Nr. 64. 37. Jahrg.
Bezugspreis:
Bierteljährl. 16.50 R1, manatt. 5.50 frei ins Haus. voraus ahlbar. Bo bezug Monatlid 5.50 t. erfl. Bu ftellungsgebühr. Unter Kreuzband file Deutichland und Defterreich- Ungarn 8.75 t für das übrige Ausland 13- M, bei taalich ermal. Ruftellung 11- Mt.+ Baluta Aufschlag. Boftbeftellungen nehmen an Danemart, Holland , Curemburg. Schweden und bie Schwein Eingetragen in die BoftReitungs Breisliste. Der Borwarts" mit der Sonntags beilage Bolt u. Rett ericheint wochen täglich wermal Sonntags einmal
Telegramm- Adresse
Abend- Ausgabe.
Vorwärts
Berliner Volksblatt
15 Pfennig
Anzeigenpreis:
lett
Die achtgespaltene Nonpareillezetle foftet 2.-M., Teuerungszuschlag 60% Aleine Anzeigen". Das gebrudte Bort 75 Bfg.( zuläffig zwei fettgedruckte Worte), jebes weitere Wort 50 Bfg. Stellengesuche und Schlafftellenanzeigen das erfte Wort 65 Big ebes weitere Bort 40 Bfg. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwet Worte. Teuerungszuschlag 50% Familien Anzeigen, politische und gewertschaftliche Bereins Anzeigen 2- ML. bie 8eile ohne Aufschleg. Anzeigen für die nach ft e Nummer müssen bis 5 Uhr nachmittags im Sauptgeschäft. Berlin SW 68. LindenStraße 3, abgegeben werden. Geöffnet von 9 Uhr früh bis 5 Uhr abends.
Redaktion und Expedition: SW. 68, Lindenstr. 3.
Rernivrecher: Amt Mortsplas. Nr. 15190-15197.
Mittwoch, den 4. Februar 1920.
Vorwärts- Verlag G.m. b. H., SW. 68, Lindenstr. 3. Ferniprecher: Amt Morinplas, Nr. 117 53-54.
Lersner nimmt seinen Abschied.
Bei Redaktionsschluß erfahren wir:
Während der Text der franzöfifchen Auslieferungsnote durch den Traht von Baris nach Berlin läuft, verkürzt die deutsche Regierung dem Bublifum die Wartezeit, indem fie ihm mitteilt, was sie zu der viel erörterten Angelegenheit Aus amtlicher Quelle wird uns mitgeteilt, daß Herr den Gegnern und der ganzen Welt zu sagen hat. Noch v. Lersner, als Ministerpräsident Millerand ihm die haben wir feine Gelegenheit, die Mitteilungen der deutschen Note über die Auslieferung habe überreichen wollen, Regierung mit dem Inhalt der Pariser Note zu vergleichen, erklärt habe, er könne diefe Note nicht entgegennehmen, da aber es ist jetzt schon vorauszusehen, daß diefer Bergleich er deren voraussichtlichen Inhalt mit seinem Gewiffen nicht borerit feinen Anhaltspunkt für die Möglichkeit eines Aus- vereinbaren könne. Gleichzeitig hat Herr v. Lersner seinen gleichs bieten wird. Die Entente, oder richtiger, ihr Abschied eingereicht, der ihm von der Regierung be. in dieser Frage führender Teil besteht auf der Aus- willigt worden ist. führung des Friedensvertrags, wie er geschrieben und unterzeichnet ist. Die deutsche Regierung ist dagegen genötigt zu erflären, daß ihr hier eine Leistung zugemutet wird, die physisch und moralisch unmöglich ist.
Die deutsche Regierung fann einen Verfuch zur Erfül lung dieses Vertragspunktes, nicht unternehmen, ohne den schwersten inneren Stampf zu entfeffeln, einen sol chen Rampf fann man aber nicht führen. wenn einem nicht die eigene Ueberzeugung und die Mehrheit des Volfes zur Seite steht. An diefer Ueberzeugung fehlt es, denn niemand in Deutschland hält die Forderung der Gegner, die Beschuiin Deutschland hält die Forderung der Gegner, die Beschuibigten burch ihre eigenen Gerichte aburteilen au laffen, für gerecht. Wollte die deutsche Regierung den Versuch machen, der Forderung der Entente nachzukommen, so würde sie nicht wie ein mit eigenem Willen begabtes Wesen, sondern nur als ein von fremdem Willen in Bewegung gefester Automat handeln, während der Widerstand, der sich ihr entgegenstellt, bon den stärksten Impulsen der Leidenschaft befeelt ift.
bie schwersten Erschütterungen
Auslieferung der angeschuldigten Berfonen befiehen, so würben fich aller Buzaussicht nach nur solche Personen freiwillig ben ausländischen Gerichten f.den, die sich schuldlos fühlen und deshalb auf eine Freisprechung rechnen fönnen. Die wirklich Schuldigen dagegen würden der Bestrafung entgehen, ba bie Regierung, wie in ber anliegenden Aufzeichnung näher dargelegt ist, keine Orgahe finden würde, die bereit wären, die Verhaftung und Auslieferung durchzuführen.
Die erwähnte Aufzeichnung hat folgenden Worf laut: Der Standpunkt der Deutschen Regierung, daß die Ehre und Würde des deutschen Volfes es nicht vertragen würde, wenn Volksrungsbegehren der alliierten und affuziierten Regierungen in genossen, die eines Vergehens gegen die Gefche und Gebräuche des Deutschland zweifellos Krieges beschuldigt werden, an fremde Gerichte ausgeliefert werden follten, fann gegenwärtig nicht geltend gemacht werden. Aber die nicht nur auf politischem, sondern auch auf wirtschaftlichem Gebiete Tatsache, daß das ganze deutsche Volk ohne Unterschied der Klasse auslösen müßte. Insbesondere würden die durchgreifenden Maß- und der politischen Partei dieses Gefühl teilt, ist von entscheidender nahmen, welche die deutsche Regierung zur Vermeidung des wirt. Bedeutung. Wenn trotzdem die Deutsche Regierung verfuchen schaftlichen Zusammenbruchs, vor allem auf dem Gebiete der ör- würde, die Auslieferung durchzuführen, so würde sie auf allen berung der Probuftion, insbesondere von Kohle, zu er- Seiten greifen im Begriff steht, auf das äußerste gefährdet, wenn nicht unmöglich gemacht. Dies würde natürlich Sie ernstesten Rückwirkungen für die Erfüllung der wirtschaftlichen Verpflichtungen. aus dem Friebensvertrage unmittelbar nach jich stehen.
4
der Beg einer für Deutschland erträglichen und praktisch burch Ja ber Aufzeichnung vom November b. 3. urbe gugleid führbaren Regelung der Angelegenheit angebeutet. Die alltier ten und affoziierten Hauptmächte haben inzwischen auch Kenntnis Das Charakterbild der Beschuldigten schwankt in der erneut ihren ernsten Millen beweist, die eines Kriegsverbrechens bon einem weiteren Schritte der deutschen Stegierung erhalten, der Beitgeschichte, pon der Parteien Gunst und Haß entstellt. oder Kriegsvergehens schuldigen Deutschen der gerechten Bestrafung Wir können die Auffassung, die aus ihnen Helden und zuzuführen. Es handelt sich um das von den deutschen gefeggeben Märtyrer machen will, gar nicht entschieden genug ablehnen. ben Körperschaften einstimmig angenommene, gleichfalls in einem fie haben nicht nur, wenn die gegen fie erhobenen Befchuldi- abbrud angeschlossene Gesetz zur Berfolgung von Kriegsverbrechen gungen auf Tatsachen beruhen, Zaten begangen, deren fich und Striegebergehen vom 18. Dezember 1919. das deutiche Bolf schämen muß, sondern sie haben durch
diese Taten auch die furchtbar fchmere Bage berten und assoziierten Mächte ihren Willen zu erkennen gegeben Der Friedensvertrag ift in Straft getreten, ohne daß die alliier fchuldet, in die das deutsche Bolt heute geraten ist. hätten, in dieser Angelegenheit den bringenden Vorstellungen der Sympathie für die Beschuldigten kann alio als Beweggrund Deutschen Regierung Rechnung zu tragen. In der flaren, durch für die Saltung der Regierung und der Masse des Bolkes bie Ginbrüde ber letzten Wochen nur noch verstärkten lleberzeugung nicht in Betracht kommen.
Aber auch von jenen, die den Beschuldigten mit stärkster Abneigung gegenüberstehen, wird die Auseinanderiebung mit ihnen als eine innere Angelegenheit empfunden. Diefes Empfinden tam am stärfiten in einem Organ der aller äußersten Linfen zum Ausdrud, in dem gefagt wurde, die Beschuldigten verdienten, nicht an fremde, sondern an die eigenen Laternen gehängt zu werden. Eine bolichemistische Regierung etwa vom Schlage der bergangenen Münchener mürde wahrscheinlich gegen die Beschuldigten und viele andere wahllos mit blutiger Schärfe vorgehen, aber auch fie würde sich kaum dazu bereit finden lassen, jene Leute einer fremben. Gerichtsbarkeit auszuliefern. Die Entente würde daher zu ihrem Biel auch dann nicht gelangen, wenn in Deutschland der Bolichewismus fiegte, ein Ergebnis, das herbeizuführen scheinbar die Absicht gewisser Ententepolitiker ist.
bon dem
außerordentlichen Ernste der Situation
auf ben schärfsten Widerstand stoßen. Zunächst würde es wahrscheinlich notwendig sein, ein neues
Gefeß zu schaffen, auf Grund dessen man zwangsweise zur Aus.
führung der Auslieferung, besonders zur Festnahme der auszugegenwärtigen Regierung einen solchen Gefeßentwurf vorlegen wür liefernben Berfonen schreiten tönnte. Wenn die Mitglieder der ben, fo würben fie in der Nationalversammlung nicht bie nötige Majorität dafür finden. In ihren eigenen Parteien würden sie ftimmen würde, würde bei den nächsten Wahlen kompromittiert nicht Gefolgschaft finden, denn jede Partei, welche dein Gesetz zusein. Aber selbst, wenn ein solches Gesetz angenommen werden würde, würden die Anordnungen der Regierung hinsichtlich der Auslieferung
in Wirklichkeit unausführbar fein. Die Beamten, die bei der Auslieferung ihrer Volksgenoffen verantwortlich au fein und würden sich nicht dazu hergeben, einen mitzuwirken hätten, würben das Gefühl haben, persönlich dafür Deutschen festzunehmen, um ihn den Gerichten der Alliierten und Affozierten Mächte auszuliefern. Die Regierung würde gegenüber einer solchen Haltung ohn mächtig sein.
Sie fönnte diese Beamten aus ihren Stellungen entfernen, hält es die Deutsche Regierung aber für ihre unabweisliche Bflicht, in wären, sich ihren Befehlen zu fügen. Aber abgesehen von diesen aber sie würde teine anderen finden, die mehr geneigt letzter Stunde noch einmal an die alliierten und, affoziierten Mächte Schwierigkeiten würde die Deutsche Regierung, wenn sie Anordheranzutreten, um die Angelegenheit einer die Intereffen diefer nungen diefer Art geben würde, einen Sturm der Entrüftung Mächte befriedigenden, für Deutschland praktisch möglichen Er- entfachen, daß sie sich sowohl gegenüber dem Lande, wie bent ledigung zuzuführen. Sie wiederholt und präzisiert deshalb noch Parlament und den Reichswehrtruppen in einer äußerst einmal den bereits früher zur Erwägung gestellten Vorschlag und schwierigen Bage befinden würde, deren Folgen im einzelnen nicht gibt demgemäß folgende Erklärung ab: Die deutsche Regierung wird die deutschen Strafverfolgungsnäher beschrieben zu werden brauchen. und affoziierten Regierungen als eines Berstoßes gegen die Geber Regierung vor einigen Tagen auf die behörden anweisen, gegen alle Deutschen , die ihr von den alliierten Obwohl es dessen kaum mehr bedürfte, ist die Aufmerksamkeit fete und Gebräuche bes Krieges schuldig benannt werden, unver. jüglich ein Strafverfahren auf Grund des zu überfenbenden Ma. durch eine Mitteilung des Vorsitzenden der Zentrums außerordentliche Schwierigkeit dieser Lage rin's einzuleiten. Sie wird alle Gesetze, die der Einleitung eines folchen Berfahrens etwa entgegenfteben, außer Kraft feßen, ins. partei gelenkt worden. Der Berichterstatter der Zentrums besondere die bestehenden Amnestiegefeße auf. partei bat am 28. Cttober in öffentlicher Sibung erklärt, daß die heben." Mitglieder der Kommission davon überzeugt sind, daß die Aus Die Tatsachen sprechen eine fo deutliche Sprache, daß Buständig für bas Strafverfahren soll das höchste deutsche Ge- lieferung von deutschen Volksgenossen die größten Gefahren für man hoffen kann, im Lager der Alliierten werde alsbald eine richt, bas Reichsgericht in Leipzig , sein. Außerdem wird das ganze politische Leben, ja jogar für die politische ruhigere Ueberlegung Platz greifen. In Deutsch ber jeweils beteiligten Aliierten und Afsoziierten Regierung das gistenz Deutschlands nach sich ziehen würde. Die gegen. land bat man nicht die geringste Luft, eine Katastrophen- Recht eingeräumt, fich an dem Berfahren unmittelbar zu beteiligen. wärtige Regierung sieht keinen Ausweg aus dieser Lage. Aber politik zu treiben, der Bedarf daran ift auf Sabrzebnte bin. Ueber den Umfang dieser Beteiligung fönnte eine besondere Ver- fie muß es als sicher betrachten, daß durch das Verlangen auf aus gedeckt. Ratastrophenpolitik aber treiben diejenigen, einbarung getroffen werden. Es wäre z. B. eine Regelung in dem Auslieferung alle Bemühungen um den Frieden auf das die, auf ihren Schein bestehend. Forderungen stellen, ohne Sinne denkbar, daß die beteiligte Alliierte oder Assoziierte Macht Schwerste gefährdet würden in dem Augenblick, wo der Friete die Folgen zu bedenken, die jeder Verfuch ihrer Erfüllung dem Verfahren einen Vertreter ihrer Interessen beiordnete, der be. fich nach unendlichen Echwierigkeiten zu verwirklichen scheint. mit fich bringen müßte. Es ist au boffen, daß man im fugt wäre, von allen die Soche betreffenden Schriftstüden und Aften Die Deutsche Regierung ist sich dessen bewußt, daß sie von franzöfifchen und im englischen Rolf, wo die Erkenntnis Renntnis zu nehmen, neue Beweisftüde vorzulegen. Zeugen und den Alliierten und Assoziierten Mächten nicht verlangen tann, am allernotwendigsten ist, diesen Sachverhalt verstehen und Sachverständige zu benennen, sowie überhaupt Anträge zu stellen ohne weiteres auf die Rechte, welche sich aus den Artikeln 228 auf ihn Rücksicht nehmen wird. und für die Interessen der verletzten Bortet au plädieren. Allen bis 230 ergeben, zu verzichten. Sie weiß, daß ein vollkom
Der Wortlaut der deutschen Note. Berlin , 4. Februar. ( WTB) Die am 25. Jamuar dem Bräfibensen der Friedenskonferens in Paris überreichte beutsche Note
Lautet:
bon bem Bertreter gestellten Beweisanträgen würde ftattaugeben sein.
Solche Bugen und Sachverständige, die Angehörige einer 2. liierten oder Ajogiierten Macht sind, würden auf Antrag des Vertreters von den zuständigen Gerichtsbehörden ihres Heimatstaates bernommen werden, wobei bem Angeklagten oder seinem VerteidiDie deutsche Regierung hat ben Regierungen der alliierten und ger die Anwesenheit zu gestatten wäre. Die von dem Reichsgericht affosierten Hauptmächte Anfang Nocemter v. 3. die verhang- erlaffenen Urteile türben mit ihrer Begründung veröffentlicht nisvollen Folgen bargelegt, die eine Durchführung ber in werben. Die Deutsche Regierung ist ferner bereit, über die Ein ben Artikeln 228 bis 280 bes Friebensvertrags enthaltenen Bestim.febung einer ameiten Instanz in Verhandlung zu treten. mungen über die Auslieferung von Deutschen haben würde. Diefe Die deutsche Regierung ist fest davon überzeugt, daß sich auf Darlegungen find damals in einer den Vertretern der alliierten und diesem Wege und affoziierten Hauptmächte überreichten, hier nochmals beigefügten Aufzeichnung zusammengefaßt worden.
nur auf diesem Wege
mener Berzicht diefer Artikel mit Rücksicht auf die öffentliche Meinung den Alliierten und Assoziierten Ländern taum möglich ist. Eie will den Alliierten und Assoziierten Regierun gen auch nicht einen formellen und bestimmten Vorschlag einer anderweitigen Regelung, machen.
Die Auslieferungsliste.
Die Auslieferungsliste ist gestern Dienstag in Baris sem Freiherrn von Lersner übergeben worden.
Bon den 800 Deutschen , deren Auslieferung die Entente fordert, stehen, der„ Neuen Zürcher Zeitung " aufolge, je 300 auf der französischen und belgischen Lifte, 100 auf der englischen und der Rest auf der der östlichen Berbündeten. Alle verantwortlichen die den Artikeln 228 bis 280 des Friedensvertrages zugrunde- Chefs der Armee und Marine, außerdem Bethmann Hollweg sollen Die deutsche Regierung hat zur Vervollständigung biefer Dar- liegenden Absichten der alliierten unb assoziierten Mächte tatsächlich ausgeliefert werden. Die Liste wird im Laufe des heutigen Tages legungen noch nachdrücklich darauf hingewiefen, daß das Ausliefe- verwirklichen laffen. Bürben diese Mächte bementgegen auf der ber Reichsregierung übermittelt.