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Nr.642.36.Jahrg.

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Telegramma- Abreffe: Sozialbemotta? Beella.

Abend- Ausgabe.

Vorwärts

Berliner Volksblatt

15 Pfennig

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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands

Redaktion und Expedition: SW. 68, Lindenstr. 3.

Rernivrecher: Ami Morinplas. Nr. 15190-15197.

Dienstag, den 16. Dezember 1919.

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Vorwärts- Verlag 6.m.b. H., GW. 68, Lindenste. 3. Fernivrecher: Amt Moriuplas, Nr. 117 53-54.

Wie Clemenceau siegte.

Umschwung bei den Gemeindewahlen.

Während in Italien und Belgien die Sozialisten einen unbestrittenen Wahlerfolg errangen, erscheint der 16. November in Frankreich als ein Triumph Clemenceaus, somit als eine Niederlage der Sozialisten. In der Tat verloren die Sozialisten 34 Mandate; statt 101 Sige bei den Wahlen im Jahre 1914, ertangen sie am 16. November nur 67 Man­date.

Die Kohlennot in Wien .

( Eigener Drahtbericht des Borwärts".) Man erwägt die Einstellung des gesamten Berionenverkehrs, da die Kohlensendungen aus Oberschlesien aus bleiben.

Sie dürfen.

Die britische Regierung erklärt amtlich, einen etwaigen ber baltischen und anderer Randstaaten, Zwei Wochen später, am 30. November, bei den Ge- Wunsch meinderatswahlen, bervollständigt bei den Stich Frieden mit der Sowjetregierung zu schließen, wahlen vom 7. Dezentber, trat jedoch scheinbar ein plöglicher feinerlei Schwierigkeiten in den Weg legen zu wollen. Umschwung ein. In Paris stieg die Zahl der sozialisti­ schen Stimmen gegenüber den Parlamentswahlen von nicht genügen, um die Niederlage bei den Parlamentswahlen 152 000 auf 160 000, während die bürgerlichen Stimmen von zu erklären. Bieben wir auch die Stimmenzunahme in Rech 383 000 auf rund 500 000 Stimmen zurüdgingen. Die Zahl nung, und die ist schließlich der Maßstab zur Beurteilung der sozialistischen Gemeinderatssige stieg von 16 auf 20. Der eines Wahiresultats, so ist sie bei weitem nicht ausreichend Bariser Gemeinderat zählt 80 Mitglieder. Sie müßte 28 be- angesichts der revolutionären Situation, die der Krieg in tragen, wäre die Wahlkreiseinteilung eine gerechte. Frankreich wie anderwärts geschaffen hat. Die Stimmen Noch größer sind die Erfolge in den dicht um Paris ge- zunahme entspricht eher einer normalen Entwicklungs. Lagerten Vororten. Bisher hatten die Sozialisten in 7 Vor- periode. Nach dem fürchterlichen Blutbad des Strieges, der orten die Mehrheit. Jest in 24 Vororten, und zwar in allen Sie gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche und moralische bedeutenderen. In vielen anderen Vororten, wo bisher kein Bankrotterklärung der kapitalistischen Gesellschaft ist, fonnte Sozialist in den Gemeindevertretungen saß, sind sozialistische man mit Recht auch in Frankreich ein ganz anderes Minoritäten gewählt worden.

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Resultat erwarten.

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Geschrei um Reinhard.

Wie immer, wenn einer von den Ihren fällt. beginnen auch im Falle Reinhard die Aldeutschen den üblichen Feldzug der Petitionen, Deputationen, Klageartikel usw. Ein paar gefügige Vertrauensleute aus dem Mannschaftsstande wer­den vorgeschickt, nachdem ihnen vorher von ihren Offizieren der Fall in möglichst gefärbtem Licht geschildert worden ist. Immer wieder taucht das Wort vom Reiter Berlins " auf. Wir haben schon bei früherer Gelegenheit die eigen­tümliche Retterrolle" Reinhards beleuchtet. Reinhard hat sich mit seinen Leuten während des ganzen Januar­putsches so passib wie irgend möglich verhalten. tation, die Reinhard aufforderte, zum Schuße der Regierung Wir besigen hinreichende Zeugnisse dafür, daß eine Depu­einzugreifen, von ihm in der höhnischsten Weise abge. wiesen wurde. Wir haben auch Beweise dafür, daß Rein­bard noch am 10. Januar sich weigerte, mit den Botsdamer Truppen des Majors von Stephani Hand in Hand zu ar­beiten. Alles, was im Januar an ernsthaften militärischen Handlungen zur Niederwerfung des Spartakusaufstandes ge­schah, ist zum mindesten ohne Reinhard getan worden. Seine Berdienste" im März sind ja durch den Marlohprozeß ichah, ist zum mindesten ohne Reinhard getan worden. Seine Berdienfte" im März sind ja durch den Marlohprozeß anderes Biel während der Unruhen verfolgt, als sich selber zur Genüge Klargestellt. In Wirklichkeit hat Reinhard fein stark zu machen und dann für alle Eventualitäten bereitzu­halten. Wir wüßten nicht, warum ihm die Regierung hier­für noch besonderen Dank schulden sollte.

Kurzsichtige Demagogenpolitik.

Heinrich Strö be! veröffentlicht in der neuesten Num­mer der Weltbühne" Ausführungen über den Leipziger Barteitag der Unabhängigen, die mir wegen der treffen. den Kennzeichnung des Wesens dieser Tagung unverkürzt wiedergeben:

Noch eklatanter ist der sozialistische Wahlsieg in der Wer von Deutschland nach Frankreich kommt, dem wird Proving. Bon allen großen französischen Städten find jofort eine der Ursachen der-sagen wir relativen nur Bordeaux und Toulouse in ungeteilten bürgerlichen Wahlniederlage der sozialistischen Bartei klar. Während man Besitz geblieben. Zwar Toulouse , das die Sozialisten infolge in Deutschland noch lebt wie zu Kriegszeiten, ist in Frank­der Spaltung der bürgerlichen Parteien vorübergehend er- reich alles im Ueberfluß vorhanden. Gewiß ist alles drei­obert hatten, fiel wieder an den nunmehr geeinigten bürger- und viermal teurer- gewisse Fertigfabrikate sogar noch lichen Blod zurüd. Dagegen eroberten die Sozialisten Lyon , mehr als vor dem Kriege, aber auch die Löhne, Gehälter, Marseille - diefe Stadt mit Hilfe der unabhängigen Gezia- Einnahmen der Bauern, sind drei- und mehrmal höher, be­liften, Lille , Toulon , Grenoble , Rochefort, Tourcoing , fonders die Einnahmen der Bauern. Die Steuern find zwar Troyes , St. Claude , Perigneur uftp. Sie behaupteten gestiegen, aber fast ausschließlich die indiretten Roubaix, Brest , Limoges , Montluçon , Monceau- les- Mines, Steuern, die man bekanntlich nicht als Steuern gleich er- Eine Abkehr vom nationalistischen Wahnsinn und der mifi. Lens uiw. Sie eroberten mit Hilfe der Radikalen und un- tennt, und auch diese verhältnismäßig in nur geringem taristischen Provokationspolitik wäre gleichwohl durchzufezen ge abhängigen Sozialisten von der Rechten eine Reihe großer Maße. Weder die alte Kammer noch Clemenceau hatten ein wesen, wenn die Unabhängigen sich mit den Rechtssozialisten in Städte, in deren Gemeinderäten sie erhebliche Minder besonderes Bedürfnis, den Wählern noch vor den Wahlen emen demokratisch- sozialistischen Blod zur Sicherung der Republik beiten haben, wie Havre , Nantes , Tours , Château- Tierry, neue Steuern aufzuhalfen. Man behalf sich mit der Noten zusammengeschlossen hätten. Der Noskismus bätte dann vor einer Boulogne, Valenciennes , Douai ust. presse, allerlei Kreditvorschüssen und furzfristigen Schatz- Politik der inneren und der internationalen Verständigung die Man fonnte annehmen, daß die Gemeinderatswahlen scheinen. Segel streichen müssen. Aber leider hat der Parteitag unfere die Niederlage der Sozialisten besiegeln würden. Einmal, Im übrigen rechnete der Finanzminister Klot dem schlimmsten Erwartungen noch übertroffen. Nie. weil die Gemeindepolitik für die sozialistische Agitation freudig aufhorchenden Spießbürger vor, wieviel bun- mals hat man Berhandlungen von solcher Gedankenarmut, niemals einen meniger günstigen Resonanzboden bildet. Zweitens war dert Milliarden Deutschland an Frankreich den Triumph solch trostloser Mittelmäßigkeit erlebt. Niemals sett man berechtigt anzunehmen, daß die Masse der politisch un- 3 u sablen habe. Deutschland wird zahlen, war und blieb Bestehen der deutschen Sozialdemokratie so verhängnisvolle Be ficheren Mitläufer sich der politischen Strömung vom 16. No- das Leitmotiv. schlüsse. An Haafes Stelle fitt nun, neben dem hilflos beslissenen beiber anschließen würde, während die Sozialisten, finan- Dem Durchschmittsbürger kommt aber erst zum Bewußt Barteischüler des Bolshevismus Grifpien ber magistrale Fanatiker ziell und physisch noch erschöpft, entmutigt durch ihre Nieder sein, daß etwas faul im Staate ist, wenn die Steuern wachsen Däumig, eine wunderliche Mischung von Revolutionsfanatiker und lage, nicht die nötige Schyoungkraft befizen würden, um den das heißt die direkten Steuern, wenn seine Einnahmen Organisationsphilister. Gie dirigieren fortan mit den Stöder und Wahlkampf um die Gemeindevertretungen mit dem nötigen mit den notwendigen Ausgaben nicht mehr im Einklange Koenen die Partei. Selbst der alte Geißsporn Ledebour war Nachdrud zu führen. Diese Umstände waren teilweise un- des Herkommens stehen. Wohl traut der Franzose diefem wegen seiner demokratisch- parlamentarischen Vorbehalte und seiner Jeugbar vorbanden mir meinen die physische und finan- Frieden nicht so recht, aber seine Unzufriedenheit war mehr Benverfung des Terrors Sen waschechten Räte- Fanatikern nicht zielle Erschöpfung, baben aber den unbestreitbaren Wahl- eine latente. Die Sozialisten, die sich bemühten, die radikal genug. Und entsprechend der Zusammenfeßung des Vor. erfolg der Sozialisten nicht verhindern fönnen. Um ihn rid Situation in ihrem wirklichen Lichte zu schildern, wurden standes legte man denn auch die Bartei auf das Rätesystem, auf tig zu würdigen, muß man fich die Niederlage bom als unbequeme Mahner angesehen und als Bolichawisten" bie Diktatur des Proletariats , bie dritte Internationale und die 16. November etwas näher ansehen und auf ihre Ur- verschrien. Weltrevolution fest. Solange die Unabhängigen unter einer fachen zurüdgehen. Und hier kommen wir auf die zweite Irface des Miß solchen Führerschaft und unter dem Zwange eines fo Bunächst muß in Rechnung gestellt werden, daß die erfolges der Sozialisten. Die sozialistische Partei batte für wirklichkeitsfremden Brogramms stehen, sind sie als Fattor einer Stimmerzahl der Sozialisten gegenüber den Wahlen von die Wahlen ein ausgezeichnetes Kampffeld. Sie brauchte nur pofitiven, aufbauenden Politik in Deutschland ausgeschaltet. 1914 um 20 Proz.- bon 1 330.000 auf 1 625 000- au­Ihr hemmungsloser Wortraditalismus wird ihnen, nahm, während die Anzahl der abgegebenen Stimmen von bei der hoffnungslofen Verfahrenheit der deutschen Zustände, der 8 100 000 auf etwas über 7000 000, alio um über 12 Broz., Unfähigkeit der Herrschenden und dem wachsenden sozialen Glend zurückging. Wir stellen Elsaß- Lothringen hier nicht in Rech auch fünftig noch Arbeiterschichten zutreiben: bem politischen Auf­nung. Während die Sozialisten im Jahre 1914 von 602 Men­fties und der fozialen Befreiung wird ihre furzsichtige Demagogen­Daten 101 erhielten, also ihre Mandatszahl ihrer Stimmen­politik nimmermehr dienen.. Jn Gegenteil: der Nostismus und die zahl entsprach, hätten sie 1919 mindestens 150( mit den Reaktion fönnen sich feine besseren Verbündeten wünschen. Des­eliäifischen Stimmen 160) Mandate erhalten müssen, statt gleichen die Machtpolitiker und Imperialisten der Entente, der 67 Mandate, die ihnen geblieben sind. deren Absichten auf die Berreißung und dauernde Schädigung Deutschlands in den bolfchemistischen Allüren der deutschen Unabhängigen und in dem unsinnigen Geschrei von der Weltrevolution ja die willkommenste Entschulbi­gung finden.

aufzeigen, daß die kapitalistische Gesellschaft durch diesen Krieg Bankrott gemacht hat, aus dem der Sozialismus allein die Menschheit zu retten vermag. Statt deffen gingen fie Clemenceau in die Falle und berbiffen sich in die Verteidigung von Cowjetrußland. Nun wird zwar fein Franzose nach einer Expedition gegen Rußland lechzen, aber nichtsdestoweniger sind die Franzosen feit dein Separat. frieden, den Rußland mit Deutschland geschloffen hat, schlecht auf die Bolichewisten zu sprechen. Der Wahlkampf, statt ausgefochten zu werden unter der Parole: hie Kapitalismus , hie Sozialismus, wurde geführt um das Schreckgespenst des Bolschemismus- in Rußland .

Dieies Mißverhältnis zwischen den sozialistischen Stim­men und Mandaten, das zunächst nicht allgemein ersichtlich war, ist einesteils dem Wahlsystem zuzuschreiben, dessen Mechanismus hier erklärt worden ist( fiche Borwärts" vom Dieses politische Schreckgespenst, das zu verteidigen die 15. November), andernteils der bürgerlichen Blodpolitik. noch unerfahrenen Führer der neuen Mehrheit die heroische Bei den Gemeinderatswahlen ist zwar im allgemeinen auch Dummheit begingen, fonnte bei den Wahlen zu den Ge­bas Listenwahlsystem gültig, doch nur nach; Orten. Es meinderäten nicht mehr in Artion treten. Denn hier handelt tritt also automatisch ein Ausgleich ein, denn nicht immer es sich um lokale, wirtschaftliche Fragen. Daber erfiärt es ist der Wahlausfall einer bestimmten Bartei günstig. Da sich, daß innerhalb vierzehn Tagen die antifozialistische tiefe Einsichten in das Wirtschaftsleben und die ökonomischen Mög­dort, wo eine Mehrheit im ersten Wahlgang nicht erreicht vielmehr die antibolichemistische- Strömung verfiegte und wird. Stichwahlen eintreten, an der alle Listen wieder teil­nehmen oder auch neue Listen gebildet werden können, haben die bürgerlichen Parteien nur wenig intereffe, von vorn herein einen Block zu bilden. Von dieser Bersplitterung pro­fitieren natürlich die Sozialisten.

Das allein erflärt aber nicht den Erfolg bei den Ge­meinderatswahlen, wie die Blodpolitik und das Wahlsystem

die Sozialisten, trot ihrer Erschöpfung, Erfolge errangen, von denen sie selbst überrascht wurden. Und vielleicht ist es gut fo. Die Niederlage bei den Barlamentswahlen wird ihnen eine Lehre sein. Die Verwaltungsaufgaben, die ihnen die Erfolge bei den Gemeindewahlen stellen, merden eine Schule sein, in der sie sich zu größeren Aufgaben praktisch vorbereiten fönnen. J. S. J.

Bemitleibenswert war die Rolle. die der Chef­redakteur der Freiheit" spielte. Rudolf Silfer. bing bat, wie ja seine Barteitageveben über die dritte Inter­nationale und die Aussichten des Bolschewismus bewiesen, viel zu lichkeiten, als daß er ohne Widerstreben seines ganzen geistigen Menschen diese Kursschavenkung der Partei hätte mitmachen können. Er fand ja auch manches tapfere und ehrliche Wort der Kritik gegen die rabiate Stimmungspolitik der verblendeten Mehrheit, Aber er drang nicht durch, denn sein Protest tam zu spät Sifferding in das Opfer feiner eigenen Taktif geworden. Vor Jahresfrist, als die Kautsky, Bernstein , Restricpte und ich ihn zum Stampf gegen den bolschewistischen Heilswahn drängtem