Nr. 137. Jahrgang
Beamtenfragen.
1. Beilage des Vorwärts
A
In dem früheren Dreiklaffenparlament war es immer die kleine sozialdemokratische Fraktion, die mit Ent schiedenheit die Juteressen der Beamten vertrat. War doch der Beamte im alten lassenstaat der unfreieste Mensch der staatlichen Gemeinschaft. Und das nicht nur während des Dienstes, sondern auch außerhalb des Berufes. Bedin gungslose unterwerfung unter die Autorität des Staates, das heißt der vorgesezten Behörde, var im Obrigkeitsstaat das erste und legte Gebot für den Beamten. Die meisten Beamten fonnten ihre staatsbürgerlichen Rechte nicht nach ihrer Ueberzeugung, sondern nur nach Vorschrift der Regierung ausüben.
Nun ist eine neue Zeit gekommen. Sie hat unter der Führung der Sozialdemokratie auch den allgemeinen staatsbürgerlichen Forderungen der Beamten zum Siege verholfen.
Die sozialdemokratische Fraktion der Preußischen Landesversammlung geht daher praktisch an die Arbeit, um mit alten überlieferten Bestimmungen aufzu räumen. Sie hat unter anderem auch den Antrag gestellt, daß den Beamten das Auswärtswohnen gestattet werden soll. Der Antrag verlangt:
die Staatsregierung zu ersuchen, unter Aufhebung der Bestim mung der Kabinettsorder vom Jahre 1793, allen Beamten und Angestellten das Auswärtswohnen von ihrem Beschäftigungsort auf Ansuchen ohne den Nachweis der Notwendigkeit zu gestatten. Stehen in Ausnahmefällen dienstliche Interessen dem entgegen, so ist vor Versagen der Erlaubnis der Beamten - bzw. Angestelltenausschuß zu hören.
. Des weiteren ersucht ein sozialdemokratischer Antrag um Beseitigung der geheimen Personal. aften. Er ersucht die Staatsregierung, dem Parlament
1. unverzüglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch der im welchen alle geheimen Perfonalat ten Staats oder Gemeindedienst stehenden Beamten, Angestellten und Arbeiter abgefchafft werden. 2. Bei Eintragung in die Personalatten ist dem davon Be troffenen Mitteilung zu machen; die von ihm zur Sache abgegebene Erklärung ist der erfolgten Eintragung anzufügen. 3. Auf Ansuchen des Betroffenen ist vor der Einleitung von Verfahren jeder Art der Beamten -, Angestellten- b3tv. Arbeiterausschuß zu hören.
4. Die Personalakten find den Beamten, Angestellten und 4. Die Personalakten find den Beamten, Angestellten und Arbeitern jederzeit persönlich zur Einsicht vorzulegen.
Durch Annahme dieser Anträge ist die Führung aller geheimen Personalakten der im Staats- oder Gemeindedienst beschäftigten Personen aufgehoben. Die Beamten haben das Recht, Einsicht in die Personalaften zu verlangen.
In das herrschende Juristenmonopol hat die Annahme eines sozialdemokratischen Antrags Bresche geschlagen. Zunächst in der Eisenbahn- Bauverwaltung. Der Antrag ersucht die Staatsregierung:
mit tunlichster Beschleunigung dafür Sorge zu tragen, daß die höheren technischen Beamten der Bauverwaltung und der Staatseisenbahnverwaltung in ihren Anstellungs- und Beförderungsverhältnissen grundsäßlich den juristisch vorge bildeten höheren Beanten dieser beiden Verwaltungszweige gleichgestellt werden.
Damit wurde die Gleichstellung der höheren Techniker mit den Juristen auch in den anderen Verwaltungen erreicht. Um auch den mittleren Technikern den Aufstieg zu ermöglichen, hat unsere Fraktion einen Antrag gestellt,
die Abfolventen der staatlich- technischen Mittelschulen gleichzustellen mit den Abiturienten der Gymnasien
in Beziehung ihrer Weiterentwicklung an den technischen Hochschulen.
Den Absolventen der technischen Mittelschulen wird nach Ablegung einer Ergänzungsprüfung in den allgemeinen Fächern das Recht eingeräumt, die technische Hochschule zu besuchen.
Im Haushaltsausschuß traten die Sozialdemokraten dafür ein, daß das Studium der Markscheidekunde von vier Semestern auf sechs Semester zu erhöhen ist. Zur Besserstellung einer großen Kategorie von Beamten haben die Sozialdemokraten folgenden Antrag eingebracht, der vom Zentrum und den Demokraten unterstützt wurde: die Staatsregierung zu ersuchen, bei der zu erwartenden Neuregelung der Beamtenverhältnisse den gehobenen Unterbeamten den Rang der mittleren Beamten zu verleihen.
Die neue Zeit hat außerdem den Beamten das Koa. Iitionsrecht gebracht. Wir wissen, daß eine große Zahl von Beamten, namentlich die unteren und mittleren, den Gedanken der Revolution mit Begeisterung aufgegriffen haben. Sie haben sich dafür eingefekt, bei der Beamtenschaft dahin zu wirken, daß ein neuer Geist in die Verwaltungsförper einziehe. Die Beamten, die in diesem Sinne gewirkt haben, gilt es, vor Maßregelungen zu schüßen. Das ist der Leitgedante eines Gefeßentwurfs, der von der sozialdemo fratischen Fraktion bei der Preußischen Landesversammlung eingebracht ist.
wegen
Jun§ 1 bestimmt das Gefeß die Niederschlagung aller Disziplinarberfahren und Untersuchungen solcher Dienstvergehen, die vom 9. November 1918 bis zum 9. Mai 1919 im Zusammenhang mit Kämpfen um die staatliche, soziale oder wirtschaftliche Umgestaltung begangen worden sind.
Der§2 fordert Erlaß aller bis zum Inkrafttreten dieses Gefeßes verhängten Disziplinarstrafen.
Die folgenden Paragraphen beschäftigen sich mit der Niederschlagung des Verfahrens; im 6. Paragraph wird Löschung aller amtlichen Vermerke einschließlich derjenigen in den Personalakten gefordert.
Es dürfte bekannt sein, daß bereits eine Verordnung, die eine Amnestie für Disziplinarvergehen der preußischen Beamten ausspricht, vorhanden ist, aber nur für solche Vergehen, die bis zum 8. November 1918 begangen wurden. Gerade für die Zeit nach der Revolution aber ist eine Amnestie notwendig.
Donnerstag, 1. Januar 1920
tammer unter Abgrenzung der Befugnisse dieser Organe vorgeschrieben wird, wo bei einer Behörde weniger als zehn Beamte vorhanden sind, ist durch Zusammenlegung der Bes amten benachbarter Behörden ein Beamtenausschuß zu bilden und wo auch dies nicht möglich ist, ein Vertrauensmann zu wählen;
d) den Beamten das Recht auf Urlaub eingeräumt und die Beurlaubung der Beamten mit der Maßgabe ges regelt wird, daß für die Dauer des Urlaubs vornehmlich die Zahl der Lebensjahre maßgebend ist und die Stellvertretungstoften auf Sie Staatskasse übernommen werden. Gegenseitige Vertretung ist hierbei auf das Mindestmaß zu beschränken;
e) bem Beamten der Eintritt in eine öffentliche Körperschaft gestattet wird, ohne daß er eines Urs Taubs bedarf und Stellvertretungskosten zu tragen hat; f) den Beamten das freie Koalitions- und Versammlungsrecht sowie Preßfreiheit gesichert wird und freie politische Betätigung gewährleistet ist; 8. a) möglichst bald eine zeitgemäße Aenderung des bestehenden Gesetzes, betreffend Disziplinarbergehen der Beamten, herbeizuführen und in dem dieserhalb aufzustellenden Gesebentwurf insbesondere die Einführung einer Berufungsinstanz und eines Wiederaufnahmeverfahrens vorzusehen sowie in bezug auf die Bejezung der Gerichte vorzuschreiben, daß aus der Diensttlasse des Beschuldigten stintuberechtigte Beisitzer zugezogen werden müssen;
b) die Disziplinarstrafen nach einer bestimmten Zeit vorwurfsfreier Führung als gelöscht aus den Akten zu entfernen und zu verhindern, daß fie die weitere Beförderung des Beamten beeinträchtigen,
4. alsbald eine Gefebesvorlage einzubringen, wonach Be= soldungsgeset und das Gefeß, betreffend Gewährung von Ruhegehalt dahin ergänzt werden, daß die Dienstzeit, welche der Beamte während des Krieges in seinem Amte verbracht hat, bei Festsetzung des Besoldungsdienstalters und des Nuhegehalts anderthalbfach angerechnet wird,
5. den infolge des Krieges besonders angestrengten Beamten, Angestellten und Arbeitern des Staates in diesem Jahre einen längeren Erholungsurlaub als bisher üblich zu ge währen.
Das vergangene Dreiflassenparlament speiste seine Staatsbeamten mit einer Trefse oder einem Titel ab. Als nun der Zusammenbruch erfolgte, da zeigte sich mit aller Deutlichkeit die Not der Beamten. Es wurden zunächst vom Reiche anderthalb Milliarden Mark innerhalb dreier Monate zur Die sozialdemokratische Fraktion war es ferner, die ent- Verbilligung der notwendigen Lebensmittel ausgegeben. Die schieden dafür eintrat,„ eine gefeßliche Neuregelung der Ver- Entschuldungssumme betrug 600 M. für Ledige, hältnisse der Beamten und die Sicherstellung ihrer 1000 M. für Verheiratete und 200 M. für jedes Kind. Sie erworbenen Recht e. herbeizuführen". Das kommt in ist im letzten Halbjahr ausgezahlt worden. Außerdem wurden den nachfolgenden Anträgen des Staatshaushaltsausschusses alle Kinderzulagen in allen Orten gleichmäßig auf 50 M. für zum Ausdruc: den Monat festgefeßt und vom September ab nachgezahlt.
1. in die demnächst vorzulegende Verfassungsurkunde Be- Was die Besoldungsreform unbelangt, so ist auf Drängen stimmungen aufzunehmen, durch welche die von den Beamten der sozialdemokratischen Fraktion ein Antrag, der von Zentrum nach den bestehenden Gesezen erworbenen Rechte auf Ge- und Demokraten unterstügt wird, eingebracht, in dem verlangt halt, Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung gewähr wird, eine Neuregelung des Besoldungs2. mit möglichster Beschleunigung ber verfassunggebenden geseges borzunehmen" und bis zu dieser Neuregelung die Landesversammlung den Gnnourf eines Beamtengefeßes laufenden Teuerungszulagen der Staatsbeamten entsprechend den verschäften Teuerungsverhältnissen ab 1. Januar zu unterbreiten, inhalts deffen
leistet werden,
,,
a) den Staatsbeamten ausreichender Schuh gegen Ent- 1920 zu erhöhen. ziehung vom Amt und Ginfommen gewährt wird. Die Entziehung ist nur im Disziplinarivege statthaft;
Aus diesen kurzen Darlegungen geht hervor, daß es ein Verdienst der Sozialdemokratie im Parlament b) die Anstellung der Staatsbeamten auf Lebenszeit ist, daß die wesentlichsten Forderungen der Beamten, die in nach möglichst furz zu bemessender Probezeit fotoie der An- dem von den Konservativen beherrschten Obrigkeitsstaat ausspruch auf Ruhegehalt und Hinterbliebentenversorgung zu- fichtslos toaren, nunmehr erfüllt sind. Die Beamten haben gesichert wird;
c) zur Wahrung der Beamtenintereffen bei jeder Behörde die politischen Freiheiten erhalten, sie sind gleichberechtigte c) zur Wahrung der Beamteninteressen bei jeder Behörde ( Amtsstelle, Dienststelle), die wenigstens 10 Beamte umfaßt, Staatsbürger geworden. An ihnen liegt es nun, zu er die Bildung eines Beamtenausschusses und für kennen, daß der demokratische Staat auch ihr Staat ist. Gustav Heller. jede Provinzialbehörde die Bildung einer Beamten- l
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