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Nr. 625 36. Jahrgang

Auf der Drehscheibe.

Von Artur gidler.

4. Beilage des Vorwärts

Aus dem dieser Tage im Vorwärts- Verlage erschienenen und von uns bereits gewürdigten erschütternden Buche:" Im Toll hause."

Der Chefarzt auf der Station 10 hatte mich nach Abteilung A verfügt, weil ich einen leidlich vernünftigen Eindruck madh.c. Ich war bescheiden genug, darauf stolz zu sein. Türen wurden sorg­fältig auf und zugeschlossen, bis ich in einem Saale stand, durch dessen hohe vergitterte Fenster helles Tageslicht über dreißig Betten floß. Gleich im nächsten Bett lag ein blasser Mensch, schaute mich zuerst lange verwundert an, griente und steckte mit kindischem Ge­mecker den Kopf unter die Bettdecke. Lugte und meckerte wieder. Ein anderer, ein rotblonder Hüne, lehnte gegen die Rückwand des Bettes und sang, mit einem Pantoffel taktierend:

,, Tütütütütü! Tütütütütü!

Mein Zeisig, der ist krank..."

Er war so eifrig beim Singen, daß er keine Notiz von mir nahm. Ein Wärter führte mich in einen Baderaum, wo ich mich ent­fleiden mußte. Die Kleider bekam ich nicht wieder, nur ein kurzes Hemd erhielt ich nach dem Bade. Durch mehrere Säle kam ich zurück nach dem ersten, wo ich ein Bett angewiesen erhielt. Ich wäre eingeschlafen, hätte mich nicht mein Nachbar in Verwunderung gesetzt, der, ohne aufzuhören, sein Bett machte. Einmal das Kissen nach oben, einmal nach unten.

,, Wie lange willst du denn dein Bett machen?"

Ein schmales, edles Gesicht wandte sich mir zu. ,, Sie haben zu schweigen!" sagte er streng und abweisend. Auch gut. Da näherte sich mir schon ein anderer. Er setzte sich auf den Bettrand und raunte vertraulich:

,, Daß du es weißt: hier ist alles elektrisch. Ich erfahre es vom Gott der Natur, mit dem ich durch den Schornstein rede. Es wären alle schon draufgegangen, wenn ich nicht isolieren würde."

Er zog einen Papierstreifen aus der Tasche des Lazarett mantels, riß ein Stück davon ab und legte es unter mein Bett. So, jezt kann dir nichts passieren."

Nun bemerkte ich erst, daß auch unter den übrigen Betten gleiche Papierfeben lagen. Er wachte peinlich darüber, daß keiner das Papier entfernte.

Als ich ein wenig eingenidt war und die Augen wieder öffnete, saß ein Mann in der Unteroffiziersjade bei mir, hielt einen Zeichenstift und einen Block in der Hand und betrachtete mich von Zeit zu Zeit prüfend. Jch richtete mich auf, um den Block zu sehen und war überrascht, wie sicher und ähnlich die Zeichnung ausfiel. ,, Sie sind Künstler?"

Er lächelte mit dünnen Lippen.

Gefreiter Muschel ich sehe doch richtig, Sie sind der Gefreite Muschel, was wollen Sie noch weiter? Ich habe getan, was ich tun konnte. Sie wollen mir die Hand drücken? Das dürfen Sie. Grüßen Sie unbekannterweise Ihre Frau, ich wünsche ihr das Beste. Und der Teufel soll Sie holen, wenn Sie sich sobald wieder hier im Dreck sehen lassen. Der Kerl hat das so ernst auf­genommen, daß er überhaupt nicht wiederkam. Ich weiß im Mo­ment nicht, was er für eine Ausrede hatte. Jedenfalls war er schlauer als wir."

Die Augen des Unteroffiziers starrten in die Helle. Wie Winde über eine Wasserfläche trübten die allen Ziels entwöhnten Gedanken über den Glanz der Pupillen.

Wärter brachten das Abendessen. Die schwere Stimmung, die mich gefangen nahm, verschlug mir den Appetit. Hinter den Gittern entfaltete sich eine schöne Nacht. Weißer Mondschein über den Giebeln der Lazarettgebäude, grauhelle Kornfelder, der dunkle Wald weit dahinter und viele Sterne. Fern rollte ein Zug über den Damm.

Meine Mutter hat einen Garten mit wundervollen Rosen. Das sagte ein Jrrer, dessen feines Hirn dem Schauen des Wahn­sinns nicht gewachsen gewesen war, die Gewalt hatte die Bahnen feines Verstandes zerstört, der Gedanken, die aus grausiger Haft hinübergrüßten in schöne Gefilde einer Vergangenheit, nach dem Garten der Mutter. Ich hörte in leisem Singen das alte Soldaten­lied: Was nüzet mir ein schöner Garten, wenn andre drin spazieren gehn..

Ge wühlte mich auf. Ist die Welt des einzelnen, feine Kind­heit, die Träume seiner Jugend, seine Ehe, ist diese Welt nicht ein schöner Garten, ein heiliges Land? Was hat man dem Men­schen angetan, in dessen Garten man die Gewalt mit Kürassier­stiefeln einbrechen ließ! Ungleich mehr als das Fürchterlichste, was ein Geschoß am Menschenleibe anrichten kann, rührten mich die zerstörten Seelen, das Kostbarste im Gefäß der Leiber.

Dann wieder fror ich bis in das innerste Herz hinein, ermaß ich die Qual, auf wer weiß wie lange Zeit unter den Frren zu leben, die Anklagen vernehmen zu müssen, die aus jedem Winkel schrien.

Ein matter Schimmer rötete den Saal. Zwei Wärter saßen bei abgeblendeter Lampe. Jch hörte sie leise reden:

,, Wenn wir nur diese Nacht keine Offensive erleben. Ich bin erst heute mittag vom Urlaub gekommen und kann sagen, daß ich verdammt müde bin."

,, Es kommt auf Karl an; wenn den der Teufel reitet, geht der Spettatel los."

,, Ach was, weißt du, ich lege mich hin. Wenn Kontrolle kommt oder einer sich mausig macht, wedst du mich eben." Er warf sich auf ein leeres Bett. Einer fing im Schlafe näselnd an zu reden: halt! Gewehr..."

,, Gins und eins und eins und Stille.

Da blieb mir der Atem stehen. Im Rahmen der Kammer, in der er wohnte, stand Karl, der Unteroffizier, hager, int furzen Hemd, das Gesicht von unheimlicher Inbrunst blaß durchleuchtet. Langsam hob er die Arme zur Dede. Der Wärter kehrte ihm den Rücken zu und las nichtsahnend in seinem Buche. Die Sekunden rannen unheimlich langsam. Wie letztes

,, Künstler. Meine Mutter hat einen Garten mit wundervollen Rojen. Kinder, ihr stört mich, wenn ihr immerfort schießt. Ja, wirklich, kann das nicht etwas leiser geschehen. Ich will nicht be­haupten, daß wir schlecht sind, das nicht. Aber dumm sind wir be­stimmt und etwas feige auch, bei allem, was wir wagen. Zu Schlechtem haben wir unbedenklichen Mut, aber das Gute kostet Erwägung und Ueberwindungen. Wie schwer entschließt sich der Mensch, das zu tun, was mit ihm zugleich den anderen nüßt. stoßendes Blut.

Für die Augen: Tuluweit,

geh zu ihm: der weiß Bescheid.

,, Auf da!"

Sonntag, 7. Dezember 1919

Ein Schrei, wie ich ihn nie hörte. Mit einem Fluch stemmie sich der Wärter gegen den Mann, der ihn wie ein Kind aufhob. ,, Auf da! Vorwärts!"

Der zweite Wärter schoß durch den Saal und drehte die Glüh lampen zu voller Helle an. Ueberall räkelten sich die Schläfer. ,, Was ist los?"

Die zwei versuchten, des Unteroffiziers Herr zu werden, dessen Arme fich wehrten, während sein Gesicht völlig teilnahmslos blieb. Schon schrie einer: Laßt ihn los! Er ist ein Mensch wie jeder andere. Ich werde euch helfen, den Mann schlagen, ihr

Luder!"

Und kam schon gelaufen. Die Wärter sahen sich bedroht und riefen um Hilfe. Ich fand mich nicht allein im Bemühen, die Rasenden zu halten. Da lag schon einer, der mir eben noch ruhig zur Hand gegangen war, am Boden, warf sich und bellte wie ein Hund, und andere brüllten so toll nach Ruhe, daß ihnen der Geifer über die Kiefer rann. Andere lachten und vergnügten sich so, daß sie sich im Drang der Freude klatschend auf die Schenkel Klopften. Einer aber, im wallenden Prophetenbart, fühlte die Stunde seiner messianischen Berufung gekommen, er stand au seinem Bett und ließ eifernde Ermahnung über das Chaos donnern. Inzwischen war der Geist der Empörung durch die Wände gedrungen, denn auch von den anderen Sälen tönten die Signale des Tumultes herüber.

Die Zahl der Wärter, die sich gegen die Brandung des Jrr­finns anstemmten, war wohl auf ein Dußend angewachsen. Ein Unteroffizier erschien mit einer Riesenflasche, deren Inhalt die Sanftmut selber sein mußte, denn wer seinen Löffel davon be­kommen hatte, konnte als scheintot gebucht werden. Der Abscheu vor diesem Zeug war ein gewaltiger, vier oder fünf Männer mußten das Opfer halten, während ein sechster die Gurgel knetete, die Nase zu hielt und ein siebenter das Tränklein eintrichterte. Nach ein­stündigem Kampfe konnten die Stellungen der Vernunft, des Staatsgedankens und der Disziplin als behauptet gelten, und es trat wieder Ruhe ein.

Das war also die Offensive!

Ein stumpfer Schmerz über dem Rasenbein mußte sich erst beruhigen, che ich schlafen konnte.

Briefkasten der Redaktion.

Sprechzeiten der juristischen Sprechstunde: Montag, Mittwoch und Freitag 2-5 Uhr; Dienstag und Donnerstag 3-6 Uhr; Sonn­abend 3-5 Uhr.

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