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Nr.610. 36.Jahrg.

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Telegramm- Abresse: Sozialdemokrat Berlin  ".

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Vorwärts

Berliner Volksblatt

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Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutfchlands

Redaktion und Expedition: SW. 68, Lindenstr. 3. Fernfbrecher: Amt Mortsplas, Nr. 15190-15197.

Sonnabend, den 29. November 1919.

Vorwärts- Verlag 6.m. b. H., SW. 68, Lindenstr. 3. Feruiprecher: Amt Morigplak, Nr. 117 53-54.

Oesterreichs   Not.

Der sozialistische Wahlsieg.

Dank an Deutschland  .

anfiministeriellen Kandidaten. Die Zeitungen sind zu der Ueberzeugung gekommen, daß es flüger ist, fich die bürger­lichen Kandidaten nicht mit der Lupe anzusehen.

Ju der österreichischen   Nationalversammlung in Wien  Aus Rom   wird uns vom 19. November geschrieben: machte am Freitag, zu Beginn der Situng, der Präsident die Mit­Am allerkläglich sten schneidet von den Ordnungs­Die stolzesten Erwartungen find durch das Wahlergebnis teilung von dem Beschluß der Deutschen Nationalversammlung, im parteien die nationalistische ab, die in Som nur svei bom 16. November übertroffen worden. Wis stärkste Par- Dezember jede Brotkarte im Reiche um 50 Gramm Kandidaten durchbringt, wobei undankbarerweise ihr Haupt­tei ziehen die Sozialisten in die neue Rammer: mit einzuschränken und diese Ersparnisse zur Linderung zahler, der Marchese Medici del Vascelle, nicht wiedergewählt einer mehr als verdoppelten Zahl von Mandaten, hinter denen der Not Deutsch   österreichs zu verwenden. An diese zu sein scheint. Auch ihr Kandidat in Venedig  , der bisherige die gewaltigste Wählermasse steht, über die jemals in Italien   Mitteilung, welche vom Hause mit lebhaftem Beifall und Abgeordnete Fescari, ist unterlegen. So dürfte die nationa­eine politische Partei verfügt hat. Händeklatschen aufgenommen wurde, knüpfte der Präsident liftische Fraktion sich auf die 5 Mandate beschränken, die Es war feine Politik des Kompromisses, die uns zu die folgende Erklärung, die vom Hanse stehend angehört wir ihr prophezeit hatten. fent Ergebnis geführt hat, feine Verschleierungs- und Bünd- wurde: Charakteristisch für die politische Lage ist das Auf mispolitik. Die sozialistischen   Stimmen sind nicht abgegeben Hohes Haus! Es handelt sich hier nicht nur um gerieben werden ber Uebergangsparteien, worden aus Freundschaft für diesen und jenen, nicht auf ein finanzielles Opfer schlechthin, nicht nur um der Schattierungen zwischen Bolschewismus und bürgerlicher Grund vorübergehenden Zusammentreffens von Interessen: ein Opfer, das der Staat als folder bringt, Demokratie. Früher bestand die äußerste Linke in Italien  fie bedeuten alle die Ablehnung der bürgerlichen sondern um eine Liebesgabe jedes einzelnen aus Radifalen, Republikanern und Sozialisten. Diez   Nadi­Politik. Es wäre töricht und vermessen zugleich, wollte Bürgers des Deutschen Reiches ohne inter- falen find immer mehr an die Regierung herangerückt und man behaupten, daß alle sozialistischen Stimmen sich auf eine fchied. Jeder Bürger schmälert täglich seine zum großen Teil in den bürgerlichen Ordnungsparteien auf­Flare Erkenntnis des sozialistischen   Brogramms, auf ein flares ohnehin targ bemessene Ration, um dadurch gegangen. Von ihnen ist diesmal der frühere Justizminister Wollen seiner Ziele gründeten; aber das fann man fühnlich beizutragen zur Linderung der schrecklichen Sacchi unterlegen; nur Colajanni und Pantano behaupten, daß fie alle eine bedingungslose Ablehnung der Not, die in Deutsch   österreich   herrscht. Dieser sind von bekannteren Namen als wiedergewählt zir erwähnen. bürgerlichen Politik bedeuten. Aft der Großmut und der brüderlichen Solidarität des Deut- Die Republikaner   haben sich ganz verkrümelt. Es sind

Ja, so parador es flingt, man fann sagen, daß die bür- schen Reiches hat bei uns nicht nur Freude und Genugtuung ihrer nicht zehn übriggeblieben, halb so viel wie in der gerliche Riederlage bei diesen Wahlen noch größer ausgelöst, sondern vor allem die innigste Dankbar- borigen Stammer. ist als der sozialistische Sieg. Und gerade das, was die bür- feit. Der Beschluß ist abermals ein Beweis dafür, daß die Sehr hart ist das Urteil der Wahlen für die Refor gerliche Presse anführt, um den Parteifieg zu verkleinern, ist Gewalt aus zwar räumlich trennen kann, misten, nämlich die national gesinnten Sozialisten, deren dazu angetan, den Wert der Niederlage in das rechte Licht zu daß aber nichts imftande ist, die Bande ge- Graftion aus den vorigen Wahlen mit 23 Mandaten hervor­jezen: daß die wirkliche Macht des Bürgertums weit größer mein famer Geschichte und gemeinsamer Kul- gegangen war. Sie scheinen auf 10 zusammengeschmolzen. fei, als die bei den Wahlen zum Ausdruck gekommene. Die tur zu lösen, die uns mit den Brüdern im Reiche verbindet. Bissolati ist mit Ach und Krach gewählt worden, ebenso äußerst geringe Bahlbeteiligung beweist näm- Ich spreche im Namen des ganzen Hauses und aller seiner Benoni in Mantua   und De Felice in Catania  . Be­lich nicht, wie die bürgerlichen Blätter glauben machen Mitglieder, aber ich bin versichert, auch im Sinne aller Bürger renini, der im vorigen Kabinett Unterrichtsminister war, wollen, daß die Bourgeoisie noch ihre Reserben hat, die sie der Republik   zu handeln, wenn ich sage: Unseren Brüdern im ist unterlegen, ebenso Canepa, der Herausgeber des Genueser jederzeit ins Feld führen kann; sie beweist vielmehr, daß das Reiche innigsten Dank für die Hilfe in schwerer Zeit, für Lavoro". Von den sog. freien Sozialisten, die Bürgertum nicht mehr an sich selbst glaubt, nicht mehr an den diesen Alt außerordentlicher Großmut, den wir nie ver außerhalb der sozialistischen   und der reformistischen Partei Barlamentarismus, an die typische Form seiner politischen gesien werden!( Lebhafter, langanhaltender Beifall nud stehen, ist nur Sandulli in Neapel   wiedergewählt, Ettero Herrschaft. Eine herrschende Klasse, die in einem derartigen Händeklatschen.) Ciccetti dagegen nicht. Stampf taum ein Drittel ihrer Wähler zur Urne bringen kann, zeigt dadurch nicht, daß sie Reserven hat, die ihr morgen eine Stevanche ermöglichen; sie zeigt vielmehr, daß sie abgewirt­schaftet hat, daß sie nicht einmal den Instinkt der Selbsterhal­tung betätigen kann, daß sie von innen heraus abftirbt.

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Sinter allen Erwartungen sind die Ergebnisse zurüd­geblieben, die der Kriegerbund" sowohl allein als int Bunde   mit Republikanern und Reformisten erzielt hat. Die große Unklarheit ihres Programms ist den Combattenti" verhängnisvoll geworden, ebenso der Umstand, daß sie mit merkwürdiger Konsequenz fast lauter Kandidaten gewählt hatten, die während des Krieges dem Feinde in den Bureaus der Ministerien die Stirn geboten hatten und ihre Sicherheit mehr der Abwesenheit des Körpers als der Geistesgegenwart banten. Die Zahl der Gewählten scheint um 20 herum zu schwanken, wenig genug nach dem vielen Geschrei.

größere Umwälzungen vorläufig hinausschieben. Die Frage wird schon in den nächsten Wochen ihre Antwort finden. Gegen die Sozialisten kann ntan heute in Italien   nur Was die bürgerliche Preffe als wirkliche Macht" der regieren, wenn man die Ierifalen auf seiner Seite hat, Ordnungsparteien" ansieht, das ist nur die Zahl. Wenn was den politischen Ueberlieferungen des Landes ganz und wir gestimmt hätten, hätten wir gefiegt," fagen die Unter- gar zuwiderläuft. Darum ist nicht gesagt, daß die Verschmel­legenen. Daß fie nicht geftimmt haben, ist aber nicht eine zung von liberaler Bourgeoisie und Klerikalen unwahrschein Gelegenheit sursache der Niederlage: es ist der Ausdrud lich oder gar unmöglich wäre. Die neue Kammer drängt ge­der Niederlage. Die Bourgeoisie war an sich selber und an radezu zu diesem Bündnis. Fast neunzig Klerikale haben uns ihrer Zukunft irre, darum sind ihre Scharen dem Kampfe fern die Wahlen beschert. Als Oppositionspartei würden ihre Von Mitgliedern der Regierung sind unter­geblieben, in dem sich die Lebensinteressen ihrer Klaffe ent- Stimmen mit denen der mehr als 130 zu rechnenden Sozia- legen der Minister für Pensionswesen, Da Como  , der schieden. Sie hat die Maffen nicht mehr in der Hand, die listen keine Regierung am Ruder lassen, selbst wenn die anti- fich unverkennbare Verdienste in seinem Verwaltungsfach er­breiten Maffen, ohne die es keinen Wahlsieg gibt. Diese sind flerifalen bürgerlichen Parteien, die einander während des worben hat, so daß man hoffen muß, er werde als Senator in mit den Sozialisten gegangen oder, halb stumpf und halb Wahlkampfes so giftig befehdet haben, sich einmütig in den seinem Amt: erhalten bleiben, und der Unterstaatssekretär der feindselig, zu Hause geblieben. Gerade diese stumpf Dienst der Regierung stellten. Kolonien, Teodoli. Auch der frühere Gouverneur von finnige Gleichgültigkeit der Ordnungs- Eine Regierung, die mit den Sozialisten regiert, halten Eritrea  , Ferdinando Martini  , hat das gleiche Schicksal er­parteien" gibt dem Wahlausgang feine gewaltige Bedeu- wir in der heutigen Sachlage für ausgeschlossen. Eine Partei, fahren. Einige besonders zweideutige Elemente aus der Ge­tung, die sogar noch schwerer wiegt als der sozialistische Sieg. die mit dem Versprechen in den Wahlkampf getreten ist, die folgschaft Giolittis, der selbst natürlich wiedergewählt Unsere Partei hat in diesem Kampfe eine Wahlplattform Räterepublik einzuführen, würde den Ast absägen, auf dem wurde, hat der Wahlsturm weggespült, so den Schwiegersohn gehabt, wie sie sich nicht günstiger denken läßt: die Verfie fizt, wenn sie die Verantwortung der Regierung im Verein des langjährigen Diktators. Chiaraviglio, und urteilung des Krieges. Und als Oppositionspartei, mit bürgerlichen Parteien auf sich nähme, ganz besonders in De Bellis. Dagegen ist dem Barlament eine der unjan­die jeder Verantwortung für die Regierung ferngeblieben ist, einer Situation wie der heutigen, bei steigender Staatsschuld, bersten und zweideutigsten Gestalten erhalten geblieben, der fonnte sie von der Fiktion ausgehen, daß es den herrschenden frühere Parteigenosse Raimondo, der, als Sozialist in die Klassen möglich gewesen wäre, den Krieg zu vermeiden. Wer vorige Kammer gewählt, iekt an der Spike einer Koalition also den Krieg verurteilt, der stehe zu uns, als der einzigen großindustrieller genuefer Haifische wiedergewählt wurde. Neu Partei, die frei ist von jeder Verantwortung für den Krieg. erworben hat die Kammer jenen Mussolini  , der früher Und um diese einzige Partei haben sich die Wähler zu Parteigenosse und Redakteur des Avanti" war, dann plötzlich Hunderttausenden gefchart, so daß fie al3 stärkste Partei des zur Kriegspartei überging und mit großen Mitteln das Set­Landes in das Parlament zieht. Die Maisen haben den blatt Popolo d'Italia" gründete, er ist eine Persönlichkeit, Krieg verurteilt, haben durch ihr Votum erklärt, daß deren moralische Farbe zwischen Irrenhaus und Zuchthaus auch der Ausgang des Krieges ihn nicht rechtfertigt. Das Giornale d'Italia" redmet ganz fidel bei dem schillert, die man aber wohl bei eingehender Untersuchung ganz Aber die sozialistische Wahlplattform, war auch auf die Wahlergebnis eine Regierungsmehrheit bon 260 Deputierten dem Irrenarzt überlassen würde. Zukunft gerichtet. Indem sie den Krieg verurteilte, verurteilte heraus. Das ist freilich ein großes Kunststück, denn die Bahl Eine eingehende Würdigung der Zahlenergebnisse fie das Regime, das Kriege erzeugt, den Kapitalismus  . Und der als Ministerielle in den Wahlkampf getretenen, die ge- muß einem späteren Bericht vorbehalten bleiben. Heute ge­während die Republikaner   und die Reformisten fich begnügten, wählt wurden, beläuft sich noch nicht einmal auf die Hälfte. nügt es zu sagen, daß die neue Kammer wirklich neu sein die Konstituante zu fordern, hat die Partei als ihr Ziel die Trotzdem hat das Blatt recht, wenn es Ministerielle und Anti- wird. Auch klarer und übersichtlicher als die alte. An Stelle Einführung der Räterepubliknachruffischem ministerielle in einen Topf wirft, denn angesichts des Wahl- fleiner und fleinster Gruppen werden Parteien stehen: rechts Vorbild aufgestellt. Nicht die politische, sondern die soziale refultats ist es anzunehmen, daß die Antiministeriellen nicht die Klerikalen, links die Sozialisten; in der Mitte, durch den Revolution. Und wer in diesem Wahlkampfe für die fozia- gerade große Eile haben werden, ein Ministerium zu stürzen, doppelseitigen Druck zusammengefügt, die liberale Bourgeoisie. listische Partei gestimmt hat, der mußte wiffen, daß er fin deffen Nachfolge, wie die Dinge eben liegen, man kaum seinem as daneben noch besteht, ist praktisch belanglos da es keiner­eine grundlegende Umwälzung der politischen und wirtschaft- schlimmsten Feinde gönnen kann. Man darf annehmen, daß lei Einfluß auf die Ereignisse baben tann: Reformisten, Ste­lichen Organisation des Landes seine Stimme abgab. die bürgerl che Opposition bis auf weiteres mit den Mini- ublikaner und Kriegerverband zusammen fönnen noch nicht Es ist jetzt nicht der geeignete Augenblick, um die Frage steriellen zusammengehen wird. Das sieht man schon daraus, einem Drittel der sozialistischen   Fraktion das Gleichgewicht zu erwägen, ob die Berwirklichung der Räterepublik fogleich daß feine bürgerliche Beitung, weder die Regierungsblätter halten. von der Partei ins Auge gefaßt werben wird, oder ob der noch die anderen, nach den Wahlen den Unterschied aufrecht- Heut muß die Bourgeoisie entscheiden, ob sie den ge­Umstand, daß die Sozialisten nunmehr die ausschlaggebende erhalten amischen ministeriellen und Oppofitionsfandidaten, altsamen Rampf will um ihre Klaffenborrechte. Partei in der Stammer sind, durch den unmittelbaren Drud der ihnen vor den Wahlen der allerwichtigste schien. Deshalb oder ein schrittweties Abtreten vorzieht. Auf auf die Regierung au umfassenden Reformen führen wird, die fehlt bis jetzt auch jede Statistik der ministeriellen und der einem unserer Parteitage brandyte einmal ein Genosse das

rapidem Sinken der Baluta, Berrüttung der Produktion, bei einer Abhängigkeit vom Auslande, wie sie in diesem Maße das dritte Italien   überhaupt noch nicht gekannt hat. Jest, wo die Lage in gewiffer Beziehung noch ernster ist, als während des Krieges, die Verantwortlichkeit mit der Regierung teilen, ge­wissermaßen als Teilhaber einem bankerotten Unternehmen beitreten, wäre, ganz abgesehen von den im Wahlkampf ein­gegangenen Verpflichtungen, eine beispielloje Zorheit.