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Militärifther Verbrecherschutz. Der Befehlshaber des Wehrkreiskommandos I, General- leutnant v. E st o r f f, stellte, wie ein Mittagsblatt meldet, auf Grund eines in der T i l s i t e r V o l k s st i m m e* von dem mehrheitssozialistischen Abg. Wolff-Tilsit der- öffentlichten Artikels.Der Vulkan im Osten" Strafantrag wegen Beleidigung der Offiziere der deutschen Truppen im Baltikum, welche darin u. a. als Verbrecher bezeichnet werden. Die Offiziere der Baltikumtruppen find selb st der- st ä n d l i ch V e r b r e ch e r, die sich der schweren Meuterei, der Fahnenflucht, der Aufwiegelung und noch eines Dutzend ähnlicher schwerer Delikte schuldig gemacht haben. Unferet- wegen kann Herr v. Estorff wegen dieses Satzes auch gegen uns Strafantrag stellen. Es fragt sich nur. ob er überhaupt eine Berechtigung dazu hat. Straf- antrüge im Namen von Leuten zu stellen, die seiner Befehls- gewalt gar nicht unter st anden, sondern auf eigene Faust im Baltikum ein Söidnerleben führten. , Von dieser juristischen Frage abgesehen, halten wir es für einen Skandal, daß man versucht, die Meuterer, die selber vor das Gericht gehören, noch durch Straf- antrüge amtlicher Stellen zu decken.

Kommunistische Geüankenlostgtew In der.Roten Fahne" wird das vom Reichsarbests- Ministerium vorbereitete neue Lohnsystem, das sich der Entwickelung der Warenpreise anpassen soll, be- kämpft. Daß die Kommunisten von der sozialpolitischen Eni- Wickelung keine Ahnung haben, ist nicht erstaunlich. Es ist ja viel einfacher, blauen Dunst zu machen, als mit den Tat- fachen und mit den bisherigen Erfahrungen von Wirtschaft- licher Entwicklung. Gesetzgebung und Verwaltung zu rechnen. Mit ihrem Mangel an Wissen prunkt die.Rote Fahne", indem sie behauptet, daß das nun in Deutschland und Deutsch -Oesterreich zur Verminderung kostspieliger Lohnkämpfe amtlich geplante neue Lohnsystem aus England stamme. In England hat man in der Kohlenindustrie den Versuch gemacht, die Löhne der Bewegung der Kohlenpreise anzupafien, was etwas völlig anderes ist als die Anpassung der Löhne an die Preise der wichtigsten Waren zur Befriedigung der Lebens- bedürfnisse der Massen. Richtig ist der Einwand der.Roten Fahne", daß bei wachsendem Schwinden der Warenvorräte den Arbeitern der reale Wert ihrer Arbeitskraft nicht zu sichern ist. Wo nichts ist, hat, abgesehen von den Kommunisten, jedermann sein Recht verloren. Große Warenvorräte in der Welt zu erfassen ist der deutschen Arbeiterklasse infolge der mangelnden Kaufkraft verweigert. Deshalb streben wir die Anpassung der Löhne an die Warenpreise an. Die Kommunisten sind gegen das neue Lohnsystem, weil es keinrevolutionärer Weg" sei und weil es beim Schwinden der Warenvorräte nicht zum Ziele fiihre. Jetzt fehlt nur noch, daß die Kommunisten beweisen, daß man auf dem re- volutionären Wege die Massen der städtischen Bevölkerung ernähren könne, nachdem die Warenvorräte geschwunden sind. Selbst mit der feinstausgeklügelten Rationierung der kommu- nistischen Gedankenlosigkeit und des großspurigen Wort- geklingels in ihren Versammlungen und Zeiwngc« wird man keinen Säugling vom Hungertode retten.

valtensthwem und Noskehuaü. In derTäglichen Rundschau" gibt ein aus dem Basti- fum zurückgÄehrter Hauptmann Damm seine Eindrücke beim Rückzug zum besten. Hauptmann Damm ist sehr ent- täuscht über den Empfang, den die deutsche Bevölkerung Ostpreußens den Baltibumern bereitet hat. Daß die Ost-

Preußen über die battischen Rückläufer nicht entzückt sei« konnten, dafür haben diese schon genügend durch Rauben und Plündern gesorgt. Besonders schlecht war das Verhält- nis der Baltikmner zur Reichswehr. Hauptmann Damm schreibt darüber: Unsere Leute vertrugen sich mit den Reichswehrangehöri- gen m ä tz i g. D-ie titulierten uns mit23 a l t e n sch w e i n e", worauf unsere Feldkrieger prompt mitNoSkehund" res- gierten." Hauptmann Damm kommt zu dem Ergebnis, daß es sich nicht lohnt, für das deutsche Volkauch nur einen Finger krumm zu machen. Hätte er nur früher diese Ueberzsugung gehabt und samt seinen Spießgesellen das bat- tische Abenteuer aufgegeben, das übrigens durchaus nicht so uneigennützigen Motiven entsprang, ehe das deutsche Volk schweren Schoden durch das eigenmächtige und disziplm- widrige Handeln hatte._ Nebeneinkommen und dienstpenston. Es bestätigt sich, daß im Reichsfinanzministerium ein Gesetzentwurf in Vorbereitung ist, wonach die Reben- einkommen der Offiziere und Beamten im gewissen Sinne auf die Pension angerechnet werden sollen. Der Gesetzentwurf ist die Folge von Kwei Resolutionen der Natio­nalversammlung zum Offizierspeufionsgesetz. Der in Aus- ficht genommene Gesetzentwurf hat keinesfalls die Ab- ficht, die Notlage der Staatspensionäre noch zu vergrößern. Das Reich ist jedoch heute nicht mehr in der Lage, Staats- Pensionären, die ein großes Nebeneinkommen haben, von dem sie ihren Lebensunterhalt vollständig bestreiten können. auch noch die Pension in ihrer vollen.Höhe zu gewähren. Härten für die kleinen Pensionäre sollen nach Möglich- keit vermieden werden. Andererseits aber hat die finanzielle Notlage des Reiches zu diesem Gesetzentwurf ge- führt, Uns erscheint eS nötig, die Nebeneinkommen der kleinen Pensionäre überhaupt nicht von der Pension abzuziehen. Wenn dieDeutsche Zeitung" jetzt Sturm läuft gegen die Regierung wegen des angekündigten Gesetzentwurfs und dabei schreibt, daß sich ein großer Sturm der Entrüstung bei den Offizieren eingestellt hat, so ist das außerordentlich bezeichnend für den Patriotismus dieser Leute, der nur bis zum Geldbeutel geht.

vernichtenüe Kritik. Der Fehsspruch des Kriegsgerichts im Falle'Helmhocke- Hiller kann nicht trefflicher illustriert werden, als dadurch, daß selbst einem extrem alldeutsch -nationalistischen Blatt, der Deutschen Tageszeitung", diese Milde gegenüber einem rohen Foltersknecht über die Hutschnur geht. DieDeutsche Tageszeitung" schreibt: 6s ist ohne jede Krage, baß der Oberleutnant Hiller sich höchst bedenkliche Uebergriffe hat zuschulden kom- men lassen, die durch ferne physische und psychische Verfassung Mar erklärt, aber nichtvollentschuldigt werden können. Und eS ist sicher, daß eS dem allgemeinen Empfinden wohl mehr«»tsproche« haben wärt*, wenigstens nach dem Bild der Lerharldlung, das die OeffentKchkeit sich aus dem Bericht der Presse machen kann, wenn ssch daS Strafmaß mehr dem Au- trag de? AnklagevsrtreterS genähert hätte." Selbst von derDeutschen Tageszeitung" als zu milde kritisiert zu werden, daß ist m der Tat das schlimmste, was den Rilitärrichtern paissieren konnte. Wenn der letzte per- zweifelte Widerstand der Militaristen gegen die Aufhebung der Militärjustiz sich regen sollte, dann wird man gut tun, an diese Kritik derDeutschen Tageszeitung" zu erinnern.

Gräfe als Klickfthneiüer. Genosse Abgeordneter Otto Wels sendet unS foloendc Zuschrift: Herr v. Gräfe-Goldebee krastmeiert in seinem Leiborgan, derDeutschen Zeitung", über den Friedensvertrag, den wir seiner und seiner Freunde Politik zu danken haben. Dabei kommt er auf eine Auseinandersetzung zu sprechen, die er über die AuslieferungSftage mit mir im Hauptausschuß der Nationalversammlung vor längerer Zeit gehabt hat. Herr d. Gräfe hatte damals die Frage aufgeworfen, ob etwa daran gedacht werde, Geiseln festzunehmen, falls sich die Auszu- liefernden nicht, stellen würden. Äuf diese politisch m. E. sehr unkluge Frage antwortete ich ihm, daß man von Geiseln lieber nicht reden solle, denn leider hätten ja die Franzosen deren mehr denn 400 000 in ihren Händen. Diese jedem normalen Menschen verständliche Antwort verkuhwedelt Herr von Gräfe, um mir etwas am Zeuge zu flicken. Für diese Be- reitwilligkeit danke ich aber bestens, denn wenn Herr v. Gräfe schon als Politiker nichts taugt, so traue ich ihm als Flick- s ch« e i d e r noch weniger zu." Zum Zoll Stlarz. Genosse Rudolf Wissel! schickt unS folgende Erklärung: Die Bebauptung, daß nach der Weigerung des Reichs- kommissarS für Aus- und Einfuhrbewilligung, der Firma Eklorz eine Durchfuhrbewi ll igung für Textilwaren aus der Schweiz nach Polen durch Deutichland zu erteilen, ich mich zugunsten des Sklarz beim Reichskommiflar verwandt und erklärt habe, Stlarz habe sich so große Verdienste um die Revolution erworben, daß man ihm aus Dankbarkeit einen Schein bewilligen solle, ist in jeder Hwsicht»nzutreffrnd. Für meine Maßnahmen während meiner Amtszeit waren eS ist traurig, daß ich daS besonders betonen muß nur Gründe des Allgemeinwobls maßgebend und nicht Rücksichten aus irgendwelche Verdienste emer oder der anderen Person. In der Tat ist�der Firma Stlarz eine Durch- fuhrbewilligung, wie ich mich noch zu entsinnen weiß, erteilt worden. DaS ist jedoch geschehen, nachdem Herr Unterstaats- sekretär Töpfer vom Auswärtigen Amt dem WirtschaftSmintsterium mitgeteilt hatte, daß em außenpolitisches Interesse an der Erteilung der Durchfuhrbewilligung bestehe. Mit der Durchfühiung dieser Bewilligung hatte ich nichts zutun. ' Diese Talsachen werden sich sowohl auS den Akten des Wirt« schaftSministertumS. des Auswärtigen Amts, wie des Reichs- kommissars für AuS- und EinfuhrbewUligung ergeben. Rudolf Wissel!. Ob die Verbreiter jener Beschuldigung auch diese Erklärung ihren Lesern mitteile« werden? Herr Sklarz teilt demLok.-Anz." mit, daß der Durchfuhrverkehr Schweiz Polen infolge der szt. Verzögerung der deutschen Bewilligung seither regelmäßig durch Oesterreich geht. « Der sozialdemokratisch« llntersuchungSaui- fchuß zum Fall Sklarz hielt am Dienstag eine mehrstündige Sitzung in Berlin ab. Räch den Bekundungen der an den Ent- hüllung«, hauptsächlich beteiligten Persönlichkeiten ist anzunehmen, daß der Ausschuß nunmehr Besitzer des gesamten Material« ist, so- weit eS für seine Untersuchungszwecke in Frage kommt. Der Aus- schuß wird am Freitag, den S. Januar 1S20 zu einer weiteren Sitzung zusammentreten. Rebenher gehen bekanntlich mehrere ge- richtliche Untersuchungen. Der Vater des flüchtig gewordenen Sonnenfeld bemüht sich, den sozialdemokrattiche« Unlersuchu«LSau«schnß als.Gaukelei" hinzustellen. Er glaubt mitteilen zu können, daß beabsichtigt sei, daß an Stelle des Abgeordneten S o l l m a n n, der zum Vor- fitzenden de» Ausschusies bestimmt gewesen sei, der Abgeordnete Sinderman» gestellt werden n>ll. Er behauptet weiter: .Sindermann in Dresden ist mit Gradnauer zu identifizieren, Gradnauer ist aber nicht nur der Verwandte, sondern auch der Geschäftsteilnehmer von Sklarz." Alles das ist alberne« und erlogenes Gewäsch: Zunächst ist Ministerpräsident Gradnauer in Dresden mit Stlarz

Peter Schlemihls Erlösung. 6] Erzählung von Edgar Hahnewald . Dann ober kam eine schwere Zeit. Immer häusiger mtd immer dringender erging die Auftorderung an die Bevölkerung, daS vor- handene Gold an die Banken abzuliefern. Ich trug täglich meine Goldstücke an die Schalter, an denen man mich lange mit Hochachtung, allmählich aber mit Erstaunen und endlich mit'offenem Mißtrauen empfing. Meine unerschöpflichen Goldstücke erregten Verdacht. Die Beamten ließen sie immer aufmerksammer auf dem gahlbrett springen ich begriff, daß sie an der Echtheit dieser Münzen zweiselten. Ich wußte noch nicht, daß ich der einzige war, der sie noch so häufig und so regelmäßig brachte. Schließlich sagte man mir das einmal in einem Tone, der mich aufhorchen ließ. Eine Sekunde lang sah ich in eine dunkle Zukunft. Und doch kam mir, töricht wie ich noch immer war, nicht einmal der Gedanke, von meinem Golde eiu Vermögen in pckpierne Roten umzuwechseln und so in Sicherheit zu bringen. Ich lief täglich zu einer anderen Bank, um mein Gold zu wechseln, ohne das ich doch nicht leben konnte. Man kannte mich bald an allen Schaltern, und überall sah ich in erstauute und mißtrauische Augen, wenn ich meine Goldstücke aufzählte. Man hielt mich entweder für einen Geizhals, der sich nur stückwetse von seinem Golde trennen könne, oder für einen Fälscher. Die Blicke sagten eS mir. Ich wagte mich schließlich nicht mehr aus die Bank. Ich bezahlt« meine Einkäufe mit Gold und begegnete bald in alle« GeschSstev dem gleichen Mißtrauen. Ich verließ die Stadt und wechselte nun auf einer rastlosen Flucht vor diesen Blicken fortgesetzt meinen Aufent- halt. Ueberall war ich schon nach wenigen Tagen als der Mann mit den Goldstücken bekannt. Alle anderen Menschen zahlten fast nur noch mit Papiergeld. Schließlich tonnte ich diese Blicke nicht mehr ertragen. Ich verfluchte meinen GlückSsäckel, der, so oft ich auch hineingriff, immer die gleichen zehn Goldstücke her« gab. Da saß ich ein unendlich reicher Mann und doch dem Elend preisgegeben. Ich sah keinen Ausweg aus dieser Rot. Ins Ausland zu gehen wagte ich nicht, denn auch dort hätte mich die deutsche Prägung meiner Goldstücke sehr bald verdächtig gemacht. So irrte ich in Deutschland umher, ärmer als emer der Armen» die ich vor kurzem noch beschenkt, zog von einer Stadt zur andern und wechselte mein Gold bei den kleinen Krämern der Vorstädte, die sich mit einem erstaunten Ausrufe begnügten, ohne mich wegen der Herkunft des Goldes zu examinieren. Mein fluch- würdiger Reichtum brachte mich mit unsauberen Gesellen in Be- rührung, die die Goldstücke mit unverhohlenem Entzücken in ihren klebrigen Fingern prüften und sie mir für ihre dunklen Geschäfte abtauften. Ich führte damals ein gehetztes, armseliges Leben, und obendrein wurde e« immer schwieriger, so zu leben. Ein Dichter könnte mein Schicksal breit auS spinne»: ei» Ran« mit dem uaer-

schöpflichen Glücksbeutel in der Hand, dem Elend und dem Hunger preisgegeben«S wäre ein prachtvoller Vorwurf für eine» Roman. Meine ganze Geschichte ist eS. Ich bin kein Dichter, denn ich besitze keine Phantasie. Ich habe zu viel gesehen und da« hat mein« Phantasie ertötet. Ich- kann Ihnen meine Geschichte darum nur erzählen." Paul streifte mit einem Blick unschlüssig den seltsamen Mann. Schlemiyl saß neben ihm, arm und elend in all seinem goldenen Reichtum, mit dem ihn der märchenhafte Glücksbeutel beschenkte. Und doch saß er da vornehm gelleidet, mit der Sicherheit, die nur der Wohlstand verleiht. Er kam aus einer Welt unbegrenzte, Möglichkeiten. Alle» war von ihm zu erwarten. Hatte er gestohlen. geraubt, einen Mord begange»? Ein leise« Grauen beschlich Paul. Schlemihl erriet Pauls Verdacht und sagte ironisch lächelnd: Ich weiß, was Sie denken. Ich weiß. Sie trauen mir jetzt das Schlimmste zu. Die einfachste Erklärung finden Sie nicht mir selbst schien sie damals nicht einfach. Höre« Sie. Elend und arm irrte ich umher und erwünschte mir den Tod. der mir versagt blieb. Und so trieb eS mich wieder einmal in diese Stadt zurück, die im Dunkel des dritten Kriegsjahres lag und noch ruhiger war al» sonst. Ich betrat meine Villa wieder, deren Räume ausgestorben und tot dem Staube so langer Zeit preisgegeben blieben. Ich durchschritt diese Räume, sah die vornehme Pracht, dir mir mein Reichtum gestattete, al« ich ihn noch zeigen durste, ohne die Augen scheu vor fremden Blicken senken zu müssen. Ich fand den Brief» tosten am Tore gefüllt mit Briefichasten. Ich trug fie hinein und öffnete fie ohne Neugier. Es waten Bettelbriefe, die ich wehmütig 'lächelnd beiseite legte. Die Armen, die da baten, hatte« ja keine Ahnung davon, daß ich in all meinem Reichtum ärmer war al« fie. Ich fand Bankabrechnungen, in die ich kaum einen Blick warf wa» ging mich da» an! Geschäft«- berichte industrieller Unternehmungen waren unter den Briefen. Ich la« fie flüchtig und stutzte. Ich la» fie aufmerksamer meine alten Hände zittert«. Nun nahm ich auch die Zuschriften der Banken noch einmal vor. Und immer deutlicher stieg eine Erkenntnis in mir auf, die mir das Herz heftig klopfen machte. Briefe meine? Notars, der meine Geschäfte treulich wettergeführt, gaben mir die letzte Gewißheit. Ich war reich. Ich war ein reicher Mann auch ohne Glücksbeutel. AL« diese Zuschriften, die nicht Bettelbriese waren, rechneten mir vor. daß mein Gold. da« ich damals ausgeliehen hatte, Reichtum heckte. ES trug Zinsen, brachte Dividende. Arme Industriebetriebe, die der Weltkrieg Vollend» zu ruinieren drohte und denen ich half, waren zu große« Fabriken aufgewachsen, in denen Hunderte und Tausende von Männern und Frauen Granaten. Stacheldraht, Unisormtuch, Sättel, Gewehre, Patronentaschen, Trainwagen, Wollbemden und Konserven für den Krieg anfertigten. Während ich arm und elend durch Deutschland irrte, meinen Glücksbeutel verfluchend, wurden jene reich. Und ich zu« zweit« Kaie mit ihne». Ich brauchte nur hinzugeh« und

die Zinien und Dividenden abzuholen, die dank der Sorgfalt meines Rotars in den Tresor« der Banken auf mich warteten, und ich war wieder ein reicher Mann. Ich durste die Jalousien meiner Villa aufziehen, durfte wieder ünter Menschen geben, aufrechten Ganges und freien Blickes, denn ich war reich auf eine Art, die mich von dem Golde meines Glücksbeutels befteite. Da» schlug jäb wie ein Blitz verjüngenden Lebens in meine alten Adern. Ich brauchte meinen Glücksbeutel nicht mehr. Ich tonnte ihn verschließen und war dennoch reich. Und ich erkannte schaudernd diese neue Kraft meines Goldes; es heckte Reichtum ohne mein Zutun, ohne daß eS mich eine andere Mühe getostet hätte als die, Geld dorthin zu geben, wo eS Geld heckte. Ich hatte nie in meine« Leben eine Granate betastet, ich verstand nicht ein« einzig« der taufend Handgriffe, die zu ihrer Herstellung getan werden müssen, ich kannte weder die Bereitung des Stahls, au« dem fie gegossen, noch das Geheimnis der Puldetmifchung. mit der sie gefüllt wurde. Ich hätte nicht die kleinste Schraube an einem Trainwagen zu befestigen gewußt, ich verstand von der Her- stellung all der vielerlei Dinge, die da mit meinem Gelde fabriziert wurden, nichts. Ich hatte weder eine Ahnung vom kaufmännischen noch vom technisch« Prozeß der Fabrikationen, an dmen mein Geld mitwirkte. Ja, ich handelte nicht einmal in berechnender Klugheit, als ich mit meinem Reichtum jenen Fabrikanten half, und doch strömte mir nun aus jenen Unternehmungen ein neuer Reichtum zu, den ich mühelos erwarb und genoß. Seit jenem Tage blieb der Glllcksbnitel verschlossen im Geheimfach meine« Schreibtisches. ich sehe ihn nicht«ehr an, denn ich brauche ihn nicht mehr." .Sie»erden ihn in Zukunft noch weniger brauchen", warf Paul angriffslustig ein, der nun das veränderte Wesen Peter Schlemihl« begriff. Er saß neben ihm als Vertreter einer ver- finienden Ordnung. .Sie spielen auf die Revolution an", erwiderte Schlemihl. Ich gestehe, und Sie werden eS aus meiner Geschichte heraus- gehört haben, daß ich mich mit Politik nie befaßt habe. In mein« jungen Jahr« war Politik die Angelegenheit der Kabinette. Sie war es wohl bis jetzt trotz aller Parlamente. Ich habe mich nicht darum gekümmert. Ich nahm ihre guten und schlechten Folgen hin wie Regen und Sonnenschein. Ich war reich Mein Reichtum floß mir mübeloS in die Hände. Sie, die Klasse, der Sie angehören, haben ein anderes Verhältnis zur Politik. Sie litt« unter ihren Wirkung«. Und ich finde te natür­lich. daß das Schicksal, duldend, leidend, unwirksam unterworfen zu sein, alle Kräite in einem Staubecken sammeln mußte, aus dem fie fich nun zu höchster Wirksamkeit ergießen. Die Rollen find ver- tauscht, ein Kreislauf ist geschlossen. Ich stehe den Ursachen zu fern und bin weder am Alten noch am Neuen beteiligt.. Paul unterbrach ihn heftig. .Sie irre«, wenn Sie das glauben. Sie find mit Ihrem ganz« Sein beteiligt. Sie irr« wie jene, die in der Revolution nicht«etzr als den Wechsel de» politischen Systems zu sehe«»er-