iastungen von aniierer Seite nachdrücklich geschützt sehen wollen. Das Verdienst NoSkes, eine brauchbare Truppe zum Schutz der Republik gegen russische Methoden geschaffen zu haben, wind innerhalb der Partei nicht bestritten, und psycho- logisch wird man eZ auch ganz begreiflich finden, daß Noske nur auf diese eine Seite seiner Aufgabe eingespannt ist und darüber in Gefahr kommt, die andere zu übersehen. Die andere Seite seiner Aufgabe ist die, die Truppe mit einem G e i st e zu erfüllen, der den geänderten Zeitumständen ent- spricht und geeignet ist, zwischen ihr und den republikanisch gesinnten Volksmassen ein echtes Vertrauensverhältnis herzustellen. Daß sich diese Aufgabe nicht von heute auf morgen lösen läßt, sieht jedermann ein, aber was man gerne sehen möchte, das ist der W i l l e n, sie zu lösen, und wenn der Ver- dacht verstärkt wird, daß dieser Willen nicht vorhanden ist, dann wächst auch die Gefahr steigender innerpolitischer Schwierigkeiten. Darum können wir nicht glauben, daß der Fall Reinhard mit der gestrigen Erklärung Noskes erledigt ist. Wir geben ohne weiteres zu, daß Noske einen Offizier wegen einer ein- ieitig gegen ihn erhobenen Beschuldigung nicht über die Klinge springen lassen kann. Wir fragen aber, was Noske zu tun gedenkt, wenn sich herausstellen sollte, daß es tatsächlich die Gepflogenheit des Obersten Reinhard ist, vor versammel- tem Regiment reaktionäre Parteipolitik zu treiben und die Einrichtungen der Republik mit ordinären Ausdrücken zu be- schimpfen. Glaubt Noske nicht, in diesem Fall und unter dieser Voraussetzung dem Volk den Beweis dafür schuldig zu sein, daß ein solcher Skandal nicht geduldet wird? Die Armee darf kein Staat im Staate werden, der von der Bevölkerung mit Sorge und Mißtrauen beobachtet wird. Ein einzelner Stand darf nicht in dem Glauben erzogen werden, ihm sei alles erlaubt. Die Armee darf in der Re- publik nichts anderes sein als ein Instrument des Volks- willens, der von der Volksvertretung und der Regierung, die ihr Vertrauen besitzt, vertreten wird. Ist es zuviel ver- langt, daß die aktiven Offiziere, was immer ihre Ueberzeu- gung sei, sich öffentlicher Schmähungen gegen die Einrichtun- gen der Republik enthalten? Das und nicht mehr ist es, was im Fall Reinhard gefordert wird, und diese vielleicht nicbt unbescheidene Forderung darf im Interesse unserer Republik und unserer ganzen weiteren inneren Entwicklung nicht auf- gegeben werden. Jahrzehntelang hat die Sozialdemokratie für den Grundsatz gekämpft, daß die Zivilgewalt über dieMilitärgewalt gestellt werden müsse, sie kann nicht dulden, daß ein Offizier vor versammeltem Kriegsvolk die Zivilgewalt Gesindel schimpft. Die Frage im Fall Reinhard ist also:„Hat er es getan oder nicht? Und wenn er es ge- ton hat, was dann? ä.- Noskes Reüe in dresüen. Ueber die Rede des Reichswehrminifters Noske in Dres- den erhalten wir folgenden ausführlichen Bericht: Im Augenblick ist es nicht möglich, mit den 1l n a b h ä n- gigen zusammen zu regieren, weil die Unabhängigen Bedingungen stellen, die unerfüllbar sind. In der ersten Zeit der Revolution haben wir im Reiche und in Sachsen mit der Zusam- menavbeit mit der U. S. P. die schlimmsten Erfahrungen gemacht. Die Unabhängigen versagen in der Hauptfrage: sie erkennen nicht, daß keine Regierung möglich ist, die sich nicht auf eine hinter ihr stehende Mehrheit und Macht stutzen kann. Viele unserer Genossen wahren nicht mehr genug die Würde unserer Partei. sSehr wahr!) Die Politik der Nnabhüngigen besteht nur im Radaumachcn und Skandalierm. i. Sehr richtig!) ES wird häufig an unseren Genossen in der Re- gierung eine Kritik geübt, die nicht die Schwierigkeiten berücksichtigt, in denen wir stehen. Diese unberechtigte Kritik treiben selbst Gc- nassen an verantwortlichen Stellen in der Partei und in den Re- daktionen. Es gibt Fälle, wo wir unS lieber der Kritik dort ent- halten sollten, wo sie an sich am Platze wäre. Verekeln wir unseren Leuten doch nicht immerfort die Lust zur Mitarbeit dadurch, daß wir ihnen fortwährend auftischen, daß noch viel zu t u n. ist. Darüber find wir einig. Sagen wir ihnen lieber, daß wir
schon unendlich diel geleistet haben, obwohl wir uns doch immer noch erst am Anfang befinden. Ich werde mich stets dem Bestreben entgegenstellen, durch eine Minderheit die Mehrheit des Volkes zu vergewaltigen. Wo man das tut, werde ich auch künftig so handeln, wie ich es in München und Bremen getan Hobe. Ich stehe auch zu allem, was ich bisher getan habe. Freilich kommen auch noch unangenehme Erscheinungen vor. Al>er es herrscht nun einmal jetzt noch auf keinem Gebiete völlige Ordnung. Das deutsche Heer der Zukunft ist nach dem Machtwort der Entente ein Söldnerheer, das wir hinnehmen müssen mit all seinen Mängeln und Schwächen. Deshalb ärgere man sich doch auch nicht über solche Kleinigkeiten wie Tressen. Wir werden den Soldaten, die sich aus 12 Jahre verpflichten sollen, vielleicht noch ganz andere kleine Konzessionen machen müssen.(Sehr richtig!) Dank der Politik der Unab- hängigen war bis zu der Zeit, da ich mein Amt antrat, über- häupt keine Schutzmacht für die Regierung vor- Händen. Die Massen der organisierten Arbeiter stellten sich mir nicht zum HereSdienst, obwohl ich sie so dringend gebraucht hätte. So mußte ich nehmen, was ich bekam, llnd ich respektiere noch heute die Leute, die damals sich in Gefahr begaben. Der„Vorwärts" maöbe sich ein spezielles Vergnügen dar- mi§, alle Kleinigkeiten, die ihm von unkontrollierbaren Leuten zugetragen werden, zu registrieren; eine ganze Reihe dieser Nach- richten seien falsch Kuttner, der seiterzcit unter ihm das Gc- biet d<m Klassenjustiz bearbeitete, habe heute als seine Haupt- spezialmit die„Konterrevolution der Offiziere" er- wählt.>Wer Tag für Tag Dreck an die Einrichtungen werfe, mit denen wir notgedrungen jetzt arbeiten müßten, treibe Sabotage an sich selbst. Es sei einfach lächerlich, daß eine Truppe niit selbstgew ählten Führern im ern st haften Kampfe etwas leisten könne. Eine solche Formation spränge dann wie GlaS auseinander. ES gehörten Leute an ihre Spitze mit großer Energie. Die Zahl der Offiziere, die in letzter Zeit in diesen beklagenswerten Kämpfen gefallen sei, sei ganz be- trächtlich. Er bedauere ganz außerordentlich wenn dann ein Teil der Parteipresse in dieser Hinsicht Dinge berichte, die mit der Wirklichkeit nichts gemein hätten. Jetzt stelle sich allerdings ein Teil Offizier« der Regierung zur Verfügung, die angeben, uns in ihre» Anschauungen sehr nahe zu stehen. Er spreche ganz offen auS, wenn er vor die Frage gestellt werde, einen Mann als Offizier anzunehmen und zu befördern, weil er angeblich ein Sozialdemokrat sei oder«inen Mann, der auS seiner gegenteiligen veberzeugung kein Hehl mache, sich aber der Regierung ehrlich und vorbehaltlos zur Verfügung stelle, so wähle er den letzteren, weil er und die Regierung bester dabei fahre. Wer sich in solcher Stellung mit den heutigen Verhält- -uissen nicht abfinden und sich nicht darein fügen könne, der müsse selbstverständlich seiner Wege gehen. Darum brauche man über solche Vorgänge nicht allemal großes Geschrei zu erheben und Dinge an die Wand zu malen, denen wir jederzeit ge- wachsen feien. Die Parteigenossen sollten sich deshalb hüten, auf jeden Spektakel hereinzufallen. Der Oberst Reinhard sei«in solches Zugmittel gewesen, mit dem man in den letzten Tagen operiert habe. Auf den Zuruf: „S ch e i d e m a n n" bemerkt Redner, daß er sich gestern mit Scheidemann auseinandergesetzt und ihm erklärt habe, daß man sich zur Beurteilung der Sachlage schon im Lande an Ort und Stelle befinden müsse. Der Mann, auf dessen Mitteilungen sich Scheidemann verlassen habe, sei ein wegen seiner unqualifizierten Eigenschaften bestrafter und degradierter früherer Offizier. Scheid«mann sei auf ihn hereingefallen, wie er sich habe davon überzeugen müssen. Er'(Redner) werde morgen den dienstlichen Bericht Reinhards vorfinden und darnach das Weitere veranlassen, wenn sich herausstelle, daß das Verfahren Reinhards mit der Aufiassung der Regierung unvereinbar sei. Er richte nur die Mahnung an die Parteigenossen, ein klein wenig Vertrauen in unsere Politik zu haben und nicht gleich wegen jeder Kleinigkeit zu Heulmeiern. Man könne nicht von jedem Manne, der jetzt für die Regierung tätig sei, fordern, daß er seine Lebensüberzeugung«im Handumdrehen wechsele. Man müsse ihm auch Zeit gebeu. sicki in die neuen Verhältnisse hineinzufinden. Wenn morgen ernstlich die Konterrevolution siegen würde, so sei die Schuld zum größten Te'l auf das Konto der deutschen Arbeiterschaft zu setzen. Er richte darum die Aufforderung an die Genossen, daß sie ein wenig mehr Vertrauen in die eigen« Kraft betätigten, dann werden sie die Konterrevolution nich-i zu fürchten brauchen. Mit Gefühlsduselei und Sentimentalität könne man heute keine Politik'treiben. Mut, Tapferkeit und Selbstvertrauen gehören da-
weiß, die großen Kathedralen und die Werke unvergänglicher Mal- kunst sind entstanden, ehe es Hochschulen und Akademien gast als Enthusiasmus und Lehre, Können und Wissen aus der Werkstatt, aus der Bauhütte weitergegeben, vererbt wurden, als die� Kunst nicht abgespalten schien, in einen alle paar Jahre wechselnden Kanon von Lehrplänen eingeschaltet, sondern hohes handwerkliches Können, Tradition, Ehrgefühl, Liebe zum Werk. So soll die Schule innerlich umgestaltet werden, indem sie den Schüler zum„Lehr- ling" macht, der nicht in einem Stundenplan von allem etwas er- fährt, sondern der am Bau, am Werk mitschaffcnd zum Meister heranreifen soll.' 'Diese Fragen sind noch nicht bis zum letzten formuliert, aber sie sind unterwegs. Es handelt sich dabei nicht darum, daß die Hand- werkliche Richtung gewählt werbe, um die„industrielle" zu ver- lassen. Beide befruchten und ergänzen sich, haben aber einen ver- schiedenen sachlichen und seelischen Rhythmus. Tie Industrie wird, wo eS sich um rein technische Formung handelt, immer darauf sehen sollen, daß diese klar, damit anständig und überzeugend sei— dann ist sie auch schön, immer relativ zu dem Formgefühl, das sie trug, und zu dem Stand der technischen Entwicklung. Wo cS sich um die.Kunstindustrie" im«ngeren Sinne handelt, ist sie Hand- werklicher Herkunft und in dem Maße wertvoller, als sie sich diese? Zusammenhanges bewußt bleibt. Diesen zu erhalten ist heute not- wendiger als je; denn Rohstofinot und Arbeitslohn sollen der Er- zieher werden zur höchsten Belastung des Materials mit voll- kommener durchgebildeter Arbeit. Die schlechte Valuta, mit ihrer Tendenz zur Ausfuhrerleichterung, ist hier eine Feindin der Ent- wichung zur höchsten Qualität— denn beute wird alles gekaust. Mancherlei neue Probleme aus der Fragenreihe: Oeffentlich- keit und Kunst schwingt nach. Der wichtigsten eines ist die Gestaltung deS Baubeamtentums; die städtische, staatliche Regelung des Bauwesens.>An verschiedenen Stellen wird der Versuch ge- macht, daZ Bauwesen der behördlichen Körperschaften zu entbureau- kratisieren und den freien Architekten nicht nur mehr Mitarbeit sondern mehr Mitverantwortung für das gesamte Bauwesen zu geben. Heute haben wir hier, von geringen Ausnahmen, das Re- gimcnt des ZufaflS oder des Subalternen. Wird hier ein Weg gefunden, dann leistet die Künstlerschaft die große Aufgabe der Selbstzucht und Selbsterziehung. Die Stuttgarter Werkbundtagung hat hier ein wichtiges Kapitel angefangen— an den Architekten liegt es, die Klärung zu finden, die das Bauen wieder zu einer Sache künstlerischer Verantwortung macht.
�eoniü �tnürejew. Der russische Dichter Leonid Andrejew ist nach schwe- dischen Meldungen in einem finnischen Badeorte an einem Herzschlage gestorben. In den Jahren vor und nach der ersten russischen Revoluno« war der Name Andrejews einer der populärsten der russischen Lite-
zu. um gemeinsam unser Land und Volk wieder in die Htöhe zu bringen.(Stürmischer Beifall.) Genosse Kuttner, der augenblicklich verreist ist, wird aller Voraussicht nach zu den Angriffen Noskes gegen ihn noch Stellung nehmen. Schon nach dem vorliegenden Bericht besteht kein Zweifel darüber, daß Noske über die Be- weggründe zur Haltung des„Vorwärts" durchaus falsch in- formiert war. Das ist bereits in dem heutigen Leitartikel dargelegt. Im übrigen wird die Haltung Kuttners nicht nur voy der Redaktion des„Vorwärts", sondern auch von weitesten Volkskreisen in einer Weise geteilt, die die gegen ihn persönlich gerichteten Angriffe zum mindesten als sebr ein- seitig erscheinen läßt. Red. d.„Vorwärts". Unabhängige Argumente. Wie die Hamburger„Kommunistische Arbeiter-Zeitung" be- richtet, wurde in einer Versammlung der Unabhängigen in B a r m b e ck der Kommunist P r u m m. weil er Zwischenrufe ge- macht hatte, aus dem Saal getrieben, von etwa 100 VerfammlungS- teilnehmern verfolgt, die Kleider wurden ihm vom Körper gerisien, er wurde mit Fußtritten traktiert. Schließlich mußte er die Polizei um Schutz ersuchen, die ihn durch einige Beamte nach Hause begleiten ließ. Das Kommunistenblatt bemerkr dazu, daß eS an seinem Kommunisten Prumm die Spuren der Prügel noch deutlich wahrgenommen habe.
Immer schneidig. Bei seinem Rücktritt als bayerischer KriegSminister richtete der Genosse Schneppenhorst eine Kundgebung an die b a y e r i s ch e Armee, in der er die Heeresangehörigen als Kameraden und mit „Ihr" anredete. Das hat den hochwohlgeborenen Freiherrn v. G e b s a t t e I, Generalmajor z. D., so schwer geärgert, daß er an den Genossen Schneppenhorst einen offenen Brief richtete, in dem er diesen als„Emporkömmling der Revolution" bezeichnete Wir können verstehen, daß es für einen Generalmajor der wilhelminischen Epoche hart ist, wenn ein Revolutionär Kriegs- minister wird, der nicht als Freiherr auf die Welt gekommen ist. Dagegen hatten wir immer gedacht, daß gerade diese Kreise besonderen Wert auf die vertrauliche Anrede.Ihr" legten, die sie in ihren Kundgebungen in nicht immer passender Weise anwandten. Oder sollte das nur den„KerlS", den.Gemeinen" gegenüber zu- lässig sein? Gerade Herr v. Gebsattel dürste der Ungeeignetste sein, um von Anmaßung zu sprechen; denn nicht nur den preußi« scheu Leutnant, auch den bayerischen Generalmajor macht unS so leicht in der Welt keiner nach.
Frivole Wissenschaft. G. E. Graf stellt im.Sozialist" treffend fest, daß die Kohlenförderung unter der Vorkriegsleistung zurück« bleiben muß. weil während des Krieges in allen Ländern damit Raubbau betrieben worden ist. Die Ingangsetzung alter und Niederbringung neuer Schächte werde, wie jeder Keuner bergbau- licher Verhältnisse weiß, oft viele Monate, selbst mehrere Jahre in Anspruch nehmen.— Zwei Seiten daraus schreibt er:.Vor ollem jedoch, wir hätten Kohlen, genügend Kohlen, wenn mit der Goziali- sierung ernst gemacht worden wäre." Denjenigen, die'S bisher nicht ahnten, i'ei'S also gesagt: Das Wunderwörtchen.Soziali- sierung" schafft's? Es ist der Schlüssel zur Ueberwinduag von Schwierigkeiten, die die Sozialisateure selbst zugeben, es ist die Eselsbrücke für alle Wissenschaftler, die zwischen wirtschaftlichem Schaffen und Straßenichlagwort vermitteln wollen. Auch wenn man ielbst tnnerlich nicht recht daran glaubt und seine Wissenschast« liche Ueberzeugung damit besudelt..... Achtung, Schlcswiger! In wenigen Wochen findet j» Nord- und Mittelschleswig die V o l k.s a b st i m m u n g über die künftige Nationalität dieser Landesteile statt. An ihr teilzunehmen ist Pflicht aller stimmberechtigten Deutschen . Alle über 20 Jahre alten Männer und Frauen werden dringend gebeten, ihre Adresse mit Wohnort, Geburtsort und Geburtstag dem deutschen Aus schütz für Schleswig- Hol st ein, dessen Berliner Be- schäftSstelle Burgstraße 30 sich befindet, anzugeben. Für Stiimn- berechtigte wird zur Wahl freie Reise, Unterkunst und Verpflegung zugesichert. DaS ErbschaftSstenergesetz ist nunmehr im ReichSgesetzblatt ver- öffentlicht und rückwirkend vom 1. September IStg ab in Kraft getreten. ratur. Auch in Deutschland gewann er mit seinen Novellen einen großen Leserkreis; besonders die Arbeiterpresse bereitete ibm den Boden. Im„Vorwärts" sind damals mehrere seiner besten Er-' Zählungen erschienen, darunter:„das rote Lachen" und„die Geschichte der sieben Gehängten". Andrejew wurde zusammen mit Gorki genannt, und sie beide galten als die Hauptrepräsentanten der russischen Literatur. Im Grunde hängen aber die beiden wenig zusammen. Gorki ist aus der Tiefe des VolkeS aufgestiegen, hat mit urwüchsiger Kräft zunächst Typen der russischen Barfüßler ge- zeichnet, instinktiv die Sehnsucht der Masse gestaltet und ist dann als Sozialist der Fortsetzer der russischen Bewegungsliteratur ge- worden, die die Kunst als Teil des Befreiungskampfes erfaßte. Andrejew ist viel komplizierter: er ist bürgerlicher Herkunft, oeka- denten und pessimistischen Strömungen zugänglich,«in feiner Hin- Horcher und eindringlicher Psychologe, der Impressionist, der die Dinge und Menschen bespiegelt, ohne sie beeinflussen und umge- stalten zu wollen. Müdigkeit und Skeptizismus, wie sie aus langem qualenvollen Druck entstehen, haben ihn gezeichnet. Aber er ist dadurch auch befähigt geworden, mit ungemein verfeinerten Nerven Stimmungen und Reflexe aufzunehmen, die für das Leben russischer Intellektueller bezeichnend waren. Seine bohrende Psy- chologie. seine Fragen, die vor keinem Ideal halt machten, seine Sucht, die Kehrseite aller Medaillen zu sehen, machen ihn zu einem wichtigen Entschleierer, wenn seine ganze Art schließlich auch nur ein Ende und keinen neuen Aufstieg bedeutet. Andrejew ? Grundstim- mung ist fatalistisch-pessimistisch, er steht das Gebundene und Nutz- tige alle? Menschlichen. In den Dramen kommt der passive reflektierende Charakter AndrcjetvZ am meisten zum Ausdruck und hemmt dadurch seine Wirkung. Wrder„Sawa" noch„Zu den Sternen", das immerhin einen freudigen Aufschwung atmet, noch„Da» Leben de« Men- schen", daS eine pessimistische Absage darstellt, sind buhnenbc- berrschend geworden. In den Novellen„Das rote Lachen",„Die sieben Gehängten", der packenden Schilderung der Todesangst und ihrer Ueberwindung, und«inigen anderen wird vaS beste von An- rdejetv lebendig bleiben. Seit der bolschewistischen Revolution, die er bekämpfte, war der Dichter nach Finnland geflüchtet. Sein letztes Werk, das rn Deutschland bekannt wurde, war das Tagebuch eines Kleinbürgers während des Krieges(„unter dem Joche des Krieges"), das keine Bereicherung seines Schaffens be- deutete.__ K. H. D. Notizen. — Heinrich V og e l e r ü he r den Kommunismus. Der Worpsweder Maler Heinrich Vogeler , der sich bekanntlich den Kommunisten angeschlossen bat und«ine kommunistische Kolonie bei Worpswede begründete, veröffentlicht jetzt eine Abhandlung über seine philosophischen Ideen, die unter dem Titel„DaS neue Leben im Verlag von Paul Steogemann, Hannover , herauskommt — Friedrich M o e st liest am Sonnabend, abends"fai Ahr, Fasanenstr. 88, Novellen von Anton Tschechow.
> Verkbunö-Nachklange. Von Dr. Theodor Heuß. Vier Tage lang ist jetzt der Deutsche Werkbund in Stuttgart beisammen gewesen, um in mannigfacher Aussprache die neueü Tatbestände deS wirtschaftlichen Seins zu überprüfen und die Augen für das Werdende wie für das Notwendige zu öffnen. Mancher mag sich der heftigen Auseinandersetzung erinnern, die knapp vordem Ausbruch deS Weltkriegs in Köln gepflogen waren und in dem Gegensatz MuthesiuS— van der Velde eine sehr scharfe Pointierung besaßen: geht der künstlerische Weg zur Typenbildung, bleibt er bei der ungebundenen Freiheit der erfinderischen Individualität? Diese Problemstellung ist heute als Gegensatz überwunden. Kaum ihr Nachhall war zu spuren. Denn für das gewerbliche Schaffen ist heute der Weg zur Norm und zur Type zwangsläufig geworden, weil in ihr sich die innere wirtschaftliche Ersparnis ausdrückt, zu der uns die Armut nötigt. Darüber spricht man nicht mehr; freilich vermeidet man es auch, Ergebnisse des technischen und ökonomischen Nationalismus als Forderung der Kunst anzu- sprechen. Gewiß, sie haben ihren ästhetischen Wert in sich, in ihrer Gebundenheit die einer unruhigen und wahllosen Formenanarchie entgegenwirkt, und man bestätigt sich die Schönheitswcrte des Typus etwa aus den geschichtlichen Beispielen alter Fridericiani- scher Siedlungen— aber ohne Pathos. Stärker meldet sich nun, indem hier für die großgewerbliche Herstellung, für die Massenproduktion ein« Entwicklung sachlich ge- sichert scheint, die Frag'e der individuellen, der schöpferischen Be- tätigung, und eS ist charakteristisch, daß sie sich nicht so sehr mit dem Begriff der„5htnst" verbindet, der„künstlerischen Freiheit". sondern mit dem deS Handwerks. Zweierlei Bewegungen begegnen sich: die jungen Künstler leben von dem Gedanken der Einheit der Künste, die im Bauen ihre Heimat, ihren Halt besitzt, und sie wollen ihr Schaffen darum aus.der Vereinzelung gelöst wissen. zum Zusammenklang gebracht, irgendwie Diener de? Größeren. DaS läßt sie erkennen, daß nicht irgendwie formale Schulung und Geschicklichkeit, fondern da» schlechte Können, die innere Verbun- denheit mit der Arbeit der Weg zur Erneuerung ist Und umge- kehrt meldet sich im Handwerk, das trotz allem, was man sagt und trotz vieler vernichteter Einzelexistenzen las Berufsstand den Krieg gekräftigt durchgemacht hat, Selbstbewußtsein— zugleich das Gefühl, dafsdre für tue nächsten Jahrzehnte gewachsene Bedeutung des neuen Marktes ihm ökonomisch eine nicht ungünstige Zeit vor- bereitet. Notwendig ist, daß zu diesem Gefühl noch ein bewußterer Stolz für die eigentliche Berufung zum verantwortlichen Schaffen hinzutrete.. DaS Herausarbeiten des handwerklichen Gedankens war in dem Referat von Stadtbaurat P o e l z i g- Dresden die theoretisch wichtige Leistung— ihre praktische Konsequenz liegt, innerhalb dieses Gedankenkreises, nickt in irgendeinem wirtschaftspolitischen Programm, sondern im Neuaufbau des Erziehungswesens. Hier erscheint daS Kernproblem der„Kunstpolitik" dieser Zeit Man