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KäYrertUmS größten Wert zu legen, das bei aller Auf- rechterhaltung der Disziplin die Gewähr für P f l e g e e i n e s menschlichen Geistes in der Reichswehr bietet, der bei Siegen Mäßigung und Schonung des Besiegten nach den Ge- setzen der Humanität' zur Selbstverständlichkeit macht.

Unter gr»ßem Andr«n«e des Publikums verkündete der Vor- schende OberlandcSgerichtSrat Hieber kurz nach 4%' Uhr folgendes einstimmig gefaßtes Urteil des Volksgerichts: Die Angeklagten Jakob Müller und Konstantin M a- kowSk» werden wegen Mittäterschaft am Totschlag zu je 14 Jahren Zuchthaus und zur Tragung der Kosten sowie zu 10 I a h r e n Ehrverlust verurteilt. Müller werden fünf Monate, Makowsti ein Monat Nntersuchnngs- Haft angerechnet. Der Angeklagte Otto G r a b a f ch wird wegen Totschlag? zu I Jahr Gefflngwi» verurteilt. Fünf Monate Untersuchungshaft werden als verbüßt ange­rechnet. Der Angeklagte wird auf freien Fuß gefetzt und es wird ihm für den Rest der Strafe eine Gewährungsfrist bis zum 1. November 1920 bewilligt. Der Angeklagte Fritz Krciner wird freigesprochen. In der Urteilsbegründung führte der Vorfitzende zur Begrün- dung des Strafmaßes gegen Müller und Mokowskh aus: Es ist nicht festgestellt, daß Müller und Makowsky an der Beuteverteilung beteiligt waren. Bei den Angeklagten hat das Ge-- richt ihre makellose Vergangenheit berücksichtigt, ferner, daß sie' im Kriege dem Vaterlande treu gedient sind daß sie neuerdings dem Vaterlands zur Bekämpfung der s p a r t a k i st i s ch e n U n ruhen sich zur Verfügung gestellt haben. Sie glaubten Spartakisten vor sich zu haben und waren in Er- regung über den Tod des Sanitätssoldaten. Es kommt ihnen auch zugute, daß in den ersten Tagen des Mai unmittelbar nach den erbitterten Häuserkämpfen die heimtückische Kampfes- weise der Kommunisten große Erbitterung bei den Sol- baten erregt hatte. Vielleicht haben auch nicht alle Befehls- Haber der Negierungstruppen auf die unnalhsichtige«nd strengste Einhaltung der Borschrist gedrungen, daß gefangengenommene Spartakisten nur dann sofort und ohne Verhör erschossen werden durften, wenn sie kämpfend festgenommen waren. Es wird an- genommen, daß Müller angetrunken war. Mankowsky ist in leichtem Maße Hysteriker. Gegenüber all diesen zugunsten der Angeklagten sprechenden Momenten steht die in subjektiver und objektiver Beziehung ohne Beispiel dastehende ungeheuerliche und grauenhafte Straftat, deren Einzelheiten geradezu bestialisch waren. Sie sind ein Hohn auf jede militärische Disziplin und Selbstachtung: sie widersprechen jedem sittlichen Gefühl und sind ioder menschlichen Regung bar. Die Angeklagten haben ihre Soldaten ehre mit Schmutz besudelt und der guten Sache der jungen Reichswehr Abbruch getan. Auch gefangenen Spar- takisten gegcnüber durften die Angeklagten in keiner Weise so unmenschlich vorgehen, auch Spartakisten müssen in einem Kulturstaat gegen gesetzwidrige Behandlung vollen Rechts- schütz genießen. Die erschwerenden Gründe sind so zahlreich, haß die Zubilligung mildernder Umstände, die zur Gefängnisstrafe geführt hätte, gar nicht in Betracht kam, und die Ungeheuerlichkeit und grauenhafte Ausführung der Tat schließe» jeden strafmildcrn- den Grund auS. Immerhin hat das Gericht unter Berücksichtigung der Trunkenheit Müllers und der hysterischen Veranlagung Ma- kotvskhs nicht auf die Höchststrafe von 15 Jahren Zuchthaus , sondern auf 14 Jahre erkannt.___ Noch ein jußtritt für Rumänien . Der Fünferrat hat der rumänischen Negierung eine neue Note übermittelt, in der er seine Befriedigung darüber ausdrückt, daß Rumänien in der Alliance verbleiben will, jedoch bedauert, dem Wunsche Rumäniens seine West grenzen be- treffend nicht Folge leisten zu können, da die Beschlüsse des Fünferratö bereits allen Mächten notifiziert worden seien. Auch hinsichtlich des Schutzes der Minderheiten lehnt der Aünferrat das rumänische Verlangen ab und erklärt, daß dies- Bestimmungen die rumänische Souveränität in keiner Weise berührten, da sie dem Statut des Völkerbundes entsprächen, dessen Mitglied Rumänien sei.

baltisches, �lllzubaltisches. DieP. P. N." melden: Es trifft zu, daß dem Reichs- w e h r m i n i st e r über die beiden westrussischen Agenten be- reits am Tonnerstagnachmittag Mitteilung gemacht worden war. Auf die sofortige Willenserklärung des Reichs- Wehrministers aber, die Beiden festnehmen zu lassen, hatte Abg. Dr. Cohn ausdrücklich gebeten, hiervon fürs erste abzusehen. Infolgedessen sahen sich die zuständigen Stellen veranlaßt, nicht sofort einzugreifen. Die beiden Agenten sind inzwischen festgenommen worden. Im übrigen sind alle Vorkehrungen getroffen und nicht erst seit gestern, sondern bereits seit langem, um dem Schiebertum, das versucht, irgendivie die Ostsperre zu durchbrechen, das der- brechcrische Handwerk zu legen. DieFreiheit" behauptet mit genauen Angaben selbst der Wagennummern, daß noch am 18. und HO. Oktober Mu­nitionstransporte von Königsberg ins Baltikum gingen! Lettische Grausamkeiten gegen deutsche Berwündete und Gefangene werden gemeldet: die Nichtigkeit vermögen wir nicht nachzuprüfen. Nach MTB hat der lettische Bezirks- chef in Libau den Marineleutnant Stein, der dort bei der deutschen Marineauflösun gsstelle tätig war, der- haftet, und wolle ihn erst freilassen, wenn mehrere lettische Offiziere aus der Gefangenschaft entlassen werden. Diese lettischen Offiziere seien aber von den Awasoff-Bischoff-Leuten verhaftet worden. Dafür sollen nun die Libauer Deutschen durch Entziehung der Brotkarten bestraft werden I Wir möchten vorläufig noch bezweifeln, daß solche Bestialität mög- lich ist. Die katastrophale Ostseeblockade dauert unvermindert an. Vor Königsberg legte sich Sonnabend vormittags ein englisches Torpedeeboot beim Pillauer Tiefquer vor den Eingang zum Haff und sperrte dieses. Auf die Bitte des Pillaner Lotsenkommamdeurs, der an das Boot heran­fuhr, gestatteten die Engländer den Fischern die Ausfahrt. Nachmittags fuhr das Boot wieder davon. Die russischen Heeresberichte lassen astes im Dunkeln. Trotzki meldet rote Erfolge, Judenitsch und Denikist weiße Doch muß Denikin den Verlust von O r e l zugeben. Aufs Neue läßt Judenitsch durch einen Londoner Ver- treter verkünden, daß er, Deuikin und ihr. Oberhaupt Koltschak , diese neuo�i unheiligen Dreikönige, keineswegs die Monarchie wieder aufrichten, sondern ein demokratisches Rußland konstituieren wollten. Jur Beruhigung der Volks- besreier-Entente versichern sie noch, daß alles für die Fest- nähme der Lenin -Regierung vorgekehrt sei. Die Nürnberger hängen keinen, sie hätten ihn denn. Trotzki ruft den russi- scben Arbeitern in einem Appell �zu, der Hauptfeind sei Eng- land; an allen Fronten stoße' das Proletariat auf englische Waffen. Tschitscherin fordert in einem Funkspruch, daß die Regelung der Frage der Aalandsinseln nicht ohne Sowjet- rnßland erfolgen dürfe. Finnland bedenkt sich sehr, seine Knochen für die verschiedenen West-, Nord- und Südrussen zu Markte zu tragen und Paderewski , der Polenpräsident, be- gnügt sich, man so zu tun. Wie wir erfahren, hängen seit einiger Zeit in Gefan- genenlagern in-Zentralrußland Plakate, wonach die Heim- kehr Kriegsgefangener eingestellt wird, weil die deutsche Re- gierung die Anwerbung in Deutschland befindlicher Russen für die antibolschewistischen Truppen fördere. So schädigen die Baltikum-Schieber das deutsche Volk an allen Ecken und Enden!

He!a Khim nicht ausgeliefert. Wie derOst-West-Telegraph" meldet, erklärt die Aniwori der deuischöst�rreichischen Regierung auf das ungarische AuSlieferungS- begehren gegen die Räte-Regierer, die vorgebiachien Anklagen ge- nügten nicht, um zu beweisen, daß es sich nicht um absolute poli- tische Verbrechen handelt. Das Ersuchen der ungarischen Regierung müsse daher abgelehnt werden. Die Münchener Unabhängigen haben an den Staatslanzler Dr. Nenner gedrahtet, die vcn Bayern

Die Zukunft öes Serlmer Schloftes. Durch einen Teil der Presse ging dieser Tage eine Notiz, die detaillierte Angaben über das definitive Schicksal des Berliner Schlosses enthielt. Diese Angaben waren insofern unrichtig, als in dieser Frage endgültige Entscheidungen überhaupt noch nicht vor- liegen. Trotzdem ist'eS gut, wenn schon jetzt die Aulinerksamkeit weiter Kreise auf die Frage gelenkt wird: was soll. auS dem Ber - liner Schloß werden? Die meisten wissen vielleicht nicht, daß diesem kmisthlstorlsch wertvollen Bau das Schicksal drohte, zum großen Teil demoliert und für städtische Bureauzwecke eingerichtet zu werden. Diese Gefahr ist glücklich abgewendet worden, und wir wollen hoffen, daß fie nicht wieder aktuell wird, Denn auch die drückendsten WohmingSnöle der Gegenwart svlllen uns nicht dazu verführen, unschätzbare und überdies dauernd wachsende Werte für alle Zukunft zu zerstören. ES tauchte dann der Plan auf, au» dem alten Hohenzollern- schloß ein Vollshaus zu mache», eine Stätte der Erholung, Be- leyrung und Erbauung mit Bersammlungs-, Lehr- und Vortrags- säleir. Dieser Verwendungsmöglichkeit widerstrebt indessen die bauliche Anlage, die es an bequemen Zugängen für die einzelnen Liäume fehlen läßt. Von anderer Seile wurde vorgeschlagen, die eigentlichen Prunkräume in ihrer jetzigen Gestalt als Kunst- und kulturhistorische Denkmale zu erhalten und die übrigen Teile kür irgend welche praktische Zwecke zu verwenden. Aber auch dieses Projekt ist wegen de« Mangels an Einzelzugängen unans- führbar und würde jedenfalls tiefgreifende Demolierungen auch der Räume notwendig machen, die man unangetastet lassen möchte. Wenn sich die zunächst maßgebenden Instanzen jetzt darüber xjeeinigt haben, daS Schloß bis auf wenige nicht in Betracht kommende Räume für Museumszwecke zu verwenden, so wird man diesen Beschluß init Genugtuung begrüßen können, lind der Plan, hier das Kunstgewerbemuseum nnterzubringen, während dem Völkerkunde museum das bisherige Gebäude des Kunst- gewerbemuseumS als zweites Haus zugeteilt wird, ist die denkbar beste Lösung deS Problems. Beide Sammlungen leiden, ebenso wie die Nationalgalerie, unter einem kaum noch erträglichen Platz. mangel. und nachdem die Aussicht auf irgend welche Neubauten für absehbare Zeit geschwunden ,i»d der Nanonalgolerie da» frühere Kronprinzenpalais zur Verfügung gestellt worden ist lhoffentlich wird sie nicht wieder daraus vertriebe»), ist es durchaus notwendig, auch der Notlage der beiden anderen Museen abzuhelfen� Die in Frage kommenden Direktoren haben sich mit dem Projekt einverstanden er- klärt, und sobald die Mittel für die notwendigen Reueinrichtungen und Umzüge bewilligt sind, kann zu einer Reorganisation der 'beiden Sammlungen geschritten werden., Wir wollen hoffen, daß dabei die Gelegenheit benutzt wird, endlich zu einer größeren Popularisierung der Museen zu gelangen. Für die dem großen Publikum zugänglichen S ch a u s a m m- lun gen mnß die größtmögliche Beschränkung auf das Material verlangt werden. daS geeignet ist, allgemeines Jntercsse zu wecken. lebendige historische Belehrung zu bieten und daS künstlerische Stil. geAhl zu tultwierat. Je peniger umfangreich diese Schausamm­

lungen sind, desto besser werden sie ihren Zweck erfüllen� Daneben sollte durch die ständige Veranstaltung wechselnder Sonder- a u S st e ll ung e n das Interesse immer auis neue angeregt und die große Masse zum Besuch der Museen veranlaßt werden. All- gemein verständliche g e d r u ck t e F ü h r e r, die sich nicht nach Art der bisherigen Kataloge auf trockene historische Angaben beschränke» dürfen, sondern zu einem lebendigen Hineinfüblen in Geist und Wesen der dargebotenen Schätze anleiten, werden neben regel- mäßigen mündlichen Führungen und Borträgen zur Hebung der allgemeinen wissenschaftlichen und ästhetischen Kultur der Besucher sehr wesentlich beitragen. Für das Völkerkundemusenm haben wir schon in der Persönlich- keit des neuen Leiters, des Genossen Cunow, eine gewisse Bürg- schaft dafür, daß bei der Anordnung und Verwaltung der Gamm- lungen die notwendige Rücksicht auf die Bedürfnisse der großen Massp Rücksicht genommen wird. Aber auch Prof. v. Falke, in desM Händen die Reorganisation des Kunsigewcrbemuseums liegt, hat die Absicht, der bisherigen streng wissenschaftlichen Sammlung in den Räumen des Schlosses einen mehr ästhetisch ein- prägsamen Charakter zu geben. Die Trennung in Schau- und Studiensammlung würde hier, wenn auch nicht streng und durchgängig, zum Ausdruck kommen. Die arckitekloniscki werlvollen Räume des Schlosses sollen natürlich in ihrem jetzigen Zustand er- hallen bleiben und in jedem sollen die Teile der Sammlung auf- genommen werden, die mit seinem baugeschickitlichen Charakter harmonieren. Den Haupteingang zum neuen Kunstgewerbemuseum würde das Eosander -Portal gegenüber dem Nationaldentmal bilden, und der Weiße Saal, in den man von hier aus direkt gelangt, wäre für Sonderausstellungen, Vorträge usw. zu reservieren. Alles in allem würden drei Viertel des ganzen Schlosses für die Zwecke des Museums zu verwenden sein und zur Versügung gestellt werden. Bei dieser Gelegenheit möchte ich zum Schluß noch rasch einen Blick auf da« Hohenzollern niuseum werten. Es ist selbst!- verständlich, daß diese Sammlung in der jetzigen Form nicht weiter- bestehen kann. Soweit eS sich bei ihren Beständen um Kuriositäten von ausschließlichem Panoptikumswert handelt, mag man diese der früheren Herrscherfamilie zur Verfügung stellen. Der teilweise sehr werlvolle Rest aber sollte unteren öffentlichen Kunstsammlungen zugeteilt werden»nd dadurch würde auch das Kunstgewerbemuseum einen nicht unbeträchtlichen Zuwachs an Möbeln, �allerhand Geräten und Einrichtungsgegenständen erkalten. Wie wäre es, wenn man diese dazu benutzt, um einige Räume des Schlosses als komplette Wohnzimmer im Charakter der Barock-, Rokoko-, Zopf-, und Bieder- meierzeit herzurichten? Dr. John SchikowSki .

Die Aussichten für den Wiedcranfüau u»sercr BeVöller, mg. Die schweren Wunden, die Krieg und Blockadx unserer Bevölkerung ge- schlagen haben, find so groß, daß' man gelegentlich sogar von den Deutschen als von einem.sterbenden Boll" gesprochen hat. Nun haben wir zwar riefige Verluste erlitten, aber wir brauchen deshalb ncch nicht zu vcrzwcisel», wie aus einer Betrachtung über den Wiederausbau der Bevölkerung von A. Goltstein in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift hervorgeht. Vergleicht man die Be-

sehr nachdrücklich geforderte Auslieferung Dr. Leviens nicht zu be« willigen. Der Münchener Staatsanwalt Dr. Liederich, der die Aus- lieferung Dr. Leviens in Wien sehr eifrig betrieben hatte, ist nach Hause gereist, nachdem ihm, wie uns aus Wien be- richtet wird bedeutet worden war, daß seine Anwesenheit und Tätigkeit durchaus unerwünscht sei.

Die amerikanischen Jrieüensvorbehalte. Das Pressebureau Radio meldet, daß der amerikanische S e n a t s a u s s ch u tz für auswärtige Angelegenheiten vier weitere Borbehalte bezüglich des Friedensvertrages angenommen hat. Da- mit steigt die Zahl der Vorbehalte auf 14. Der 11. Vorbehalt sieht vor, daß keine Ernennungen für die Versammlung des Völker- bundes oder den Vorsitz des Rates oder für irgendeinen durch den Friedensvertrag geschaffenen Ausschuß erfokgen dürfen ohne be- sondere Ermächtigung des Kongresses. Der 12. Vorbehalt be- stimmt, daß die Bedingungen des Friedensvertrages, die sich aus ausländisches Eigentum beziehen, die Rechte amerikanischer Bürger mit Bezug auf solches Eigentum nicht schmälern dürfen. Der 13. Vorbehalt besagt, ixrß die Vereinigte» Staaten irgendeine Teilnahme al? Kurator der vormaligen überseeischen Besitzungen Deutschlands ablehnen, desgleichen jede Ver- antwortung der amerikanischen Regierung dafür, was mit diesen Besitzungen, auf die Deutschland laut Friedensvertrag ver- zichten mutz, geschieht. �elfferich- Clemenceau . Die Herren H e l f f e r i ch und Graf Westarp, die übrigens nach einer Meldung derTäglichen Rundschau" zu den nächsten Reichstagswahlen in Pommern zu kandidieren gedenken, be- stritten am Freitag in Mei Referaten die geistigen Unkosten eines deutschnationalen Parteitags der Provinz Pom- m e r n. Ueber den Inhalt der Reden ist nicht viel zu sagen, sie sind ein Ausguß der nun schon hundertmal gehörten und wider- legte» alldeutschen Argumont«. Notiert zu werden verdient ein Satz Helsferichs, daß ein vierjähriger Krieg jedes Volk, ob Sieger oder Besiegter, bis ins Mark treffen müsse. So sind also doch die jetzigen Verfallserscheinungen am Ende nicht Folge der Revolution, sondern des vierjährigen Weltkriegs?! Ferner erzählte Herr Helffevich seinen Hörern, für die Eng- länder und Franzosen sei diö internationale So- z,ialdemokratie sehr gut gewesen, ahxr immer mix als Ex­portartikel. Dieser Satz kam uns merkwürdig bekannt vor. Wenn wir uns nicht sehr irren, entstammt das Wort vom Export- artikel dem Munde Ckemenceaus, nur behauptete Herr Cle- menceau natürlich, daß die deutsche Sozialdemokratie den So- zualismus immer nur als Exportartikel kultiviert habe. Wie schön doch die Chauvinisten hüben und drüben einander widerlegen! Gegen die Störenfriede des Schulbetriebs. Der Kultus, ninister Harnisch bat in einem Erlaß endgültig ausgesprochen, daß der Uniug der Schülerstmks wegen Kaiserbildern und ähnlichen Lappalien lräftig bestraft wird. Die Schüler, die durch ihre kindische Anmaßung sich zum Schulstreik verleiten lassen» stören den Schulbetrieb und werden von nun ab ohne Gnade von der Schule verwiesen. Di« Verweisung erstreckt sich auf alle preußischen Lehranstalten. Wiederaufnabme eines Verwiesenen ist nur mit Genehmigung des Kultusministers möglich. Nun hört hossentlich die Schülerstreikerei auf. Insbesondere ist zu erwarten, daß die Erwachsenen nicht durch hetzerische Beeinflussung der Schuljugend die Schüler in ihrer Ausbildung schädigen._ TaS Befinden HaaseS. An dem Abg. Haase wurde vorgestern eine Serunieinipritzung vorgenommen. Gestern vormittag fand am Krankenbett eine ärztliche Konsultation statt, an der außer den Professoren Rotter und Bier auch der Professor Friedemann vom Virchow- Krankenhaus teilnahmen. Es erfolgte eine Blutunter- suchung, um den Grad der Blutvergiftung bakteriologisch sestzu- stellen.. Falls das Allgemeinbefinden des Kronken es gestattet, soll am kommenden Montag eine vierte Operation vorgenommen werden.

Völkerungsbewegung vor dem Kriege und am Ende des Krieges in Preußen, so ergeben sich folgende Zahlen: 1913 gab es 1 172 41S Lebendgeborenc, 323 709 Eheichließungcn, 020 455 Todesfälle: da- gegen betrug die Zahl der Lebendgeborenen im Jahre 1918 nur 009 777. während die Eheschließungen aus 222 857 gefallen, die Todessälle aus 990 167 gestiegen waren. Mit dieier Statistik ist aber das Unheil noch nicht erschöpft, denn sie bringt die Folgen des Frauenüberschusses durch den KriegStod der Männer und die gesundheitliche Nachwirkung der Kriegsbeschädigungen nicht zum Ausdruck. Einen Anhaltspunkt für unsere Zukunftsausfichten kann uns nur die Geschichte bieten, in der ähnliche Krisen schon früher aufgetreten sind. Die Bevölkerungsverhecrungen waren in der Vergangenheit oft noch größer als heut bei uns, aber die betreffenden Völker haben sich, wenn auch häufig recht langsa�i, wieder erholt und sind sogar nicht selten zu neuer Blüte erstanden. Ein besonders schwerer Fall ist z. B. die durch die Mißernte des Jahres 1866 in Finn­ land hervorgerufene Hungersnot: Die Sterblichkeit stieg damals so, daß sie 1868 die Höhe von fast 8 Proz. der Bevölkerung erreichte und in manchen Gegenden bis zu 28 Proz. der Einwohner zu- gründe gingen. Trotzdem war schon im Jahre 1873 der Stand der Bevölkerung vom Jabre 1866 wieder eingeholt und sogar über- schrillen, und Finnland erlebte von da an«ine rasche Zunabme feiner/Bevölkerung. Diese finnischen Vorgänge beweisen die Mög- lichken eineö sehr schnellen Wiederaufbaue« der Bevölkerung auch nach schwersten Einbußen. Unsere Lage ist freilich diesem Beispiel gegenüber in zwei Punkten ungünstiger, denn die große Sterblichkeit trat dort in der Form akuter Seuchen auf, während bei uns besonders die Tuberkulose mir ihren nachhaltigen Wirkungen wütet. Auch war die Zunahme der Geburten in Finn« land größer: sie betrug nämlich 35 aus 1000 Einwofmer, während sie bei uns 1912 sich nur auf etwa 28 gro 1000 bclief. Dagegen war die Säuglingssterblichkeit damals noch etwas höher als bei uns vor dem Kriege. Die Möglichkeit einer Erholung ist nach GottsteinS Anschauung für Deutschland durchaus vorhanden, aber es bedarf dazu vor allem eines: des Willens der Massen zur Gesundung. Moskm» in Berlin . Den vielen Russen, die Berlin jetzt be« Völkern, werden sich demnächst zwei russische Bühnen im Lyzeum- ibüb und im Brüdervereinshause in der Kurfürstenstraße widmen. Für leichtere Genüsse will ein Kabarett sorgen, das am Freitag in der Bülowstraße vor geladenem Publikum eröffnet wurde. Es heißt Blauer S a r a f a n". Das Beiwort rot, das uns von dem auch bei uns populären russischen VolksliedeDer rote Sarafan" her bekannt ist, scheint verpönt. Man rechnet offenbar mit Be- suchern, die niehr ihren Geldbeutel als die russische Freiheit gerettet haben.(Die Plätze tosten von 824 M.j Di« Sehnsucht nach dem alten, herrlichen Moskau wird in einem übrigens ergreifend vor- getragenen Couplet lebendig. Trotzky wird wirkungsvoll mit Peter l. kontrastiert(aber der Witz geht einmal vorbei: nicht die Bolschewisten haben das Fenster nach Europa geschlossen). Ein altes Gutsbesitzerehepaar beklagt reichlich sentimental die verlorenen.Ge- nnsse. Aber auch die verflossene Tyrannei wird gebrandmarkt sein