Mr. 16. 37. Jahrg.

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Vorwärts

Berliner Volksblatt

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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutfchlands

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Freitag, den 9. Januar 1920.

Vorwärts- Verlag 6.m. b. H., SW. 68, Lindenstr. 3.

Feruivrecher: Amt Morinplas, Nr. 117 53-54.

Am 10. Januar Friedensschluß.

Die Auslieferungsfrage.

Bon Otto Landsberg  .

Während des amerikanischen   Sezessionsfrieges herrschte in den Unionsstaaten starter Born gegen den Präsidenten der abtrünnigen Südstaaten, Jefferson Davis  . Er erichien als der Erzperräter, der Inbegriff aller Greuel der Rebellion, und der ganze Norden Amerifas ballte wider von dem stürmisch erhobenen Ruf, ihm den Prozeß wegen Hoch­berrats zu machen. Als die Niederlage der Südstaaten durch die Waffenstreckung des Generals Lee besiegelt war, fragte den Präsidenten Lincoln ein Freund, ob es in Erwägung aller Umstände nicht besser sein würde, Jefferson Davis   über die Grenzen entfommn zu lassen. Lincoln   erzählte ihm als Antwort die Geschichte eines streng abstinenten Methodisten­predigers im Westen, dem an einem beißen Tage ein Glas faltes Waffer mit etwas Rognaf angeboten wurde; er fagte, daß er den Bufaß von Alkohol durchaus nicht mißbilligen würde menn er nur ohne sein Wissen hinzugefügt würde.

Ein Schreiben Clemenceaus. Pariser Havasdraht: Der Austausch der Ratifikations­urkunden wird am Sonnabend im Ministerium des Aeußern stattfinden. Zugleich wird dem Frhrn. v. Lers. ner ein Schreiben Clemenceaus wegen des abzugeben. den schwimmenden Materials übergeben werden. Die Vertreter der Mächte, die den Friedensvertrag von Ver­failles unterzeichnet haben, werden der Unterzeichnung des Protokolls beiwohnen.

Die Zeremonien.

Die Feierlich leit des Nat filationsaustaufes werden im Ministerium des Aeußern, im Ihreniaal, am Sonnabend um bier, br nachmittags stattfinden. Zunächst wird das Pro­totoll vom 1. November überreicht werden, dann soll der Austauidh der Ratifitatione urkunden stattfinden. Bei den Feierlichkeiten werden folgende Staaten vertreten sein: Frankreich  , Großbritannien  Italien  , Japan  , Belgien  , Bolivia  , Guatemala  , Beru, Bolen, Tichechoslowalei, Siam, Uruguay   und Deutschland  . Die Vereinigten Staaten   fehlen also.

die Vergangenheit Tenten, ihre Bustände als goldene ber­herrlichen und ihre Wiederkehr herbeischnen. Engländer und Franzosen haben feinen Anlaß, ob solcher romantischen An­wandlungen auf das deutsche Bolt spöttisch herabzusehen. Die Rückkehr der Stuarts   und der Bourbonen   beweist, daß es Seiten gegeben hat, in denen breite Schichten des englischen  und des französischen   Volkes für die durch die großen Revo­lutionen des 17. und 18. Jahrhunderts errungenen Freiheiten kein Verständnis besaßen.

Wird Wilhelm II.   vor einen Gerichtshof der Entente gestellt, so haben die reaktionären Ele­mente in Deutschland   in ihm einen Heiligen, der ihnen in politischen Kampfe die wertvollsten Dienste leisten würde. Freilich würde die Entente ihm selbst die Thronkandidatur unmöglich machen, aber die Verehrung seiner Person, die fein Martyrium bei vielen, denen sie icht zum mindesten gleichgültig ist, hervorriefe, würde zum Festhalten an seinen politischen Gedankengängen führen, den Saß gegen die West mächte zur Riesengröße anschwellen lassen und damit der Ide des Revanchefrieges nügen.

Dies alles namentlich dann, wenn der Angeklagte vor seinen Richtern ein würdevolles Verhalten zeigen würde, Die diplomatischen Beziehungen. dessen Aufbringung für einen Mann in gänzlich hoffnungs­Barifer Gavasdraht: 21oyb George, Nitti und loser Lage, der unter sein Leben einen Strich gezogen fient Giemenceau hatten Donnerstag abend ihre erste Susamenkunft. nicht allzu schwer sein fann. Selbst wenn Wilhelm II.  , wa mit dem auf das Infrafttreten des Friedensvertrages folgenden viele Deutsche für seine Pflicht gehalten haben, nach dem Be­Tage, alfo Sonntag, werden die diplomatischen Be- fanntwerden der Friedensbedingungen der Entente erklärt ziehungen mit Deutschland   wieder aufgenommen werden. hätte:„ Ich sehe, daß Ihr das deutsche   Volk für mich leiden De Marcilly wird nach Berlin   abreifen, wo er Frankreich   als lassen wollt, ich liefere mich euch aus, fchont Gefdäftsträger vertreten wird, und Frhr. v. Lersner wird zweifellos Boincasé fein Beglaubigungsschreiben unterbreiten.

Die Gefangenen kommen!

Die Reichsstelle Köln   für Kriegsgefangenenräd. tehr schreibt:

Nach Mitteilung des französischen   Oberkommandos in Mains beginnt& wei Tage nach der Ratifikation des Friedens der Abtransport der Kriegsgefangenen aus Frankreich  , und zwar werden zunächst die im befesten Gebiet beheimateten zurüd geführt werden. Die Gefangenen fommen in Sonderzügen in die Durchgangslager, fo Gießen, Düren  , Jülich   und Eschweiler  bei Aachen  , und zwar in jedes Lager voraussichtlich täglich ein 8 ug mit etwa 1000 Mann.

mein Bolt!" hätte die Entente aus Klugheit ihm die Freiheit laffen müssen. Noch viel mehr müßte staats­männisches Denken sie davon abhalten, sich seiner Person mit Gewalt zu bemächtigen.

Sie sollte ferner darauf verzichten, die von Deutschen   begangenen Kriegsverbrechen vor ihr Forumzuziehen. Es würde sonst sicher dahin kommen. daß nicht wenige der auf der Auslieferungsliste stehenden Deutschen   den Tod durch eigene Hand dem Schicksal, borzichen würden, das ihrer jenseits der deutschen   Grenz­pfähle harrte. Ich fürchte schon heute den Widerball der Schüsse, durch die sie sich entleiben würden. Soll es wirklich geschehen, daß kurzsichtige Engländer und Franzosen  durch ihr starres Festhalten an der Forderung der Ausliefe­rung den furzsichtigsten Deutschen  , den Aldeutschen, für dis Dienste, die diese ihnen im Kriege geleistet haben, ihren Dant abstalten?

Jefferion Davis fiel später in die Hände der Regierung der Nordstaaten, und diese kaum durch seine Gefangennahme in eine böse Verlegenheit. Rarl Schurz schreibt hierüber: ,, Ge stellte sich bald heraus, wie richtig Abraham Lincolne Instinkt gewesen mar, als er in seiner humorvollen Weije dem Bunsch Ausdrud gab, der Anführer der Konföderation möge ohne fein Mitwissen" entkommen. Als Flüchtling hätte er unserer Republit wenig Schaden zufügen tönnen und feine Macht, daheim einen bösen Einfluß auszuüben, wäre erheblich berringert worden. Sein Prestige als Etaatsmann und Voltsführer hatte so wie so unter dem ganz lichen Miglingen des Krieges, der in dem Bolte der Südstaaten so oft schmeichlerische Hoffnungen auf Erfolg er­medt hatte, gelitten; auch hatte er, während er noch am Ruder war, oft die abfällige ritit bedeutender Männer der Konföderation erregtburch seinen Düntel, in Begünstigungssystem, feine Empfindlich. feit. Seine Taunische 8u- und Abneigung, feine Rachsucht, furz, durch seine Querföpfigteit". Biele der erlittenen Migerfolge wurden, oft nicht gang mit Unrecht, ihm zur Last gelegt Als Flüchtling wäre feine Bedeutung infolgedessen gleich Null gewesen. Aber nyn war er eingeferfert, er, ber große Vertreter einer berlorenen Sache!"... Da erschien er, der im Kerker und in Retten schmachtete, als ein Märtyrer, der für sein Bolt Qual Die Gefangenen bleiben in diefen Lagern 48 Stunden zur und Schande von einem erbarmungslosen, rachfüchtigen Teinde erduldete. Dieser Nimbus, diefe Märtyrerkrone verliehen ihm Einkleidung und Ausstellung ihrer Papiere. Sie dürfen während Es kann nicht davon die Rede sein, daß die Entente durch einen erheblichen Einfluß auf Berstand und Gemüt der Süd. biefer Zeit die Lager nicht verlassen. Es ist erlaubt, aus dem staatler.... Sein etwas fragwürdiges Selden- und Märtyrer. Lager an ihre Angehörigen Postkarten mit Ankunfts- ihr Prestige genötigt ist, auf der Auslieferung zu bestehen. benachrichtigung abzusenden. Ein formeller Empfang in Das fürzlich erlassene deutsche Gesez, das die Zustän­tum trug ihm die blinde Ergebenheit eines großen Teils jener ben Lagern und gemeinsame Kundgebungen sowohl feitens digkeit des Reichsgerichts für die Aburteilung von Kriegs­Bevölkerung der Südstaaten ein, au beren Unglück und Elenb erber Kriegsgefangenen wie feitens der Bevölkerung auf den Straßen berbrechern begründet und den Ententestaaten eine weit­so viel beigetragen hatte." oder ben zu durchfahrenden Bahnstrecken, Ausschmüdung der gehende Mitwirkung im gerichtlichen Verfahren ermöglicht. Starl Schurz hat denjenigen Teil feiner Erinnerungen, Bahnhöfe ist unterfagt. Die Rüdkehr der Kriegsgefangenen schafft gegenüber dem Rechtszustand der Zeit, in der das bem ich diese Säße entnehme, in englischer Sprache erscheinen darf nur im Kreise der Angehörigen innerhalb des Hauses festlich Verlangen nach der Auslieferung von Kriegsverbrechern ein laffen. Gleichwohl scheint sein Werk in England nicht be. begangen werden. Bestandteil des Versailler Friedens wurde, eine neue fannt zu sein. Zum mindesten haben die englischen Staats- Jeber politifche Anstrich muß ausgefchloffen Tatsache, die der Entente den Verzicht auf die männer von der durch Schurz bezeugten Klugheit Lincolns fein. Der Abtransport aus den genannten Lagern erfolgt nach Auslieferung ermöglicht, ohne daß sie sich etwas nichts in fich aufgenommen. Sonst wäre ihre Saltung in Möglichkeit in besonderen, Transportzügen oder in Zügen bes bergibt. der Frage der Auslieferung des ehemaligen deut- öffentlichen Berkehrs. Im Anschluß an die Rheinländer fol jchen Railers eine andere. gen die übrigen deutschen   Gefangenen. Diefe fahren burch das Wohl jeder Monarch der vor einer republikanischen Er- befette Gebiet unmittelbar in die Durchgangslager des unbe hebung hat weichen müssen, blieb für die monarchistisch festen Gebietes, von wo fie entlaffen werden. geiinnten Parteien feines Landes der Herricher. Sessen Rückkehr auf den Thron ihnen als selbstverständlich galt. Die Monarchisten in Deutschland   machen bezeichnender auch das Bugeständnis des Grafen Westarp, daß die fürz­weise eine Ausnahme von diesem Erfahrungsfab. Sie find lich veröffentlichten kaiserlichen and bemerkunget fich offensichtlich darüber klar, daß die Aussicht. Wilhelm II.   Deutschland   schweren Schaden zuzufügen geeignet waren, der wieder im Besize der Krone zu sehen, nicht geeignet ist, für feiner Behauptung nach nur dadurch verhindert worden ist, ben monarchischen Gedanken Propaganda zu machen. So daß die Minister fie unbeachtet ließen. sprechen fie fich für die Monarchie aus, geben aber mit feinem Wort zu erkennen, daß sie die monarchische Gewalt Wil­ helm II.   übertragen wollen.

In der programmatischen Erklärung, die die Deutich nationale Volkspartei am 14. Februar 1919 in det Deutichen Nationalversammlung durch den Grafen Posa­bowskn abgeben ließ. heißt es:

Dadurch( nämlich durch die Ablehnung des gewaltsamen Um sturzes) wird indeffen nicht unfere grundfäßliche Ueberzeugung berührt, daß die Monarchie insbesondere für Deutschland   die beste Staatsform ist, um den ruhigen und geordneten Gang ber Staatsgeschäfte zu führen. Wir erwarten alles von der gefet­mäßigen Entwicklung, die auf die zunehmende politische Er­tenntnis des deutschen   Voltes fich gründet."

Sier ist von der Sehnsucht nach der Rüdteht bes Ertailers nichts au merken. Bezeichnend ist

Und was Wilhelm II.   anbelangt, so braucht die Entente um von seiner Auslieferung abzuschen und sich dabei einen guten Abgang zu sichern, nur dem Gedanken des Schußes der Kleinen Nationen treu zu bleiben, zu dem sie sich im Kriege so oft bekannt hat. Denn die Niederlande find zun Auslieferung des Kaisers weder verpflichtet noch berechtigt und werden sich voraussichtlich nur gezwungen zu ihr ver stehen. Ein Staat ist nur dann gehalten, eine auf seinem Territorium befindliche Person zur Aburteilung auf das Verlangen eines anderen Staates auszuliefern, wenn diesem die Gerichtsbarkeit über den Auszuliefernden zukommt. Es So urteilt man nicht über Handlungen eines Mannes, gibt aber in feinem der Ententestaaten ein Gefeß, das die den man aus dem Nubestand in die Aktivität zurückzuver Buständigkeit seiner Gerichte für die von einem Deutschen  feben gedenkt. Und der Führer der Deutschen Volkerartei, begangene schwerste Verlegung der internationalen Moral Serr Seinze, ist in der Nede, die er am 10. Oftober 1919 in und der Heiligkeit der Verträge" begründet. Die Nieder­der Deutschen Nationalverfommlung geholten hat. fogar von Ian de find also zur Auslieferung Wilhelms II., die der Perion des lekten deutschen   Kaisers sehr entschieden au- die Entente wegen einer solchen Berlebung fordert, nicht gerückt. Was anders bedeuteten seine Worte: Meine verpflichtet. Dann ist die niederländische Regierung Herren. Sie boben uns vorgebolten, daß wir feinen aber hierzu auch nicht berechtigt. Denn das derzeitige nieder­Monarchen hätten, den wir als Träger der Monarchie ländische Auslieferungsgesetz vom 13. August 1849/6. April präsentieren fönnten. Das ist richtig. Wir ber- 1875 berbietet eine Auslieferung, zu der für die Niederlande treten das monarchistische Prinzip als folches!" feine Verpflichtung vorliegt. Es bedarf nur des Anerkennt­Was würde nun die Folge eines Broz effes nisses diefer Rechtslage, die nicht in Zweifel gezogen werden gegen den Erkaifer fein? In einem Bolte, das wie fann; es bedarf ferner nur der Erklärung der Entente, daß das deutsche zusammengebrochen ist man weiß nicht, ob fie einen ihr aus Rechtsgründen widerstrebenden kleinen in höherem Maße durch den Krieg oder durch den Frieden- Staat nicht vergewaltigen wolle, und der Gedanke des werden stets mehr oder minder große Schichten den Blid in Kaiferprozesses ist erledigt.

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