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Mittwoch, den 10. Dezember 1919.
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Die Faust an der Gurgel.
Die Befehle der Entente. Clemenceau hat den Freiherrn von er sner am Montag Abend folgende zwei Noten überbringen lassen: Paris , den 8. Dezember 1919. Herr Präsident!
Der Oberste Rat hat Kenntnis genommen von der Mitteilung, die Sie am 1. Dezember namens der deutschen Regierung gemacht haben. Die Noten vom 1. und 22. November haben die Verantwortlichkeit der deutschen Regierung bei der Verzögerung der Ratifikation des Friedensvertrages festgestellt und ihre Schlußfolgerungen bleiben bestehen. Die Anregung betreffend ein angebliches Recht Deutschlands ( als Kompensation dafür, daß die amerikanischen Delegierten bis zur Ratifizierung des Vertrages durch die Vereinigten Staaten in den Kommissionen fehlen), eine Aenderung der Vertragsbestimmungen über die Auslieferung der Schuldigen und die Rückkehr der Kriegsgefangenen zu verlangen, ist unbegründet. Nach den Schlußbestimmungen des Vertrages soll dieser in Kraft treten, sobald ihn Deutschland und brei der alliierten und assoziierten Hauptmächte ratifiziect haben. Ein Versuch Deutschlands , diese Inkraftsehung von einer neuen Bedingung, nämlich der Anwesenheit der amerikanischen Delegierten in den Kommissionen, abhängig zu machen, wäre vergeblich. Es ist unrichtig, daß der deutsche Standpunkt in diefer Hinsicht am 14. Oktober gebilligt worden fei. Ebenso ist es una richtig, daß die Herren von Simson und von Lersner am 20. November zu mündlichen und schriftlichen Verhandlungen über das Brotokoll vom 1. November eingeladen worden seien. Es ist ihnen cinfach gesagt worden, daß angesichts einer schriftlichen Note die deutsche Regierung schriftlich und lediglich auf die Bedingungen antworten müsse, die darin formuliert waren.
Der Oberste Rat ist der Ansicht, daß der Artikel 221 des Friedensvertrages betreffend die Rückkehr der Kriegsgefangenen vollständig klar ist und keinerlei Ergänzung braucht. Frankreich hat schon mehrmals erklärt, daß es die Gefangenen mit der Infraftjehung des Friedensvertrages freilassen werde. Es hat feinen Grund, dies neuerdings zu wiederholen. Der Oberste Rat berweilt nur bei den Einwendungen gegen die Kompensationsforderung für die Zerstörung der deutschen Flotte in Scapa Flow und gegen die Ankündigung etwaiger militärischer Zwangsmaßnahmen, die in der Note der Alliierten vom 1. November gemacht worden ist.
Die alliierten und assoziierten Mächte teilen die Befürchtungen der deutschen Regierung wegen der
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nicht. Sie halten das Protokoll in seiner bisherigen Fassung aufrecht. Nach Empfang des in dem Protokoll geforderten vollständigen Verzeichnisses aller Schwimmdods, Gwimmfräne, Schlepper und Bagger werden die alliierten und assoziierten Mächte die von ihnen getroffene Auswahl mitteilen, wobei der allgemeinen wirtschaftlichen Lage der deutschen Häfen Rechnung tragen werden. Wenn dann die deutsche Regierung beweisen zu können glaubt, daß eine der genannten Forderungen geeignet ist, Deutschland in der Befriedigung der berechtigten Bedürfnisse be= treffend die Aufrechterhaltung der Flußschiffahrt und anderer wirtschaftlichen Lebensinteressen der gleichen Art schwer zu beein trächtigen, so tann die deutsche Regierung den alliierten und asso= ziierten Hauptmächten ihre Rüdforderungen stellen, und diese Mächte werden ihrerseits bereit sein, sie nach Anhörung der Wiebergutmachungskommission im Geiste der Billigkeit zu prüfen.
Die Unterzeichnung des Protokolls und die Niederlegung der Ratifikationsurtunden führen die Inkraftsetzung des Friedens
I und die zweimal, am 28. Juni und am 3. September 1919 darauf| gegen den deutschen Kaiser und die deutsche Autokratie führe, bezügliche Mitteilungen machte, behauptet heute, daß diese Zer- und daß diese das alleinige Hindernis eines wohlwollenden störung in nichts eine Verlegung der Verpflichtungen Deutsch - Friedens seien. Als der Kaiser gefallen war und die Waffenlands bedeute, daß die zerstörten Kriegsschiffe im Augenblid ihrer stillstandsbedingungen und später der Friedensvertrag herausZerstörung nicht zur Auslieferung an die Alliierten bestimmt waren, und weit mehr noch, daß die Zerstörung den alliierten tamen, ließ man die Maske fallen und gab zu erkennen, daß und assoziierten Mächten selbst zur Last falle, die im Wider- der Krieg dem deutschen Volke galt, und daß man es spruch mit den Bestimmungen des Artikels 23 des Waffenstill- mit grausamſter Härte, selbst mit der Vernichtung seiner wirtstandes diese Kriegsschiffe nicht in einem neutralen Hafen, son- schaftlichen und physischen Existenz bestrafen wollte. dern in einem feindlichen interniert hätten". Amerika hatte in dem scheinheiligen Manöver gegenDie alliierten und assoziierten Mächte können in dem deut- über dem deutschen Volke die Führung. Wilson hat den Geschen Memorandum nur einen schwer erklärbaren Verfuch er- danken der Gerechtigkeit dem Nachegedanken der blicken, absichtlich die Intraftseßung des Vertrages und die end- anderen bedentenlos preisgegeben. Auch in den lezzgültige Wiederherstellung des Friedens hinauszuzögern. In ihrer ten Tagen hat Amerika durch seine Breffe verbreiten lassen, Note vom 3. September, die sie nach Kenntnisnahme der authen- daß es mit der Schärfe des neuerlichen Vorgehens gegen tischen Erklärungen des die zerstörte deutsche Flotte befehligen Deutschland nicht einverstanden sei. Aber auch diesmal bat den Admirals an die alliierten und assoziierten Regierungen ge= richtet hatte, hatte die deutsche Regierung, weit entfernt, die ihr es sich scheu bei Seite gedrückt und den mit dem Vernich in diefer Angelegenheit gegenüber den Alliierten obliegenden tungswillen bis obenhin angefüllten Bundesgenossen das Feld Berpflichtungen anzuerkennen, im Gegenteil geltend gemacht, allein überlassen. Nach so biel Enttäuschungen daß der Admiral keineswegs die Absicht gehabt habe, die wer- haben wir kein Recht mehr, an die Aufrichtig. pflichtungen zu verleben, die die deutsche Regierung hinsichtlichkeit und Ehrlichkeit weder Ameritas, noch seiner Person eingegangen war. Englands, noch Frankreichs zu glauben.
Die deutsche Regierung selbst erkannte ebenfçus an, daß der befehligende Admiral bei der Zerstörung der deutschen Flotte auf Grund eines allgemeinen Befehls gehandelt habe; sie fügte hinzu, daß der Admiral sehr wohl wußte, daß die deutschen Vorschläge selbst hinsichtlich der Friedensbedingungen die
Anrechnung der Flotte auf die Wiedergutmachungen vorausfahen. Hat nicht der Chef des deutschen Admiralstabes insgeheim dem Admiral von Reuter am 9. Mai 1919 nach Scapa Flow geschrieben: Wie auch immer sich das Schicksal dieser Schiffe gestalten möge, so wird es nicht ohne uns entschieden wer den, es wird von uns selbst ausgeführt werden, und eine Auslieferung an den Feind bleibt ausgeschlossen."
Gerade die auf Befehl der deutschen Regierung erfolgte Berstörung dessen, was Deutschland im Gegenteil den alliferten und assoziierten Mächten ausliefern sollte, stellt, welches auch immer die persönliche Verantwortung des Admirals v. Reuter und seiner Untergebenen sein mag, die Verlegung des Waffenstillstandes dar und gleichzeitig einen Att, der auf die Annullierung von Verpflichtungen hinzielt, zu denen bereits die Zustimmung erteilt war und die man im Begriff war, endgültig zu unterzeichnen. Schlißlich ist es kaum nötig, daran zu erinnern, daß die Wahl der Reede von Scapa Flow in Ermangelung eines geeigneten neutralen Hafens in allen Buntten sowohl dem Buchstaben wie dem Geiste nach Artikel 273 des Waffenstillstandes entspricht.
Unter diesen Umständen sind die alliierten and assoziierten Mächte der Ansicht, daß die deutsche Regierung heute nicht die Berantwortung zurüdweisen fann, die ihr zufällt, und nicht in einem Schiedsspruch eine Lösung für Kriegshandlungen sehen fann, deren Regelung den erwähnten Mächten zusteht.
Infolgedessen fordern die alliierten und affoziierten Mächte die deutsche Regierung auf, entsprechend ihrer Note vom 1. November ohne weiteren Verzug das Protokoll zu unterzeichnen, welches den Austausch der Ratifitationen und die Intraftfeßung des Friedensvertrages gestattet und so die Rückkehr zum nor malen Leben und zur Milderung der Leiden der Völker sichert. Genehmigen Sie, Herr Präsident, die Versicherungen meiner Hochachtung. gez. Clemenceau.
Man will uns 400 000 Tonnen, also rund 80 Proz. unserer gesamten schwimmenden Docks, Bagger, Kräne und Schlepper abnehmen. Das sollen wir unterschreiben, obwohl wir genau wissen, daß damit die deutsche Schiffahrt den Rest bekommt, und obwohl wir wissen, daß es uns dadurch ganz unmöglich gemacht wird, die im Friedensvertrag eingegangenen schweren finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen. Und wir wissen ja auch aus dem bisherigen Verhalten der Entente uns gegenüber, daß jede Unmöglichkeit der Erfüllung eines Vertragstitels uns als böser Wille angerechnet wird; der mit neuen harten Strafen beantwortet wird.
Wie soll sich daher die deutsche Regierung gegenüber diesen Noten verhalten?
Die Entscheidung ist furchtbar ernst und schwer. Zunächst muß versucht werden, noch einmal im VerhandIungswege die fatastrophalen Folgen der Friedenspolitik unserer Gegner flarzulegen und an Stelle der vagen Zusiche rungen bestimmte, bindende Aeußerungen, die unsere Fünftige Lebensmöglichkeit berücksichtigen, zu erlangen. Das wirde allerdings bedeuten, daß das Zusapprotokoll vor der Unterschrift eine Aenderung erfährt. In der Hauptnote wird zwar betont, daß das Protokoll in seiner bisherigen Fassung aufrecht" erhalten bleibt. Dennoch muß. ein Versuch unternommen werden, diese geradezu unmögliche Starrheit zu überwinden.
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Läßt sich die Entente jedoch auf nichts ein, dann bleibt uns nur noch die Wahl zwischen Unterzeichnung und Nicht unterzeichnung.
Nach unserer Auffassung, die uns die Entente durch ihre unaufhörlichen Schikanen und Fußtritte aufgezwungen hat, fann die Regierung die berlangte wortloje Unterschrift unter des Protokoll nicht leisten, wenn sie nicht das deutsche Volf mit Saut und Haaren rettungslos der unberechenbaren Rachegier siegestrunkener Kapitalisten ausliefern will.
Die Entente hat uns zu der Ueberzeugung gepreßt, daß sie
Die beiden letzten Noten Clemenceaus versezen Deutsch - uns restlos ruinieren will, daß die Verfklavung Deutschvertrags und damit den Eintritt des Friedenszustandes herbet. land in vieler Hinsicht in die gleiche Lage, in der es sich im lands ihr Ziel ist, und daß sie nicht ruhen wird, bis wir im Von diesem Zeitpunkt an wird die Ausführung der Bestimmungen Juni vor der Unterzeichnung des Friedensvertrages befand. Die kein Volk auf die Deuer ertragen kann, ohne unter ihnen des Protokolls, das die Voraussetzung für das Inkrafttreten des Juni vor der Unterzeichnung des Friedensvertrages befand. Elend vorkommen sind. Diese fortgesetzten Beunruhigungen, Friedensvertrages bildet, durch die allgemeinen Bestimmungen Damals hat die Entente unter der Drohung des Wiederbeginns die kein Volt auf die Deuer ertragen fann, ohne unter ihnen Dieses Vertrages fowie durch die von Wölferrecht anerkannten ge- des Kriegszustandes und der Blockade uns gezwungen, zugrunde zu gehen, müssen die Regierung zwingen, ihre Unterwöhnlichen Berfahrensarten gewährleistet werden. Bis zur In- ein Gewaltdokument mit den schärfsten Härten für die Zukunft für die fernere Lebensmöglichkeit des deutschen Volkes erreicht fchrift zu verweigern, wenn nicht vorher bindende Garantien fraftjehung des Friedensvertrags erinner wir zum legten Male Deutschlands und mit unerfüllbaren Bedingungen zu unter- für die fernere Lebensmöglichkeit des deutschen Volkes erreicht daran, daß die Kündigung des Waffenstillstandes genügt, um den zeichnen. Unsere Einwendungen wurden damit beantwortet, werden können. alliierten Armeen jede Berechtigung zu militärischen Maßnahmen daß man uns versprach, im Falle des Wohlverhaltens MildeWir wissen wohl, was diese Weigerung angesichts des zu verleihen, die als nötig eradytet werden. In diesem Sinne er- rungen zu erwägen. Nach dem ganzen Berhalten der Entente friegerischen Tones, der in der Note zum Schluß an warten wir die unverzügliche Unterzeichnung des Protokolls und feit jener Zeit ist das deutsche Volk von dem Glauben an die geschlagen wird und auf den die Machthaber von Paris famt wir die die Niederlegugn der Natifikationsurfunden. Aufrichtigkeit dieses Kommentars gründlich geheilt worden. ihren Militärs und ihrer Presse gestimmt sind, zu bedeuten hat. Genehmigen Sie usw.
gez. Clemenceau.
Der neueste Befehl der Entente fordert von uns in gleicher Weise unter Androhung neuer Kriegsmaßnah men die Unterschrift unter das Zusatzprotokoll und stellt Lediglich in Aussicht, daß sie spätere Wünsche Deutschlands im Die besondere Note über die Entschädigung für die Ber- Geiste der Billigkeit" prüfen werde. Vorher aber müsse die sentung der Kriegsschiffe in Scapa Flow lautet: Unterschrift geleistet werden.
Herr Präsident!
In normalen Zeiten war es üblich, daß Versprechungen Am 27. November haben Sie mir ein Memorandum zugehen einer Regierung gegenüber einer anderen eingehalten wurden. lassen, in welchem sich die deutsche Regierung weigert, die Forde- Die Versprechungen, die die Entente uns bisher gemacht hat, rungen zu erfüllen, die die alliierten und assoziierten Mächte in erwiesen fich als Papierfeßen, die man stets preisgab, ihrer Note vom 1. November wegen der Zerstörung der deutschen Flotte in Scapa Flow am 22. Juni 1919 gestellt hatten, und in wenn wir an diese Versprechungen appellierten, und denen ber sie vorschlägt, diese Angelegenheit einem Schiebsspruch man immer den Wortlaut der von uns unterschriebenen Urfunden gegenüberstellte.
zu unterbreiten.
Die deutsche Regierung, der der Standpunkt der allierten und assoziierten Mächte am 28. Juni 1919 mitgeteilt worden war,
an der faltherzigen Mißachtung seiner großen Not durch die Wir sehen an den Leiden des österreichischen Volkes und Entente, welches Schicksal auch uns bereitet werden soll. Der Qual des allmählichen, aber sicheren Unterganges können wir nur dadurch noch entgehen, daß wir, wenn kein Mittel mehr verfangen will, ruhig und gefaßt erklären: 11 nmöglich und unannehmbar! Dann mag die Entente versuchen, vor dem Gewissen der ganzen Welt zu verantworten, daß sie ein erschöpftes, wehrloses, zu Boden gedrücktes Volk, das den Frieden will und nur den Frieden mit aller Welt verlangt, mit Krieg und Kriegsverwüstung überzieht.
Ein fräftiger, bewaffneter Mann will mit blanker Wehr über einen schwachen und erschöpften Kranken berfallen. Das ist die Nuhmestat, zu der die Machthaber der Entente jegt rüsten. Im Namen der Demokratie, der Menschlichkeit und