Nr. 61. 37. Jahrg.
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Dienstag, den 3. Februar 1920.
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Freigabe der Kartoffel: Schwierigkeiten der Volksernährung.
Ziele und Möglichkeiten.
Verkürzung der Brotration.
Der augenblickliche Kartoffelmangel hat weite Streife der Bevölkerung dazu bewogen, in den von der Landwirtschaft einmütig erhobenen Ruf nach Freigabe der Kartoffelwirtschaft Wie die P. P. N." an zuständiger Stelle hören, hat sich die einzufrimmen. Um in dieser schwierigen Frage flar zu sehen, Lage der Getreideversorgung in den letten Tagen noch nicht so vermuß man sich über Ziele und Möglichkeiten der Freigabe beffert, wie es mit Rücksicht auf die fürzlich verordneten Prämien ebenso unterrichten, wie über die sonstigen Begleitumstände, erhofft worden ist. An der langfamen Anlieferung ist wesentlich mit die eine so entscheidende Maßnahme für die menschliche Er- fchuld die ungenügende Kohlenversorgung der Landnährung unter den heutigen Verhältnissen im Gefolge hat. wirtschaft. Obwohl energische Maßnahmen ergriffen worden sind, um Soweit nicht lediglich das Streben nach erhöhtem Ver- Abhilfe zu schaffen, ist eine Erleichterung zurzeit noch nicht zu verdienst den Ruf nach der freien Kartoffelwirtschaft ausgelöst fpüren. Infolgedeffen wird eine Herabsetzung der Ration hat ,, werden folgende Gründe angeführt: das teilweise Vervon 260 Gramm auf 200 Gramm
fagen der städtischen Versorgung, ferner die Mög- in nächster Zeit vorübergehend unvermeidlich sein. Die un lichkeit, durch Freigabe die Startoffelerzeugung zu günstige Gestaltung der Baluta in der letzten Zeit zeigt erneut die heben; dadurch, und zugleich durch die Vermeidung von Schwierigkeiten, Brotgetreide aus dem Ausland zu erwerben. Gs Bewirtschaftungsverlusten eine bessere Sonsumenten muß daher auch aus diesem Grunde mit der inländischen Ernte so beriorgung im nächsten Jahr, Das augenblickliche Stoden der Kartoffel- fparfam wie möglich verfahren werden. belieferung hat folgende Gründe: Der ungewöhnlich
[ notwendigsten Lebensbedarf spekulieren und die Preise vis zur legten Ausbeutung der Kauffraft der Arbeiter in die Höhe schrauben tann. Bestände die Einfuhrmöglichkeit, dann wäre ein Druck auf die Monopolpreise der inländischen Erzeuger möglich.
Auf billige Einfuhren ist aber in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Wenn die Zwangswirtschaft heute leider stark durchlöchert ist infolge der Demoralisation und der gesunkenen staatlichen Autorität, dann muß diese wieder hergestellt werden durch die Macht der Arbeiterschaft. Produktion und Verteilung müssen ehrlich gemacht werden, dann werden wir durchkommen
auch bei nicht völlig ausreichender Gesamterzeugung. Die Wahrung der Lebensinteressen der Arbeiterschaft und Minder. bemittelten erfordert schäriften Protest gegen das frebelhafte Spiel, die Zwangsbewirtschaftung, d. h. eine ehrliche Verteilung der Produktion, beseitigen zu wollen. Wir erwarten vom Reichswirtschaftsminister und allen wirklichen Volksbertretern, daß sie den Bemühungen um Freigabe der Kartoffeln und der anderen Früchte unter feinen Umstände nachgeben, sondern dafür sorgen, daß mit fester Hand alle Maßnahmen zur Produktionssteigerung und ehrlichen Ablieferung
frithe Frost, der die ungenügende Herbsteindeckung ver- Sturm gegen die Zwangswirtschaft. schuldete, stärkste Transporthindernisse, ferner die Der Reichsansschuß der deutschen Landwirtschaft, hat in ungünstige pinchologische Wirkung der Lieferungs - seinen Verhandlungen mit dem Reichswirtschaftsministerium die prämie und endlich die Kartoffel berfütterung auch Aufhebung der Zwangswirtschaft vou Kartoffeln, zur Durchführung kommen. an die Zugfiere, deren lezte Ursachen die Freigabe des Zuder, Vich und Fleisch gefordert. Die Nachricht, Hafers und feine bedeutende, noch immer nicht beendete daß er mit seinen Forderungen durchgedrungen sei oder Preissteigerung sind. Nichts davon beweist die Notwendigkeit einer Aufhebung habe, hat in städtischen Kreisen die schwersten Besorgnisse herwenigstens die entscheidenden Stellen schwankend gemacht der Kartoffelbewirtschaftung. Gegen vorzeitigen Frost hilft vorgerufen. Nach den uns gewordenen Informationen beSeit einigen Tagen streiten in Hamburg- Altona die auch keine freie Wirtschaft, die Beseitigung der Transport- stätigt sich diese Nachricht jedoch nicht, insbesondere ist es Fifa dampfertapitäne und Steuerleute und es trife tann burch freie Wirtschaft nicht erzwungen werden; falsch, daß der Reichsrat für die Aufhebung der Zwangs- drobt fich infolgebeffen der Streit auf die gesamte Selec verfehlte Maßnahmen, wie die ungerechten Sieferungsprämien wirtschaft Stellung genommen hat.
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fischerei auszudebnen.
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und die Freigabe des Hafers werden nicht durch freie Star- Landwirtschaft und Handel laufen Sturm gegen die Die Reeder wollen es wieder, einmal zu einer Kraft. toffelwirtschaft behoben, sondern nur dadurch, daß man sie givangsbewirtschaftung der wichtigsten Lebensunterhaltsmittel. probe tommen laſſen. Aus dem bisher nicht fiar ersichtlichen in Zufunft vermeidet oder wieder rückgäng macht. Wo tat- Eine ungeheuere Gefahr droht der gesamten städtischen Be- Tatbestand geht soviel hervor, daß seitens der Reeder die Entfächlich böswillige Lieferungsverweigerung vorliegt, da find völkerung des Reiches, wenn die zukünftige Ernte, die nur laffung zweier Kapitäne, die fich angeblich Unregelmäßigkeiten zu die Mittel zu ihrer Beseitigung vielfach von einer 8 ag bei Rationierung auch den Mindestbemittelten einen Anteil Schulden lommen ließen, als Streifgrund angegeben wird, haftigkeit, die selbst in Streisen verantwortungsbewußter liefern fann, der freien Preisbildung überlassen wird. Auch während seitens des Vereins der Fisch dampferlapitäne und-Stener Landwirte Staunen erregt. Die gegenwärtigen Hemmungen bei Erzielung von Refordernten bleibt den aus technischen leute in Rundgebungen an die Bevölkerung largelegt wird, daß der Versorgung lassen also keinen Schluß auf eine Unmöglich Ursachen beschränkten Produktionsmöglichkeiten für den von den Reedern ihre Angestelltenausschüsse nicht an teit weiterer Bewirtschaftung zu. einzelnen bei gleicher Verteilung eine beschränkte Ration. er tannt, würden, so daß es sich um ein ungerechtfertigtes VerDas Hauptargument, das die Verfechter der Kartoffel- Daß den Landwirten Preise gesichert werden, die die Pro- balten derselben handele und dabei, die Schuld den Needern zu freigabe anführen, ist die Möglichkeit, hierdurch die Er- duktionskosten decken und einen angemessenen Gewinn sichern, falle.
zeugung zu steigern. Was ist damit gemeint? Eine ist für jeden Städter eine Selbstverständlichkeit, sein gutes Das Streifende ist noch nicht abzusehen und auf dem FischAnbauflächenausdehnung oder überhaupt eine Ver- Recht ist es aber, sich vor der Ausbeutung zu sichern, die ein- marft macht sich bereits eine starte Abnahme der Liefc mehrung des gesamten Nährstoffertrags der Landwirtschaft? treten wird, wenn jedermann bei freier Wirtschaft mit dem rungen bemerkbar. Dies lettere sollte auch wohl in jedem Fall das Ziel aller
Maßnahmen sein. Unbeftreitbar würde die Freigabe der
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müßte.
Wirkungen der Freigabe.
Wenn aber eine wesentlich bessere Startoffelversorgung felbst bei guter Ernte unter der freien Wirtschaft nicht erwartet werden kann, müssen ihre Folgen auf das Preis. niveau und damit auf unser ganzes Wirtschaftsleben geradezu verhängnispoll sein.
Startoffeln, deren Anbaufläche steigern. Ueber den Umfang muß als der Mehrertrag der Kartoffel. Eine tatsächliche eine Folge, die ebenso unerwünscht ist. Das Startoffelangedarf man allerdings nicht zu optimistisch denken. Die Ver- Produktionssteigerung in der gesamten Landwirtschaft würde bot wird ferner durch die Zunahme der gewerblichen größerung des Kartoffelanbaues ist f charf begrenzt durch nur dann eintreten, wenn die Menge des verfügbaren Stunft- Verarbeitung beeinträchtigt werden. Insbesondere wird die verfügbaren Arbeitskräfte die Startoffel braucht brei- büngers durch gefteigerte Erzeugung gehoben werden die Herstellung von Erodenfutterpräparaten einen großen bis viermal mehr Arbeitskräfte auf die Flächen- tönnte. Hier haben alle Kräfte einzusehen. einheit als das Getreide-, durch das notwendige Pflanzgut Umfang annehmen. Die Transportchivierigkeiten werden Nach dem Gesagten sind mit doppelter Vorsicht die bei Fortfall zentraler Zeitung das ihre tum, um auch im und durch den Vorrat an fierischem Dünger. Alle drei Folgen zu prüfen, die die Kartoffelfreigabe nach sich ziehen Zeichen freier Wirtschaft eine, beffere Startoffelversorgung der stehen nur im beschränftem Umfang zur Ver. fügung, fie zu vermehren, ist nicht oder nur in geringem Großstädte zu hindern. Maße möglich. Innerhalb dieses Rahmens. aber wird die Ausdehnung der Anbaufläche eintreten. DaNehmen wir mun an, die Kartoffel erzeugung würde bei drängen sich zwei Fragen auf: Sollte eine derartige, bei freier Wirtschaft tatsächlich steigen, so bleibt es doch höchst immerhin mäßige Ausdehnung nicht auch auf andere Weise ameifelbaff, ob damit auch die Versorgung der Großstädte zu erreichen sein, insbesondere durch Festsetzung eines auch besser wird. Vor allem muß bedacht werden, daß das komder Landwirtschaft genehmend. H. angemessenen Nugen mende Wirtschaftsjahr aller Voraussicht noch immer unter Abfaß schon unter der Zwangswirtschaft hemmten, würden Die mannigfaltigen Faktoren, die einen regelmäßigen Iaffenden Breifes? Und zweitens: eine Anbauflächen- it är f ster Futterknappheit leiden wird. Mit der unter, der Herrschaft des freien Handels noch vermehrt durch vermehrung bedeutet nicht etwa einen vollen Mehr Kartoffel würde nun ein für fast alle Tierhaltungen gleich die erwähnten gesteigerten Verwendungsmöglichkeiten der ertrag um die Ernte der hinzugekommenen mäßig geeignetes Futtermittel frei. Sein Zweifel, daß man Kartoffel sowie durch den Gewinntrieb. Das müßte schon Fläche. Vielmehr ist eine Ausdehnung nur möglich auf davon so sehr wie irgend möglich zu profitieren fuchen wird. an sich eine ganz außerordentliche Preissteigerung hervorSosten einer andern Frucht, im allgemeinen des Getreides. Würde es gelingen, eine Mehrernte von selbst 10 Millionen rufen. Dazu käme aber eine wild cinsegende Konkurrenz der Man muß schon eine 20 prozentige Anbauflächenvermehrung Tonnen zu erzielen, so würde diese Menge auf den Kopf Kommunen, der Werke und der Privatpersonen, die den Preis annehmen, um bei erhöhtem Kartoffelanbau einen Ueberschuß- Großvieh berechnet noch nicht einmal 4 Bfund einer so lebenswichtigen Frucht geradezu ins Phanertrag im Nährwerte zu errechnen. Diese an sich erstrebens- pro Tag bedeuten. Hierbei ist aber eine Vermehrung der tasttiche steigern würden. Die Erbsen mit dein werte Aussicht wird aber bei freier Kartoffelwirtschaft da Schweinehaltung, die als Folge der Kartoffelfreigabe ein 50fachen Friedensniveau ihrer Preise sind ein warnendes Durch wettgemacht, daß eine äußerst starte Kunst- treten wird, noch außer Anjaz geblieben. Rechnet man bei Beispiel. Aber nicht der Kartoffelpreis allein würde diese düngerverwendung zu dieser Frucht zu erwarten dem starken Eiweißgmangel rund eine Tonne Kartoffeln pro Höhe erreichen. Ein wilder und völlig unwirtschaft.. Da aber die vorhandenen Stunstdüngermengen nicht Zentner Lebendgewicht, so werden für eine Erzeugung von licher Kampf um die Betriebsmittel, inbeson beliebig vermehr bar sind, sondern nur in berhältnis Millionen Zentner Lebendgewicht bereits 5 Millionen dere um die Düngemittel wind entbrennen; er ist un mägig geringem Umfange zur Verfügung stehen, so muß der Tonnen Sartoffeln gebraucht. Der Landwirt, insbesondere wirtschaftlich deswegen, weil die wenigen vorhandenen DüngeKunstdünger anderen unrentableren", das heißt in der Be- der kleine, wird sich bei der Freigabe der Kartoffel fogleich mittel ohin zur Anwendung gelangen und weil ihr Nutwirtschaftung verbleibenden Früchten en't 3ogen werden. stark auf Schweinemast werfen. Er kennt das Bedürfnis der effekt nicht größer ist, wenn ein Landwirt sie für teueres Nach dem Gesetz vom abnehmenden Bodenertrag wirft der Großstädte nach Fleisch und Fett, und er weiß genau, daß er Geld im Schleichbandel auf Kosteir der Produktion seines crite zu einer Frucht gegebene Zentner Kunstdünger stärfer feine Kartoffeln in Schweinefleisch noch besser bezahlt erhält Nachbars erwirbt. Der Landwirt wird auch hohe Löhne zu produktionssteigernd als der zweite. Der erste Zentner würde als bei direktem Verkauf. Gänzlich verfehlt ist darum die zahlen bereit sein, auch teure Pferde und Ochsen kaufen, aber also dem Getreide entzogen und als zweiter oder gar dritter Ansicht, die Kartoffeln, müssen bei den hohen Preisen, wie der alle diese Betriebsfaktoren sind gleich teuer, wenn sie zu den Zentner, der dann unbegrenzt rentablen Startoffel zugeführt freie Markt sie mit sich bringen wird. auch auf den Markt übrigen Früchten angewendet werden. Dann erfordern die unabwerden. Eine einfache Berechnung erweist, daß auf fommen. Der natürliche, jekt besonders starke Trieb des änderlichen Wirtschaftsgesetze die Herstellung des natürlichen diese Weise troz der Förderung des Anbaues und der Landwirtes, Bieh und Schweine aufzuziehen, muß gleich Preisverhältnisses, d. H. die Sebung aller anderen Ertragsergiebigkeit der Kartoffel schließlich eine Mehr- zeitig wie die große städtische Nachfrage nach tierischen Er- Produktionspreise auf das Niveau des freigebildeten erzeugung an Nährstoffen in der Gesamtheit der zeugnissen die Entwicklung dahin lenken. Selbst wenn die Kartoffelpreises und der von ihm beeinflußten Betriebsmitteldeutschen Ernte nicht eintritt. Eher fann das gegenteilige Wirkung einträte, nämlich, daß die Landwirte preise. Seine Gefeßgebung fönnte die Berechtigung dieser Gegenteil der Fall sein, da der Rückgang der Getreide die teuren Kartoffein verkaufen, so wäre bestimmt damit zu Forderung in Abrede stellen. Eine ebenso selbstverständliche ernte infolge des ihr entzogenen Düngers stärker sein rechnen, daß dafür um so mehr Getreide verfüttert wird Forderung der wirtschaftlichen Logik wäre es, den Preis dea
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