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Nr. 45 37. Jahrgang

2. Seilage öes vorwärts

Sonntag, 25. Januar 1920

Groß�erün

Die

, Hüter" üer Pressefreiheit. Di« Unabhängigen haben für heilte fünf Pro« te st Versammlungen einberufen. Es gilt, für die be� drohte Pressefreiheit zu demonstrieren. Unter den An- wüsten für die Freihest der Presse befinden sich auch Georg Jedebour, derMacher" der Revolution, und der»er- stossene Polizeipräsident Emil Eichhorn . Ausgerechnet diese beiden sollen ihren gläubigen Zuhörern ein Bild von derVerkommenheit" der Regierung geben und denVerrat" an den Errungenschaften der Revolution geißeln. Da die Versammlungen durch ein V e r b o t deS Polizei- präsidenten verhindert worden sind und Vedebour sowie Eichhorn damit die Gelegenheft genommen wurde, zumre- volutionären Proletariat" zu reden, wollen wir eineKleiniy- keit" in Erinnerung briirgen. Im Januar 1919 waren es die beiden erwähnten Führer der Unabhängigen, die die Massen nicht daran hinderten, sämtlich« Berliner Zeitungen mit Ausnahme der linksradikalen und der reaktiv- nären zu besetzen. Sie, die heute so entrüstet sind darüber. daß die Reichsregierung in der Notwehr um das Leben des Volkes zu retten die verbreche- rischeWühlarbeitder Unabhängigen und Kommunisten unterbindet, indem sie ihre Zeitungen verbietet, taten damals aus krassem Parteiegoismus nichts, um die P r e f f e- srei.heit wiederherzustellen. Wir fragen sie: Wieviel hundert Menschen mußten sterben, weil sich Lrdebonr und Eichhorn bis zum äußersten weigerten, die besetzten Zcitnagsgebändc freizugeben und die gemeuchelte Presse frei Heft wiederherzustellen?_

stark, daß da- Zungenbein zerbrochen ist. Die Nachfor­schungen nach dem zweiten Täter, dem 20 Jahre alten Reinhard Schneider, waren bisher ergebnislos.

Tie Grost-Berliner BezirkSversawmlungen. Ter 17. Ausschuß der Landesversammlung erledigte in seiner Sonnabendsttzung die Bestiminungen über die Bezirksver- sammlungen. Die Zahl der Bezirksverordneten wurde, je nach der Cröß« de» Orte», auf tv. 30. 40 und 45 festgesetzt und die Zabl der Beztrksverordneten für die großen Städte gegenüber der Regierungsvorlage stark herabgesetzt. Im übrigen wurden die Vor- schiäge der Regierung durchweg mit geringen Senderungen a n g e- n o m m e n.

vorzugskurse für Heimkehrer für die Zeit vom 2S. Januar bi» 1. Februar ISSO

D» Tochter de» Polizeiwachtmeister».- Mit einem neuen Trick arbeitet«jre junge Lebensmittelschwindlerin. die es besonders auf Lewe Geschäftsleute und Handwerksmeister ab. gesehen Hai. Um mit den Leuten anzuknüpfen, kaust sie hei den Geschäftsleute u irgendeine Kleinigkeit oder bestellt die Handwerker ,u Autbesserungen nach«inem bestimmten Hause, dessen Verwalter ihr Vater, der.Polizeiwachtmeister Scholz", ser. Sehr geschickt weiß siq. dann die Unterhaltung weiter zu spinnen und auch auf das Gebiet der Lebensmittel hinüberzuspielen. Sie läßt durch- blicken, daß diese in ihrer Familie nicht knapp seien. Ihr Vater gebe den lleberschuß gern zu mäßigen Preisen ab. To unwahr- scheinlich auch diese Geschichte klingt, so wird sie doch geglaubt. Die Leute geben Fräulein.Scholz" gern eine Anzahlung oder auch gleich'den ganzen Kaufpreis und find damit ihr Geld lo». Der Raubmord i» Berlin N. Die Leiche de» ermordeten Alt- Händlers Reinhold Koch au» der Thoriner Str. 5 wurde Sonnabend obduziert. Die Schädeldecke wies fünf 114 bi» 4 Zentimeter lange Verletzungen auf, die jedoch die Schädeldecke nicht zer- trümmert haben. Der Tod ist infolg« von Blutungenzwischen der Gehirnhaut eingetreten. Die Schläge können sowohl von dem Gummiknüppel wie auch von einem großen Schlüssel her- rühren? Die Mörder haben auch ihr Opfer gewürgt und zwar so

Vermischte Lokalnachrichten. Au? Grmch der Ermächtigung d«S Herrn Preußischen Ministers für Volkswohlfahrt verordnet der Mogistrat die Verlängerung der Gültigkeit semer am 25. November 1912 gegebenen Anordmittg bis zum 1. April 1920. Diese Anordnung bestimmt, daß die Vollstreckung von Räumungsarbeiten von der Zu- stimmung deS MieteinigungSamtes abhängig ist und daß die Zu- stimmung erteilt werden muß:») falls Schuldner mit der Mict- zinSzahlung fchuddhafterweise im Verzug ist, oder d) falls für ihn ein andere» geeignetes Unterkommen ge« schaffen ist. Nach einem Beschluß des Magistrats werden die Schulgeldsätze vom 1. Äpril 1920 ab auf 240 M. für Vollanstalten einschließlich Lyzeen und Vorschulklassen, auf 100 M. für Real- schulen und auf 120 M. für Mittel schulen für Mädchen festgesetzt. Bon der Schulgeld st affelung nach Einkommen?- g r u p p e n ist Abstand genommen worden. Die Nachfragen nach dem Verbleib von Paketen au? Amerika gehen bei der Post, be- sonders!n Hamburg, in solcher Zahl ein. daß sie kaum noch regelrecht bearbeitet wenden können. Die» ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß die deutschen Empfänger mit«wer viel zu kurzen VeförderungSdauer rechnen. Von der Einl««ferung w den Vereinigten Staaten bis zur Ankunft am deutschen Bestimmungsort vergehen nach den gemachten Erfahrungen häufig 810 Wochen. Unter diesen Umständen können nur solch« Antragen auf Erfolg rechnen, die frühestens S 10 Wochen nach der Ewlieferung der Vakete abgelassen werden und wegen der m die Hunderttausend« gehende Zahl der Pakete. genaue Angaben über den Tag der Absenkung und wenn möglich den Namen des Beförde- r u n g s d a m p fers enthalten. Fall» der Empfänger hierüber keine Nachricht hat, setzt er sich zur Einleitung von Nachforschungen zweckmäßig mit dem Absender w Verbindung. Der 12iShrige Sohn de? Zigarrenhändlers Bierlein bekam au» noch nicht auf- geklärten Umständen die Pistole de» Pater» w die Hand. Plötzlich entlud sich ein Schuß und traf einen im Laden anwesenden' ver- wandten in den Leib. Der Verletzte ist in das Moabiter Kranken- hau? übergeführt worden._

Die ftSdttscken Bolkskonzerte de» Vlütbner. Orchester» finden im Februar an folgenden Tagen statt: Montag, 2., KSnIgstadt; Montag 9., Happold; Montag 23., Bermanialäle und Freitag. 27., Köniastadt. EintrtitS- karten K 30 Pfg. in der Buchhandlung Vorwärts sowie aus dem Orchester« bureau, vormittag» 111 Uhr.

Urauia. Dienitoa 3 Udr:Entwicklung, vrntpfieg« und Elternliebe'. Sonnlog. Monlaa, Mittwoch, Freilag und Sonnabend:.Thüringen '. Donnertlag spricht ttrx Dr. Heinrotb über.flörperlich« und geistige yugendentwlcklung b-imffcher Vogelarten', mit Lichtbildern nach eigenen ilusnadmen. 9m Hörsaal: Montag: Pros. Dr. Tonatb,.Verflüssigung von Kaien'. Dienstag: Oberstabsarzt Dr. Meißner,.Gesundheit und Krank. beit'. Mittwoch: Dr. D Berndt..Da» sozial« Problem im Tierreich'. Freitag: Bros. Dr. Keßner,.Kupfer und Zinn'. Sonnabend: Pros. Dr. Donalb,..Wärmewellen'.

Neukölln. Die Wahllokale zu de« Elternbeirat»wähle« befinden sich: 1. Gemeirldeschule: Schul« Boddinstr. 55/50. 2. Gemeindesch.: Seljule Bvddinstv.-52/54. Lehrerzimmer. 8. Gemeindesch.: Schule Brmz-.Handjertz-Gtr. 02/04. 4. Gemeindesch.: Schul« Prinz- Haichjery-Str. 02/04. 6. Gemeindesch.: Oberrealschule Emser «tr. 132, Zimmer 5. 0. Gemeindesch.: Turnhalle Mariendorser Weg 09/70. 7. Gemeindesch.: Restaurant, Weisestr. 03. 8. Gemeinde. schul«: Restaurant, Weisestr. 8. 9. Gemeindesch.: Schul« Weser - strafte 9/10. 10. Gemeindesch.: Schule Dorraustr. 120/120, Zimmer 8. 11. Gemeindesch.: Schul« JoncrSstr. 16, Zimmer 5. 12. Gemeindesch.: Turnhall« Kopfftr. 54/55. 13 Gemeindesch: Schule Kopfstr. 54/55, Lehrerzimmer. 14. Gemeindesch: Sebule Kopfstr. 54/55, Lehrer- zimmer. 15. Gemeindesch: Schule Lesfingstr. 38/39, Lehrerzimmer. 10. Gemeindesch: Schule Lesfingstr. 88/39, Lehrerzimmer. 17. Ge- meindeschule: Schule Weserirr. 9/10, Raum 4. 18. Gemeindesch: Turnhalle der I. Mäbchen-Mirtellchule, Donaustr. 120/127. 19. Ge- meindeschul«: Schul« Herrborstplatz, Zimmer 1/2. 20. Gemeindesch: Schul« Hertzborgplatz, Zimmer 1/2. 21./23. Gemeindesch.: Schule Weisestr. 19/20. Zimmer 7. 22. Gemeindesch: Schule Schiller- Promenade 84/35, Zimmer 8. 24. Gemeindesch: Schule Schiller- Promenade 34/35, Zimmer 1. 25. Gemeindesch: Schule Elbestr. 11/12, Zimmer 0. 20. Gemeindesch: Schule Elbestr. 11/12, Zimmer 8. 27. Gemeindesch: Schul« Mariendorfer Weg 09/70, Lehrzrnmer 11.

28. Gemeindesch: Schule Mariendorser Weg 09/70, Lehrz immer 3. 29. Gemeindesch: Schrie Boddinstr. 65/66, Zimmer. 80. Gemeinde­schule: Schule Boddmstr. 52/54, Zimmer 24. 31. Gemeindesch: Schule Rütlistr 40, Zimmer 0. 32. Gemerndesch.: Pflügerstr. 39. Restaurant. 33./34� Gemeindesch: Schule Wcserstr. 9/10. Raum 2. 85. Gemeindescki: Schilturnhalle Richardstr. 47. 30. Gemeindesch.: Schulturnhall- Richardstr. 47. 37. Gemeindesch.: Turnhalle Marien- dorfer Weg 09/70. 38. Gemeindesch.: Schule 28, Mariendorser Weg 69/70, Zimmer 7. 39-/40. Gemeindesckr: Schul« 28, Marien- dorfer Weg 69/70. Zimmer 8. I. Hilfsschule: Hilfsschule Kaiser- Friedrich�Str. 207. Zimmer 2/3. pari. II. Hilfsschule: Hilfsschule Bergstr. 15. III. Hilfsschule: Schule Lessingstr. 38/39. Zimmer 1/2. I. Mädckrenmittelichiile: Schule Donaustr. 120/127. Lehrerzimmer. II. Madrbenmittelschule: Mittelschule Richardstr. 47. Knabenmittel- schule: Schule Donaustr. 120/127, Lehrerzimmer. Zentrale für Einigung Neukölln. Mitgllederverlammlung Mon- tag,>/,3 Uhr, im Lokal von ProhaSka, Boddin-, Ecke Isarstraße.

Grosi-Berliner Lebensmittel.

Berlin . An dieler Boche gelangen zur AiiSgad«: 12b Gramm 9 äse in den Vrolkowmisflonsbezlrkcn 49. 51-58, 61, 76. 178. 179. 223. 228 und 259. Kinder, die zwischen dem 1. Aanuar 1906 und 8l. Januar 1915 geboren sind, erhalten ein Paket Kokaomilchlüßspeise aus besondere Bezug». scheine, die in der Zeit vom 26. bi« 31. Januar in den durck a r ü n« BerkaufSlchilder gekennzeichneten Buttergelchäiten. sowie in den Filialen der Konsumgenossenichast und de» BeamIen-DIrtschastS-BereinS vorzulegen find. Der nächste Bertaul von städtii-ben Gänlen findet am Freitag von 2 bi» 4st, fllbr in den städtiichen Markthallen statt. Eharlottenbnrg. 2 Plund Kartoffeln. Piund Zucker?275). 125 Kramm Teigwaren("113), 100 Gramm Kraupen(114), 250 Gramm MaiS- fabrikate(2). Kartostelerlatz wird besonder» bekannt gemacht. Echöneberg. Voranmeldung: 250 Gramm Gerftenlabrlkate(111 nnd 112). 1 Päckchen Pudcrpuddingvulver(85). 20 Gramm Därr, wiebeln(36). Ausgegeben werden für auSsallende Kartoffeln 800 Gramm Ka> loff-Istärte« nie 61 f5e-gr), 250 Gramm Haserflocken oder Hasergrütz«(110). Für Jugend- liche 200 Kramm Sago(47). Wilmersdorf . 2 Pfund Kartoffeln fb» nnd 5d). 2 Mund Kohlrüben (So). Ab Mittwoch 260 Gramm Karloffelstärtemebl(5d und 6e), 150 Gramm Haserflocken(5k und g), 875 Gramm Zucker(81), 100 Kramm Siel»(114), 125 Kramm Teigwaren(118). Für Jugendlich« 200 Gramm Teigwaren(J 47). Für Kranke Eier(51. i Gtegltn. Wegen Kartoffeln bessstder« Bekanntmachung. Anmeldung von: 100 Kramm Kraupen(1141. 125 Kramm Weizengrieß(1), 250 Kr. Haserflocken(2). 100 Kramm Maisflocken(3). 125 Gramm Nährsuppen oder Morgentrank(4), 250 Kramm Teigwaren(51), 250 Gramm Marmelade(64). Berteilmig von: 250 Kramm Teigwaren. 125 Gramm Gerstengrütze, 125 Gramm Nährsuppen, 850 Gramm gcrrallenmehl. Krankenbrot nur aus Abschnitt 4. Neukölln. 250 Gramm Haserkabrlkate. 800 Gramm Graupen. 200 Kramm Nudeln und 100 Gramm MaiSgrieß. In der 4. Brotlommisfion 125 Kramm Käse bis Montag.. BriN. 200.Gramm Teigwaren<114 und 1). Für KriegSdelchädigte 1 Pfund Grieß<5). Werdende Mütter unh Kinder Psund«rieß(22). 250 Gramm Zerealmehl(W 24). 1 Psund Kraupenmebl. 1 Psund Obst- mu», 1 Pwnd kleine weiße Sobnen,'1, Pfund Milchiüßspeiie. Zwiebeln und Streichhölzer(34). 4 Psund Kartoffeln, 200 Gramm Teigwaren(So und f), 1 Piund Kartoffel scheiden(5g). Treptow . 2 Psund Kartoffeln(5» b), 400 Gramm Kartosfellcheiben, 300 Gramm Bohnen(Sog). 300 Gramm Bohnen aus 2» o der alten Kartoffelkarte. 225 Kramm Gerstengrütze<114 u. 1). Für Jugendliche 200 Kramm Gerstenflocken(48). Für Perionen über 65 Jahre 1 Paket Nähr- hese<81). 250»ramm Roaaenmebl(H 27). FriedrickiSfelde. 1 Pfund Hülsenfrüchte(HauSdaltSkarte), 250 Gramm MalSmebl(1091. 1 Suppenwürfel, 100 Gramm Haferflocken<10g), Nähr­hefe(HauSha.tSkarte). Lichtenberg . Gegen Voranmeldung: 100 Kramm Haserflocken(144). Für Jugendliche 200 Gramm Haierflocken(47Ü). Urlauberbezugskorten 100 Kramm Nährmittel und 250 Gramm Marmelade. Für beimgekchite Krieg«, und Zioilqesangene je 250 Gramm auSI. Hülsenfrüchte(1o 6«). Zucker(440 E. J. Q. K. 8.) 61« 30. Hcrmsdorf. 400 Gramm Hasernähnnlttel als Ersatz sür anSgelallene Kartoffeln t» der letzten Woche. In dieser Woche 3 Psund Kartoffeln und 500 Gramm Großbrot. Blt-Glienicke. 125 Kramm Kraupenmebl<113), 250 Kramm Sau« bobnen(66), 125 Gr. Maisflocken(66), 1 Herwg(67). 125 Gramm Teig- waren<68), 250 Gramm Grieß und ein Paket Zwieback(Nährmiltelkar e). KrlegSbeschädiat« 1 Pfund Kraupemnehl, 4 Pfund Kartoffeln und 3 Pfund Kohlrübe». Für Krank« Sier.

Groy-Serllner parteinachrichtea. �rauenabendc.

Montag?>/, Uhr: X«.. 5. Abt. Schmidt. Alte Jatobslr. 174. Ref. Genossin Lahehne» .Arbeit und Menschenwürde.'

Ss

Jan Krebsereuter. Seine Taten, Fahrten und Meinungen. Aufgcjeichnn von Hanl Müller-Schlöfscr., EradeS stieg die enge, gewundene Treppe zum dritten Stock hinauf und öffnete die kleine Tür zu feiner Wohnung. Im ersten Zimmer. Küche und Wohnraum zugleich, rekelte Billa Quaddelmechel� unten am Trommelofen, so leise eZ giltzg, mit dem Stocheisen, um Lust für daS Feuer zu fchaffen. Vfdht!" machte sie und hob den Zeigefinger,«Trüdeke schläft I" Grades ging auf den Fußspitzen weiter und öffnete be- hutsam die Tür zum Schlafzimmer, machte sie wieder ebenso behautsam hinter sich zu und setzte sich auf einen Stuhl neben dem Bett der schlafenden jungen Mutter. Auf dem Kissen lagen die dicken, schwarzen Zöpfe und auf der Bettdecke die bleichen Hände, beschattet von dem gezackten Rand der weißen Bettjackenärmel. Den Kopf hatte sie nach der Seite gewen- det, denn w schmaler Sonnenstrahl zitterte auf dem Kissen. Neben der Mutter schlief der neugeborene Erbprinz, die roten Fäustchen fest gegen die Backen gepreßt. Grades saß mäuschenstill auf dem geflochtenen Stuhl und rührte sich nicht. Glücklich lächelnd schaute er auf das liebe Bild nnd rieb sich dann die Nase, in der eine auf- quillende Feuchtigkeit ihn kitzelte. Auf der Fensterbank neben den allen Geramentöpfchen. die wieder neue Blätter ansetzten, lag der schwarze Kater. der.Möhr" und ließ sich hie Sonne auf den glänzenden Pelz scheinen. Grades nickte ihm zu. und da sprang er auf. machte einen Buckel, bllnzelte Grades mit feinen goldgelben »Augen an und fing an zu schnurren. Die Zweige, die der Kastanienbaum auS dem Garten des Nachbors bis an da» Fenster hinüberstreckte. trugen tauben- eigroße, klebrige Knospen, die jeden Augenblick platzen wollten. Auf der Dachrinne unter dem Fenster schnirpten die Spatzen. Sechs oder sieben hüpften um ein Weibchen herum ud ichrien sich mit ihren Liebesbeteuerungen bald die Kehle ab. Das Weibchen saß rulsig dazwischen unii ließ nur ab und zu ein mitleidigesSchnirp schnirp" hören. Bis unter dem halben Dutzend Freier eine Balgerei anfing. Da flog das Weibchen davon, und die anderen mit Geschrei hinter- drein.-- Der Frühling kam!.

Grades streckte plötzlich die Beine von sich, reckte die Arme und pumpte seine breite Brust voll Lust. Der Stuhl unter ihm krachte an alle Ecken und wußte nicht, was ihm geschah. Trüdeke regte sich. Grades erschrak, zog die Beine rasch an und hiell sich mäuschenstill. Aber Trüdeke wurde wach. Sie drehte den Kopf zu ihm herum, lächelte ihn an und streckte ihm die Hand ent» gegen. »Wie ist es dir, Mütterke?" fragte Grades leise, ergriff ihre- Hand und streichelte sie. Sie nickte bloß und lächelte.--- Da lag also unser Held Jan und ahnte in feiner Un- schuld nicht, daß ich einmal ein dickes Buch über ihn schreiben und euch soviel von ihm erzählen würde. Glücklicher Jan, du wirft alle die Lügen strafen, die da behaupten, das Leven wäre ein ewiger Kampf, denn du bist mit allen in Frieden ausgekommen. Du hattest keine Feinde, auch nicht unter den bösen Menschen, weil du ihnen ungefährlich warst. Du hast da? Leben immer lachend angeschaut, weil du glaubtest, eS wäre so schön und lebenswert. aber du wußtest nicht, daß es bloß darum dir so vorkam, eben weil du es mit heiterem Gemüt anlachtest. Aber dabei� hattest du doch so klare und nüchterne Augen, daß du Mäusedreck niemals für Pfeffer ansakist. Dein vornehmster Grundsatz, du Sorgloser, war: . Besser einen Tag gut alS alle Tage schlecht". Du pflücktest die reifen Früchte am We�e im Vorbeigehen und aßest dich bauchsatt daran, ohne zu sparen, auch wenn du am anderen Tage am Daumen lutschen und den Schmachtriemen zuzieben mußtest. Du hast dir nie den Kopf zerbrochen, du Glück- sicher, über das Woben? Wohin? Wozu? Du warst da/ und daS genügte dir. und im übrigen ließest du GotteS Wasser über GotteS Land laufen.-- Und fetzt meine Lieben, zieht euer Sonntagshabit an und geht mit mir nach der Zitadellstraße, um des kleinen Jan Taufe mitzufeiern!

vorne am Ausschlag war ein Suppenfleck! Hast den rauS- gekriegt mit heiß Wasser? Und der abgesprungene Knopp

an der West, hast du den Widder angenäht? Und dann mußt du mal nachgucken, ob ich noch eine anständige schwarze HalS- bind Hab, sonst müssen wir rasch ein« neue" Bring dich nit um deine KontenangS, Fernand!" unterbrach ihnj Billa , stellte die Teller ineinander und ging mit ihm ins eheliche Schlafzimmer. Und als sie nach einiger Zeit wieder herauskamen, würdet ihr die beiden wahrhaftig nicht wiedererkannt haben, wenn ich euch nicht ausdrücklich gesagt hätte, es ist Billa und Ferdinand Ouaddelmechel. Er klappte die hölzernen Läden vor das Fenster und schloß die Haustür, und als sie schon einige Schritte gegangen waren, lief er noch einmal um und rüttelte. an der Tür, um sich zu vergewissern, ob sie auch gut im Schloß säße. Seine silbergrauen Hosen saßen so eng um seine spindel- dünnen Steckenbeine und waren durch Stege so stramm ge- zogen, daß er bei jedem Schritte stelzte wie eine ausgedrehte Puppe. Auf der gelben Seidenweste hing leise klirrend eine silberne Uhrkette mit einem Petschaft aus geschnittenem

Rheinkiesel. Die schwarze Halsbinde war zusammengehalten mit einer Nadel, an deren Ende eine Korallenkugel saß.

Am nächsten Sonntag sagte Ouaddelmechel. nachdem er sich nach dem letzten Bissen Rindfleisch mit weißem Kappus mit der Hand den Mund abgewischt hatte, zu seiner Frau: Billa, " sagte er,stell' dat GespühlS solang auf Seit' bis morgen. Zieh' dich an. dat rotgeblümte. Hast du meine Bux aufgebügelt? Ist mein braun«? Rock abgebürstet? Und

Hinter dem Vatermörder verschwand bald sein kleines, gelb- licheS, von feierlichen Falten durchzogenes und von einem grauen Filzzvlinder beschattetes Gesicht. Der Wind trieb die Schöße seines lavaen braunen Rockes weit auseinander wie die Flügel einer Windmühle. Seine Frau, die um einen Kopf größer und um eine Schulter breiter war als er, hatte er fest im Arme. Sie trug ein schwarzes, rotgeblümtes Maussesinekleid, das nach unten durch eingenähte Reifen wie eine Glocke weit auseinander­lief und mft drei Reihen dicker Rüschen geziert war. Es wurde von Ferdinands stesiendcn Beinen bei jedem Schritte aV die Seite aestoßen, und dann sah man ein paar stämmige Waden in selbstgestrickten, derben, weißen Strümpfen. Uni die Schultern log lose ein Tuch aus dünner, gelber Wall? mii langen Fransen. Auf der Brust war das Tuch mit eine, goldenen Brosche zusammen aehasien. die ein Paar derchsun- gene Hände darstellte, nebst den langen Ohrringen ein Hoch- zeitkgeschenk ihres Ferdinand. Ihr dickes, wie ein roter Apfel leuchtendes und immer zum Lachen bereites Gesicht konnte mon von der Seite nicht sehen, weil der schwarze. von einem unterm Kinn zu einer Schleife geknoteten Samt- bände niedergekl-appte große Strohhut es ganz verdeckte. lLortl. folgt)

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