Nr.534.36.Jahrg.

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Sozialdemokrat Berlin  ".

Abend- Ausgabe.

Vorwärts

Berliner Volksblatt.

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Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

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Sonnabend, den 18. Oktober 1919.

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Ein Schlußwort zur

Verzweiflungskampf in Rußland  .„ Entschiedenen Schulreform".

Die

Von Konrad Haenisch  .

In Rußland   drängt es zur Entscheidung. Der ganze dem sozialdemokratischen Redner Genossen Bielinis. Die taktische Lage( oder ist es eine strategische?), in Nordosten ist ein Kriegslager. Die Meldungen häufen sich, deutsche Soldateska nahm dabei eine feindliche Haltung an, der ich mich im Augenblid befinde, entbehrt nicht der Tragi­die den vollzogenen oder bevorstehenden Fall Peters- Landesfahnen wurden von den Häusern und Geschäften her- fomit: von der Presse der Rechten her geht seit Wochen ein burgs und die Einnahme der Stadt durch die Truppen abgerissen und unter Beschimpfungen wurde von den Lands- wahres Trommelfeuer von Angriffen auf mich nieder ob Judenitsch  ' berichten. So meldet Havas aus Petersburg  , daß knechten erklärt: i er ist nicht Litauen  , sondern des einseitig brutalen" Barteiregiments, das ich angeblich die Bolschewisten beschlossen hätten, die Stadt zu räumen, Rußland  !" Es ist dabei bezeichnend, daß sich die Sol- führe, ob meiner faltherzigen Verletzung aller heiligsten Ge­da die Rote Armee fich weigere, weiter zu fämpfen." Times" daten der ehemaligen Reichswehr nicht mehr als das fühlen, fühle der rechtsstehenden Volkskreise in der Frage der meldet aus Helsingfors  , daß englische Kriegsschiffe in der was fie auch nicht mehr sind, als Deutsche  , sondern als Sach- Kaiserbilder, bei der Sichtung des Lesebuchstoffes, bei der Bucht von Kronstadt   gelandet sind und die Stadt be- walter reaftionärer russischer Interessen. Reinigung der Geschichtsbücher, bei meinem Vorgehen sest haben. Die Beschichtung der Festung durch die englische Am 29. September wurde das Gymnasium von Schaulen gegen den deutschnationalen Schülerbund, bei der Auswahl Flotte soll außerordentlich heftig gewesen sein. In der ruffi- besetzt. Als am nächsten Morgen die Schüler zum Unterricht meiner Mitarbeiter usw., usw. Und was darüber seit schen Kirche in Helsingfors   ist die Befreiung" Peters- zusammenfamen, wurde unter den Knaben und Mädchen ein Wochen in der Kreuzzeitung  ", der Post", der Deutsche burgs bereits festlich begangen worden und Reuter weiß Blutbad angerichtet. Ein deutscher Rittmeister und ein Tageszeitung", dem Reichsboten" und der Täglichen die Besetzung von Kraswaja Gorka und des alten Zarensises Leutnant mit bewaffneten Soldaten und Gendarmen drangen Rundschau" zu lesen war, das fand sein Echo neuerdings im Zarskoje Selo   zu melden. in die Aula, wo Schüler und Lehrer über ihr Schicksal Be- Haushaltausschuß der Preußischen Landesversammlung und

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In Riga   scheint sich das Blatt zugunsten Ber- ratung abhielten, stießen sie mit Fäusten, Bajonetten und auch schon in ihrem Plenum- ich erinnere nur an die Rede mondt Awaloffs gewendet zu haben, der in der Eiser. Säbeln, ohne Unterschied des Alters und des Geschlechtes, des deutschnationalen Abgeordneten Gräf   am vorigen Mitt­nen Division eine gute Truppe gefunden hat. Nach den schlugen sie bis aufs Blut und würgten fie. Aus dem Gym- moch.

borliegenden Nachrichten herrscht in Riga   beim siegreichen nafium vertrieben, wurde die Schlächterei auf der Straße Bu gleicher Zeit aber werde ich nun auch von der an Vorrücken der russischen Westarmee vollständige Panik. Die fortgejezt, wo fogar die Passanten davon betroffen wurden. deren Seite, von der Seite der entschiedenen Schul­lettischen Soldaten warfen ihre Waffen weg und plünderten Die Erfolge dieser Heldentaten gegen Kinder, Frauen und reformer" her aufs Schärfste angegriffen. Ich werde da schwedische und dänische Warenniederlagen. Das Straßen- Wehrlose waren 40 Schwerberwundete neben vielen abgeschildert als ein Weichling, als ein Mann des schwäch­bild ist vollständig bolichewistisch. Weiber durchziehen Leichtverwundeten. Schon einige Wochen vor diesen Ereig- lichen Kompromisses, der sich vom schlauen Bentrum um­mit Waffen die Straßen. Die Regierung Ulmanis   hat nissen war im jüdischen Gymnasium ein ähnliches Vor- garnen und von der rücksichtslosen Rechten Schritt um fluchtartig die Stadt verlassen und befindet sich in Wenden. Fommnis zu verzeichnen: Während der Schulstunden wur- Schritt zurückdrängen läßt. Estnische Soldaten weigern sich, für die eng. den die Schüler davongeiagt. Bücher und Lehrmittel sowie Sollte diese Gleichzeitigkeit und die annähernd gleiche lische Politit sich weiter zu opfern. Die Gng. ein Lehrer durch das Fenster geworfen. Heftigkeit der Angriffe von rechts und links nicht doch viel­länder selbst fühlen sich in Riga   nicht mehr sicher und haben leicht ein Beweis dafür sein, daß nach dem Gesetz vom Angehörige der Baltischen Landeswehr, die Waffen Parallelogramm der Kräfte die von mir eingeschlagene tragen, zu ihrer Bewachung herangezogen. Politik die zurzeit einzig mögliche und daher im we­fentlichen( über Einzelheiten lasse ich gern mit mir reden) auch die richtige ist?

Rußland in Geburtswehen- und niemand weiß, welche den Weltlauf bestimmenden Entscheidungen in diesem rätsel. haften Lande heranreifen!

Bestialitäten deutscher   Landsknechte in Schaulen  . Bor einiger Zeit brachten wir eine Nachricht, nach der Litauer ein deutsches Krankenhaus in Shaulen erobert hätten. Von litauischer Seite wird uns nun Material zur Verfügung gestellt, nach dem es sich nicht um die Besetzung eines Krankenhauses durch Litauer, sondern um den Sturm auf ein litauisches Gymnasium durch Landsknechte deutscher Nationalität handelt. Diese Feststellung beruht auf Ueber­fegungen aus den Zeitungen Lietuva  " und Sozialdemo­fratas" bom 4. und 6. Oktober, auf dem Bericht des Vor­fizenden der Stadtverwaltung Schaulen  , auf das Protokoll der Schule selbst und dem Bericht eines Augenzeugen. Am 28. September fanden in Schaulen   Umzüge wegen der Unabhängigkeitserklärung Litauens   statt. An verschiede­nen Orten der Stadt wurden Ansprachen gehalten, u. a. von

Ende des Heizerstreiks.

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Am bestialischsten zeigte sich der führende Rittmeister Blaten, der sich durch gefangene Bolichemisten, die den Befehl zum Angriff auf die lettischen Schüler ver weigerten, nicht beschämen ließ. Trotzdem die Schüler 8 fliehen versuchten, wurde mit den Säbeln weiter auf sie eingeschlagen und ohnmächtige Frauen wurden in Eines gebe ich dem Genossen Paul Oestreich   auf graujamster Weise durchs Fenster hinausge- feinen Artikel in Nr. 531 des Vorwärts" ohne weiteres zu: mit Füßen getreten wurden. Wer die am Boden Liegenden dung in geistigen Dingen aufs äußerste verhaßt ist, die viel worfen, während Schülerinnen, die in Krämpfe verfielen, ch gehöre in der Tat zu den Leuten, denen Gewaltanwen forttragen wollte, wurde ebenfalls geschlagen und auf der lieber zu überzeugen suchen, als daß sie zwingen. Straße durch deutsche berittene Gendarmen zusammenge- Trok mancher bitteren Enttäuschungen habe ich während ritten. Daß gestohlen und das Inventar zertrümmert wurde, meiner nun fast einjährigen Amtszeit doch auch schon aller­fei nebenbei bemerkt. lei Erfahrungen zu buchen, die für meine Art des Vor­Treffender als durch diese Schilderungen kann die gehens. sprechen. Wo immer ich bisher bei schweren Schul­Qualität der Soldateska, die zum Schuße der deutschen   Rulfonfliften persönlich eingreifen fonnte, wie im Sommer in tur au fämpfen vorgab, nicht gefennzeichnet werden. Es ist Westfalen   und neuerdings in Pommern  , da ist es mir noch nötig, daß die deutsche Regierung Sand in Hand mit der jedesmal gelungen, schließlich einen für alle Beteiligten leid­litauischen Regierung sowohl alle Vorkehrungen gegen die lich befriedigenden Ausgleich zu finden. Besonders bezeich Wiederholung solcher Banditenstreiche als auch die Bestra­fung aller erlangbaren Schuldigen betreibt. Bu diesen ge­hören vor den andern der Rittmeister Platen und fein Beutnant und als Verantwortlicher für das Ganze der Chef der deutschen   Truppen in Schaulen von Diebitsch  .

Aufforderung, fondern fuhren weiter. Es entstanden am Galleschen Tor und Potsdamer Plas längere Störungen und einige Fahrer tenkten tatsächlich nach ben Bahnhöfen um.

um

Renners Antrittsrede.

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nend war dafür die glüdlich gelungene Beilegung der pom­merichen Schulstreifbewegung. Glaubt man wirklich, ich hätte richtiger gehandelt, wenn ich, ohne auch nur den Ver fuch einer ehrlichen Verständigung zu machen, ein paar Dußend Schüler furzerhand von der Schule verwiesen und dadurch Märtyrer des- falsch verstandenen natio­nalen Gedankens geschaffen hätte? Schon meine eigenen, gleichfalls in Pommern   spielenden Jugenderfahrungen( ich felbst hatte vor einem Menschenalter wegen ,, sozialistischer Umtriebe" bas Greifswalder   Gymnasium berlassen müssen) waren wirklich nicht dazu angetan, nun meinerseits mich als Kultusminister den gleichen falschen Weg beschreiten zu

Der Sympathiestreik der Heizer und Maschinisten ist be­endet. In allen Betrieben, wo die Technische Nothilfe" nicht mehr beschäftigt ist und aus den Betrieben zurüdgezogen wurde, nehmen die Maschinisten und Heizer die Arbeit um­gehend wieder auf. Nach dem gestern gefaßten Beschluß woll­Am Schluß der Freitagssigung der Wiener National- lassen. Märtyrer zu schaffen ist immer verhängnisvoll und ten die Heizer und Maschinisten auch in den Elektrizitäts- bersammlung, in der die neue Stoalitionsregierung ihr Pro- genau wie ich Anfangs dieses Jahres dem jungen Wil­werken sofort die Arbeit aufnehmen, wenn die Zusicherung gramm vortrug( siehe Morgenblatt), hielt Staatskanzler helm Liebknecht, Karl Liebknechts Sohn, das ihm we­Noskes, daß die„ Technische Nothilfe" sofort zurückgezogen Renner seine Antrittsrede, worin er als Pflicht der Regie- gen feiner Beteiligung am Spartakistenaufstand vom Ja­wird, befolgt wird. Dies ist bis jetzt nicht geschehen. Die rung betonte, dem im Gesetz ausgesprochenen Boltswillen nuar drohende Schicksal der Schulverweisung durch persön­Technische Nothilfe" leistet nach wie vor Streifarbeit in den Achtung und Geltung jedermann gegenüber zu verschaffen. liches Eingreifen erspart und dem jungen Manne die er­Elektrizitätswerken. Alle Betriebe, die von diesen Werken Die Regierung trete ihr Amt auf Grund der zwischen folgreiche Ablegung des Abiturienteneramens ermöglicht mit Strom gespeist werden, erhalten Streifstrom, und ist diese den beiden großen Parteien geschlossenen Verein habe, so habe ich umgekehrt jezt auch den deutschnationalen Arbeit Streifarbeit. barungen an. Es handele sich um ein Kompromiß, Schülern gegenüber gehandelt. Auch diese jungen Leute Es schweben Verhandlungen, daß die Technische Not- m Staat und Volt aus der furchtbarsten Strife haben schließlich doch zum größten Teil aus wenn auch Vier Jahre Strieg seien für hilfe" sofort zurückgezogen wird, damit die Seizer und herauszuführen. das noch so verkehrt verstandenen ideellen Beweggründen Maschinisten überall die Arbeit wieder aufnehmen können. Land genug gewesen. Das fünfte Jahr des Harrens auf den heraus gehandelt und sind obendrein zumeist zweifellos Friedensschluß habe seine Straft vollends aufgezehrt. Ange- durch Erwachsene in den groben Unfug der Streifbewegung sichts der dem Bolte drohenden Gefahr des Erfrierens und hineingehegt worden. Da war es wirklich schon gescheiter, Berhungerns hätten sonst entgegengefette Parteien die hohe den jugendlichen Sturm und Drang   sich ein paar Tage lang Selbstüberwindung aufgebracht, die Gegenfäße zurückzustellen ruhig austoben zu laffen und dann den jungen Leuten, mit und auf eine bestimmt abgemessene Beit auf Grund be- einem Appell einerseits an ihren Verstand, andererseits an stimmter Bedingungen eine vorübergehende Arbeitsgemein- ihr nationales Pflichtgefühl vernünftig zuzureden. schaft zu bilden, um das Gemeintvesen aus der Existenzkrise Was dann ja auch geholfen hat! Die meisten Menschen herauszuführen. wollen eben nicht glauben, daß man auch in der Politik und Renner schloß mit den Worten:" In dieser Arbeits- in der Verwaltung mit ein wenig menschlicher Güte und gemeinschaft liegt teine Aufopferung und tein Verrat von mit ein bißchen seelischem Verständnis schließlich am weite­Prinzipien, sondern die stolze Tat der Selbstüberwindung. ften fommt....

Die Gewerkschaftskommission Groß- Berlins.

Die Fünfzehner- Kommission. BlumenthaL

Ausstand der Berliner   Straßenbahner?

Eine Korrespondenz meldet:

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Infolge des Erlaffes des Oberbefehlshabers Noste, der Auf­reizung zum Streit in Wort und Schrift verbietet, hat der Arbeiter ausschuß der Straßenbahner den Beschluß gefaßt, den Straßenbahn. verkehr lahmzulegen. Ein offizieller Beschluß ist der Direktion zwar m Mittelpunkt des Arbeitsprogramms steht der finanzielle Daß, wo solche Mittel gar nicht zum Siele führen noch nicht zugegangen, doch hat man der Leitung eine dahingehende und damit der wirtschaftliche Wiederaufbau des Landes. Trog wollen, auch einmal fest sugegriffen werden muß, Mitteilung gemacht. unserer erhöhten Bedrängnis dürfen wir nicht verzweifeln, weiß ich natürlich is gut wie jeder andere und habe nach Gegen Mittag tauchten an allen Stellen der Stabt Leute auf, denn an sich gefehen ist unsere Lage nicht hoffnungs- dieser Erkenntnis auch bereits in mehr als einem Falle ge­welche den Fahrern zuriefen, fie möten sofort auf die Bahnhöfe I os. Das herrliche Stück Erde  , das wir bewohnen, das handelt. Das wird gerade auch bei wider Erwarten doch fahren, da der Arbeiterausschuß den Verkehr lahmzulegen gebente. tätige, begabte und lebenskräftige Bolt, das wir vertreten, etwa noch ausbrechenden Schülerst feits mit allem Da fchon vor einigen Tagen Straßenbahner mystifiziert worden und unsere bevorzugte Lage im Verkehrsystem Mittel- und Nachdruck gefchehen. Widerwärtig aber bleibt mir waren, so tehrten sich die meisten Straßenbahnführer nicht an diese Südeuropas   sind die Bürgen unserer Wiedererhebung. folche Notwendigkeit auf alle Fälle,