Nr.666.36.Jahrg.
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Vorwärts
Berliner Volksblatt
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Redaktion und Expedition: SW. 68, Lindenftr. 3. Fernivrecher: Amt Morisplas, Nr. 15190-15197.
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Mittwoch, den 31. Dezember 1919.
Vorwärts- Verlag 6.m.b. H., SW. 68, Lindenstr. 3. Ferniprecher: Amt Morigplak, Nr. 117 53-54.
Nach dem relativ entgegenkommenden Zon der franmehr glaubt. Diese Politik aber ist nichts anderes als ein zösischen Antwortnote darf man wohl jezt hoffen, daß der unheilvoller circulus viciosus, eine Verftrickung von Friedensvertrag demnächst endlich in Kraft treten wird. DaDie Anwerbung Deutscher für den Söldnerbiens im Auslande Dummheiten und Ungerechtigkeiten, aus der der Ausweg mit dürften auch die Beziehungen zwischen Deutschland und steht trots angeſtrengtester Bemühungen und Barnungen der deutschen um so schwerer zu finden ist, als sich nunmehr der Angst Frankreich eine gewisse Entspannung erfahren, und es wird Frankfurt a. M. eine Werbezentrale bei einem Automobilhändler vor der Zukunft noch die Angst vor dem schlechten Frankreich eine gewisse Entspannung erfahren, und es wird Regierung in voffer Müte. So wurde lant B. S.- Korrespondenz in im Interesse der beiden Staaten liegen, wenn man auf entdeckt. Unter anderen wurde ein dem Namen nach nicht bekannter Gewissen zugefellt hat. beiden Seiten den Beginn dieser neuen Phase der Welt- früherer Angestellter des ,, Marineficherheitsdienstes" als Und doch: es muß ein Ausweg gefunden werden, soll geschichte dazu bemüht, das Problem der gegenseitigen Be- Werber ermittelt. Jufelge Protefte der Zeitungen wurde ein Offizier nicht Deutschland zusammenbrechen und Frankreich mit sich ziehungen einer leidenschaftslosen Prüfung zu unterziehen. Der deutschen Bahnhofskommandantur zum französischen Ber - in den Abgrund reißen. Dieser Ausweg hätte in einem Eduard Bernstein hat einmal im Borwärts" der„ De- bindungsoffizier beschieden nud ihm dort mitgeteilt, daß die entscheidenden Zuwachs der französischen Sozialisten bei den klamationspolitik" die Bernunftspolitik" entgegengestellt, ahrichten über französische Werbungen großes Mergernis in letzten Wahlen gefunden werden können, aber seit dem allerdings zu einer Zeit nämlich vor der Ueberreichung Frankreich hervorgerufen haben. Lant Friedensvertrag hätten die 16. November haben wir diese Hoffnung aufgeben müssen. der deutschen Gegenvorschläge zum Versailler Friedensent Franzosen based, im befesten Gebiet Werbungen vor- Der rettende Ausweg liegt darin, daß beide Länder an tourf in der diese Deklamationspolitik" unentbehrlich Kurz, vor Weihnachten wurde dem Hauptschriftleiter der Saar - Stelle der Deklamationspolitik die Vernunftpolitik einschlawar, um dem Verzweiflungskampf der deutschen Friedens- zeitung", Josef Scherer, morgens 8 Uhr eröffnet, daß er bis gen. Eine einseitige deutsche Vernunftpolitik nügt in der delegation gegen die ganz unvernünftige Politik des Ober- mittags 12 Uhr Saarlouis verlaffen haben muß. Seine Ausweifung Lat herzlich wenig. Auch die Gegner müssen sich bemühen, ften Rates den Rückhalt einer möglichst einmütigen Volks- erfolgte wegen eines Artifels, der von der Zensur unbeanstandet im sich in unsere Lage zu versezen, unsere wahren Gefühle zu stimmung zu verleihen. Aber es ist unbestreitbar, daß nach Saarlouiser Journal erschien. Auch der Borgänger Scherers, Rebat erforschen und unsere wahren Verhältnisse kennen zu lernen. der vollzogenen Tatsache der Ratifizierung des Friedens Militärgericht zu zwei Monaten Gefängnis in 4000 m. Geldstrafe densvertrag und die deutschen Finanzen", den er kürzlich in teur Billig, war ausgewiesen worden, nachdem ihn das franzöfifche Am Ende eines eingehenden Vortrages über den Frieallein eine Bernunftpolitik" fruchtbar sein kann.. verurteilt hatte. Bis zum Eintritt Scherers wurde bann die ReEine der Hauptursachen der deutschen Niederlage war daktion der Saerzeitung von einem Mitglied des französischen Propa- Hamburg hielt, sagte das frühere Mitglied der deutschen die gänzliche Unfähigkeit der alten Regierenden, die Ge- gandabureaus, dem Agenten Lang, geleitet. Friedensdelegation Dr. Karl Melchior: fühle und Gedankengänge der anderen Völ- Nach zuverlässigen Meldungen werden die aus englischer ter zu erfassen. Ein bis ins Grotesfe gesteigertes Beispiel Gefangenschaft 3nrädgelehrten Saarländer von den diefer Unzulänglichkeit bieten die nunmehr traurig- berühm- Franzosen in Sichtungslagern zurädgehalten, weil die ten Randbemerkungen Wilhelms II. Und überhaupt die französischen Berwaltungsbehörben ihre Rüdtehr nicht geganze Kriegspolitit des alten Breußen- Deutschland wird tatten. Auf Anfragen antwortet die franzöfifche Berwaltung nun durch diese Unfähigkeit, sich in Haut und Hirn des Gegners burch eine Bekanntmachung, in der sie die Schuld an der VerBu bersegen, gekennzeichnet: fie bestand z. B. darin, daß man gerung der Heimkehr der deutschen Regierung in die die Londoner City mit Zeppelinbomben bewarf, um die sie französische Regierung der Rüdbeförderung der Kriegsgefangenen Schuhe schiebt. Sie erinnert dabei an das Wohlwollen, das Engländer mürbe zu machen", und nicht einsehen wollte, im allgemeinen und der saarländischen im besonderen entgegendaß man damit ihren Willen zum Durchhalten wirksamer gebracht habe. aufpeitschte, als es die schwungvollsten Reden Lloyd Georges und Churchills vermocht hätten.
Material für den Bölkerbund!
Rote Justiz.
aufgedeckt worden. 55 Personen wurden auf Befehl der außer
ordentlichen Kommission erschossen.
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Unser Schicksal und damit das Schfickjal des europäischen Kontinents wird davon abhängen, ob wir den Wiedergutmachungsausschuß zu der Einsicht bringen, daß die Grundlagen für die Begrenzung unserer Entschädigungspflicht nicht in den Zahlen und Mengen des Friedensvertrages, sondern in der Leistungsfähigkeit des deutschen Voltes, feiner Produktionsmöglichkeit und seiner Steuerkraft zu finden sind."
In dem Wiedergutmachungsausschuß werden aber auch Engländer und vielleicht Amerikaner figen( wie überhaupt das Problem der deutsch - französischen Beziehungen fein rein deutsch - französisches ist), und schon deshalb ist die Kontinentalpolitik der„ Vossischen Zeitung" noch lange keine Nun, es hat den Anschein, als wären weite Kreise des Vernunftpolitik; denn um den Schein einer fonsequenten deutschen Volkes im Begriff, in denselben verhängnisvollen Fehler einer oberflächlichen Beurteilung des Auslandes von Einem drahtlosen Berichte aus Moskau zufolge ist im Gon politischen Haltung zu wahren, haben die Kontinentalneuem zu verfallen. Wir leiden vielfach unter einer sub- vernement Pensa eine monarchistische Organisation politiker den an sich gefunden Gedanken der deutsch - französijeftiven Betrachtung unseres nationalen Unglüds und neideutsche Reichsregierung und gegen die angelsächsische Welt schen Verständigung in eine doppelte Sezze gegen die gen meistens dazu, in allen Handlungen der Gegner ausausarten lassen. Sie haben die blinde Anbetung der Regieschließlich Bosheit oder Nachegier zu erblicken, wo doch neben rung Clemenceaus so weit getrieben, daß die Humanité" diesen unleugbar vorhandenen Gefühlen auch andere vom 17. November die Behauptung aufstellte, die„ Vossische Motive oft bestimmend sind. Am ehesten gilt dies für den heimlich tief empfundenen ungeheuren Leistungen Beitung" fei von der französischen Regierung gekauft worden. jenigen unserer bisherigen Feinde, dessen Maßnahmen Deutschlands im Weltkriege, das durch das Weißbluten des Eine sicherlich unbegründete Beschuldigung, die aber für die zweifellos und besonders den Geist der Unversöhnlichkeit stets finderarm gewesenen Frankreichs noch schlimmer ge- Haltung des Blattes recht bezeicmend und beschämend ist. atmen man denke nur an die verschiedentliche Behand- wordene Mißverhältnis zwischen den BevölkerungsWill man aus der gegenwärtigen Verstrickung unserer lung der Kriegsgefangenenfrage! nämlich für Frank- ziffern der beiden Nachbarländer, die Sorge, daß im Beziehungen zu Frankreich herauskommen und das ängstliche reich. Laufe der Jahrzehnte an Stelle der Bündnisse mit der gan- Mißtrauen des französischen Volkes beseitigen, so darf man Es genügt in der Tat nicht zur Kennzeichnung unseres zen Welt ein Zustand der unfreiwilligen Verein- weder durch ein ewiges Ja und Amen" à la Boß", noch Verhältnisses zu Frankreich und für die Beurteilung unfe- ia mung eintreten fönnte, das alles und noch manche durch einen verbrecherischen Racherummel à la Deutsche rer fünftigen Auslandspolitik, daß man immer wieder und ähnliche Tatsachen und Befürchtungen find für die Politik Zeitung " die französische Regierung und ihre Bresse in dem immer nur von diesen offenkundig vorhandenen psychologi- der französischen Regierung uns gegenüber mindestens eben- Bahn bestärken, fie befänden sich auf dem richtigen Wege. schen Faktoren des Gaffes und der Rachesucht rede, denen so sehr bestimmend gewesen wie der nadte Geist der Rache Nein, zugleich mit eiftem objektiven Verfuch, die tragische wir auf Schritt und Tritt in fast allen Handlungen der fran- und der Schadenfreude. Will man dies bedenken und als| Lage Frankreichs dem deutschen Volke klarzulegen, muß auch, zöfifchen Regierung begegnen. Auch andere Beweggründe wahr annehmen, dann wird man viele drüdende Bedingun- sozusagen in einem Utem, den Franzosen gefagt werden, daß sind drüben vorhanden und oft ausschlaggebend, und gen des Waffenstillstandes von Compiègne und des Friedens es fann nur in unserem Interesse liegen, wenn wir uns be. von Versailles anders auffaffen als bisher. mühen, auch diese letteren kennen zu lernen.
So paradoral es flingen mag, immer deutlicher erscheint als eins der wichtigsten Motive der Franzosen das Gefühl der Ang ft. Es ist die Angst vor Deutschland und vor der Zukunft überhaupt.
Die meisten Deutschen , die unter dem vernichtenden Eindruck unferes allgemeinen Busammenbruches und der schrecklichen Zukunftsaussichten stehen, die der Versailler Vertrag für Deutschland eröffnet hat, find überhaupt nicht in der Lage, diese Angst der Franzosen zu begreifen, oder fie werden sie nicht für aufrichtig halten.
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ihre bisherige Politik Deutschland gegenüber geradezu töricht, ja selbstmörderisch ist. Wenn der" Temps" vom 14. Dezem Es braucht nicht hinzugefügt werden, daß gerade die ber erklärte, die französische Regierung hätte bisher„ selbst Politit von Compiègne und von Bersailles, die Politik von auf die Gefahr hin, mit der eigenen öffentlichen Meinung Foch und Clemenceau , gerade vom Gesichtspunkte der Angit in Konflift zu geraten, alles getan, um einen Sturz der reaus betrachtet, kurzfichtig und dumm gewesen ist. Denn noch publikanischen Regierung in Deutschland zu verbindern", To viel wirksamer für die zukünftige Sicherung Frankreichs als ist das einfach ein schlechter Wiz. Die Aufrechterhaltung der die drakonischsten Bedingungen gegen Deutschland wäre ein Blodade bis acht Monate nach dem Waffenstillstand, die Verwirklich gerechter Friede gewesen, der Friede des sailler Friedensbedingungen, die Wiederverhängung der Ostwahren Völkerbundes, der Friede der 14 Wilsonschen Punkte. feeblocade, die argwöhnische Behandlung der inneren deutDas hat noch fürzlich der italienische Geschichtsforscher Guichen Sicherheitsmaßnahmen, die Zurückhaltung der deutschen glielmo Ferrero, der während des Krieges alles Striegsgefangenen über ein Jahr nach der Rückkehr der franandere als ein Deutschenfreund war, im Secolo" in schärf- zösischen och! und so vieles andere aus dem ersten Jahr Die Absicht liegt mir wirklich fern, für die Gegen- fter Form zum Ausdruck gebracht. unferes nationalen Unglüds-, das alles bildete abwechselnd partei zu deflamieren, aber ich möchte doch sagen: um Die Angst ist es zum Teil gewesen, die die französische für die äußerste Linke und für die äußerste Rechte, für die diese Seite der französischen Binche zu erfassen, ist es not. Regierung dazu verleitet hat, durch den Versailler Vertrag Boliche wisten und für die Militaristen, das beste wendig, Nordfrankreich selbst geseben zu haben- das eigene Wort zu brechen und sich über die elementarsten und billigste Propagandamaterial gegen unfere einst und jetzt! Wer bei Tageslicht die Strecke Maubeuge Gefeße der Gerechtigkeit hinwegzusetzen. In gewissen Be republikanische Regierung, gegen unsere demoCompiègne gefahren ist und sodann den tragischen Gegenstimmungen des Vertrages, jo in dem Anschlußverbot fratische Republik. satz zwischen dem endlosen Ruinenfeld der Kriegszone und für Deutschösterreich oder in der gewaltsamen In einer der ersten Sizungen der Nationalversammlung den blühenden Gegenden auf der weiteren Strede Com- Trennung Deutschlands von Rußland , tritt diese fran- in Weimar rief Genosse Landsberg in einer Abrechnung piègne Baris mit eigenen Augen gesehen und ohne über- zöfifche Angst vor der Zukunft deutlich zutage. Aber immer mit dem alten Regime den Deutschnationalen zu: Wie triebene, weltfremde Sentimentalität, aber mit normalem beutlicher erkennen die Franzosen die Undurchführbar- habt Ihr das Gottesgeschenk der russischen Revolution Menschenherz empfunden hat, der wird es viel leichter feit des Friedensvertrages und den Pyrrhuscharakter ihres in den Schmuß getreten und bergendet!" Arbeitet Clemenbegreifen können, welche verzweifelte Stimmung die Seele Sieges". Aber der eigensinnige Greis, der heute über ceau weiter in der bisherigen Weise gegen Deutschland . des französischen Volkes erfüllt. Europa regiert, begeht eher neue Ungerechtigkeiten, als daß dann werden sich eines Tages die Befürchtungen Frankreichs Aber nicht allein der trostlose Rustand jener Industrie er die einmal eingeschlagene Bahn verlassen möchte: nur so in dieser oder jener Form verwirklichen, und dann werden. gebiete, die früher die Hauptquelle seines Reichtums waren, ist es zu erklären, daß unsere Kriegsgefangenen noch als auch drüben aus dem Munde eines Abrechners die Worte erhat Frankreich in diese Stimmung versetzt. Die frische Er- Fauftpfand für die Durchführung eines Vertrages betrachtet tönen: hr habt das Gottesgeschenk der deutschen Re innerung an die nur selten offen zugestandenen, aber immer werden, an dessen Durchführbarkeit man drüben selbst nicht bolution verscherzt!"
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