Einzelbild herunterladen
 
  

Nr. 49. 37. Jahrg.

Bezugspreis:

Biertelfährl, 18,501, monaft. 4,50 L feet ins Haus, voraus zahlbar. Bob bezug Monatlich 4,50 t, egil. Bu ftellungsgebühr. Unter Rreuzband für Deutschland   und Desterreich- Ungara 7,75 9, flir das übrige Ausland 12- Mt., bet täglich einmal. Rufteilung 10 Mt.+ Baiuta- Aufschlag. Boite bestellungen nehmen an Dänemart, Holland  , Euremburg, Schweben und die Schweiz  . Eingetragen in die Post­Seitungs Breisliste.

Der Borwärts" mit der Sonntags bellage Bolt u. 8eit erscheint wochen täglich zweimal. Sonntags einmal.

Telegramm- Adresse

Sozialdemofcat Berlin".

Abend- Ausgabe.

Vorwärts

Berliner Volksblatt

Die

15 Pfennig

Anzeigenpreis:

achtgeipaltene Ronpareillezetle foftet 2- M., Teuerungszuschlag 60% Aleine Zinzeigen", bas fett gebrudte Bort 75 Big.( zulässig zweet fettgedruckte Borte), jedes weitere Wort 50 Big. Stellengesuche und Schlafftellenanzeigen das erste Mort 65 Big. jedes weitere Wort 40 Big. Worte über 15 Buchstaben zählen fülr zwei Borte. Teuerungszuschlag 50%- Familien Anzeigen, politische und gewertschaftliche Bereins Anzeigen 2,- die geile ohne Aufschlag. Anzeigen für die nächste Summer milffen bis 5 Uhr nachmittags in Hauptgeschäft, Berlin   GB 68, Linden­Straße 3, abgegeben werden. Geöffnet von 9 Uhr fcüh bis 5 Uhr abends,

Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutfchlands

Redaktion und Expedition: SW. 68, Lindenstr. 3.

Kernivrecher: Amt lortkplas, Str. 15190-15197.

Dienstag, den 27. Jannar  , 1920.

Vorwärts- Verlag G. m. b. H., W. 68, Lindenstr. 3. Fernsprecher: Amt Morinvlas, Rr. 117 53-54.

Die Partei Meuchelmörder.

Die Freude der Reaktionäre.

Durch Hochberrat und meineid seid ihr zur Macht gekommen, und die Stunde der Abrechnung für diesen Hochverrat fommt ganz sicher.

glaubt, sie sei im Abflauen. Was aber immer der letzte Anlaß| Sie schreibt in diesem Artikel über Herrn Erzberger and die für die Tat gewesen sein mag, das steht fest: fie kommt auf das Reichsregierung: Schuldkonto der nationalistischen Hehe... Wir lesen auch schon im Geiste die trampshaften Weißwaschungsversuche, zu denen fich die nationalistische Bresse aufschwingen wird. Aber alles Geschrei wird ihr diesmal wenig helfen. Sie wird mit allem Wortschwall die Tatsache nicht aus der Welt schaffen fönnen, daß hier eine Frucht des übertriebenen, alle Bahnen der Vernunft von Billigkeit gar nicht zu reden verlassenden Agitation vorliegt.

-

-

Die deutsch nationale Presse bemüht sich eifrig, jebe ihr günstige Annahme, daß sie dem Attentat auf Erzberger   innerlich fernstände, durch ein Uebermaß von Roheit und 3ynismus zu widerlegen. Natürlich jehlt es nicht an rein formalen Versicherungen, daß man Gewalt­afte prinzipiell verurteile, aber dicht daneben blißt die Flamme gemeiner Schadenfreude so lichterloh auf, daß die theoretische Verurteilung in ihrem Lichte als eine rein taftische moralische Rückendeckung erscheint. Dazu Die Germania  " hat nur darin nicht recht behalten, daß fommt eine offen zur Schau getragene Sympathie für fie an frampfhafte Weißwaichungsversuche der nationalisti den Täter. Die Partei Meuchelmörder" ist in ihrem schen Presse geglaubt hat. Solch krampfhaftes Bemühen streng christlichen und nationalen Bewußtsein mit der Tat zeigt sich nur in der Minderzahl der reaftionären Blätter. des Fähnrichs von Hirschfeld sehr zufrieden. Bei den meisten ist die Sorge um die Person des lieben, sympathischen Herr Menchelmörders" viel stärker als die Sorge um die Reinhaltung des eigenen Schildes.

Am schlauesten macht es immerhin die Post", die zu dem Attentat sich nur das nötige denkt, aber öffentlich nichts jagt. Sie bringt nur die Meldungen und ver tröstet am Schluß ihre Lejer damit, daß die Fraktion der Deutschnationalen Volkspartei   noch zu der Sache Stellung nehmen werde. Was braucht die" Post" sich also vorher in geistige Unkosten zu stürzen? Eigenes Gewissen ist Lurus. Ein Bostesel" tut nur, wie ihm geheißen.

202it besonderem 8ynismus äußert sich die Deutsche Beitung". Sie schreibt zunächst, daß Erz­ berger   leicht verwundet" fei, was noch sehr dabinsteht, und daß der Täter aus patriotischen Beweggründen gehandelt" hat. Ihr tut die Sache sogar leid, weil nämlich möglicher weise der Prozeß Erzberger- Helfferich ,, bertagt" werden muß: Insbesondere auch in Rücksicht hierauf ist dem Verwun­beten zu wünschen, daß seine Verlegung fich nicht als ernit er weift, es ihm vielmehr möglich wird, mergen( Dienstag) in möglichst unveränderter Frische in den Gerichtssaal zurüdzu. fehren.

-

Das ist der Gipfelpunkt der Frechheit. Die Partei des Meuchelmörders verlangt von dem Opfer, daß es schon am nächsten Tage nach dem Mordanschlag wieder auf den Beinen sei! Ein ähnliches Maß von robem 3nnis mus ist uns noch nicht begegnet. Es wird aber noch übertroffen durch die weitere Bemerkung der Deutscher Beitung", es frene sie ,, um des Täters willen", daß die Verlegung Erzbergers nicht ernst sei. Hier wird die Gesinnungsgemein. schaft mit dem Fähnrich von Hirschfeld offen zugegeben. Die Deutsche Beitung" wird es uns daher nicht verargen, wenn wir sie bon num ab als das Gesinnungsblatt reaktionärer Meuchelmörder öffentlich bezeichnen. Der fromme Reichsbote" beruhigt sein sonst so empfindliches christliches Gewissen mit eben Drudzeilen, wobei auch ihm die moralische Verurteilung der Tat erst hinter dem Bedauern kommt, daß der Prozeß nun am Ende vertagt werden müsse!

Die Deutsche Tageszeitung" handelt nach ihrem Grundfat Frechheit fiegt immer" und bezeichnet die Tot als eine echte Frucht vom Baum der Revolution". Nächstens wird sie noch bebaupten, daß, Ortwig v. Hirschfeld Fähnrich bei der Volksmarinedivifion gewesen sei..

Im Deutschnationalen Boffsverein Schöneberg gab am Montag abend der Hauptgeschäftsführer der Deutschna­tionalen v Rindeiner folger.de Erklärung ab:

Die Barfeileitung benüßt die erste Belegenheit, um aus­drüdlich zu erflären, daß fie diefes Attentat wie jeden politi.. schen Mord auf das entschiedenste verurteilt. Auch wenn diz Beweggründe des jugendlichen Attentäters aus vaterländischem Sbealismus eatfprungen sein sollten, so fönne das doch an der unbedingten Ablehnung einer solchen Tat nicht das geringste ändern.

Auch diese Erklärung ist nichts als eine Beideutigkeit. Man lehnt eine solche Tat in Wirklichkeit nicht ab, wenn man fie als Ausfluß des vaterländischen Idealismus preist. Man kann nach allem diesen im wesentlichen nur dem zustimmen, was die Germania  ", das Berliner   Ben­trumsorgan, in ihrer Morgenansgabe vom Dienstag schreibt:

Erzbergers Befinden.

Minister Erzberger   hat, nach Meldung des W. T. B., die Nacht verhältnismäßig ruhig verbracht. Die Wunde verursachte ihm große Schmerzen und verhindert jede Bewegung des Armes, um so mehr, als sich eine Blutgeschwulft gebildet hat. Die Möntgenaufnahme faan erit heute erfolgen.

Die Tägliche Rundschau" berichtet mit ähnlicher Genugtuung über einen Borfall bei der Stuttgarter Rede Erzbergers, bei dem ihm ein Mann aus der Versammlung einen Strid gezeigt und auf den nächsten Laternenpfahl gewiesen habe und nennt bies eine berständliche Geste".

Die Stellen in den Blättern der rechten Opposition, to Erz­

berger des berüchtigten Dolch stoßes" in den Nüden der Armee bezeichnet wird, sind Legion, die Nationalliberale Korrespondenz vom 5. Januar beliebt sich in der Bariation, daß Erzberger diesen Dolch habe schärfen helfen.

Die Deutsche Tageszeitung" vom 8. Januar spricht von der maßgebenden Einwirkung Erzbergers bei der Entstehung der Schmach paragraphen im Friedensvertrag.

Alle diese Aeußerungen sind nur rein zufällig bei einer ober. flächlichen Rückschau auf die Erzbergerhete aus den Blättern der Rechten herausgegriffen worden. Sie ließen sich nach Belieben vermehren. Wie oft Erzberger   Landesverräter, Reichs­verderber oder, wie ihn z. B. die Post" nennt, Vertrauens. mann ber, Entente" beschimpft worden ist. ließe sich nur an Sand einer umfangreichen statistischen Erhebung nachweisen. So bleibt die Tat des Herrn v. Hirschfeld, lebten Endes an den Urhebern dieser Heye hängen. Sie sind mit schuldig an feinem

Verbrechen.

Im Anschluß an das Verhör des verhafteten Olt. wig von Sirisfeld im Polizeipräsidium erfolgte fofort feine eingehende Vernehmung durch den Oberstaatsanwalt Krause von der Staatsanwaltschaft 1. In dieser Vernehmung hat der Täter im wesentlichen dieselben Angaben wiederholt, die er bereits vorher gemacht hatte. Heute vormittag ist er dem Untersuchungs- bon raefe den berüchtigten Artikel, den er am 30. Juni 1919 richter in Moabit   vorgeführt worden.

Wie gehetzt wurde.

Die beiden Schiffe des einstigen Fahnenjunkers v. Hirschfeld find nur das Echo zahlreicher

begerischer Brestimmen,

von denen hier nur einige wiedergegeben sein sollen. So schrieb die Deutsche Zeitung" vor kurzem über Erzberger anläßlich seiner Stuttgarter Rede:

Bielleicht überlieft fich heute noch einmal der Abgeordnete in der Deutschen Zeitung geschrieben hat:

So ist das deutsche   Volk, das sich über vier Jahre lang mit einem Heldenmut fondergleichen gegen die Welt in Waffen gewehrt hatte, nicht etwa durch den Triumph der feindlichen Heere und ihrer gewaltigen Uebermacht, sondern durch Lügen­spiel und Gaufelei

auf dem Wege einer frivolen Revolution, freiwilliger Entwaffnung und schließlich der Ab­stimmungsschiebung in den fürchterlichen Abgrund ge­stürzt worden. Der Fluch dieses Schicksals trifft in erster Linie die Leute vom Schlage des Herrn Erzberger.

Die seit Jahr und Tag betriebene Heze hat ihren Erfolg ge

Aus der Hand der von ihm mißleiteten Waffen empfängt geitigt. der Demagoge feine Strafe. Es macht ganz den Eindrud, als ob für den Strug Erzbergers das Nu gang i ans Brünnele" demnächst ausgesungen sein wird. Der Krug geht nur so lange zum Brunnen, bis er bricht.

Freie Bahn dem Attentäter.

Nach der Verwundung hat Erzberger zu seinem Beglei Und weiter wird gesagt, daß auf der Stirn Erzbergers der ter geäußert: Wenn mein Kriminalwachtmeister Makel der Leute brenne, die dem Heere mit dem Dolche in den Kirchbaum bei mir gewesen wäre, wäre dies nicht passiert." Rüden gefallen feien.

Der Hannoversche Kurier" schreibt am 6 Januar über die

oben erwähnte Stuttgarter Rede:

Wahrscheinlich, weil Erzberger es nicht wagen barf, fich in Berlin   und anderen großen Städten des Nordens öffentlich zu zeigen, ift er nach Stuttgart   gegangen, um bort, fern vom Schuß,

sein Herz von dem Alpdruck der auf ihn gehäuften Vorwürfe au befreien.

Der Lotal- Anzeiger" schreibt zum Helfferich- Prozeß:

Der Anblick des verhaßten Gegners treibt ihn( elffe. rich) zu immer schärferen Worten, und als er Erzberger den Vorwurf ins Gesicht schleudert, daß er die Propaganda in einer Weise betrieben habe, daß er nicht der deutsche Anti- North­cliffe, sondern der beste Verbündete des englischen Propaganda­ministers war, ba schüttelt er die Hand gegen ihn, daß es fast ben Schein hat, als wolle er ihm das in seinen Händen befind liche Manuskript vor die Füße schleudern.

Die Tägliche Rundschau überschreibt den Bericht eines Bor­trags des Oberfinanzrais Dr. Dang in der Berliner   Ortsgruppe bes Ideutschen Werbandes: Erzberger   als" Zuchtrute Gottes" und gibt folgendes Referat:

DE

Der Vortragende bezeichnet den Reichsfinanzminister als den unseligsten Menschen, ben der Zorn Gottes

tenferem gefallenen Volfe als Zuchtrute auf den Leib gebunden habe, als die Intarnation der deutschen Sünde, die uns ins Unglüd gebracht hat. In wundervoller Einheit der Dinge habe er uns die Waffenstillstandsbedingungen, die Aus­lieferung der Flotte, die Friedensbedingungen verschafft, und jetzt werde er auch noch dem deutschen Wirtschaftsförper den Todes­stoß bersetzen.

Ge ist mohl tein 8ufall, daß der feige Revolverheld fih in dem Moment einstellte, in dem der fanatische Aufturm ber politischen Gegner gegen Erzbergers berfönliche Ehre an der Wahrheit der bereidigten Zeugen, an den Worten der mitf­lich Wiffenden zu erlabmen begann Wir lehnen es bis gum Beweise des Gegenteils ab, an einen gedungenen Mörder gu glauben. Dafür halten wir die Heter, insbesondere ihre Führer. für viel zu vorsichtig und solan, als daß fie fich soweit bezgeffen könnten. Um fo ficherer aber scheint es uns, daß der junge Mann ein Opfer der maklofen persönlicen Bebe gegen den Reichsfinansminister ist. Die nun schon seit über einen Vorfall in Weimar  , bei dem einige Soldaten Monaten immer wieder aufs neue durchbricht, wenn man versucht hatten, jig des Ministers ay bemagtigen

Die Deutsche Zeitung" bom 28. Juni 1919 berichtet mit großer Genugtuung unter der Ueberschrift

Herr Erzberger als Lanzenreiter

täter zu Beginn des Prozesses freie Bahn Dieser Ausspruch erinnert daran, daß dem Atten­geschaffen wurde, als der Gerichtsvorsitzende, Land­gerichtsdirektor Baumbach, die zur Bdeeckung Erzbergers erschienenen Kriminaibeamten aus dem Saal wies. Herr Baumbach mag fich jezt gratulieren, daß das Attentat vor, nicht in dem Gerichtssaal erfolgte. Die alldeutsche Bresse aber hat damals diese Handlung des Gerichtsvorsitzenden mit johlendem Beifall begleitet. So schrieb die Tägliche Nundichau" vom 23. Januar:

Der fugelrunde, aber nicht kugelfefte Erzberger, der auf einem Umuwege on die Verhandlungsstelle pekommen ist, hat auch das nur in Begleitung von zwei Leibwächtern gewagt. Die Deutsche Beitung" schrieb ebenso:

Die Kawaffen des großen Mannes bewachen die Schwelle bes Gerichtssaales von draußen. Hat der Vorsißende toirt. lich weise gehandelt, als er sie dort hinwies? Zwei Stimmen im Zuhörerraum Finter mir erörtern den Fall. Standall" flüstert die eine. Haben die Leute nichts anderes zu tun, als mit Grz berger spazieren zu gehen? Ueberall wird eingebrachen und gestollen und die Polizei hat feine Reit und feine Beamte, fich barum zu fümmern. Aber zu so etwas ist Zeit und sind Beamte da!"

Die Deutsche Tageszeitung" sagt zu der gleichen An­gelegenheit:

In Schnt und Bedeckung von zwei Anwälter, einem mit einer Aktentasche von Samsterformat beladenen Privatfefretär und endlich von zwei Privatmameluden, die feine specglänzende Körperlichkeit bor leberfällen" beschützen sollen, zu seinem Kummer aber nicht im Saale   verweilen dürfen, ift Erzberger aufmarschiert.

Die Boft" bemerkt dazu:

Statt der Matrosen, die im Schloß des Grohbergo now Sachsen   den schlafenden Erzberger bewachten, hat der Minifter zwei Gebenmpolizisten hinter sich, deren Lebensaufgabe darin besteht, dafür zu sorgen, daß der Buddenhausener dem deut­igen Volte nicht gestohlen werde.