Karl Kautskps 65. Geburtstag. Zu Karl Kautsky , der heute in voller geistiger frische seinen 65. Geburtstag begeht, blickt das ganzb sozialistische Proletariat, ohne Unterschied der Parteirichtung, auf. Hat doch jeder, der heute über theoretisches sozialistisches Wissen verfügt, in der einen oder anderen Form von Kautsky und durch Kautsky gelernt. Viele Tausende verdanken seinen popularisierenden Schriften den Schlüssel des Verständnisses zu den klassischen Gedankengängen Karl Marxens, weitere Tausende haben an der Hand seiner Schriften ihr marxisti- sches Wissen weiter geschult und weiter ausgebaut. 'Die wissenschaftliche Leistung Karl KautskyS für die Sozialdemokratie ist unbestritten. Seine politische Leistung wird bei den gerade jetzt besonders hoch gehenden Wogen des Meinungsstreites mehr kritisiert denn je. Denn Kautsky ist nicht nur stiller, in die Gelehrtenstube zurück- gezogener Wissenschaftler, sondern aktiver Politiker, stets bestrebt, seine theoretischen Erkenntnisse bei allen Tagesfragen in praktische Konsequenz umzusetzen. Daß er dabei manches Mal gefehlt hat, wer möchte es bezweifeln? Ist doch Politik eben nicht nur„angewandte Wissenschast", sondern noch etwas mehr, was sich wissenschaftlich weder wägen noch messen läßt. Dennoch stellt Kautsky kraft seines Wissens und seiner theoretischen Durchbildung eine unbestrittene poli» tische Autorität dar, und wir können mit einem ge- wissen Stolz konstatieren, daß sein wissenschaftliches Urteil heute unserer StaatSauffassung wesentlich Recht gibt. wenn auch politisches Temperament und Fragen der ver- gangenen Kriegspolitik Kautsky den Reihen der Unabhängigen zugeführt haben. In der Frage„Demokratie oder Rätediktatur?" hat Kautsky mit unerschütterlicher Konsequenz an dem Stand- Punkt der Demokratie festgehalten, während die meisten seiner engeren Parteigenossen immer mehr in die Gedanken- gänge des Bolschewismus hinllberglitten. Kautsky hat Stand gehalten, aber sein Einfluß in der U. S. P. D. ist in- folgedessen stark gesunken, so daß auf der letzten Partei- tagung der Unabhängigen direkt das Verlangen geäußert werden konnte, Kautsky von Partei wegen einen Maulkorb anzuhängen, weil seine Wissenschaft die Partei schädige. Auch zu dem pompösen Artikel, mit dem die„Freiheit" ihn heute eiert, dürfte Kautsky etwas wehmütig— frei nach Lessing— agen:„Wir wollen wenigör erhoben und fleißiger b e- o l g e t sein". Ueber den geistigen Kampf Kautskys gegen die bolsche- wiftische Theorie sindet Otto Bauer in dem soeben er- schienenen Wiener „Kampf" ein paar sehr treffende Worte. Nachdem er Kautskys Kampf gegen die revisionistische Strö- mung um die Jahrhundertwende geschildert hat, fährt Bauer fort: Mit gleicher Festigkeit»me damals die revisionistische be- kämpft Kautsky beut« die bolschewistische Modetheorie. Di« russische Oktoberrevolution gab zum erstenmal dem Pro- ledariat die Herrschaft über ein ganz«? große? Reich: si« bat da- her die leidenschaftliche Begeisterung der Proletarier aller Länder bervorgerufen. Die Perelendung und Ncvolutio-nierunq der Massen durch den Krieg trieb überall zur Nachahmung. So ent- stond auS der Stimmung der Massen die neue M o d e t h e o r i e. Sie betrachtet die Kampfmittel und Organisationsformen, die dem russischen Proletariat ganz besondere, örtlich und zeitlich be- dingte, in Rußland selbst teilweise schon überwundene, in keinem anderen Lande wiederkehrende Um- st ä n b e aufgedrängt haben, als die allein möglichen, allein ziel- führenden Kampfmittel und Organisationsformen, deren sich die proletarische Revolution in jedem Lande, zu jeder Zeit, unter allen Umständen Mdicnen müsse. Die russische Methode wird ihr zum Kanon aller proletarischen Revolution. Moskau ist ihr Mekka und Lenin ihr Prophet. Kautsky widersetzt sich dieser Kanonisierung. Und sofort erheben sich all« gegen ihn, die immer gern nach der letzten Mode frisiert sind. Wie vor anderthalb Jahren, al? er die Grenzen der Leistung?'ähigkcit der Gewerk- schalten feststellte, die Gewerkschaftsbureaukrvtie ihn der Feind- schaft gegen die Gewerkschaften zieh, so schilt ihn heut«, weil er den Wunderglauben an die Wunderkrast de?„Räteshstemö" nicht teilt, die neue Räteführerschaft einen kleinbürgerlichen Re- formisten. Und weil er den Weg nicht gehen will, der nach seiner, in ökonomischer und historischer Erkenntnis gegründeten Ucber- zeugung zur verhängnisvollen Niederlage der Arbeiterklasse führen muß, darf der jüngste Novemberkommunist den greisen Revolutionär einen„Sozialver- räter* schimpfen. Aber der Fünfundsechzigjährige ist so unbeugsam und so kampflustig wie in seinen jüngsten Tagen; eine prächtige Streitschrift nach der anderen schenkt uns seine unermüdliche Feder. Die letzten literarischen Erzeugnisse Kautskys, auf die Bauer hier anspielt, sind an dieser Stelle eingehend gewür- digt worden, namentlich die Schrift über„Terrorismus und Kommunismus". Von den dort niedergelegten Auffassun- gen trennt uns keine grundsätzliche Schranke. Würde die ganze unabhängige Partei sich entschließen, auf den Boden dieser Schriften ihres bedeutendsten Theoretikers zurückzukehren, so könnte die Einigung des Prole- t a r i a t s von heute auf morgen Tatfache werden. «.Wahrheit" unö Freiheit". In der gestrigen Sitzung der Preußischen LandeZversammlung hat der Abgeordnete Dr. KurtRosenfeld sich darüber beschwert, daß die berüchtigte Zeitung„Wahrheit* ihn bezichtigt hätte, gegen hohe? Honorar Satzungen für einen Spielklub entworfen zu haben, und hat ganz ungerechtfertigt den Ministerpräsidenten Ge- nassen Hirsch, der doch sicher mit diesem Antisemitenblatt nichts zu tun hat, mit der Sache in Verbindung gebracht. Aber das ParteiblattdeSDr-KurtRosenfeld. die„Freiheit*, beschuldigt wahrheitswidrig den Polizeipräsidenten von Charlotten- bürg, Genossen Richter, Mitglied eines Spielklubs. Soieler und Trinker zu sein. Darüber entrüstet sich Dr. Kurt Roscnfcld nicht! Für uns aber steht fest, daß die»Freiheit* auf dem Niveau der „Wahrheit" gelandet ist._ Kartoffelernte und Schweinehaltung. Von einem ländlichen Sachverständigen wird dem„Vorwärts" geschrieben: Die Kartoffelernte fällt wesentlich geringer aus, als man vor kurzem noch erwartet hatte. Dennoch besteht keine Gefahr, daß sie für die Ernährung der Bevölkerung nicht ausreichen könnte. Sehr viel schwieriger wird eS sein, zu verhindern, daß die Knappheit an Kartoffeln nicht einen Rückschlag in der Schweine- Haltung bringt, während doch im Gegenteil deren weiter« Förde- rung mit Rücksicht auf die Schonung der Rindviehbeständ« und die allmähliche Defreurng von den großen Ausgaben für Auslandsfleisch und-fett dringend erwünscht wäre. In den VorkriegSjahren hatte geringe Kartoffelernte jedesmal eine starke Einschränkung in der Schtreinebaltung zur Folge, die für die Bevölkerung dadurch zur Geltung kam, daß das Angebot an Schweinefleisch im Winter und Frühjahr de? schlechten ErntejahreZ selbst stark, im nächstfolgenden Herbst und Winter und noch weiter- hin aber knapp und teuer wurde, auch wenn die Ernte dann gut war. Das liegt daran, daß die Landwirte, besonders auch die kleinen und kleinsten, in deren Händen die Schweines u ch t zum größten Teil liegt, sich auZ Mangel an Kartoffeln und in der Be- fürchtung, daß die Ferkel billig würden, veranlaßt sahen, aueb die Sauen, die ja bei nächster besserer Ernte verhältnismäßig leicht wieder zu ersetzen waren, abzuschaffen. VolTSnnrtschaftl'ch machte sich damals so�ch zeitweiliger Ausfall einer erheblichen Anzahl Muttertiere sogleich stark bemerkbar: bei unserer jetzigen Lage wäre eS ä u ß e r st bedenklich, wenn et z u einer Einschränkung namentlich der Zuchtschwein« und damit zu einer Verringerung unserer ganzen Schweinebe st ände für längere Z e i t t S m e. Es erscheint daher dringlich notwendig, daß Maßnahmen getroffen werden, die da? verhindern, was um so leichter durchführbar sein müßte, als erstens die Zuchtschweine mit ihrem jungen Nachwuchs verhältnismäßig billig zu ernähren sind und zweiten? die Landwirtschaft im eigenen Interesse mit Rücksicht auf die sonst gefährdeten Nindviehbestände willig mithelfen wird. auch heute fühle und weiß, daß jede Kränkung, Bedrückung und Beeinträchtigung eines Volkes sein nationales Gefühl steigern muß bi» zum Fanatismus und daß sich eine wirklich in den Her- gen wurzelnde internationale Gemeinschaft nur auf dem Verstehen und Achten jeder Nationalität bilden kann, nie aber ausgehen kann vom N ich tver stehen und Nichtachten des eigenen Volkstums. Ich spreche niemand, am wenigsten meinen Freunden vom früheren linken Flügel der Partei, den guten Willen und die lau- tersten Absichten ab, aber vergessen kann ich es nicht, daß unseres Volkes Feinde die Worte und Taten der Unabhängigen gegen Deutschland gewendet haben in unseres Landes schwersten Stun- den. Ich achte den, der an daS Ideal des Internationalismus glaubt und es höher stellt als die Liebe zum eigenen Lande, aber ich fühle nicht mit ihm. Wer den Krieg in der Fremde durchlebt hat, wo Haß und Geifer und Lüge tagtäglich den Namen unsere? Volkes in den Kot zog, für d e n hat das Wort Vaterland und Heimat einen besonderen Klang'bekommen. Und wer als Sozialist emp- findet, daß ihm Heimatbodcn heiliger Boden ist, wer die Vater- landsliebe de? Ausländer? aus der eigenen Vaterlandsliebe her- aus zu achten und zu verstehen sucht, dessen Platz ist— soweit ich deutsche Verhältnisse auS der Ferne beurteilen kann— in den Reihen der Mehrheitspartei, in Erwartung jener Zeiten, wo eS in der deutschen Sozialdemokratie keiu Hüben und Drüben mehr gibt. Rom , 10. Okiober ISIS. Oda Olberg . Der Krkeg im DaltenlanÜ. Im Baltenland wird fest geschossen. Die Bolsche- wisten treten dabei in den Hintergrund der militärischen Absichten. Die antibolschewistischen Brüder haben sich in den Haaren. Die in die Verbände des Nordwestrussen B e r- mondt Amaloff übergetretenen ehemals reichsdeutjchen Truppen stehen nach Rigaer Meldungen bereits im ernstesten Kampfe mit den Letten. Die Deutschen sind dabei sehr beträchtliche Gegner, da sie über Artillerie verfügen. Sie schießen damit auf R i g a, daS in den Händen der ver- einigten Letten und Esten ist. Wir können unS bei der Beurteilung der Lage im Augenblick nur auf lettische Meldungen stützen, die natürlich sehr hoffnungsfreudig sind und mit größter Vorsicht aufge- nommen werden müssen. So wird behauptet, daß das lettische Oberkommando ein Friedensangebot Ber - mondt Amaloffs entschieden abgelehnt hat. Weiter wird festgestellt, daß die bei den Kämpfen bei Olei und Riga ge- machten Gefangenen aus BermondtS Truppen fast aus- nahmslos Reichsdeutsche gewesen seien, und zwar bayerische Trupven, die crst unlängst nach Kurland gebracht worden sind. Weiter sehen die Letten als bewiesen an, daß trotz!>er Ententeforderung kein Rücktransport, sondern neuer Abtransport deutscher Truppen stattgefunden habe. Da? Eintreten Reichsdeutscher in russische Formatio- neu sei durch die deutsche Regierung nicht verhindert worden. Zwischen den„richtigen" Russen und den„deutschen " mache sich ein G e g e n s a tz bemerkbar, der sich durch das Gedenken an die alte Waffenbrüderschaft von Russen und Letten gegen Deutschland zugunsten der Letten bemerkbar machen müsse. Eine Meldung aus Kowno berichtet, daß die litauischen Truppen von der bolschewistischen und polnischen Front gegen die in Schaulen stehenden deutschen Truppen des Obersten Wirgolitsch abgezogen worden sind. Durch Vermittlung des Generals Eberhard, der sich bei den Litauern eines guten NufeS erfreut, wurden Verhandlungen eingeleitet, die augenblicklich noch im Gange sind. Tie Litauer fordern unbedingte Räumung des litauischen Gebietes._ HaaseS Befinden. Der Gesundheitszustand HaaseS. der am Mi tt- wach ein außerordentlich ernster war, hat sich ein wenig gebessert. DaS Fieber steht nicht mehr ganz so hoch w-i« am Tage zuvor. Der neue Kurs. Am Montag ist vom Kreistag in Kalau Ge- noss« Wendemuth zum Lcmidrat deS.Kreises Kalau-Senftenberg mit LS gegen 9 Stimmen gewählt worden. Die Teusrungszulage. Tstte Tragikomödie vcm Theodor Thomas. .In der nächsten Zeit soll'S auch wieder eine Zulage gaben, lange genug hat's gedauert.* Diese iuhaltschweren Worte sprach wähoend de« Kaffees so ganz nebenbei Toni Hartmann zu seinem EhegesponS, die gevade m» Brot schneiden beschäftigt war. Lina gab nur so obenhin«in paar Brummkaute von sich, d» wie Mmmmm klangen, säbelle aber ruhig an der Brotrinde weiter. WaS war da groß zu sagen. Gebrauchen konnte ste eS schon lange. Sie packte Toni daS Brvt ein; da auch er nicht« weiter sprach, vxrr die Teuerungszulage Mischen den beiden theoretisch erledigt. Er glaubte, seine Frau müsse eS gar nicht richtig verstanden haben. Sonst hätte sie doch wohl mehr dazu gesagt, wie nur Mmmmm... .Da» hat die nich kapiert. Für daS Geld laß ich mir einen tipp-toppen Wintermantel bauen. Aetsch, ätsch, lachte er sich heim- sich zu; gesagt Hub ich'« ihr, wenn e« sie nicht interessiert, i» es mir auch recht. Lina hatte die paar Wort« von Tont absr recht gM verstanden. Die Teuerungszulage ging ihr nicht mehr aus dem Sinn. Wenn sie nur gewußt hätte, was Eigentlich dabei herauSspringt. Gerade jetzt gab e» viel zu kaufen: Holz für den Winter, Wäsche für die Kinder und— ein paar Stiefel für Toni. Mit denen er jetzt auf republikanischem Boden walzt«, da» waren nur noch Irrgärten für die Fußzehen. Im ersten Stock wohnte eine gute Freundin. Die zog Lina in« Vertrauen, mit ihr beratschlagte sie, wieviel„eS* wohl ssim könnte. Die wußte eS auch nichts Sie hatte aber in der Zeitung von der Staatszulage für die Beamten gelesen, deshalb bemerkte sie:.So an die zwölfhundert Mark bei drei Kinder» werden wohl heraus- kommen.* Die gute Frau meinte nämlich, der preußische Landtag bewillige gleich für alle zweibeinigen Wesen eine Teuerungszulage. Frau Hartmann schwamm in Wonne. Sie bestellte Holz und Kartoffeln, suchte für die Kinder wollene Beinschläuche auS, kaufte Wäsche, drei Pfund amerikanisches Schmalz, für ihren Mann Stiefel, kurz, sie tat wie ein Kriegsgewinnler. Nur daß der bar- geldlos au« seinem Bankkonto bezahlt, während sie bargeldlos auf- schreiben ließ,» conto der Teuerungszulage. Toni Harkmann seinerseits gab sich nicht mit Klsinigksiten ich. Gr suchte sich Stoff für einen Wintermantel au», der mit Futter und Macherlohn 525 M. kosten sollte. Endlich wurde die Zulage bewilligt. Hartmann erhielt 600 Emmchen. Zwölf Fiinfzigmarkscheine legte ihm sein Meister hin. Nachdem sich Toni überzeugt hatte, daß kein falscher dabei war, ver- steckte er den Scyen heimlich in seinem Bücherschrank, damit ihm die Lina nicht druber komme, die gern die Taschen»reinigte*. Zu Hause sagte er aber kein Wart. Wohl war e««hm dabei nicht. Bei jedem Satz, wo so etwa» wie.teuer*,.Lage* oder auch rmr ein.zu" vorkam, zuckte er zusammen. Ihm schmeckte beinahe kein Essen mehr. Er magerte zusehends ab, fortwährend sah er ängstlich fei dl« Eck«, w der die»Zwölfe* versteckt waren. Lina schlich schon seit einigen Tagen wie jenes fabelhafte Wesen um ihn herum, das an Kopf und Brust wohl einem Frauenzimmer ähnelt, sonst aber Löwenkrallen hat. Auf einmal gab ste ihm folgende» Rätsel auf: .Hartmann, wo hast du die Teuerungszulage?" Wenn sie bö» war. sagt« sie nämlich kurz und knapp:.Hart- mann*, die Betonung auf.Hart*. Er zog sich ganz in sein wollene» Jägerhemd zurück und hauchte nur so hin: .WaS hast« gesagt, Linchen?" „Komm mir nicht mit dem Schmu»; ich pfeif auf dein.Lm- chen", wo die Teuerungszulage ist, will ich wissen.* _.Ach so, die Teu— Teuerungszulage? Hast du mich erschreckt. Weißt du da» nicht? Dafür wollt ich mir doch«inen Mantel machen lassen, ich brauch ihu doch so nötig." .Du garstiger Kerl, ich bong« Holz, Fett, Stiesel und Wäsche zusammen und du verplämperst da» Geld in LuxuSwaven! Jetzt ham mir tausend Mark Schulden. Zu was brauchst du«n Mantel?" Toni griff mit den Händen wie ein Ertrinkender um sich Lotse stöhnte er:»Tausend Mark Schulden, sagst du?" .Ja. Hier und hier— und da und die- und hier.. Si« schmiß ihm ein halbe» Dutzend.Nota?" auf den Tisch und feuert« seine neuen Stiefel auf den Küchenboden:»Die biste gar nicht wert," schimpfte sie. Hierauf setzte sich Lina an den Küchen tisch zag einen Flunsch und begann zu weinen, daß es Toni fast das Herz zerriß. Zwei Minuten führte er einen innerlichen Ringkampf mit den zwölf Fünfzigern, dem Wintermantel, der schluchzenden Lina und der trüben Aussicht, nächsten Winter wieder dt« Knochen zu«r- frieren. Endlich sagte er:»Lina, Mutter,'s war doch bloß ein Spaß, ich bring dir das Geld." Wie ein geschlagener Mann hotte er auS seinem Büchergestell zwischen den Blättern der Schrift:.Wie werde ich energisch?* das Dutzend grüne Scheine hervor. Er übergab sie seiner Frau mit einem Bück wie einer, dem eben fein liebstes Kind gestorben ist. Sie aber dreht« sich schnell um, griff nach dem Paket und schon getröstet, halb noch weinend, halb lachend, stieß sie einen Freuden- schrei aus.(Sie wußte noch nicht, daß es nur zwölf« waren.) Zärt- sich sagte sie: „Ich mein, es ist doch auch nicht schlimm wegen dem Mantel. Wir fafoen zehn Zentner Holz und weißte was?, wir gehen immer abends früh schlafen. WaS brauchst« dmm da einen Ueberzieher?* Er blickte sie trüb an. Hätte Lina genau hingesehen, hätte sie merken können, daß an seiner Wimper eine Trän« hing. Sie tat es nicht, so brauchte sie sich auch nicht den Kopf zu zerbrechen, weinte er über ihre Worte, über die Schulden, über den verlorenen Mantel, über die Teuerungszulage oder über fein ganzes Elend... Strindberg« Traumspiel kam gestern neu«instudiert im Theater in der Königgrätzer Straße zur Darstellung. Liegt diese« Werk weher Not nicht irgendwie vor unserer Zeit? Sein Ton bricht hervor aus Menfchcnleid, das wir ewig nennen. An ihrem Glück-vsrlangen vergehen die Menschen, so»der so. Nicht gewinnen oder nicht Batten können ig da» immer verhängte La«. Immer blutet als Erabgefang das klagend« Wort:„ES ist schade um die Menschen*. Aber all die Szenen d«S Lebens, d.e der Dichtertraum Strindberg« vorüberdämmern läßt, können sie heute uns genügen als Bilder, unser trübcS Missen vom Glück zu erweisen? All die schweren Fragen, die der Dichter auftvirft, knüpfen an Dinge an, die heute so klein scheinen. Wir sind nicht mehr die kleinen Men- schen der Jahrhundertwende. Masscnmordwagen sind zerquct- sehend, zerschneidend über die Menschheit hingeroll!. Wie wahr Strindbergs Schmerz wühlt, für dies Erleben gibt er keine Sym- bole. Sein Tlklumfpict liegt vor unserer Zeit. Auch an der Auf- führung wird daS fühlbar. Die Regie tauchte das Ganze allzu nachgiebig in den Ton gedämpfter, wehender, weher Klage. Die Hebungen waren zu wenig betont. Wir fordern aber harte, scharfe, schneidende Laute. Em Dornengepeitschter, wie der Advokat, muß Cchicksalswuchten bezeugen. Alfred Abel blieb aber in wei- tem Abstand von dem stark klopfenden Menschenherzen Irene TrieschS, der zum Erdenstaub niedergeschwebten, in Erdennot rin- genden Tochter JndraS. Der Offizier Ludwig HartauS war von feinredenden Schwingungen belebt. k. ä. 2009 neue Briefmarken. Das Jahr 1919 wird in der Geschichte der Briefmarken wohl auf lang« hin ein« einzigartige Stellung ein- nehmen, denn noch niemals vorher sind so viele neu« Briefmarken ausgegeben worden. Die Gesamtziffer der verschiedenen neuen Briefmarken, di- seit dem Dezember 1918 tu Nmlauk gekommen sind, beläuft sich aus etwa 2000. Der höchst« Rekord, der bisher in der Ausgabe von Brieftnarken gehalten wurde, fiel in da« Jahr 1914, wo in der ganzen Welt 1236 neue Briefmarken in die Er- scheinung traten. Etwa 1500 der neuen Marken entfallen auf die Schöpfungen der neuen europäisckxn Staaten. Polen hat jeit dem Waffenstillstand mehr alß 400 verschiedene Briefmarken ausgegeben; an zweiter Stelle steht die Ukraine mit etwa 175 neuen Marken. Dt« Tschechoslowakei und Jugoslawien machen sich mir 150 neuen Briefmarken, die jeder Staat pesämsfen hat, den dritten Platz streitig. Dann kommt das heißumstrittene F i u m e mit 75 neuen Marken. Di« übrigen Staaten haben durchschnittlich zwischen 30 und 50 neue Briefmarken in den Verkehr gebracht. Am be- scheidenften war die transkaukasische Republik Georgien, die sich hiSher mit vier Werten begnügt hat. Das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen hat eine einheitliche Iriefmarkcnausgabe vorgenommen. DaS Neueste vom Briefmartenmarkt sind eine Serie von KriegSmarken, die Monaco ausgegeben hat. Italien bringt eine neue 15-Eentesimi-Marke in den Verkehr. Die Familienbriefe Karl Liebknecht » au» dem Felde und au» dem Zuchthaus gelangen in Kürze zur Veröffentlichung. Im Ver- lag« von Karl Reißner in Dresden wird von Harry Schumann eine Biographie Karl Liebknechts erscheinen, die Familie Liebknechts hat dem Verfasser außer zahlreichem, bisher unbekanntem Material auch feinen Briefwechsel zur Veröffentlichung überlassen. Eine Kunstaasstellung«m Dheater versucht da» Bremer Schau. spiethau» einzubürgern. E» hat mit etwa 60 Eemälden eine Ausstellung von Werken lebender Maler eröffnet, um den beule schwer ringenden Malern zu Helsen and dem großen Publikum Werte der jungen bildend ea Ruait»irwch nah«»u bringen.
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