 Proz. niedriger. Dagegen Deutsche Erdöl ö Proz. hoher. Orientbahnen v Proz. nachgebend, Prinz Henry S Proz. anziehend. Türkische Tabak, und Kredit- Aktien wenig verändert. Russische Banken ansang» fest, spater nachgebend. Kriegsanleihe 79�, die älteren heimischen Aw, leihe» ruhig und wenig verändert.